sozial-Recht

Landessozialgericht

Für Pflege müssen Geldgeschenke zurückgefordert werden




Patientin hält Galgen am Pflegebett.
epd-bild/Meike Böschemeyer
Das Landessozialgericht Stuttgart hat entschieden, dass bei der Pflegefinanzierung abgegebene Geschenke als Vermögen anrechenbar sind.

Auch regelmäßige kleine Geldgeschenke sind nach einem Gerichtsurteil vor dem Sozialamt nicht sicher. Zahlt eine Mutter ihren Töchtern die geringen Beiträge zu ihren Lebensversicherungen, können diese Schenkungen für die Unterbringung im Pflegeheim zehn Jahre lang zurückgefordert werden, stellte das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart in einem am 30. Oktober veröffentlichten Urteil klar.

Geklagt hatte eine 84-jährige Frau aus dem Raum Freiburg, die seit Ende 2012 in einer vollstationären Pflegeeinrichtung lebt. Ihre Rente und die Zahlungen der Pflegeversicherung reichten nicht ganz aus, um die gesamten Pflegekosten zu decken. Es fehlte monatlich ein Betrag von rund 160 Euro. Die Frau beantragte daher beim Sozialamt Hilfe zur Pflege.

Schenkungen zählen zum Vermögen

Doch die Behörde lehnte den Antrag wegen vorhandenen Vermögens ab. Die pflegebedürftige Rentnerin verfüge über Vermögen in Höhe von 27.379 Euro. Sie habe aber nur einen Vermögensfreibetrag von 2.600 Euro. Zum Vermögen zählten auch regelmäßige Schenkungen an ihre zwei Töchter. Hier habe die Rentnerin seit 1997 für ihre Töchter die Beiträge für ihre Lebensversicherungen übernommen. Monatlich erhielten die Kinder auf diese Weise 87,64 Euro beziehungsweise 56,13 Euro.

Bevor die Allgemeinheit für die Unterbringung im Pflegeheim einspringen könne, müsse die Rentnerin die Schenkungen, also die geleisteten Versicherungsbeiträge der letzten zehn Jahre, erst einmal zurückfordern und für ihre Pflege verwenden. Die Lebensversicherungen der Töchter seien mit ihrem Rückkaufswert auch problemlos zu Geld zu machen.

Vor dem LSG hatte die Rentnerin mit ihrer Klage jedoch keinen Erfolg. Für die Unterbringung in ein Pflegeheim müsse sie grundsätzlich ihr gesamtes verwertbares Vermögen einsetzen. Dazu zählten auch ihre Schenkungsforderungsansprüche gegen ihre beiden Töchter. Da sie ihren angemessenen Unterhalt nicht mehr alleine bestreiten kann, könne sie nach dem Gesetz von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes verlangen - und zwar zehn Jahre rückwirkend.

Rückkauf der Versicherungen angemahnt

Hier habe die Mutter regelmäßig die - wenn auch geringen - Lebensversicherungsbeiträge übernommen. Mit jedem Monat handele es sich um eine gegebene Schenkung, die zurückgefordert werden könne.

Die Behauptung der Klägerin, dass die Lebensversicherungen als Gegenleistung "für eine kontinuierliche Unterstützung" durch ihre Töchter abgeschlossen worden seien, sei so vage, "dass sie die Einordnung der Zahlungen als Schenkungen nicht infrage stellen kann", befand das LSG.

Auch auf Ausnahmevorschriften, die eine Rückforderung von Schenkungen ausschließen, könne sich die Klägerin nicht berufen. So sei Rückforderung einer Schenkung nicht möglich, wenn der Schenkende seine Bedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Das sei hier aber nicht der Fall. Geschenke könnten auch nicht pauschal zurückgefordert werden, wenn diese nicht mehr da sind. Im konkreten Fall könnten die Töchter die Lebensversicherungen aber problemlos verkaufen.

Schenkungen dienten nicht dem Unterhalt der Töchter

Auch dienten die Schenkungen der Mutter an ihre Töchter nicht deren Unterhalt oder der Hilfe in einer ähnlichen Situation. Dann bestünde ebenfalls kein Rückforderungsanspruch. Gleiches gelte für "Anstandsgeschenke" und "übliche Gelegenheitsgaben" zu besonderen Tagen oder Anlässen. Diese setzten einen geringen Wert voraus. Bei Zahlungen zugunsten einer Lebensversicherung handele es sich aber nicht um "Anstandsgeschenke", entschied das LSG.

Schließlich liege auch keine besondere Härte vor, die eine Rückforderung der Schenkungen unzumutbar machten. Die Klägerin müsse daher für die Deckung ihrer Pflegeheimkosten ihre Schenkungen zurückfordern.

Az.: L 7 SO 1320/17

Frank Leth

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