Ausgabe 28/2016 - 15.07.2016
Brüssel (epd). Frankreich ist in fünf Fällen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt worden, weil es im Zuge von Abschiebungen auch Kinder eingesperrt hat. Die Administrativhaft von Minderjährigen, deren Eltern sie bei sich behalten wollen, könne zwar grundsätzlich rechtmäßig sein. Sie dürfe aber nur das letzte Mittel sein und müsse auf kurze Zeit in angemessener Umgebung beschränkt sein, urteilten die Straßburger Richter am 12. Juli. Frankreich habe daher mit der Behandlung der Kinder fünf Mal gegen Artikel drei der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen. Dieser verbietet Folter und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung.
Unter anderem war ein Ehepaar aus Armenien mit seinem vierjährigen Sohn betroffen. Die Familie war aus Furcht vor politischer Verfolgung geflohen, da der Mann Journalist war und sich politisch engagierte. Nach der Ankunft in Frankreich im Oktober 2009 beantragten die Armenier Asyl, wie der EGMR erläuterte. Nach Ablehnung der Anträge sollten sie Anfang 2012 abgeschoben werden und wurden in eine Hafteinrichtung in Toulouse gebracht. Das kleine Kind wollte das Paar lieber mitnehmen, als es allein in die Obhut des Staates zu geben. 18 Tage musste die Familie in der Abschiebehaft verbringen.
Angesichts des Alters des Jungen, der Dauer und der Bedingungen der Unterbringung verstieß seine Haft gegen die Menschenrechte, entschieden die Richter. Neben dem Artikel drei der Menschenrechtskonvention sahen sie auch die Artikel fünf und acht verletzt, die die Rechte auf Freiheit und Sicherheit sowie auf Achtung des Privat- und Familienleben schützen.
Insbesondere hätten die französischen Behörden nicht darlegen können, dass sie genügend nach einer Alternative gesucht hätten. Der Familie wurden 9.000 Euro Schadenersatz und 10.000 Euro für ihre Auslagen zugesprochen. Auch in den vier anderen Fällen muss der französische Staat zahlen, teilweise aber erheblich weniger.
Az.: 11593/12
Az.: 33201/11
Az.: 24587/12
Az.: 68264/14
Az.: 76491/14