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Kabinett billigt Masern-Impfpflicht




Die Masernimpfpflicht soll künftig auch für alle Beschäftigten in den Heil- und Hilfeberufen gelten. (Archivbild)
epd-bild/Andrea Enderlein
Nach Warnungen der WHO vor einem Anstieg der Maserninfektionen will die Bundesregierung eine Impfpflicht einführen. Dazu hat das Kabinett einen Gesetzesentwurf verabschiedet. Den Grünen geht das nicht weit genug.

Kinder sollen künftig vor dem Besuch einer Kita oder Schule eine vollständige Masernimpfung nachweisen müssen. Der verpflichtende Impfschutz soll auch für Lehrer und Betreuer gelten, für Bewohner von Flüchtlingsheimen und für das Personal in medizinischen Einrichtungen, wie aus einem vom Kabinett am 17. Juli in Berlin beschlossenen Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hervorgeht. Der Bundestag muss dem Gesetz zur Einführung der Masern-Impfpflicht in Deutschland noch zustimmen.

"Mit dem Gesetz wollen wir insbesondere die Schwächsten der Gesellschaft, nämlich Kinder, vor unnötigen Infektionen schützen", sagte Spahn. Die Impfpflicht soll im März 2020 in Kraft treten. Kinder, die bereits in Gemeinschaftseinrichtungen sind, sowie das dort tätige Personal haben bis Ende Juli 2021 Zeit, den Nachweis über die vollständige Masern-Impfung zu erbringen. Kinder, die nicht geimpft werden, können dann vom Besuch einer Kita ausgeschlossen werden.

Strafe von bis zu 2.500 Euro droht

Eltern, die eine Impfung ihrer Kinder im Schulalter verweigern, müssen mit Bußgeldern bis zu 2.500 Euro rechnen. "Das ist wie im Straßenverkehr: Wer sich und andere gefährdet, bekommt selbstverständlich ein Bußgeld", sagte Minister Spahn.

Von der Pflicht ausgenommen sind Menschen, die aus medizinischen Gründen keine Impfung vertragen und alle vor 1970 Geborenen. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts haben Letztere mit hoher Wahrscheinlichkeit die Masern schon durchgemacht und sind deshalb immun. Die Viruserkrankung kann von schweren Komplikationen begleitet werden, Spätfolgen mit sich bringen oder sogar zum Tod führen.

In dem Gesetz ist zudem vorgesehen, dass künftig die Krankenkassen verpflichtend mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst kooperieren sollen, um in den Landkreisen und Städten wieder Reihenimpfungen anzubieten.

SPD: Impfpflicht ist ein vertretbares Mittel

Sabine Dittmar, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, sagte zu dem Kabinettsbeschluss: "Manche mögen diesen Schritt als eine Art Bevormundung empfinden, aber aus unserer Sicht geht es um den Schutz der gesamten Bevölkerung. Dafür halten wir eine Impfpflicht für ein vertretbares Mittel."

Grünen-Parlamentarierin Kordula Schulz-Asche, Mitglied im Ausschuss für Gesundheit, kritisierte, dass die beschlossenen Maßnahmen nicht weit genug reichten. Bei Erwachsenen über 30 Jahren liege die Impfquote teilweise unter 50 Prozent. "Leider hat Jens Spahn mit seinem Gesetzentwurf für das eigentliche Problem keine zufriedenstellende Antwort", sagte sie.

Die Politikerin forderte niedrigschwellige Angebote, "denn vor allem in ländlichen oder sozial benachteiligten Regionen sind diese Angebote nicht mehr ausreichend verfügbar". Außerdem müsse der Öffentliche Gesundheitsdienst wieder ausgebaut werden, um Impfungen mit gezielten Aktionen auch in Betrieben, Einkaufszentren oder kommunalen Einrichtungen anbieten zu können.

Der Verband der Ersatzkassen (vdek) begrüßte die geplante Neuregelung. "Durch die Regelungen zur Masern-Impfpflicht können die bestehenden Impflücken in der Bevölkerung wirkungsvoll geschlossen werden", erklärt Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner: "Impfpflicht, Informationskampagnen und eine ausführliche Dokumentation der Schutzimpfungen sind ein wichtiges Maßnahmenbündel, um das WHO-Ziel einer 95-prozentigen Durchimpfungsrate zu erreichen."

Mehr Informationen gefordert

Auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe äußerte sich ähnlich, betonte jedoch: "Ob eine allgemeine Impfpflicht, und damit immerhin ein Eingriff in Persönlichkeitsrechte, tatsächlich unmittelbar zu höheren Durchimpfungsraten in Deutschland führen wird, ist strittig", sagte Verbandssprecherin Johanna Knüppel. "Schließlich zeigen die aktuellen Quoten keine grundsätzliche Verweigerung, aber ein fehlendes Bewusstsein, dass Schutz erst nach Durchführung der Folgeimpfung besteht." Zielgruppengenaue Informationen, vertrauensbildende Maßnahmen sowie Recall-Systeme könnten vermutlich die Impfbereitschaft deutlich verstärken.

Experten hatten sich zuletzt besorgt über die Impfquote bei Masern in Deutschland geäußert. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts bekommen zwar noch fast alle Kinder die erste Impfung. Bei der für den Schutz notwendigen Zweitimpfung wird die Quote von 95 Prozent, bei der man vom "Herdenschutz" für die gesamte Bevölkerung ausgeht, aber derzeit nicht erreicht. Auch die WHO warnte vor einem Rekordanstieg der Maserntoten in Europa. Im Jahr 2018 starben 72 Menschen an der Krankheit.

Anna Bayer


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Der am 17. Juli vom Bundeskabinett auf den Weg gebrachte Gesetzentwurf für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention sieht auch eine Impfpflicht in Flüchtlingsheimen vor. Das Robert Koch Institut empfiehlt schon seit Jahren, Schutzimpfungen in solchen Gemeinschaftseinrichtungen anzubieten. Weil Menschen dort eng zusammenlebten, bestehe die Gefahr größerer Ausbrüche von Infektionskrankheiten, heißt es auf der Internetseite. Doch wie ist der Impfstatus unter Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen?

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