Ausgabe 41/2016 - 14.10.2016
Berlin (epd). Die Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern haben Korrekturen am Bundesteilhabegesetz (BTHG) der Bundesregierung angemahnt. "In vielen Gesprächen mit Selbstvertretungsorganisationen und Verbänden wurde deutlich, dass im Gesetzentwurf noch dringend Änderungen erforderlich sind", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung, die am 11. Oktober in Berlin veröffentlicht wurde. Auch der Deutsche Verein regte noch Änderungen an.
In diesen Wochen tritt das Gesetzgebungsverfahren zum Bundesteilhabegesetz (BTHG) im Bundestag und im Bundesrat in die entscheidende Phase. Das neue Gesetz bringt mit dem Budget für Arbeit, der unabhängigen Beratung, der Trennung von existenzsichernden und Fachleistungen sowie der Einrichtung von Frauenbeauftragten in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen wichtige Neuerungen für Menschen mit Behinderungen auf den Weg. Aber: Die Beauftragten vermissen die konsequente Umsetzung der von Deutschland 2009 ratifizierten UN-Behindertenrechtskonvention im Gesetzesentwurf des Bundesteilhabegesetzes.
"Wir fordern deshalb die Abgeordneten des Bundestages und die Bundesländer auf, sich für wichtige Änderungen zugunsten der Rechte der Menschen mit Behinderungen im Gesetzgebungsverfahren einzusetzen", heißt es in der Mitteilung.
Die Beauftragten fordern unter anderem, Leistungen für Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, an Bildung, Kultur, Freizeit und im politischen Engagement auch für Menschen mit Behinderungen im Alter zu gewähren: "Das Recht auf Teilhabe ende nicht mit einer Altersgrenze." Außerdem verlangen sie, dass niemand aufgrund seiner Behinderungen gezwungen werden dürfe, in besonderen Wohnformen für Menschen mit Behinderungen zu leben. Das sei nach Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention von Deutschland anerkanntes Menschenrecht. Würden diese Rechte eingeschränkt, so sei dies ein nicht zulässiger Eingriff in die Selbstbestimmung der Menschen.
"Ein gutes Bundesteilhabegesetz braucht Änderungen", betonen die Beauftragten. Die UN-Behindertenrechtskonvention sei der Maßstab, an dem das Bundesteilhabegesetz ausgerichtet sein müsse. Zudem müsse das Menschenrecht auf Selbstbestimmung, Gleichstellung und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen mit dem Bundesteilhabegesetz gesetzlich verankert werden.
Der Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge hat sich für die Erprobung von Regelungen im Bundesteilhabegesetz ausgesprochen. Ziel dieser Vorgehensweise solle es sein, vor der Umsetzung der Reform zu testen, dass keine Personen mit Teilhabebedarf aus dem System herausfallen.
Er hat eine Stellungnahme zum Regierungsentwurf des Bundesteilhabegesetzes vorgelegt, in der der Verein fordert, dass auch mit dem neuen Gesetz die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und die inklusive Ausrichtung der Regelsysteme weiterentwickelt wird. "Gerade deswegen kann man elementare Veränderungen wie die Neubeschreibung des Personenkreises bei der Eingliederungshilfe oder die Konzentration auf die Fachleistung Eingliederungshilfe nicht erst festlegen und damit beispielsweise riskieren, dass Personen mit Teilhabebedarf aus dem System fallen." Vielmehr müssten die beabsichtigten Regelungen erprobt und gut begleitet werden, um am Ende das gewünschte Ergebnis zu erreichen.
Außerdem setzt sich der Verein dafür ein, dass die Pflegekasse für Menschen mit Behinderungen, unabhängig davon wo sie wohnen, die gleichen und vollen Leistungen der Pflegeversicherung übernimmt. "Die im Gesetzentwurf gewählte Vorrang-Nachrang-Lösung ist nicht zielführend", sagte Johannes Fuchs, Präsident des Vereins. Es sei auch nicht erkennbar, wie die Ausgabendynamik der Eingliederungshilfe gebremst werden soll und keine neue Kostendynamik entsteht.