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Arbeitslosigkeit

Wie das Teilhabechancengesetz bei den Jobcentern anläuft




Auch gemeinnützige Unternehmen, wie sie die Diakonie betreibt, können vom neuen Programm profitieren.
epd-bild/Werner Krüper
Seit Januar ist es in Kraft: das Teilhabechancengesetz für Langzeitarbeitslose. Maximal 150.000 Jobs sollen bis 2024 in einem "Sozialen Arbeitsmarkt" entstehen. Der Evangelische Pressedienst (epd) hat sich bundesweit umgehört, wie das Programm anläuft.

Der Grundgedanke ist simpel: Arbeitgeber, die Personen beschäftigen, die zuvor lange Jahre ohne Job waren, erhalten vom Staat hohe Personalkostenzuschüsse. Vier Milliarden Euro stehen dafür insgesamt zur Verfügung. Doch wie läuft die Umsetzung des neuen Gesetzes an? Wo hakt es noch?

Verantwortlich sind die Jobcenter. Hier laufen alle Fäden zusammen, werden geeignete Arbeitssuchende identifiziert, Unternehmen ins Boot geholt und die gesetzlich ebenfalls geregelten Coachings der Teilnehmer organisiert. Einige Jobcenter wollen die individuelle Beratung selbst anbieten, viele beauftragen damit aber auch externe Träger, wie etwa die Caritas oder die Diakonie.

Experten sprechen unisono von einer radikalen Neuerung in der Beschäftigungspolitik von Arbeitslosen. Denn in der Vergangenheit konnten Jobsuchende nicht regulär im ersten Arbeitsmarkt beschäftigt werden, sondern nur in einem öffentlich geförderten zweiten Arbeitsmarkt. "Bisher gab es 30 Jahre lang besondere Bedingungen, die Angebote mussten wettbewerbsneutral und zusätzlich sein", sagte Dirk Heyden, Geschäftsführer des Jobcenters team.arbeit in Hamburg in einem Interview.

Zwei Jahre voller Lohnausgleich

Arbeitgeber können nun zwei Jahre lang den vollen Lohn erstattet bekommen, wenn sie Langzeitarbeitslose im Alter über 25 Jahre anstellen, die innerhalb der zurückliegenden sieben Jahre sechs Jahre staatliche Hilfe bezogen haben. In den folgenden drei Jahren sinkt der Zuschuss um jeweils zehn Prozentpunkte. Bei Menschen, die seit zwei Jahren keinen regulären Job haben, werden im ersten Jahr 75 Prozent des Lohns zugeschossen, im zweiten Jahr sind es noch 50 Prozent.

Der Pressesprecher der bayerischen Arbeitsagenturen, Axel Pieper, berichtet, dass "die Umsetzung des Gesetzes gut anläuft und die Jobcenter mit großem Engagement am Ball sind". In vielen Jobcentern habe es bereits Auftaktveranstaltungen mit den Sozialpartnern und den Kommunen gegeben, bei denen für Arbeitsplätze geworben wurde. "Außerdem setzen viele Jobcenter vor die Beschäftigung ein intensives Coaching, damit die Arbeitnehmer vorbereitet sind und die Arbeitsstelle nicht schnell wieder aufgeben." Pieper zeigt sich zuversichtlich, dass bis zum Ende des 1. Quartals ein erster Schwung von Arbeitsplätzen eingerichtet und besetzt sei.

NRW bereitet sich schon lange vor

"In Nordrhein-Westfalen laufen die Vorbereitungen schon seit den Sommerferien letzten Jahres", sagt Christoph Löhr, Pressesprecher der BA-Regionaldirektion NRW, auf Anfrage. Es seien auch schon einige Personen auf dem Weg in das Förderprogramm. Genaue Zahlen gebe es aber erst im April. Durch vorherige Maßnahmen, wie etwa das Programm "Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt", habe man bereits Strukturen aufbauen können, die sich auch für den neuen "sozialen Arbeitsmarkt" nutzen ließen. So müssten die Jobcenter nicht bei Null starten, betont der Sprecher.

