Ausgabe 18/2016 - 06.05.2016
Karlsruhe (epd). Vor der Anordnung einer Betreuung muss das Gericht die Betroffenen persönlich anhören. Andernfalls werde nicht nur ihr Anspruch auf rechtliches Gehör, sondern auch ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am 4. Mai veröffentlichten Beschluss. Nur im absoluten Ausnahmefall, etwa bei Gefahr im Verzug, dürfe diese Anhörung zunächst unterbleiben, müsse dann aber nachgeholt werden.
Die Karlsruher Richter gaben einer psychisch kranken Hamburgerin recht, die im Dezember 2010 vom Amtsgericht unter vorläufige Betreuung gestellt wurde. Im Juni und August 2011 beantragte der gerichtlich bestellte Betreuer eine Verlängerung der Betreuung. Das Amtsgericht hatte dem jedes Mal zugestimmt, ohne die Frau jedoch vorher persönlich zu befragen.
Die zunächst noch in einer Klinik untergebrachte Frau legte bereits gegen die erste Verlängerung ihrer Betreuung Beschwerde ein. Sie habe sich mittlerweile selbst ein "Gesundheitsnetz" aufgebaut und sei mit der Betreuung nicht einverstanden, argumentierte sie.
Erst als ein Gutachten vom Oktober 2011 der Frau bescheinigte, dass trotz psychischer Krankheit kein Grund für die Verlängerung der Betreuung erkannt werden könne, wurde diese wieder aufgehoben. Gerichtlich wollte die Frau nun festgestellt wissen, dass das Vorgehen von Amts- und Landgericht rechtswidrig war.
Das bestätigte nun das Bundesverfassungsgericht. Die Anordnung einer Betreuung beeinträchtigt das Recht, sich in eigenverantwortlicher Gestaltung des eigenen Schicksals frei entfalten zu können. Dieses Recht dürfe nur dann eingeschränkt werden, wenn die Voraussetzungen für die Einrichtung oder Verlängerung einer Betreuung auch genau aufgeklärt wurden.
Az: 1 BvR 184/13