sozial-Politik

Nordrhein-Westfalen

Große Studie über Gewalterfahrungen startet



Mit einer großangelegten Umfrage will die nordrhein-westfälische Landesregierung erstmals Gewalt gegen Mädchen, Jungen, Frauen und Männer gezielt erfassen. Kontaktiert werden den Angaben nach rund 60.000 Personen.

Für die sogenannte Dunkelfeldstudie zu Gewalterfahrungen in Haushalten und im öffentlichen Raum würden Fragen an 60.000 Menschen ab 16 Jahren verschickt, kündigten Innenminister Herbert Reul und Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach (beide CDU) am 8. Januar in Düsseldorf an. Die Ergebnisse sollten helfen, präventive Maßnahmen und psychosoziale Unterstützungsangebote für Gewaltopfer gezielt weiterzuentwickeln.

"Wir erwarten unter anderem Erkenntnisse über Erscheinungs- und Deutungsformen nicht angezeigter Gewalttaten, das Anzeigeverhalten der Opfer sowie die gesundheitlichen und psychischen Folgen von erfahrener Gewalt", sagte Innenminister Reul. Die Befragung wird landesweit in 81 großen und kleinen Kommunen stattfinden. Ergebnisse werden für Beginn des kommenden Jahres erwartet.

Kosten von rund 500.000 Euro

Die Studie wird vom Landeskriminalamt im Auftrag beider beteiligter Ministerien geleitet und vom Infas-Institut für angewandte Sozialwissenschaft durchgeführt. Die Kosten bezifferte Gleichstellungsministerin Scharrenbach auf rund eine halbe Million Euro. Mindestens 25 Prozent der angeschriebenen 60.000 Personen müssen sich den Angaben zufolge beteiligen, damit die Studie aussagekräftig ist. Bei einer ähnlichen Untersuchung in Niedersachsen hatten sich 40 bis 50 Prozent der Angeschriebenen beteiligt.

Insgesamt umfasst die Studie 54 Fragen. Beim Thema Gewalterfahrung wird unter anderem nach Mord, Totschlag, Körperverletzung, Körperverletzung mit Todesfolge, Vergewaltigung, sexueller Nötigung oder auch Zwangsprostitution gefragt.

Nur wenige Fälle gelangen zur Anzeige

Die Untersuchung in Niedersachsen hat nach Worten der Ministerin unter anderem ergeben, dass nur etwa sieben Prozent aller sexuellen Straftaten zur Anzeige gebracht werden. Deutschlandweit schätzte eine EU-Studie aus dem Jahr 2016 die Zahl der zur Anzeige gebrachten sexuellen Straftaten auf 15 Prozent.

Reul wies darauf hin, dass die Studie erstmals in Deutschland nicht nur das persönliche Umfeld, sondern auch den öffentlichen Raum im Nahbereich in Sachen Gewalterfahrung abfragen wird. "Die Zahl der tatsächlichen Straftaten im Gewaltbereich wird vermutlich sehr viel höher sein, als wir gedacht haben. Wenn wir es nicht ermitteln, können wir uns auch nicht darum kümmern", sagte der CDU-Politiker.

"Ein Großteil der Fälle kommt bislang aus Scham nicht zur Anzeige oder aus der Einschätzung, als Opfer selbst Schuld zu haben", sagte Scharrenbach. 84 Prozent der Fälle von angezeigter Gewalt in NRW beträfen Frauen und Mädchen, 16 Prozent Jungen und Männer. Auch für Jungen und Männer sei die Landesregierung dabei, ein gezieltes Hilfesystem aufzubauen, zu dem auch Schutzwohnungen gehörten, kündigte die Ministerin an.