sozial-Politik

Schweiz

Schlaraffenland dank Grundeinkommen?




Seit Jahren fordern Aktivisten, wie hier in Hamburg 2013, das Grundeinkommen.
epd-bild / Norbert Neetz
Der Schweiz geht es gut, betonen viele Beobachter in den Nachbarstaaten. Die Eidgenossen könnten es bald noch besser haben: Sagen sie in einer Volksabstimmung Ja zu einem Grundeinkommen, muss der Staat jedermann monatlich mehr als 2.200 Euro zahlen.

So richtig beklagen können sich die meisten Schweizer nicht - zumindest dann nicht, wenn es ums Geld geht. Steuerlast und Arbeitslosenrate liegen seit Jahren weit unter dem europäischen Durchschnitt, Löhne und Gehälter überragen weit den europäischen Durchschnitt. Dennoch: Der Basler Unternehmer Daniel Häni will den Eidgenossen ein noch besseres Leben bescheren: Mit einem staatlich garantierten "Grundeinkommen" von 2.500 Franken - monatlich und ohne Gegenleistung.

Selbst die Gewerkschaften sind dagegen

Am 5. Juni werden die Schweizer über den revolutionären Plan entscheiden: Die Eidgenossenschaft ist nach Angaben Hänis "das erste Land, das über ein bedingungsloses Grundeinkommen abstimmt". Der neue Artikel 110a in der Verfassung soll die wichtigsten Bestimmungen bündeln: "Der Bund sorgt für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens."

Während Regierung, Parlament, die Wirtschaft und selbst der Schweizerische Gewerkschaftsbund die Idee ablehnen, löst das utopische Konzept vor allem bei Querdenkern Zustimmung aus. Nicht nur in der Schweiz. Der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis sagte in einem Interview: "Die Schweiz ist ideal für Experimente mit dem Grundeinkommen." Das Votum der Eidgenossen wird in jedem Fall Signalwirkung haben - egal ob die Eidgenossen die Pläne verwerfen oder gutheißen. Auch in anderen Staaten wie Deutschland wird das Grundeinkommen diskutiert.

Riesige Umverteilungsmaschine

Den Plänen zufolge soll jeder Erwachsene 2.500 Schweizer Franken (rund 2.260 Euro, Stand 6.5.2016) erhalten - Schweizer und Ausländer sollen in den Genuss der Gabe kommen. Pro Kind soll der Staat rund 625 Franken (565 Euro) auf das Konto der Eltern überweisen.

Ein Beispiel: Verdient ein Versicherungsangestellter bisher 6.000 Franken pro Monat brutto, so hat er diesen Betrag auch künftig zur Verfügung. Jedoch kommen die ersten 2.500 Franken vom Staat. Die restlichen 3.500 Franken zahlt weiter der Arbeitgeber. In der Folge käme eine riesige Umverteilungsmaschinerie in Gang. Zwar würde die zu zahlende Lohnsumme für die Firmen schrumpfen. Aber: Der Staat müsste über höhere Steuern das Geld für das Grundeinkommen erst einmal hereinholen - auch bei den Firmen. Die Befürworter versprechen jedoch: Das Grundeinkommen ist ein "Nullsummenspiel”. Mit anderen Worten: Das nötige Geld ist in der reichen Schweiz vorhanden, der Staat muss es nur gerechter verteilen.

Das Grundeinkommen soll andere staatliche Zahlungen wie Arbeitslosengeld ersetzen, nur individuell höhere Ansprüche als das Grundeinkommen bleiben bestehen. "Das Grundeinkommen ist keine Bezahlung, kein Lohn. Es ist an keine Gegenleistung geknüpft", erläutert der Vordenker Häni. Das Grundeinkommen versteht er vielmehr als ein "wirtschaftliches Bürgerrecht, das ein menschenwürdiges Leben" ermögliche.

"Es ist für alle besser, wenn die Existenz von allen gesichert ist und die Leute auf dieser Basis eigenverantwortlich tätig sind", erläutert Häni. Das bedingungslose Grundeinkommen sei die beste Investition, um die Angst aus der Gesellschaft zu bringen. Angst lähme "den Menschen und ist der unproduktivste Faktor, den wir haben".

"Grundeinkommen spaltet die Gesellschaft"

Die Regierung aber befürchtet: Das Grundeinkommen spaltet die Gesellschaft. Jedermann erhielte eine Unterstützung, "auch ohne einen Beitrag an die Gesellschaft zu leisten", erläutert Innenminister Alain Berset. "Das würde das Gerechtigkeitsempfinden vieler verletzen und damit den sozialen Zusammenhalt gefährden."

Zudem zielen die Gegner des Grundeinkommens auf die ungeklärte Finanzierung. Das benötigte Geld könnte der Staat nur mit "exorbitanten Steuersätzen von 70 bis 100 Prozent" hereinholen, warnt der Ökonom Reiner Eichenberger von der Universität im Schweizer Freiburg. "Unter diesen Umständen muss man die Menschen zur Arbeit zwingen. Das braucht einen Kontrollstaat, und ich kann nicht verstehen, wie freiheitsliebende Menschen so etwas wollen." Letztlich führe das Grundeinkommen in die "Sklaverei".

Jan Dirk Herbermann

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