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Bundesregierung

Ministerien starten gemeinsame Aktion gegen Pflegenotstand




Die Minister Spahn, Giffey und Heil (v.l.) starten gemeinsame Aktion gegen Pflegenotstand
epd-bild/Rolf Zöllner
Mit einer gemeinsamen Initiative wollen die Bundesministerien für Gesundheit, für Arbeit und für Familie den Pflegenotstand bekämpfen. Die Initiative startete am 3. Juli. Verbände reagierten mit Zustimmung und Forderungen.

Mit der Initiative "Konzertierte Aktion Pflege" sollen mehr Menschen dazu gebracht werden, "den verantwortungsvollen Pflegeberuf zu ergreifen", sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zum Start der Initiative. An der Aktion, zu der auch eine Ausbildungsoffensive gehört, beteiligen sich neben den drei Ministerien seinen Angaben nach auch mehr als 40 Repräsentanten, die aus der Branche kommen oder für sie zuständig sind.

Die Bundesvorsitzende des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, begrüßte die "Konzertierte Aktion Pflege" der Bundesregierung. "Es ist klasse, dass sich die drei zuständigen Ministerien zusammengeschlossen haben", sagte Bentele. Von Spahns Vorhaben, mehr ausländische Pflegekräfte anwerben zu wollen, hält sie allerdings nichts. "Wenn wir aus anderen Ländern Fachkräfte abwerben, wird der Pflegenotstand dort vielleicht verschärft", betonte Bentele.

"Regelrechte Vertrauenskrise"

Spahn sprach bei der Vorstellung der Pflege-Initiative der Bundesregierung von einer "regelrechten Vertrauenskrise", die es vonseiten der Pflegeschaffenden, die unter schwierigen Bedingungen arbeiteten, gegenüber der Politik gebe. Er betonte: "Wir haben verstanden. Wir wollen etwas verändern." Pflegekräfte sollten ermuntert werden, in den Job zurückzukehren oder wieder Vollzeit darin zu arbeiten, sagte Spahn. Dafür wäre auch eine Prämie denkbar. Er sprach sich ferner für eine "gerechte Bezahlung" sowie für attraktivere Arbeitszeiten aus.

Ver.di-Vorstand Sylvia Bühler mahnte: "Die Chance, jetzt schnelle und nachhaltige Verbesserungen auf den Weg zu bringen, darf auf keinen Fall verspielt werden." Gernot Kiefer, Vorstand des GKV-Spitzenverbandes, forderte einen "Strauß wohlüberlegter Maßnahmen". Zu denen zählte er flächendeckende Tarifverträge, eine Ausbildungsoffensive sowie eine bessere Unterstützung pflegender Angehöriger.

Familienministerin Franziska Giffey (SPD), sagte, in Gesprächen mit Pflegekräften wünsche sich die Mehrheit mehr Zeit für ihre Patienten. "Pflegen nach der Stoppuhr muss ein Ende haben", erklärte sie. Derzeit kämen auf 100 offene Stellen lediglich 28 arbeitslos gemeldete Altenpflegekräfte. Daher müsse die Ausbildung attraktiver werden. Ein Beraterteam aus 40 Personen solle künftig durch Deutschland ziehen und Schüler über Pflegeberufe zu informieren. "Es muss cool werden, Pflegekraft zu sein", betonte Giffey.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) fügte hinzu: Es sei nötig, in dem Bereich mehr Tarifbindung zu schaffen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Derzeit seien in der Altenpflege 80 Prozent der Beschäftigten nicht tarifgebunden. Zugleich gebe es mehr und mehr Bedarf. In den nächsten Jahren werde die Zahl der an einer Demenz erkrankten Menschen Jahr für Jahr um 40.000 zunehmen. "Das können wir selbst sein, das können unsere Angehörigen sein und wir wollen, dass sie gut versorgt sind", unterstrich Heil.

Fünf Arbeitsgruppen eingesetzt

Bei der "Konzertierten Aktion Pflege" sollen Bund, Länder und Akteure in der Pflege - wie zum Beispiel Berufsverbände, Kirchen, Krankenkassen, Betroffenenverbände, die Bundesagentur für Arbeit und die Sozialpartner - innerhalb eines Jahres konkrete Maßnahmen entwickeln und deren Umsetzung verbindlich vereinbaren. Dafür werden den Angaben zufolge fünf Arbeitsgruppen eingesetzt. Die Geschäftsstelle der Aktion wird im Gesundheitsministerium eingerichtet.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz lobte die Aktion. Doch warnte der Stiftungsvorstand Eugen Brysch: "Das alles wird Geld kosten. Jedoch ist klar, die Pflegebedürftigen können das nicht zahlen." Die Initiative dürfe nicht zulasten der Pflegebedürftigen gehen.

Die Arbeiterwohlfahrt forderte in diesem Zusammenhang, die Pflegeversicherung finanziell "deutlich besser" auszustatten. "Sie muss dynamisiert und sich an der allgemeinen Preissteigerung sowie an der Entwicklung der Lohnkosten orientieren", sagte AWO-Präsident Wilhelm Schmidt. Darüber hinaus plädierte die AWO dafür, die Pflegeversicherung in eine Bürgerversicherung umzubauen, den Pflegeversorgungsfonds aufzulösen, die Beiträge zu erhöhen und schließlich die gesetzliche und private Krankenversicherung zusammenzuführen.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagte: "Es muss zu einer spürbaren nachhaltigen und strukturellen Verbesserung für Kranke und Pflegebedürftige, für das Pflegepersonal und die betroffenen Angehörigen kommen." Wenn die Bundesregierung halte, was sie verspricht, "sind wir als Diakonie sehr gerne bereit, Teil der Lösung zu sein".

Mey Dudin, Markus Jantzer


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