Die Unternehmen, die Arbeitsplätze für das Programm zu Verfügung stellten, kämen aus den verschiedensten Bereichen: In Hagen habe sich etwa ein Baumarkt gemeldet, ein Cateringunternehmen aus Essen sei ebenso dabei wie verschiedene Unternehmen aus der Sozialbranche.

Thomas Stotz aus dem Jobcenter in Frankfurt am Main stimmt vor allem die lange Dauer des Programms "verhalten optimistisch". Dass es hier nicht nur um kurze Projekte gehe, sondern um ein bis zu fünfjähriges Förderinstrument, das stelle eine ganz neue Dimension der Unterstützung dar. Die erste Anstellung eines Teilnehmers im Rahmen des neuen Programmes werde in Frankfurt im Februar erfolgen.

In Baden-Württemberg habe man als Zielgruppe vor allem Familien mit Kindern und Alleinerziehende im Blick, sagt Sven Pless, Sprecher der dortigen BA-Regionaldirektion. Auch interessierte Arbeitgeber habe man schon ausmachen können: "Vor allem die Kommunen und soziale Einrichtungen werden in ihren Unternehmen im ersten Schritt viele Arbeitsplätze zur Verfügung stellen - nachdem wir nun auch Tariflohn zahlen dürfen", sagte Pless. Das Coaching solle nicht nur während des Arbeitsverhältnisses, sondern bereits vorher angeboten werden, "damit die Arbeitnehmer vorbereitet sind und die Arbeitsstelle nicht schnell wieder aufgeben".

BA peilt 40.000 neue Jobs an

Vom Vorstand der BA aus Nürnberg habe Pless folgende Einschätzung erhalten: "Wenn es gelingt, in den kommenden Jahren bundesweit 40.000 Menschen auf dem sozialen Arbeitsmarkt wieder eine dauerhafte Beschäftigung zu geben, dann ist das ein großer Erfolg."

Matthias Knuth, Professor am Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) an der Universität Duisburg-Essen, rechnet damit, dass das Programm erst allmählich anlaufen wird. "Das ist auch besser als überstürzt. Vermutlich wird man sich in den Jobcentern zunächst darauf konzentrieren, für Teilnehmende den nahtlosen Übergang in die neue Förderung zu organisieren."

Knuth verwies im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) darauf, dass die Beteiligung der Privatwirtschaft wichtig für die Akzeptanz des Instruments sei: "Um die Beteiligung privater Arbeitgeber muss intensiv geworben werden. Generell würde ich es als einen großen Erfolg betrachten, wenn 15 bis 20 Prozent der zu fördernden Arbeitsplätze bei privatwirtschaftlich orientierten Arbeitgebern geschaffen werden könnten."

Engagement der Wirtschaft noch offen

In welchem Umfang sich Privatunternehmen in dem neuen Förderprogramm engagieren werden, bleibt abzuwarten. Dazu gebe es noch keine Zahlen, heißt es bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Die BDA werde aber alle Betriebe auffordern und informieren, sich für das Gelingen des Projektes zu beteiligen, sagt Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter: "Wir verweigern uns dieser Sache nicht."

In den Jobcentern heißt es derweil Klinkenputzen. Sie schicken "Betriebsakquisiteure" zu den Firmen, Verwaltungen und Verbänden. Ziel: die Jobanforderungen der Arbeitgeber und die Kompetenzen der Arbeitnehmer zusammenzubringen. Denn selbst wenn eine Person geeignet ist, muss auch der passende Arbeitsplatz gefunden werden, zum Beispiel eine Teilzeitstelle bei Alleinerziehenden. Ein mühseliges Geschäft: "Aus den Erfahrungen vorangegangener Programme gehen wir davon aus, dass von zehn Menschen eine Person am Ende eine Beschäftigung aufnimmt", sagt Pieper.

Nora Frerichmann, Dirk Baas