Ausgabe 2/2018 - 12.01.2018
Speyer, Mannheim (epd). Der Sprecher der Diakonischen Werke in Rheinland-Pfalz, Albrecht Bähr, hat sich gegen generelle Alterstests für junge Flüchtlinge ausgesprochen. In besonderen Einzelfällen, wie bei Verbrechen, seien medizinische Überprüfungen jedoch notwendig, sagte der pfälzische Diakoniepfarrer dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Speyer. Der Vorsitzende der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer, Jochen Taupitz, sieht nach dem Tötungsdelikt in Kandel in der Pfalz keinen gesetzlichen Handlungsbedarf.
Für Bähr ist es selbstverständlich, dass der dringend tatverdächtige Flüchtling, der im südpfälzischen Kandel eine 15-Jährige erstochen haben soll, auf sein Alter hin untersucht werde. Der Afghane war ohne Ausweispapiere nach Deutschland eingereist und gibt sein Alter mit 15 Jahren an, daran sind Zweifel laut geworden. Die Staatsanwaltschaft Landau will nun mit Hilfe eines medizinischen Gutachtens das Alter des Tatverdächtigen klären lassen.
Der Mannheimer Rechtsprofessor Taupitz sagte dem epd: "Eine frühe Altersschätzung kann niemanden schützen. Denn an die Altersschätzung knüpfen sich ja keine Konsequenzen wie Einsperren, dauerhafte Überwachung oder Ähnliches." Eine frühe Altersschätzung könne lediglich Fragen beantworten, welche Vorschriften etwa in einem behördlichen Verfahren einschlägig sind, ob das Jugendamt für die Sorge um die Person zuständig ist und ob besondere Leistungen, die Minderjährigen zustehen, gewährt werden.
Diakoniesprecher Bähr appellierte zu mehr Ruhe bei der Diskussion um den Zuzug von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. In Rheinland-Pfalz gehe deren Zahl eher zurück, es gebe Einrichtungen, die wieder über freie Plätze für deren Aufnahme verfügten. Ziel müsse es nun sein, die jungen Menschen besser in die Gesellschaft zu integrieren.
Bähr kritisierte, dass die rheinland-pfälzische Landesregierung bisher keinen klaren Plan für die Integration junger Flüchtlinge habe. Auch wie die Regelversorgung nach der Phase der Erstaufnahme gestaltet und finanziert werden solle, sei nicht eindeutig geregelt. Die Träger von Einrichtungen der Flüchtlingshilfe wie die Diakonie benötigten dringend mehr staatliche Unterstützung. "Die Probleme sind groß, werden größer und wir haben nicht genügend Ressourcen", sagte der Diakonie-Experte. Wenn nicht mehr in die Betreuung und Bildung junger Flüchtlinge investiert werde, drohten sie später zu Sozialhilfeempfängern zu werden.