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Kinderbetreuung

Kita-Chefin: "Du kannst Zweijährige nicht einfach mitlaufen lassen"




Eine städtische Kinderkrippe in Braunschweig
epd-bild/Klaus Günter Kohn
Nach langwierigen Vorarbeiten hat das Mainzer Bildungsministerium seinen überarbeiteten Entwurf für ein neues Kita-Gesetz vorgelegt. Doch in den Einrichtungen herrscht weiter viel Skepsis. Fachkräfte sehen in den Korrekturen nur "minimale Verbesserungen".

Auf die Mainzer Landesregierung ist Simone Rheinheimer momentan gar nicht gut zu sprechen. Seit Monaten ärgert sich die Leiterin eines kleinen evangelischen Kindergartens aus Gries im Landkreis Kusel über die Pläne des Bildungsministeriums für eine Reform des Kindertagesstättengesetzes. Über 700 Protestunterschriften konnte sie Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) überreichen. Den im April veröffentlichten Gesetzestext findet sie nur wenig besser als den ersten Referentenentwurf vom vergangenen Sommer: "Wir sind der Meinung, dass das, was nachgebessert wurde, nur eine minimale Verbesserung darstellt", schildert sie die Stimmung unter ihren Kolleginnen.

Mit rund 430 der insgesamt knapp 2.600 Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz gehören die evangelischen Landeskirchen zu den wichtigsten Trägern und verfolgen die Entwicklungen rund um das neue Gesetz ganz genau. In Einrichtungen wie der kleinen Protestantischen Kindertagesstätte Gries mit ihren zurzeit 50 Kindern fürchten Mitarbeiter und Eltern, nach der Reform zu den Verlieren gehören.

Reform verursacht etliche Probleme

So würde die Kita mit dem in Mainz versprochenen Rechtsanspruch auf eine durchgehende siebenstündige Betreuung ein Problem bekommen: "Unsere Räume sind darauf gar nicht ausgelegt", sagt Rheinheimer. Bislang werden noch 20 Kinder jeden Tag über die Mittagszeit nach Hause geholt. Ein Anbau wäre nötig, damit alle Kinder in der Einrichtung essen und die kleinen von ihnen ihren Mittagsschlaf halten können. Das vom Land versprochene "Küchen-Programm" werde nicht ausreichen, um allerorts die nötigen Räume zu schaffen. Wenn die versprochenen 13 Millionen auf alle Einrichtungen mit Nachholbedarf verteilt würden, werde es bestenfalls für neue Teller, Stühle und eine Geschirrspülmaschine reichen.

Aber das Geld ist nur ein Aspekt, über den Rheinheimer sich ärgert. Auch die Gleichbehandlung von Zweijährigen und älteren Kindern beim Personalschlüssel sieht die Kita-Leiterin extrem kritisch: "Du kannst Zweijährige nicht einfach mitlaufen lassen." Viele der kleinen Kinder müssten noch gewickelt werden, oder ins Bett gebracht, wenn sie müde und quengelig werden. Und dazu sei jeweils eine 1:1-Betreuung nötig.

Nachteile durch neuen Personalschlüssel

In Gries könnten sich zugleich Berechnungen der CDU-Opposition bestätigen, dass durch den neuen Personalschlüssel manche Einrichtungen schlechter dastehen könnten als bisher - trotz der vom Land versprochenen 80 Millionen Euro, die zusätzlich in das System fließen sollen. Dort würden nach der angekündigten neuen Formel 0,3 Vollzeitstellen entfallen, hat die Leiterin ausgerechnet. Schon heute könnten eingeschränkte Öffnungszeiten bei Erkrankungen nur dadurch verhindert werden, dass einige Kolleginnen in Teilzeit ihre Stunden aufstocken: "Wir gehen jetzt schon auf dem Zahnfleisch."

Allerdings sind nicht alle mit dem Alltag an den rheinland-pfälzischen Kitas vertrauten Fachkräfte kategorisch gegen die Mainzer Pläne. Cornelia Stahl-Leilich, Leiterin der evangelischen Kindertagesstätte "Pusteblume" im rheinhessischen Gimbsheim, hat Verständnis dafür, dass ein insgesamt veraltetes rechtliches Regelwerk grundsätzlich überarbeitet und an die Gegenwart angepasst werden soll.

Durchgehende Betreuung ist "Errungenschaft"

Den Rechtsanspruch auf durchgehende Betreuung sieht sie als "Errungenschaft" für die Eltern. Dass erstmals Zeit für die Anleitung von Auszubildenden abgerechnet werden kann, findet sie ebenfalls positiv. Allerdings ist die "Pusteblume" mit ihren derzeit sieben Gruppen und 140 Kindern relativ gut auf die Zukunft vorbereitet: "Die Kita ist erst acht Jahre alt, da ist schon an vieles gedacht worden."

Und auch Stahl-Leilich hofft noch auf weitere grundlegende Verbesserungen im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens und auf gute Verhandlungsergebnisse der Kirchen bei der Verteilung der Mittel aus dem sogenannten "Sozialraumbudget". Wie viel Geld aus diesem Topf bei den Einrichtungen landen wird, kann derzeit noch niemand seriös abschätzen. Auch die Stunden für Leitungsarbeit müssten aufgestockt werden. Ebenso müsse die Betreuung behinderter Kinder angemessen im Personalschlüssel berücksichtigt werden: "Inklusion kann nicht kostenfrei gelingen."

Karsten Packeiser


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