sozial-Recht

Gerichtshof für Menschenrechte

Verbot von Hausgeburten mit Hebamme in Tschechien rechtens



Das in Tschechien bestehende faktische Verbot von Hausgeburten mit Hilfe einer Hebamme ist nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) rechtens. Wie der EGMR am 15. November in Straßburg urteilte, muss das Recht auf die Entscheidung über die Geburt gegen die staatliche Gesundheitsvorsorge abgewogen werden. In den zwei vorliegenden Fällen habe der Staat die Gesundheitsvorsorge höher erachtet und die Europäische Menschenrechtskonvention nicht verletzt, urteilten die Richter in einem Berufungsverfahren.

Zum einen ging es um eine Frau, die bei der Geburt ihres ersten Kindes im Krankenhaus schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Sie war den Angaben des Gerichts zufolge zu Eingriffen gedrängt worden, die sie eigentlich nicht wollte. Ihr zweites Kind wollte sie daher 2010 zu Hause mit einer Hebamme zur Welt bringen. Dabei erfuhr sie, dass Hebammen nur helfen dürfen, wenn eine bestimmte medizinisch-technische Ausstattung vorhanden sei. Außerdem zahle bei Hausgeburten die Krankenkasse nicht. Letztlich bekam die Frau das Kind zu Hause ohne Hebamme.

Im zweiten Fall hatte eine Frau bereits zwei Kinder mit Hilfe von Hebammen zu Hause zur Welt gebracht, aber jeweils ohne behördliche Erlaubnis. Für ihre gewünschte dritte Hausgeburt fand sie wegen der staatlichen Vorschriften keine Hebamme mehr und kam deshalb in einem Krankenhaus nieder.

Der Menschenrechtsgerichtshof urteilte nun, dass die Rechtslage die Frauen de facto gezwungen habe, entweder im Krankenhaus oder aber ohne Hilfe zur Hause zu gebären. Dies wertete er tatsächlich als Eingriff in das von der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Recht auf Privatleben. Er machte aber zugleich geltend, dass die staatlichen Behörden einen beträchtlichen Ermessensspielraum hätten. In den vorliegenden Fällen habe Tschechien diesen genutzt, um Gesundheitsrisiken für Mutter und Kind zu minimieren. Beispielsweise könne ein Kaiserschnitt nötig werden oder das Neugeborene besonderer Pflege bedürfen, die nur in einer Klinik zu leisten sei, erläuterte der EGMR.

Das Gericht bestätigte dessen ungeachtet Bedenken der Klägerinnen. Es stellte fest, dass die Bedingungen für Krankenhausgeburten in der Tschechischen Republik nicht überall gut genug zu sein schienen, dass etwa Wünsche der Mütter nicht voll respektiert zu werden schienen. Hier drang das Gericht auf Verbesserungen.

Der EGMR hatte in einem ersten Entscheid bereits 2014 die Klage der Frauen abgewiesen. Das aktuelle Urteil der Großen Kammer wurde von 17 Richtern getroffen, von denen fünf eine abweichende Meinung vertraten, und ist endgültig.

Az.: 28859/11 und 28473/12


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