Ausgabe 2/2018 - 12.01.2018
Esslingen (epd). Seit dem couragierten Auftritt eines Auszubildenden aus dem Pflegebereich in einer ARD-Livesendung im Bundestagswahlkampf mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) häufen sich Meldungen, in denen sowohl über eine unzureichende Personalausstattung als auch über fehlende Vorgaben zur Personalausstattung in stationären Pflegeeinrichtungen berichtet wird. Meldungen zur Personalausstattung im Pflegebereich greifen plakative Aspekte in der Regel isoliert auf: Entweder wird unterstellt, dass es keine ausreichenden Vorgaben für die Personalbemessung in stationären Einrichtungen gibt. Oder das Bemühen der Träger und Einrichtungen, die gesetzlichen Vorgaben oder die vereinbarten Personalschlüssel einzuhalten, wird negiert.
Implizit wird damit unterstellt, dass es in stationären Einrichtungen in Deutschland per se keine qualitativ hochwertige Pflege gibt. Dabei gibt es beides: gesetzliche Vorgaben und gute Pflege.
Für die Bundesländer, die noch keine eigene Verordnung zur personellen Mindestausstattung erlassen haben, gilt die Heimpersonalverordnung des Bundes. Die Weiterentwicklung dieser Heimpersonalverordnung wurde in den meisten Bundesländern ernst genommen und gestaltet. So enthält beispielweise die Landespersonalverordnung des Landes Baden-Württemberg eine neue Regelung für die Nachtbesetzung mit klar definierten Vorgaben.
Weiterhin gilt: Für die personelle Ausstattung der Einrichtungen vereinbaren Leistungsträger und Leistungserbringer in den Pflegesatzverfahren nach SGB XI die Personalschlüssel. Grundlage hierfür sind die Rahmenverträge auf Länderebene zwischen der Liga der freien Wohlfahrtspflege und den Leistungsträgern wie Pflegeversicherungen und Sozialhilfeträger. Die Einhaltung der Personalschlüssel wird durch die Heimaufsichten kontrolliert. Daneben sehen die Rahmenverträge in der Regel sogenannte Personalabgleiche zwischen vereinbarter und umgesetzter Personalausstattung vor. Die aktuelle Diskussion zu einer besseren Personalausstattung bildet die Komplexität des Handlungsrahmens von Trägern und Einrichtungen der stationären Pflege nicht ab.
In den Bundesländern gibt es völlig unterschiedliche Ausgangssituationen hinsichtlich der aktuell vereinbarten Personalschlüssel, der baulichen Anforderungen, der finanziellen Situation der Sozialhilfeträger und der sonstigen heimrechtlichen Bestimmungen. Die Hürden für eine Verbesserung sind hier demnach unterschiedlich hoch. Diese Differenzierungen müssen bei der Forderung nach mehr Personal auch differenziert betrachtet werden.
Daneben wirken sich unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern zur Finanzierung der Ausbildung unterschiedlich auf die Gewinnung von Fachkräften aus. Die neuen gesetzlichen Grundlagen für die Ausbildung der Pflegeberufe bieten die Chance, den Zugang von jungen Menschen zu den Pflegeberufen zu verbessern und die Ausbildungsfinanzierung zu vereinheitlichen. Es bleibt hier zu hoffen, dass die Umsetzung möglichst praktikabel und wirtschaftlich erfolgt.
Der Gesetzgeber hat erkannt, dass bei der Personalausstattung und deren Finanzierung an wichtigen Stellen Klärungsbedarf besteht. So ist aus meiner Sicht positiv zu bewerten, dass tarifliche Vergütungen grundsätzlich als wirtschaftlich anzuerkennen sind. Auch ist die Einführung des Personalabgleichs, verbunden mit einer Sanktionierungsmöglichkeit, bei bewusster Unterschreitung vereinbarter Personalschlüssel im Grundsatz nicht falsch, wenn die praktische Umsetzung nicht in planwirtschaftlichen Verfahren endet.
Die im Pflegestärkungsgesetz II angelegte Vereinheitlichung der Personalbemessung ist jedoch aus der Perspektive eines Trägers, der überwiegend in Baden-Württemberg tätig ist, eher mit Skepsis zu sehen. Durch diese Vereinheitlichung könnte sich eine Absenkung der - im Vergleich zu anderen Bundesländern - relativ hohen Personalschlüssel in Baden-Württemberg ergeben, die nicht nur politisch nicht gewollt sein kann.
Eine bessere Personalausstattung kann finanziert werden. Eine Verbesserung der Personalschlüssel hat unmittelbare finanzielle Folgen, die im aktuellen System die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen zu tragen haben. Schon mit den derzeit üblichen Pflegesätzen sind viele Betroffene am Rand ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten.
Hier bedarf es meines Erachtens einer politischen Weichenstellung, die die stationäre Pflege als einen notwendigen Baustein in der Betreuung pflegebedürftiger Menschen in Deutschland akzeptiert. Diese Akzeptanz würde dazu führen, dass die strukturelle Benachteiligung der Versicherten, die auf Hilfe in den stationären Einrichtungen angewiesen sind, überwunden werden kann. Eine Dynamisierung der Leistungen der Pflegeversicherung, die die Mehrkosten der Verbesserung der Personalausstattung trägt, wäre ein sinnvoller und notwendiger Beitrag im Interesse der Bewohnerinnen und Bewohner, aber auch der Mitarbeitenden.
Vergessen wir trotz der vielen negativen Schlagzeilen nicht, dass schon heute in den Einrichtungen der diakonischen Träger viele Tausende Mitarbeitende engagiert die ihnen anvertrauten Menschen bestmöglich versorgen und dass wir in den diakonischen Einrichtungen mit in der Regel höheren Pflegesätzen gute Personalschlüssel und gesicherte tarifliche Vergütungen finanzieren können.
Mich würde es freuen, wenn die laufende Diskussion mutig und differenziert geführt wird. Letztlich sollen alle Bemühungen dazu führen, dass im Interesse der Bewohnerinnen und Bewohner und der Mitarbeitenden eine bessere Personalausstattung in der stationären Pflege erreicht wird.