sozial-Recht

Oberlandesgericht

Gefängnisleitung darf RAF-nahe Zeitschrift nicht generell verbieten



Die Leitung einer Justizvollzugsanstalt darf einer Gerichtsentscheidung zufolge Strafgefangenen zwar Zeitschriften mit politisch extremistischem Inhalt in Teilen vorenthalten, aber nicht generell verbieten. Nach dem nordrhein-westfälischen Strafvollzugsgesetz könne ein Inhaftierter grundsätzlich frei wählen, welche Zeitung oder Zeitschrift er beziehen wolle, heißt es in dem am 8. Juli veröffentlichten Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm. Dabei reiche es nicht aus, wenn nur der Inhalt des Druckerzeugnisses gegen Strafgesetze verstoße, vielmehr müsse die Verbreitung der Zeitschrift unter Strafe stehen oder mit einer Geldbuße belegt sein.

Das OLG hob mit dem rechtskräftigen Beschluss ein erstes Urteil des Landgerichts Bochum auf, das ein entsprechendes Verbot der Leitung der dortigen JVA bestätigt hatte. Der betroffene Strafgefangene hatte dagegen Rechtsbeschwerde eingelegt.

Der Häftling bezieht seit 2015 die linksgerichtete Zeitschrift "Gefangenen Info", die aus der Zeitschrift "Hungerstreik Info" hervorgegangen ist, die während des Hungerstreiks von inhaftierten Terroristen der "Roten Armee Fraktion" (RAF) verbreitet wurde. Die JVA-Leitung sah in dem politisch motivierten Info-Blatt eine Bedrohung der Sicherheit. Sie argumentierte, darin würden unter anderem Themen wie Hungerstreiks und Missstände bei Haftbedingungen behandelt, die die JVA-Ordnung sowie das Vollzugsziel des Gefangenen gefährdeten. Dem Mann wurde seit Mai 2015 die Zeitschrift mit der Begründung nicht mehr ausgehändigt, er hätte den Bezug nicht beantragt.

Nach Ansicht der Richter am Oberlandesgericht Hamm rechtfertigen die von der Gefängnisleitung aufgeführten Gründe nur die Vorenthaltung von einzelnen Ausgaben oder Teilen von Inhalten, nicht aber ein generelles Bezugsverbot. Es sei daher jede Einzelausgabe einer Zeitschrift dahingehend zu überprüfen, ob durch sie oder Teile davon die Sicherheit oder Ordnung der JVA erheblich gefährdet würden, heißt es in dem Urteil. Die Haftanstalt wurde angewiesen, dem Gefangenen die Möglichkeit zu geben, den Antrag auf den Bezug der Zeitschrift noch nachträglich zu stellen.

Az.: 1 Vollz (Ws) 1/16


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