sozial-Branche

Kirchenrecht

Diakonie Hessen öffnet sich für Tarifverträge



Die Diakonie Hessen geht auf die Gewerkschaften zu. Die Mitgliederversammlung beschloss am 15. November in Hanau, dass künftig neben dem kirchlich-diakonischen "Dritten Weg" auch "kirchengemäße Tarifverträge" zulässig sind.

Bei den "kirchengemäßen Tarifverträgen" sind weiterhin Streik und Aussperrung ausgeschlossen, wie das Vorstandsmitglied der Diakonie Harald Clausen sagte. Außerdem sei im Konfliktfall eine Schlichtung verbindlich. In Zukunft könne ein kirchlicher Arbeitgeberverband mit den Gewerkschaften einen Tarifvertrag aushandeln.

Elf diakonische Träger, insbesondere der Altenhilfe, seien an Verhandlungen mit der Gewerkschaft ver.di interessiert, erläuterte der Diakonie-Personalchef Christoff Jung dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ein Arbeitgeberverband müsse noch gegründet werden. Dessen Tarifkommission könnte mit einer Tarifkommission von ver.di verhandeln und Tarifverträge abschließen. "Wir gehen davon aus, dass ver.di mitmacht", sagte Jung.

Zweierlei Arbeitsrecht

Die Grundlage für "kirchengemäße Tarifverträge" seien das Tarifvertragsgesetz in Verbindung mit dem kirchlichen Arbeitsrechtsregelungsgesetz. Dieses müsse noch angepasst und von den landeskirchlichen Synoden genehmigt werden.

Bisher werden Gehalt und Arbeitsrecht in Diakonie und evangelischer Kirche durch eine von Arbeitgebern und Arbeitnehmern paritätisch besetzte Arbeitsrechtliche Kommission festgelegt. Kommt keine Lösung zustande, entscheidet ein Schlichtungsverfahren mit einem unabhängigen Schlichter an der Spitze ("Dritter Weg"). Die Gewerkschaften spielen dabei keine entscheidende Rolle. Sie attackieren seit Jahren den "Dritten Weg". Von ver.di war am vor Redaktionsschluss keine Reaktion zu dem Angebot der Diakonie zu erhalten.

Für den größeren Teil der Mitgliedsträger der Diakonie Hessen sei es vordringlich, innerhalb des "Dritten Wegs" zu bleiben und eine einheitliche Arbeitsrechtliche Kommission einzurichten, ergänzte Clausen. Für die diakonischen Mitarbeiter gelte noch zweierlei Arbeitsrecht, je nachdem, ob sie in Hessen und Nassau oder in Kurhessen-Waldeck arbeiten.

Druck durch Digitalisierung und Demografie

Auf der Mitgliederversammlung benannte der Diakonie-Vorstandsvorsitzende Horst Rühl mehrere Herausforderungen für die diakonische und soziale Arbeit, unter anderem die Digitalisierung, den demografischen Wandel und den damit einhergehenden Kostendruck. Zugleich warnte er davor, die Arbeit an rein betriebswirtschaftlichen Maßstäben auszurichten. "Die Rückkehr zu einer sozialen Marktwirtschaft, die das Wohlergehen der Menschen im Blick behält, muss Ziel aller öffentlich-politischen Diskurse sein", sagte er.

Nach Rühls Angaben hat die Diakonie Hessen 2016 mit insgesamt 1.650 hauptamtlichen Mitarbeitenden einen Jahresüberschuss von 4,1 Millionen Euro erwirtschaftet, gegenüber 1,3 Millionen Euro im Vorjahr. Der Überschuss sei wie immer vollständig in die Rücklagen eingestellt worden.

Jens Bayer-Gimm

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