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Zwischen Blutdruck messen und Grammatik büffeln




Die Albanerin Edlira Shyti im Seniorenzentrum Gundelfingen.
epd-bild/Leonie Mielke
Die Integration von Zuwanderern wird viel diskutiert. Wie es klappen kann, zeigt ein Projekt in Südbaden. 15 Zuwanderer haben in Freiburg im vergangenen Herbst eine Ausbildung zu Altenpflegern begonnen.

Außenstehende könnten meinen, Kultur und Sprache sind die größten Probleme bei der Ausbildung von Flüchtlingen. Doch der Leiter des Seniorenzentrums Gundelfingen (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) Thomas Schellinger-Pusler weiß es besser: "Die größten Hürden sind juristische", sagt er. Seit vergangenen Herbst machen zwei Zuwanderer in dem zum Evangelischen Stift Freiburg gehörenden Seniorenzentrum eine Ausbildung zu Altenpflegern. Eine davon ist Edlira Shyti.

Die 28-jährige Albanerin ist 2015 in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Deutschland gekommen. Zusammen mit ihrem Mann und ihrem Sohn. In Albanien hatte sie drei Jahre lang Jura studiert, aber sie habe keine Aussicht auf feste Arbeit gehabt, erzählt die zierliche Frau. Mit dem Thema Pflege war sie aber schon damals in Berührung gekommen. Zeitweise hatte sie sich in Italien um eine ältere Dame gekümmert.

Dreijährige Ausbildung als Verbundprojekt

Nun lernt Shyti in Praxis- und Theorie-Blöcken Blutdruck zu messen, beim Aufstehen zu helfen und deutsche Grammatik. Denn bei ihrer dreijährigen Ausbildung handelt es sich um ein Verbundprojekt unter Leitung des Welcome Center Sozialwirtschaft Baden-Württemberg namens "Geflüchtete für die Ausbildung in der Altenpflege gewinnen". Das Center wird mit Mitteln des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums unterstützt und befindet sich in Trägerschaft der Diakonie Baden-Württemberg.

20 Ausbildungsstellen sind im vergangenen Jahr in fünf Einrichtungen rund um Freiburg ausgeschrieben worden. 15 davon konnten besetzt werden - zum größten Teil mit Menschen aus Gambia. Bislang laufe das Projekt sehr gut, erzählt Schellinger-Pusler.

Das sei aber nur so, weil sich Behörden, Kommunen und Kollegen sehr bemühten. "Wir haben es zum Beispiel der hiesigen Gemeinde zu verdanken, dass wir so schnell eine nahe gelegene Wohnung für Frau Shyti und ihre Familie gefunden haben", sagt Schellinger-Pusler. Die Kinderbetreuung während der Schichtdienste hat Shytis Ehemann übernommen.

Wichtig: Neun Schuljahre und Deutschkenntnisse

Im Vorfeld diskutierten die Partner des Projektes lange Zeit über die Zugangsvoraussetzungen und deren Nachweise. Auf den Asylstatus kommt es nach jetzigem Stand nicht an. Bewerber können anerkannte Asylberechtigte, Flüchtlinge, die sich noch im laufenden Asylverfahren befinden oder Geduldete sein. Wichtig ist allein, dass sie mindestens neun Schuljahre sowie erste Deutschkenntnisse nachweisen können und Freude an der Arbeit mit Menschen mitbringen.

Beschwerden von Bewohnern über ausländische Fachkräfte hat Schellinger-Pusler schon länger nicht mehr erlebt. "Aus den Erfahrungen anderer Einrichtungen sind mir aber unschöne Situationen bekannt", sagt er. "Fremdenfeindliches Gedankengut gibt es auch in den Köpfen von Heimbewohnern." Sein Konzept: "Wir reden offen darüber." Man dürfe Rassismus nicht einfach ignorieren.

Er selbst freut sich darüber, mit Menschen aus verschiedenen Nationen zusammenarbeiten zu können. "Wir lernen doch voneinander", sagt er. Und es sei wichtig, in Deutschland lebenden Menschen Perspektiven zu bieten. Hinzu komme der Fachkräftemangel in der Pflege. Aus diesem Grund wird das Seniorenzentrum in diesem Jahr wieder fünf Ausbildungsplätze für Zuwanderer anbieten.

Shyti sagt, sie schätze an ihrem Beruf, dass sie anderen Menschen das Leben erleichtern kann. Wenn sie mit ihrer Ausbildung fertig ist, würde sie gerne in Deutschland bleiben. Am liebsten möchte sie weiterhin im Seniorenzentrum Gundelfingen arbeiten.

Leonie Mielke

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