sozial-Recht

Oberlandesgericht

Therapie für psychisch Kranke in Sicherungsverwahrung Pflicht




Patienten der Forensischen Psychiatrie des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in Dortmund.
epd-bild / Friedrich Stark
Psychisch kranke Straftäter haben in der Sicherungsverwahrung Anspruch auf Therapie. Erhalten sie diese nicht, müssen sie auf Bewährung wieder entlassen werden.

Die Unterbringung in einer Vollzugsanstalt ist unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, wenn die Anstalt keine angeordnete individuelle und intensive Betreuung anbietet, entschied das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) Hamburg in einem am 28. April bekanntgegebenen Beschluss. Nach der richterlichen Entscheidung haben die Strafvollstreckungsbehörden sechs Monate Zeit, eine Therapie zu organisieren.

Schwerer sexueller Missbrauch

Damit bekam ein psychisch kranker Straftäter recht, der 2004 wegen mehrfachen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und der "unerlaubten Verbrauchsüberlassung" von Drogen zu einer viereinhalbjährigen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt wurde. Das Gericht hatte entschieden, dass der Mann in der Sicherungsverwahrung eine kontinuierliche und tragfähige psychotherapeutische Behandlung erhalten sollte. So sollte die Gefährlichkeit des Untergebrachten gemindert werden.

Doch die Vollzugsanstalt bot keine Therapiemöglichkeiten an. Am 27. März 2015 hatte das OLG daher entschieden, dass der Mann außerhalb der Vollzugsanstalt in den Praxisräumen eines externen Therapeuten eine Therapie machen sollte. Um eine Flucht zu verhindern, sollte dann ein Beamter vor der Türe oder den Fenstern des Praxisraumes Wache schieben.

Doch die Strafvollstreckungsbehörden hatten es bis März 2016 nicht geschafft, diese Anordnungen umzusetzen. Daraufhin hatte das Landgericht die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung ausgesetzt.

Vollzugsanstalt blieb untätig

Diese Entscheidung bestätigte nun auch das OLG. Eine Sicherungsverwahrung sei nach dem Gesetz nur zulässig, wenn der Untergebrachte die Möglichkeit einer individuellen und intensiven - insbesondere einer psychotherapeutischen - Behandlung erhält. Kommen dem die Vollzugsanstalten nicht nach, müssen die Strafvollstreckungskammern eine sechsmonatige Frist setzen. Werde diese Frist nicht eingehalten, sei die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung unverhältnismäßig. Der Untergebrachte müsse nach dem Gesetz dann auf Bewährung entlassen werden.

Hier sei verbindlich festgelegt worden, dass dem Mann eine Therapiemöglichkeit außerhalb der Vollzugsanstalt in externen Therapieräumen angeboten werden muss. Die Justizbehörden hatten dabei nur die Möglichkeit, sich an die Frist zu halten oder eine gerichtliche Änderung der angeordneten Maßnahme zu erwirken. Die Vollzugsanstalt sei aber untätig geblieben.

Der Sexualstraftäter sei daher aus der Sicherungsverwahrung zu entlassen. Das OLG ordnete dabei an, dass der Mann eine "elektronische Fußfessel" tragen und eine Therapie durchführen muss. Auch der Kontakt zu Kindern und Jugendlichen wurde ihm untersagt.

Az.: 1 Ws 49/16

Frank Leth

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