sozial-Branche

Corona

Impfpflicht bei Masern - kein Modell für Covid-19



Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat mit seinem Vorschlag, eine Corona-Impfpflicht für Pflegekräfte zu diskutieren, viel Widerspruch ausgelöst. Er verwies zur Begründung darauf, dass es auch eine Masern-Impfpflicht für Kita-Kinder, Erzieherinnen und anderes Personal in Gesundheitseinrichtungen gibt. Doch die Ausgangslage ist hier eine ganz andere, rechtlich und vor allem aber bei den Impfwirkungen - ein Blick auf die Fakten.

Warum wurde die "Nachweispflicht einer Immunität" bei Masern eingeführt?

Das geschah, weil über Jahre hinweg sämtliche Appelle zur freiwilligen Impfung gegen die hochansteckende Viruserkrankung ins Leere liefen. Noch 2019 wurden hierzulande laut Robert Koch-Institut (RKI) 514 Masernfälle gemeldet, darunter ein Todesfall. Ziel des Gesetzes ist es, Impflücken zu schließen, die in allen Altersgruppen bestehen, und so zu einer Herdenimmunität zu kommen. Die bundesweite Impfquote für die empfohlene zweite Masern-Schutzimpfung bei Kindern im Alter von 24 Monaten liegt nur bei 73,9 Prozent. Für eine erfolgreiche Eliminierung der Masern sind laut RKI mindestens 95 Prozent nötig. Nach einer zweimaligen Impfung geht man von einem lebenslangen Schutz aus.

Was ist im "Gesetz zum Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention" vom März 2020 geregelt?

Das Gesetz soll den Schutz vor Masern in Kindergärten, Schulen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen sowie in medizinischen Einrichtungen fördern. Es schreibt vor, dass alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr für den Besuch einer Kita, der Kindertagespflege oder der Schule gegen Masern geimpft sein müssen. Gleiches gilt für nach 1970 geborene Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen oder medizinischen Einrichtungen arbeiten, wie Erzieher, Lehrer, Tagespflegepersonen und medizinisches Personal, sowie für Asylbewerber und Geflüchtete in einer Gemeinschaftsunterkunft.

Wie ist eine Impfpflicht rechtlich zu bewerten?

Gerichtliche Auseinandersetzungen über Impfpflichten auch gegen andere Krankheiten gibt es seit Jahrzehnten, denn das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist ein grundgesetzlich geschütztes Gut. So hat sich das Bundesverwaltungsgericht bereits in einem Urteil vom 14. Juli 1959 (Az.: I C 170.56) mit der Frage der Vereinbarkeit des Impfgesetzes vom 8. April 1974 mit dem Grundgesetz auseinandergesetzt. Damals ging es um eine verpflichtende Pockenschutzimpfung. Eine Impfpflicht wird bei besonders ansteckenden Krankheiten, die Leben und Gesundheit anderer Menschen schwer gefährden, als zulässig erachtet. Begründung: Der Schutz der Gesundheit anderer Personen beziehungsweise der Allgemeinheit zur Abwehr von Seuchengefahren rechtfertigt dann den gesetzlichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Bei den Masern ist das gegeben. Aber es gibt keine allgemeine Impfpflicht, sondern nur Vorgaben für eng umrissene Personengruppen. Denn sie können sich teilweise nicht selbst vor einer Masern-Infektion schützen und sind darauf angewiesen, dass Menschen in ihrem engen Umfeld geimpft sind.

Was spricht gegen eine Impfpflicht gegen Corona bei Pflegekräften?

Kritiker weisen auf mehrere Aspekte auf unterschiedlichen Ebenen hin. Zum einen fehle eine gesetzliche Grundlage, die zu schaffen unter Umständen Monate dauern würde. Dann ist zu bedenken, dass eine Zwangsimpfung von Pflegekräften für das Ziel der Herdenimmunität der Bevölkerung rein zahlenmäßig nur eine untergeordnete Bedeutung hätte. Und schließlich halten viele Expertinnen und Experten diese Debatte für verfrüht. Verlässliche Daten über bereits geimpfte Pflegekräfte gibt es nur wenige Wochen nach Impfstart in den Heimen nicht - und damit auch keine Hinweise auf eine ausgeprägte Impfskepsis der Fachkräfte.

Wo liegen die Unterschiede in der Wirkung der Impfstoffe gegen Masern und Corona?

Es gibt unterschiedliche Folgewirkungen. Wer zwei Masern-Impfungen erhalten hat, ist immun und kann die Krankheit nicht übertragen. Anders ist das bei Corona. Noch ist laut RKI unklar, über welchen Zeitraum eine geimpfte Person vor einer Covid-19-Erkrankung geschützt ist, das heißt, wie lange der Impfschutz besteht. Zudem ist noch nicht geklärt, in welchem Maße eine Erregerübertragung durch geimpfte Personen verringert oder verhindert wird. Trotzdem bietet die Impfung dem Institut zufolge einen sehr guten individuellen Schutz vor der Erkrankung. Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) teilte dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit, dass derzeit noch von keinem Impfstoff geklärt sei, ob er eine Weitergabe von Viren durch symptomfrei Infizierte verhindert. Bekannt sei, dass die Hersteller der beiden bereits zugelassenen Impfstoffe Biontech/Pfizer und Moderna an der Klärung dieses Aspekts arbeiten, kenne aber nicht den Zeitplan.

Dirk Baas


Mehr zum Thema

Verband: Noch keine Daten zur Impfbereitschaft der Pflegekräfte

Umfragen zeigen, dass bei Pflegekräften und Ärzten keine besonders hohe Impfbereitschaft besteht - obwohl sie im Beruf täglich mit Corona-Infizierten zu tun haben. Bernd Meurer, Chef des Bundesverbandes private Anbieter sozialer Dienste (bpa), verweist im Interview darauf, dass es noch keine belastbaren Daten dazu gibt. Seine Organisation werbe "um jeden Impfwilligen".

» Hier weiterlesen

Pflegekräfte zur Covid-19-Schutzimpfung

Der Bremer Pflegewissenschaftler Stefan Görres hat Anfang Januar auf seinem Twitter-Account um Erklärungen für die geringe Impfbereitschaft unter Pflegenden gebeten, was eine Flut von Reaktionen auslöste. Einige Beispiele:

» Hier weiterlesen