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Flüchtlinge

Verein "rubicon" unterstützt homosexuelle Asylbewerber




Beratungsgespräch beim Verein "rubicon" in Köln.
epd-bild/Franziska Jünger
In vielen Ländern Afrikas und Arabiens ist Homosexualität ein Tabu oder steht unter Strafe. Doch für homosexuelle Asylbewerber geht die Diskriminierung in Deutschland oftmals weiter. Der Verein "rubicon" will ihnen ein angstfreies Leben ermöglichen.

Auf den Toiletten sucht man vergeblich nach der Unterscheidung in Damen und Herren. Es ist eines von vielen Beispielen, die veranschaulichen, dass in den Räumen des Kölner Vereins "rubicon" alle gleich behandelt werden - ob lesbisch, schwul, bisexuell, trans- oder intergeschlechtlich (kurz: LSBTI). Was dort zum Grundsatz gehört, ist in den Ländern, aus denen die Besucher kommen, alles andere als selbstverständlich. Die Besucher des offenen Treffs bei Sozialarbeiterin Gema Rodríguez Díaz sind überwiegend Flüchtlinge.

"Die Menschen, die zu uns kommen, sind gleich zwei Mal diskriminiert: einmal durch die Migrationsgeschichte, und dann kommt noch die sexuelle Identität dazu", sagt die Leiterin der Integrationsagentur im "rubicon". Der Verein unterstützt seit 40 Jahren Menschen mit jeder sexuellen Orientierung und ihre Angehörigen dabei, selbstbewusst und angstfrei zu leben. Neben Angeboten etwa für Regenbogenfamilien gibt es seit elf Jahren den offenen Treff "baraka" für Menschen mit ausländischen Wurzeln. Das arabische Wort bedeutet "Segenskraft" und ist auch auf Swahili (Segen) ein positives Wort.

4.000 Beratungsgespräche pro Jahr

Kraft brauchen die Besucher: Die Mitarbeiter im rubicon führen im Jahr über 4.000 Beratungsgespräche mit Menschen aus rund 90 Nationen. "Das Coming-out ist immer noch eines der wichtigsten Themen", stellt Rodríguez Díaz fest. "Es ist immer noch viel Scham, Angst und Hemmung dabei." Die wenigsten Flüchtlinge trauten sich, ihre sexuelle Orientierung als Asylgrund anzugeben. "Egal, woher man kommt, wenn das Umfeld sehr konservativ eingestellt ist, ist ein Coming-out schwierig."

30 bis 40 Männer und Frauen kommen jede Woche, darunter viele Flüchtlinge aus dem arabischen Raum oder afrikanischen Ländern. Die meisten haben in ihrer Heimat schlimme Erfahrungen gemacht, einige wurden sogar gefoltert. Der wöchentliche Treff ist ein Schutzraum. "Viele freuen sich schon darüber, dass sie Leute treffen, denen es genauso geht wie ihnen", sagt Rodríguez Díaz und fügt hinzu: "Die beste Anti-Diskriminierungsmaßnahme ist die Begegnung."

Diskriminierung gegen Andersliebende gebe es auch in der deutschen Gesellschaft und vor allem in den Flüchtlingsunterkünften. "Die Diskriminierung, die sie in der Heimat erlebt haben, erleben sie hier wieder", sagt die Sozialarbeiterin. Neben diesen Erfahrungen belastet die Menschen, die zu "baraka" kommen, häufig ihr ungeklärter Aufenthaltsstatus.

Diese Unsicherheit kennt auch Fatima (Name geändert). Sie kam vor zwei Jahren aus Algerien, das jetzt zu einem sogenannten sicheren Herkunftsland erklärt werden soll. Die junge Frau trägt ein weißes Hemd, Jeanshorts und einen Kurzhaarschnitt. Die Caritas in Köln hatte sie an "rubicon" vermittelt. "Meine Familie, mein Land akzeptiert nicht, dass ich lesbisch bin", sagt sie in gutem Deutsch. "Für mich ist das nicht falsch. Ich kann nicht mit einem Mann sein."

In Algerien hatte sie ihr Bruder mit ihrer damaligen Freundin erwischt. Es folgten Schläge, öffentliche Ächtung und ein Kontaktverbot zu ihrer Freundin. Fatima stand von da an unter ständiger Kontrolle des Bruders, durfte nicht mehr arbeiten und das Haus verlassen.

Das hielt die junge Frau bald nicht mehr aus. Eine Freundin half ihr, ein Visum für Spanien zu kaufen, schließlich kam sie nach Deutschland. "Katastrophe" ist das Wort, das ihr zur Anfangszeit in einem Flüchtlingsheim in Köln einfällt. Obwohl sie ihre sexuelle Orientierung aus Angst verschwieg, wurde sie von anderen Flüchtlingen in der Unterkunft als Lesbe bezeichnet und verächtlich behandelt.

Mitarbeiterin der Diakonie überredete sie zum Bleiben

Nach vier Monaten hielt Fatima es nicht mehr aus und wollte zurück nach Algerien. Beim Ausländeramt sagte sie zum ersten Mal: "Ich bin lesbisch." Eine Mitarbeiterin der Diakonie konnte sie schließlich überreden zu bleiben. Inzwischen lebt Fatima in einer eigenen Wohnung, spielt Fußball und ist glücklich - bis auf die Tatsache, dass sie in Deutschland bisher nicht arbeiten darf. "Ich habe hier jetzt eine Familie", sagt sie mit einem Lächeln. In ihre alte kann sie nicht zurück. "Wenn ich gehe, dann bin ich tot", ist sie sicher. Doch ob Fatima in Deutschland bleiben kann, ist unklar. Die Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge steht noch aus.

Gema Rodríguez Díaz sieht die Politik in der Pflicht: "Mein größter Wunsch wäre, dass wir endlich auf europäischer Ebene LSBTI-Personen als besonders schutzbedürftig eingestuft werden." Die Richtlinien seien längst veraltet. Bis dahin müssen homosexuelle Flüchtlinge wie Fatima hoffen und bangen, dass sie in Deutschland bleiben dürfen - bei ihrer neuen Familie.

Franziska Jünger

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