sozial-Branche

Gastbeitrag

Pflegeheime

Noch viele Tücken im sensiblen Bereich der Überleitung




Thomas Harazim
epd-bild/Natalia Riefel
Mit der Einführung eines einheitlichen Eigenanteils für alle Bewohner eines Pflegeheims wird das Finanzierungssystem umgebaut. Neben dem bereits heute einheitlichen Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionen soll nun auch der bisher noch gestaffelte Pflegesatz unabhängig von der Pflegebedürftigkeit einheitlich werden. das könnte für die Einrichtungen zu manchem Problem führen.

Die Reform, die sich auf viele Bewohner und Pflegebedürftige positiv auswirken wird, stellt sich für die Anbieter und Pflegesatzparteien schwierig dar. Denn der Gesetzgeber hat es den Ländern übertragen, für eine Ausgestaltung zu sorgen und den sensiblen Bereich der personellen Überleitung offen gelassen. Und wenn man sich die bisher bekannten Überleitungsverfahren anschaut, einige Länder haben noch gar keine Lösung veröffentlicht, obwohl die Frist Ende September verstreicht, ist das auch nur in einigen Bundesländern gut gelungen.

Zwar wird per Gesetz eine mathematische Überleitungsformel angeboten. Diese berechnet jedoch nur die monetäre Überleitung der Pflegesätze und lässt wichtige Positionen wie Steigerungsraten beziehungsweise Inflationsausgleiche oder die dazugehörigen Personalschlüssel beziehungsweise Überleitungsansätze für die Personalschlüssel auf Pflegegrade-Basis offen. Die Bundesgesetzgebung sieht somit lediglich den rechnerischen und budgetneutralen Transfer der Pflegesätze aus dem Pflegestufensystem in den einrichtungseinheitlichen Eigenanteil im Pflegegradsystem vor.

Knackpunkt Personalsteuerung

Ein wesentlicher Faktor für stationäre Einrichtungen ist jedoch die wirtschaftliche Personalsteuerung, welche insbesondere unter dem Aspekt eines kostendeckenden Personalschlüssels erfolgen muss. Im heutigen System wird dieser Personalschlüssel zwar immer wieder kritisiert, stellt jedoch als Bemessungsgrundlage das wesentliche Element dar und funktioniert auch nachweislich.

Dieser Personalschlüssel bleibt im Gesetz unberührt. Es ist lediglich gewünscht, mindestens personalneutral für eine unbestimmte Zeit (voraussichtlich bis zum Jahr 2018) überzuleiten. Weil jedoch die Erträge je Pflegegrad im neuen System nicht mehr mit dem Prinzip der Pflegestufenfinanzierung zu vergleichen sind, ist insbesondere in Bundesländern mit einem gestaffelten Pflegeschlüssel (und das sind die meisten) eine Steuerung nach alten Schlüsseln nicht mehr risikolos möglich.

Durch die Politik wird sogar proklamiert, dass es im Rahmen der Umstellung ab 2017 zu einer Verbesserung der Personalausstattung von ca. 20.000 Stellen kommen soll. Eine bundeseinheitliche Lösung wird aber erst für das Jahr 2020 angestrebt. Bis dahin sollen die Bundesländer und dort die Pflegesatzkommissionen Länderregelungen für ein vereinfachtes, und damit auch die Verhandlungsparteien (in erster Linie Kostenträger und Leistungsanbieter) entlastendes Verfahren entwickeln. An diesem Punkt scheitern derzeit noch einige Länder, und die Zeit bis Ende September ist knapp.

Länder agieren sehr unterschiedlich

Es gibt aber bereits mehrere Länder, deren Pflegesatzkommissionen ein vereinfachtes Überleitungsverfahren vorgestellt haben. Hierbei zeigt sich deutlich, wie unterschiedlich diese ausgelegt und umgesetzt werden. Von pauschalen Steigerungen auf den Pflegesatz teilweise ohne Verpflichtung, diese Steigerungen in Personal zu investieren, über neue landeseinheitliche Personalschlüssel für Pflegeheime bis hin zur Berechnung neuer, einrichtungsindividueller Pflegepersonalschlüssel ist das Spektrum sehr unterschiedlich.

Zum Zeitpunkt der Überleitung erfolgt die Überleitung mindestens Budgetneutral, beziehungsweise zuzüglich eines Steigerungsfaktors für Mehrpersonal oder für den „Risikozuschlag“. Wie hoch eine solche Steigerung ist oder ob es überhaupt eine gibt, hängt von den landesinternen Regelungen ab.

