sozial-Branche

Diakonie

"Einheitliche Pflegeausbildung erhöht Attraktivität des Berufs"




Maria Loheide
epd-bild/Thomas Meyer/Ostkreuz

Am Gesetz zur Reform der Pflegeausbildung scheiden sich die Geister. Die geplante einheitliche Ausbildung in allen Pflegeberufen ist höchst umstritten. Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, hat zwar Verständnis für die Bedenken auch bei diakonischen Trägern und Verbänden gegen Veränderungen. Zugleich stellt sie aber im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) klar, dass sich ihr Verband "weiterhin engagiert für die generalistische Pflegeausbildung einsetzt". Die Fragen stellte Dirk Baas.

epd sozial: Das Gesetz zur Reform der Pflegeausbildung liegt seit einem Jahr im Bundestag auf Eis. Die Union blockiere das Vorhaben, klagt Familienministerin Manuela Schwesig (SPD). Warum geht es da nicht voran?

Maria Loheide: Die beiden Regierungsfraktionen haben es nicht geschafft, eine gemeinsame Position für die abschließende Lesung und die Beschlussfassung des Pflegeberufegesetzes im Bundestag zu finden. Eine Verständigung ist trotz zahlreicher Gespräche zwischen den zuständigen Ministern und Vertreterinnen der Regierungsfraktionen nicht gelungen.

epd: Das muss Gründe haben.

Loheide: Mein Eindruck ist, dass vor allem Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion nicht mehr bereit sind, dem Gesetz in der vorliegenden und in der 1. Lesung beratenen Fassung zuzustimmen. Leider ist die Diskussion inzwischen emotional sehr aufgeladen und sachliche Argumente zählen nur noch eingeschränkt.

epd: Haben Sie Verständnis für die Haltung der Union? Es gibt ja auch viele Altenpflegeverbände, die die Generalistik scheuen wie der Teufel das Weihwasser.

Loheide: Insbesondere Unternehmerverbände gewerblicher Anbieter in der Altenpflege stehen der Reform ablehnend gegenüber. Denn wird die generalistische Ausbildung eingeführt, ist eine Angleichung der Einkommen in der Altenpflege und Krankenpflege absehbar. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege setzen sich dagegen alle intensiv für die baldige Verabschiedung des Pflegeberufegesetzes ein.

epd: Wie steht die Diakonie zu der Reform und wäre es wirklich eine Katastrophe, wenn bei der Altenpflegeausbildung alles beim Alten bliebe?

Loheide: Auch bei uns gibt es einzelne Pflegefachkräfte und Träger, die dem Reformprozess mit Sorge entgegen sehen. Das ist bei Veränderungsprozessen ganz normal. Als Verband setzt sich die Diakonie weiterhin engagiert für die generalistische Pflegeausbildung ein, weil wir davon überzeugt sind, dass sie eine große Chance für die notwendige Weiterentwicklung des Pflegeberufs ist, die auf keinen Fall vertan werden darf.

epd: Wo sehen Sie Gefahren?

Loheide: Der Wettbewerb um Auszubildende wird in den nächsten Jahren drastisch zu nehmen. Die Pflege kann dann nur mit einem attraktiven Ausbildungsangebot und einer interessanten Berufsperspektive bestehen. Die generalistische Pflegeausbildung erhöht die Attraktivität des Berufs durch eine umfassende, europaweit anerkannte Ausbildung, durch vielfältigere Arbeitsmöglichkeiten und bessere Karrierechancen. In der Summe bedeutet der Verzicht auf das Pflegeberufegesetz einen Rückschlag für die dringend notwendige Weiterentwicklung der Pflegeausbildung.

epd: Welche Relevanz hat das Gesetz, um künftig mehr Nachwuchs in der Pflege zu haben? Kritiker weisen immer wieder darauf hin, dass es viel wichtiger wäre, die Arbeitsbedingungen in der Pflege und die Bezahlung der Fachkräfte zu verbessern.

Loheide: Es gibt keine Alternative zwischen generalistischer Pflegeausbildung und besseren Arbeitsbedingungen in den Pflegeberufen. Um dem Fachkräftemangel wirksam zu begegnen, müssen die Rahmenbedingungen in der Pflege und in der Ausbildung verbessert werden. Dabei geht es nicht nur um die Bezahlung der Pflegekräfte.

epd: Wie bewerten Sie die Chancen, das Gesetz im verbleibenden Rest der Legislaturperiode noch auf den Weg zu bringen?

Loheide: Die Hoffnung geben wir nicht auf. Eine seriöse Prognose ist allerdings derzeit nicht möglich. Der Bundesrat hat sich in einer nicht bindenden Entschließung für eine Weiterführung des Gesetzgebungsverfahrens zum Pflegeberufereformgesetz ausgesprochen. Es ist zu hoffen, dass sich der erklärte Wille der Ländervertretungen positiv auf die Einigungsbereitschaft der Regierungsfraktionen auswirkt. Die Pflegeberufe dürfen nicht länger Opfer eines politischen Streits um die dringend erforderliche Weiterentwicklung der Pflegeausbildung sein.


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