sozial-Politik

Misshandlungen

Heimkinder: Fast 1.000 Behinderte bislang entschädigt




Behinderte Menschen, die in Heimen gequält wurden, erhalten Entschädigungen.
epd-bild/Jürgen Blume
Behinderte und psychisch Kranke, die in Heimen früher Qualen litten, werden seit diesem Jahr entschädigt. Fast 1.000 Betroffene erhielten bislang finanzielle Hilfen. Anspruch darauf haben aber noch weit mehr Betroffene.

Die Stiftung zur Entschädigung behinderter Heimkinder hat inzwischen mehr als zehn Millionen Euro an Entschädigungen ausgezahlt. Wie das zuständige Bundessozialministerium dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage mitteilte, erhielten bis Ende Oktober genau 971 Betroffene Unterstützungsleistungen in Höhe von insgesamt rund 10,1 Millionen Euro. 1.025 Anträge auf Entschädigungen sind demnach in den zehn Monaten seit Start der "Stiftung Anerkennung und Hilfe" eingegangen.

Behinderte und psychisch kranke Heimkinder, die in stationären Einrichtungen oft brutalen Betreuungsmethoden und Misshandlungen ausgesetzt waren, können über die Stiftung eine pauschale Entschädigung in Höhe von 9.000 Euro sowie Rentenersatzleistungen von bis zu 5.000 Euro erhalten. Von den bislang ausgezahlten 10,1 Millionen Euro entfielen den Angaben zufolge rund 7,3 Millionen Euro auf die pauschale Geldleistung. Die überwiegende Mehrheit der bisherigen Antragsteller (866) kam aus den alten Bundesländern.

Die Stiftung wird getragen von Bund, Ländern und Kirchen, die oftmals Träger solcher Einrichtungen waren. Dies folgt dem Vorbild der Heimkinder-Fonds, über die Opfer repressiver Heimerziehung seit 2012 entschädigt wurden. Ähnliche Hilfen für behinderte und psychisch kranke Heimkinder wurden erst im vergangenen Jahr beschlossen. Verbände hatten lange dafür gekämpft.

Rund 97.000 Antragsberechtigte

Am 1. Januar dieses Jahres ging die Stiftung an den Start. Bis Ende März hatten gerade einmal 86 Betroffene Entschädigungen erhalten. Ab 1. April arbeiten aber auch erst die Beratungs- und Anlaufstellen in den Bundesländern. Die Beratungen selbst wurden nach Angaben des Ministeriums erst im Sommer und Herbst aufgenommen, so dass dort davon ausgegangen wird, dass die Zahl der Antragsteller noch erheblich steigen wird.

Eine Studie geht nach Angaben des Ministeriums davon aus, dass von den mehr als 240.000 Menschen, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe und Psychiatrie untergebracht waren, rund 97.000 Leid und Unrecht erfahren haben könnten und heute noch leben. Antragsberechtigt ist, wer zwischen 1949 bis 1975 in der Bundesrepublik beziehungsweise bis 1990 in der DDR in solchen Einrichtungen gelebt hat.

Bei den Fonds zur Entschädigung von Heimkindern in der alten Bundesrepublik und DDR hatten sich nach Angaben des Ministeriums rund fünf Prozent derer gemeldet, die in Einrichtungen untergebracht waren. Bei einer ähnlichen Quote bei der "Stiftung Anerkennung und Hilfe" wären rund 12.000 Antragsteller zu erwarten.

Betroffene können sich mit ihren Fragen an eine Telefonhotline unter der Nummer 0800/221-2218 wenden. Seit Januar wurden dort den Angaben zufolge 715 Anrufe entgegengenommen.

Corinna Buschow

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