sozial-Recht

Bundesverfassungsgericht

Keine Pflicht für Wechselmodell bei getrennt lebenden Eltern




Geschiedene Mutter mit ihren drei Kindern
epd-bild/Angelika Osthues
Getrennt lebende Eltern haben keinen Rechtsanspruch darauf, dass sie sich jeweils zur Hälfte um das gemeinsame Kind kümmern. Aus dem im Grundgesetz verankerten Erziehungsrecht folgt nicht, dass der Gesetzgeber das sogenannte paritätische Wechselmodell für getrennt lebende Eltern als Regelfall festlegen muss.

Die paritätische Kinderbetreuung durch getrennt lebende Eltern ist keine Pflicht. Weder aus dem Grundgesetz noch aus der UN-Kinderrechtskonvention lässt sich eine Pflicht des Gesetzgebers ableiten, das sogenannte paritätische Wechselmodell als Regelfall für die Betreuung des gemeinsamen Kindes vorzuschreiben, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am 12. April in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss.

Im Streit lagen zwei getrennt lebende, nicht verheiratete Eltern aus dem Raum Rüsselsheim. Beide üben für das gemeinsame Kind auch das gemeinsame Sorgerecht aus. Das Kind lebt jedoch bei der Mutter.

Wechselmodell nur zum Wohle des Kindes

Der Vater wollte gegen den Willen der Mutter gerichtlich das sogenannte paritätische Wechselmodell erzwingen, bei dem die Eltern sich zu gleichen Teilen um das Kind kümmern. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main wies den Antrag des Vaters zurück. Die Eltern seien zu wenig kooperativ, damit das Wechselmodell zum Wohle des Kindes funktionieren könnte.

Damit werde sein im Grundgesetz verankertes Elternrecht verletzt, meinte der Vater. Er rügte, dass die aktuelle Gesetzeslage trotz seines im Grundgesetz verankerten Elternrechts nicht das Wechselmodell als Regelfall vorsieht. Auch aus der UN-Kinderrechtskonvention folge, dass das paritätische Wechselmodell das "Regelbetreuungsmodell" sein müsse. Der Gesetzgeber müsse hier nachbessern.

Die Verfassungsbeschwerde hatte jedoch keinen Erfolg. Weder aus dem Grundgesetz noch aus der UN-Kinderrechtskonvention ergebe sich, dass getrennt lebenden Eltern eine paritätische Betreuung im Regelfall zustehen müsse. Zu Recht habe das OLG diese Betreuungsform im konkreten Fall wegen des Kindeswohls abgelehnt, weil das Verhältnis zwischen den Eltern "hoch strittig" sei.

BGH: Wechselmodell nur bei kooperativen Eltern

Es liege damit auch kein Widerspruch zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 1. Februar 2017 vor, betonten die Verfassungsrichter. Der BGH hatte zwar festgestellt, dass auch gegen den Willen eines Elternteils ein Gericht das paritätische Wechselmodell anordnen könne.

Die gesetzliche Regelung orientiert sich laut BGH zwar am sogenannten Residenzmodell, bei dem ein Elternteil die Kindesbetreuung überwiegend ausübt. Ein gesetzliches Leitbild, das andere Betreuungsmodelle ausschließt, sei dies aber nicht.

Die BGH-Richter hatten damals aber hervorgehoben, dass die Betreuungsform auch dem Kindeswohl entsprechen müsse. Dies wiederum setze die Fähigkeit der Eltern zu Austausch und Zusammenarbeit voraus. Je älter das Kind sei, desto eher könne es bei einem gewünschten Wechselmodell zudem mit entscheiden.

Sei das Verhältnis der Eltern "erheblich konfliktbelastet", liege ein gerichtlich angeordnetes paritätisches Wechselmodell "in der Regel nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes", so der BGH.

Folgen für den Unterhalt

Bei der Wahl des Betreuungsmodells geht es aber nicht nur darum, wer wann mit seinem Kind zusammen sein darf und dieses betreuen kann. Auch unterhaltsrechtlich hat das gewählte Betreuungsmodell Auswirkungen.

Während bei dem Residenzmodell derjenige Elternteil Kindesunterhalt erhält, bei dem das Kind überwiegend wohnt, sieht das beim Wechselmodell etwas anders aus. Nach einem BGH-Beschluss vom 5. November 2014 sind dann beide Elternteile zum Unterhalt verpflichtet. Verdienen beide Elternteile genau gleich, muss keiner dem anderen Kindesunterhalt zahlen. Hat dagegen ein Elternteil ein höheres Einkommen, muss er dies ausgleichen, indem er dem Ex-Partner Barunterhalt zahlt.

Die zeitlich hälftige Aufteilung der Betreuung könne zudem nur ein Indiz für das Vorliegen des Wechselmodells sein. Entscheidend sei letztlich, ob die Eltern auch zu gleichen Teilen die Betreuungsverantwortung für die Kinder übernehmen. Dies müsse ein Familiengericht entscheiden.

Liege dagegen kein Wechselmodell vor, betreue aber der allein unterhaltspflichtige Elternteil die Kinder mehr als üblich, könne die Unterhaltszahlung gemindert werden. Eine Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle sei dann möglich, so der BGH in einer weiteren Entscheidung vom 12. März 2014.

Az.: 1 BvR 2616/17 (Bundesverfassungsgericht)

Az.: XII ZB 601/15 (Bundesgerichtshof zu Kindeswohl und Wechselmodell)

Az.: XII ZB 599/13 (Bundesgerichtshof zu Unterhalt und Wechselmodell)

Az.: XII ZB 234/13 (Bundesgerichtshof zu Unterhalt und Residenzmodell)

Frank Leth

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