sozial-Politik

Nordrhein-Westfalen

Land will Pflegekammergründung voranbringen



Eine Landespflegekammer für NRW: Mehr Unterstützung für den Berufsstand? Das Vorhaben ist heikel. Kritiker befürchten: Neue Fortbildungsregelungen könnten letztlich den Druck auf die Beschäftigten erhöhen, wenn nicht klar sei, wer verpflichtende Kurse finanziert.

Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen will den Pflegeberuf stärken und dazu die Gründung einer Kammer für Pflegeberufe auf den Weg bringen. Noch vor der Sommerpause könnte ein entsprechender Gesetzentwurf für eine Landespflegekammer in den Landtag eingebracht werden, kündigte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am 8. Januar in Düsseldorf an. Schon zum Ende des Jahres könnte die Kammer dann an den Start gehen. Doch die Pläne sind umstritten.

Lob kommt von der Krankenhausgesellschaft NRW. Doch der DGB befürchtet vor allem beim Thema Fortbildungen ein Dilemma: eine Kammer könne verpflichtende Fortbildungen, ohne Arbeitgeber zu verpflichten, die Kosten dafür zu übernehmen. Auf den Kosten blieben dann möglicherweise die Beschäftigten sitzen.

Alle Belange der Berufsgruppe vertreten

Die Pflegekammer soll ähnlich wie etwa Ärzte- oder Apothekerkammern die Belange der Berufsgruppe vertreten und so den Pflegeberuf organisatorisch stärken und die Arbeitsbedingungen attraktiver machen. Das Gesundheitsministerium rechnet mit einem einen Bedarf von rund 4.000 zusätzlichen Pflegekräften pro Jahr. Aktuell gibt es im bevölkerungsreichsten Bundesland rund 200.000 hauptberufliche Pflegekräfte.

Bestärkt sieht sich Laumann durch eine repräsentative Befragung von 1.503 Pflegekräften in NRW zum Thema. Von ihnen sprachen sich 89 Prozent für die Einrichtung einer Interessenvertretung aus. Die Mehrheit favorisiert dabei eine Pflegekammer. "Das ist ein eindeutiges Zeichen an die Politik, die Entscheidung nun möglichst schnell umzusetzen", sagte der Minister.

"Die Pflege in NRW zeigt Weitsicht“, so die erste Reaktion von Ludger Risse, Vorsitzender des Pflegerats NRW und der Landesgruppe NRW im Bundesverband Pflegemanagement: "Das ist das Ergebnis von über 20 Jahren Informationsarbeit der Verbände im Pflegerat."

Spahn wirbt für Bundespflegekammer

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sich angesichts der geplanten Gründung einer Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen für eine ähnliche Einrichtung auf Bundesebene ausgesprochen. "Pflege braucht eine gute Interessenvertretung", sagte Spahn der Düsseldorfer "Rheinischen Post". "Kammern können dafür eine Lösung sein." Die Interessensvertretung müsse analog zu den Plänen in NRW auch von den Pflegekräften getragen werden. "Nur mit diesem Rückhalt ist eine Interessenvertretung schlagkräftig - auch auf Bundesebene", betonte der Minister.

Zustimmung kam auch von den Grünen. Die Sprecherin für Alten- und Pflegepolitk, Kordula Schulz-Asche, sagte: "Angesichts der Alterung unserer Gesellschaft müssen wir neue, flexiblere und effizientere Versorgungstrukturen in Stadt und Land schaffen." Dafür entwickele eine Pflegekammer das pflegerische Berufsbild weiter und schafft so neue, eigenverantwortliche Handlungsfelder für Pflegekräfte. "Pflegekräfte gewinnen mit einer Pflegekammer unmittelbaren Zugang zu politischen Prozessen, die Politik kompetente Ansprechpartner zu pflegepolitischen Fragen."

Aufgabe einer Pflegekammer wird es unter anderem sein, die Qualität in der Pflege zu sichern, Standards für eine gute Berufsausbildung festzulegen sowie Fortbildungsangebote zu entwickeln. Das Land will den Aufbau der Pflegekammer in den ersten beiden Jahren mit insgesamt fünf Millionen Euro unterstützen. Danach soll sich die Kammer aus Gebühren und Beiträgen ihrer Mitglieder selbst finanzieren. Kammermitglieder sollen alle Berufstätigen der Branche werden können, die ein Pflege-Staatsexamen haben.

Kliniken sind für die Kammergründung

Die NRW-Krankenhäuser begrüßten das Votum für die Gründung einer Pflegekammer. Dies sei ein wichtiger Schritt, um der größten Berufsgruppe im Krankenhaus eine stärkere Stimme in der Gesundheitspolitik zu verleihen und um den Pflegeberuf weiterzuentwickeln, erklärte Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW, am Mittwoch. Der tägliche Einsatz der Pflegekräfte in den 344 Krankenhäusern in NRW sei eine tragende Säule für die gute Versorgung der jährlich rund 4,6 Millionen Patienten.

Der DGB in NRW sieht eine Pflegekammer grundsätzlich skeptisch. "Wir glauben nicht, dass eine Pflegekammer die Situation in der Pflege verbessern kann", erklärte die stellvertretende Vorsitzende Sabine Graf. Entscheidend seien vielmehr Maßnahmen der Bundes- und Landesgesundheitspolitik für mehr Personal in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens, um eine Entlastung der Arbeitnehmer und mehr Qualität in der Pflege zu erreichen.

Problem: Wer soll Fortbildungen bezahlen?

Zudem könne ein Kammer eine Berufsordnung mit Fortbildungsnachweisen regeln, ohne die Beschäftige nicht mehr ihren Beruf ausüben können, erläuterte Graf. Die Kammer habe jedoch keine Kompetenz, die Arbeitgeber zu verpflichten, diese Fortbildungen zu bezahlen und die Beschäftigen freizustellen. Es bestehe also die Gefahr, dass sich der Druck auf die Beschäftigten erhöhe, die dann auf eigene Kosten in ihrer Freizeit die notwendigen Fortbildungen absolvieren müssten.

Bereits seit 2013 wurden in mehreren Bundesländern Umfragen zur Gründung von Pflegekammern durchgeführt. Bislang gibt es eine solche Einrichtung nur in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen. Die Gründung einer Bundespflegekammer ist in Planung.



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