Ausgabe 09/2016 - 04.03.2016
Düsseldorf (epd). Trinkt eine Frau während ihrer Schwangerschaft regelmäßig Alkohol, kann das später geborene Kind wegen erlittener alkoholbedingter Schäden keine staatliche Opferentschädigung verlangen. Denn während der Schwangerschaft könne eine "Leibesfrucht" kein Opfer einer Körperverletzung sein, entschied das Sozialgericht Düsseldorf in einem am 25. Februar veröffentlichten Urteil.
Der heute 58-jährige Kläger hatte eine Opferentschädigung vom Landschaftsverband Rheinland gefordert. Er warf seiner Mutter vor, dass diese während der Schwangerschaft zumindest mit bedingtem Vorsatz Alkohol getrunken und die Schädigung des Fötus billigend in Kauf genommen hatte. Wegen des Alkoholkonsums habe er "fetale Alkoholspektrumsstörungen" erlitten. Diese gehen mit einer Wachstumsminderung, intellektuellen Beeinträchtigungen, Organschäden und Verhaltensstörungen einher.
Doch der Alkoholkonsum einer werdenden Mutter ist keine Straftat, so das Sozialgericht in seinem Urteil vom 8. Dezember 2015. Nur bei einer "auf den Körper gerichteten Gewalttat" und einem daraus folgenden Gesundheitsschaden könne ein Anspruch auf Opferentschädigung bestehen.
Eine Leibesfrucht könne aber kein Opfer einer Körperverletzung sein. Strafrechtlich sei lediglich das ungeborene Leben selbst geschützt. Hier sei aber nicht belegt worden, dass die Mutter mit dem Alkoholkonsum einen illegalen Schwangerschaftsabbruch versucht habe. Der Lebenswandel einer Schwangeren unterliege deren Persönlichkeitsrechten und lasse sich außerhalb des Strafrechts nicht durch staatliche Eingriffe beeinflussen.
Az.: S 1 VG 83/14