Ausgabe 41/2016 - 14.10.2016
Straßburg (epd). Gerichte müssen das Umgangsrecht eines getrennt lebenden Vaters mit seinem Kind nicht immer durchsetzen. Das gilt vor allem dann, wenn das Kind den Umgang ablehnt. In solchen Fällen könnten Strafen gegen die Mutter die Mutter-Kind-Beziehung und damit auch das Kindeswohl gefährden, urteilte am 6. Oktober der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Ein mehrjähriger Umgangsausschluss sei aber nicht gerechtfertigt, wenn nicht alle notwendigen Maßnahmen unternommen wurden, um den Kontakt zwischen Vater und Sohn wieder anzubahnen.
Im konkreten Fall bekam ein 44-jähriger Vater aus Köln teilweise recht. Nach der Geburt seines Sohnes im Jahr 1998 hatten sich die Eltern ein Jahr später getrennt. Die Mutter verweigerte vollständig den Kontakt zwischen Vater und Sohn.
Ein gegen die Mutter verhängtes Bußgeld in Höhe von 3.000 Euro wegen einer vorherigen Umgangsvereitelung hob das Oberlandesgericht Köln wieder auf. Die Mutter sei wegen psychischer Probleme nicht in der Lage, ihren Sohn auf den Umgang mit seinem Vater vorzubereiten. Als der Junge den Kontakt zu seinem Vater selbst ablehnte, wurde der Umgang für drei Jahre gänzlich ausgeschlossen.
Der EGMR urteilte nun, dass das eines Bußgeldes gegen die Mutter tatsächlich die Mutter-Kind-Beziehung stören und damit das Kindeswohl beeinträchtigen könne. Die Aufhebung des Bußgeldes sei daher nicht zu beanstanden, befanden die Straßburger Richter.
Allerdings hätten die deutschen Gerichte zu schnell den dreijährigen Umgangsausschluss wegen einer psychischen Instabilität des Kindes angeordnet. Behörden und Gerichte hätten vielmehr darauf drängen sollen, dass das Kind in psychotherapeutische Behandlung kommt. Weil dies nicht geschehen sei, wurde das Recht des Vaters auf Privat- und Familienleben verletzt, entschied der EGMR. Ihm stehe daher eine Entschädigung in Höhe von 10.000 Euro zu.
Az.: 23280/08 und 2334/10