Für den Risikoaufschlag reicht die Spanne von einem marginalen Inflationsausgleich von etwa einem Prozent bis hin zu 3,7 Prozent. Einige Bundesländer staffeln dabei die Steigerungsraten in Abhängigkeit vom Anteil der Bewohner mit einer nachgewiesenen, eingeschränkten Alltagskompetenz in den Heimen. Dabei wird spätestens ab einem Anteil von 80 Prozent der maximale Satz bewilligt.

Hierdurch ergibt sich das erste Risiko für die Einrichtungen. Überleitungen, die keine pauschale Steigerung des Pflegesatzes vorsehen, sind kritisch zu betrachten. Die zu erwartenden Kostensteigerungen, insbesondere im Tarifbereich, können dann im Jahr 2017 kaum abgefangen werden.

Auch pauschale Aufschläge sind vorgesehen

Zusätzlich werden in einigen Fällen dann noch einmal pauschale Aufschläge für die Refinanzierung neuer Pflegekräfte vorgesehen, während andere dies durch einen neu eingeführten Personalschlüssel machen, durch den dann der neue, erhöhte Personalbedarf berechnet wird. Andere Bundesländer verzichten auch hier auf einen Aufschlag und leiten vollständig personalneutral über.

Entsprechend der einzelnen Landesregelungen werden die neuen Pflegesätze entsprechend höher sein. Die Überleitung orientiert sich dabei nahezu in allen Fällen am bundesgesetzlichen Vorschlag. Für die Betreiber einer stationären Pflegeeinrichtung stellt sich jedoch immer die Frage, ob durch die Überleitung der Pflegeschlüssel noch eine kostendeckende Personalsteuerung auf Basis der Refinanzierung der hinterlegten Pflegschlüssel möglich ist oder ob hier ein wirtschaftliches Risiko besteht.

Der Personalschlüssel wird leider nur in wenigen Bundesländern anhand der Erträge je Pflegegrad nach Überleitung und der realen Personalkosten berechnet. Dadurch entstehen zwar hausindividuelle, aber kostendeckende Personalschlüssel, mit denen belegungsabhängig gesteuert werden kann.

Für die übrigen Länder stellt die Überleitung meistens ein nicht so befriedigendes Verfahren zur Verfügung. Es wird der neue Personalschlüssel anhand des bestehenden Personals in Abhängigkeit von der gewichteten Anzahl versorgter Pflegebedürftiger berechnet. Dadurch entstehen neue, aber fiktive, weil nicht kostenorientierte Personalschlüssel. In den betroffenen Bundesländern sollten daher alle Einrichtungen vor Überleitung die Kostendeckung je Pflegegrad berechnen, um nicht vollkommen unwirtschaftliche Personalschlüssel zu erhalten. Risiko: Das vorzuhalten Personal ist nach Abzug der Umlagekosten nicht zu finanzieren.

Verfahren vorher genau prüfen

Im Vorfeld zur Überleitung heißt es daher für alle Einrichtungen, sich genau mit den vorhandenen Verfahren auseinanderzusetzen. Denn alle bekannten Verfahren haben ihre Tücken. Sollte es noch kein Verfahren geben, besteht die Chance, individuelle Verhandlungen zu führen - was aus unserer Sicht sinnvoller ist als die Anwendung des gesetzlichen Verfahrens, weil hier zum einen noch einmal die Chance auf eine Überprüfung der angesetzten Kosten besteht und gegebenfalls eine Einflussnahme auf den Personalschlüssel sowie eine Steigerung der Pflegesätze auch in Höhe der Tarifsteigerungen möglich wird.

Inwieweit die Überleitungen, wenn sie denn Personalsteigerungen beinhalten, langfristigen Charakter haben, wird sich ebenfalls erst noch zeigen. Durch den Moment der Überleitung - in der Regel erst einmal befristet auf ein Jahr - bleiben alle Einrichtungen mindestens beim gleichen Personalstamm oder können diesen erhöhen. Für die Einrichtungen bedeutet das einen sehr intensiven Kampf um Pflegekräfte, welchen sie auch mit der ambulanten Pflege ausfechten müssen.

Für die Zukunft ist jedoch zu befürchten, dass die Pflegegrade im Vergleich zum Zeitpunkt der Überleitung nach unten reguliert werden. Das könnte anhand der dann teilweise vergleichsweise schlechteren Personalschlüssel im Rahmen der Überleitung zu einem Abbau des Personals führen. Ein entsprechendes Frühwarnsystem mit eindeutigen Kennzahlen wie etwa Verweildauer je Pflegegrad sollte daher zeitnah etabliert werden.

Thomas Harazim, Pflege- und Gesundheitsmanager, ist Berater bei der rosenbaum nagy unternehmensberatung GmbH in Köln.

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