Ausgabe 44/2016 - 04.11.2016
Karlsruhe (epd). Kinder und ihre leiblichen Väter haben grundsätzlich das Recht, miteinander Kontakt zu halten. Auch wenn die rechtlichen Eltern den Kontakt mit dem biologischen Vater beharrlich verweigern, gibt ihnen das noch nicht das Recht, das Umgangsrecht mit dem Kind zu verweigern, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am 3. November veröffentlichten Beschluss. Nur wenn dieser Umgang nicht dem Kindeswohl dient, könnten Begegnungen eingeschränkt werden.
Damit erzielte ein aus Nigeria stammender und 2003 nach Deutschland eingereister Flüchtling vor dem Bundesgerichtshof (BGH) einen Teilerfolg. Der mittlerweile in Spanien lebende Mann war eine Liebesbeziehung zu einer verheirateten Frau eingegangen. Der Ehemann duldete den Angaben nach das Verhältnis. Doch als die Frau Ende 2005 von dem Mann Zwillinge bekam, kehrte sie zu ihrem Ehemann zurück. Weil das Paar verheiratet ist, gilt automatisch der Ehemann als rechtlicher Vater der Kinder.
Die Eheleute verweigerten jeglichen Umgang der Kinder mit ihrem leiblichen Vater. Die Zwillinge wussten nicht einmal von dessen Existenz. Sein "Eintreten" in die Familie würde die Kinder verstören und das Familienzusammenleben aller "erheblich beeinträchtigen", machten die Eltern geltend.
Die deutschen Gerichte bestätigten diese Sichtweise und lehnten den Umgang ebenfalls ab. Das Umgangsrecht bestehe nur, wenn zwischen biologischem Vater und den Kindern eine "sozial-familiäre Beziehung" vorliege.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte indes, dass der Umgang zu den Kindern ohne eine Prüfung des Kindeswohls nicht versagt werden dürfe. Der deutsche Gesetzgeber reagierte auf das Urteil und legte fest, dass ein leiblicher Vater, der ernsthaftes Interesse an seinem Kind zeigt, Umgang zu gewähren ist, vorausgesetzt es dient dem Kindeswohl.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) entschied in diesem Fall, dass hier das Kindeswohl gefährdet werde, weil der Kontakt zum leiblichen Vater unvermeidbar zu psychischen Belastungen der rechtlichen Eltern führen würde. Diese Entscheidung hob der BGH nun auf und verwies den Fall an das OLG zurück.
Allein die Weigerung der Eltern, den Umgang der Kinder mit ihrem biologischen Vater zu erlauben, sei noch kein Grund, das Umgangsrecht generell abzulehnen. Es sei gar nicht klar, ob das Kindeswohl gefährdet würde, befanden die Richter. Das folge bereits daraus, dass die Kinder ihre wahre Abstammung gar nicht kennen. Die Gerichte hätten die mittlerweile neun Jahre alten Kinder gar nicht dazu angehört. Ein Kind müsse vor einer gerichtlichen Anhörung oder Begutachtung "bei entsprechender Reife über seine wahre Abstammung" aber unterrichtet werden, entschied der BGH.
Az.: XII ZB 280/15