sozial-Branche

Niedersachsen

Befragung zu Pflegekammer wegen Datenleck abgebrochen




Eine Pflegerin hilft einer Heimbewohnerin beim Trinken.
epd-bild/Werner Krüper
Der Streit um die Pflegekammer in Niedersachsen geht weiter. Gegner der Kammer haben ein Datenleck in der Online-Befragung zur Evaluation der Kammer ausgemacht. Das Sozialministerium hat die Befragung zunächst ausgesetzt.

Die Online-Befragung von rund 90.000 Pflegekräften zur Zukunft der Pflegekammer Niedersachsen ist aufgrund eines Datenschutz-Lecks abgebrochen worden. Das auftraggebende Sozialministerium bestätigte am 9. Juni, dass es Hinweise auf unerlaubte Zugriffe auf das Onlineportal gebe. Es sei nicht auszuschließen, dass es in den vergangenen Tagen bereits zu Manipulationsversuchen gekommen sei.

Bis zum Abend des 8. Juni hätten in der Befragung rund 7.000 Pflegekräfte den 14-seitigen Fragebogen ausgefüllt. Die Aktion hatte am 3. Juni begonnen.

Kammerpräsidentin Nadya Klarmann: "Wir sind über die vorübergehende Unterbrechung der Umfrage genauso überrascht wie unsere Mitglieder. Sollte wie behauptet ein Datenleck vorliegen, fordern wir eine lückenlose Aufklärung und eine Rückmeldung an die Betroffenen." Es sei wichtig, dass die Antworten der Befragung nicht durch Dritte manipuliert werden können.

Gegner der Pflegekammer hatten zuvor auf die IT-Panne hingewiesen. Die Koordinatorin des Pflegebündnisses Niedersachsen, Sandra Arndt, berichtete, wie sie über einen Link bei Facebook in einen bereits in Teilen ausgefüllten Fragebogen geraten sei. "Ich habe zu keinem Zeitpunkt mein Passwort jemals benutzen müssen." Daraufhin hätten Aktivisten auch bei weiteren Versuchen Bögen öffnen können, die sie hätten verändern können. Die Kammergegner warnten vor einem möglichen Missbrauch. Sie forderten einen Stopp der Befragung und eine neue datensichere Umfrage.

Reimann: Bedauerlich und sehr ärgerlich

Ministerin Reimann sagte: "Es ist ausgesprochen bedauerlich und sehr ärgerlich, dass die Befragung der Mitglieder der Pflegekammer nun auf diese Weise ausgebremst wird." Das Ministerium habe einen renommierten Dienstleister mit der Evaluation beauftragt, um ein belastbares Bild der Stimmung unter den Pflegekräften zu erhalten. Sie erwarte, dass die Kölner Firma Kienbaum Consultants die technischen Probleme so schnell wie möglich abstelle.

Die Befragung sei eine Belastung für die Pflegekräfte, die zusätzliche Zeit in Anspruch nehme, betonte Reimann. "Durch die Manipulationsversuche wurde dieser Zeitaufwand nun mutwillig zunichtegemacht." Entscheidend sei, dass die Befragung zügig fortgesetzt werden könne. Die Pflegekräfte sollten über die Zukunft der Kammer entscheiden können. Mit der Unterbrechung der Befragung werde die Entscheidung lediglich vertagt.

Gegner: Umfrage sofort stoppen

Die Kammergegner hatten nach dem Entdecken des Datenlecks unter anderem die IT-Experten Anke und Daniel Domscheit-Berg zurate gezogen, wie Kai Boeddinghaus vom Bundesverband für freie Kammern am Dienstag erläuterte. Nach deren Einschätzung müsse die laufende Umfrage sofort komplett beendet werden. "Alles andere ist unverantwortlich." Boeddinghaus kritisierte, Ministerin Reimann habe im Umgang mit den Kammergegnern jedes Vertrauen verspielt. Wenn sie meine, alles im Alleingang regeln zu müssen, müsse sie auch alleine die Verantwortung tragen, wenn das Projekt gegen die Wand gefahren werde.

Wolfgang Heibuch von der Initiative "Pflegeaufstand Hildesheim" forderte, mit einem Neustart der Umfrage müsse es gleich zu Beginn des Fragebogens möglich sein, grundsätzlich für oder gegen die Kammer zu stimmen. Dies verlangte auch der niedersächsische FDP-Partei- und Fraktionschef Stefan Birkner. Er nannte die Umsetzung der Evaluation "dilettantisch". Nun müsse dringend geklärt werden, ob sensible Daten von Pflegekräften an Dritte gelangt seien. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) müsse endlich eingreifen, forderte Birkner.

Die Pflegekammer Niedersachsen besteht seit 2017, sie ist die dritte und größte ihrer Art in Deutschland. SPD und CDU hatten die Evaluation der Kammer im Koalitionsvertrag zur Hälfte der Legislaturperiode vereinbart. Seit der Gründung war es immer wieder zu Protesten gegen die Einrichtung gekommen. Der Widerstand richtete sich gegen die Zwangsmitgliedschaft und Beiträge.

Jörg Nielsen