Ausgabe 06/2017 - 10.02.2017
Dannenberg, Fulda (epd). Der Streit um Abtreibungen in der Elbe-Jeetzel-Klinik im niedersächsischen Dannenberg ist beendet. Patientinnen könnten dort auch zukünftig Schwangerschaftsabbrüche nach dem Beratungsmodell vornehmen lassen, teilte der Capio Mutterkonzern mit Sitz in Fulda am 9. Februar mit. Der Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe, Thomas Börner, werde die Klinik auf eigenen Wunsch mittelfristig verlassen. Er hatte erklärt, keine Schwangerschaftsabbrüche in der Fachabteilung unter seiner Leitung zu dulden. Schwangerschaftsabbrüche widersprächen seiner christlichen Überzeugung.
Nach der Verfügung des Arztes hatte es Kritik von Politik und Verbänden gegeben. Der Chefarzt hatte sich auf das sogenannten Schwangerschaftskonfliktgesetz berufen. Danach darf niemand zu einer Mitwirkung an einem Schwangerschaftsabbruch gezwungen werden. Er trage außerdem Verantwortung für seine Abteilung, hatte Börner betont. Im Übrigen stünden alle Mitarbeiter hinter seiner Entscheidung.
Der Capio-Konzern hatte argumentiert, er akzeptiere zwar die persönliche Entscheidung des Chefarztes. Börner dürfe diese aber nicht zur Maxime für seine Abteilung machen. Als weltanschaulich neutrale Einrichtung sei Capio zuerst dem gesetzlich vorgeschriebenen Selbstbestimmungsrecht der Patientinnen verpflichtet.
Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) begrüßte die Ankündigung des Konzerns. Damit zeige er Verständnis für Frauen, "die in einer Notlage den Schritt eines Schwangerschaftsabbruchs nicht leichten Herzens gehen", sagte Rundt. Frauen müssten die Möglichkeit haben, den belastenden Eingriff wohnortnah durchführen zu lassen. Die Klinik werde mit Mitteln der Krankenkassen und des Landes finanziert. Daraus erwachse ihr eine gesellschaftliche Verantwortung.
Capio-Geschäftsführer Martin Reitz betonte am 9. Februar, die nun getroffene Regelung sei «sehr einvernehmlich» mit allen beteiligten Ärzten getroffen worden. «Fortan übernehmen andere, sehr erfahrene angestellte Fachärzte für Gynäkologie den medizinischen Eingriff.» Die Klinikleitung bedaure den Weggang des Chefarztes. Börner selbst war am Donnerstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Er hatte zuvor dem epd gesagt: "Ich muss zu meiner Meinung stehen und gegebenenfalls die Konsequenzen tragen." Er trage die Verantwortung für seine Abteilung. Das könne auch bedeuten, dass er den Chefarztposten, den er erst seit Dezember innehabe, wieder verlassen werde. Es stünden aber noch Gespräche mit der Konzernleitung aus.
Börner erläuterte, außer ihm seien an der Klinik noch drei weitere Ärzte in der Lage, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen und hätten dies zum Teil unter anderer Leitung bereits getan. Dennoch stehe die Abteilung hinter seiner Entscheidung. "Sie richten sich nach meiner Direktive und sind im Übrigen auch gar nicht böse darüber." Er selbst berufe sich auf das Schwangerschaftskonfliktgesetz, nach dem niemand zu einer Mitwirkung an einem Schwangerschaftsabbruch gezwungen werden darf.
Insgesamt wurden in dem Krankenhaus in Dannenberg nach Angaben des Capio-Konzerns im vergangenen Jahr 31 Schwangerschaften entsprechend der gesetzlichen Vorgaben abgebrochen. Der Capio-Konzern betreibt zehn Kliniken in Deutschland. Dannenberg ist darunter die einzige mit einer Geburtshilfe-Abteilung. Abtreibungen sind in Deutschland straffrei, wenn sie in den ersten zwölf Wochen nach der Empfängnis erfolgen und legal, wenn es medizinische Gründe gibt oder nach einer Vergewaltigung. In jedem Fall muss sich die Frau vor dem Eingriff bei einer anerkannten Stelle beraten lassen.
Der evangelikale Dachverband Deutsche Evangelische Allianz hatte Börner zuvor den Rücken gestärkt. Er habe mit seinem grundsätzlichen Nein zu Abtreibungen seine Verantwortung aufgrund der Gesetzes- und Rechtslage wahrgenommen, teilte der Verband am 9. Februar in Bad Blankenburg mit. Darüber hinaus habe der Mediziner von seiner Glaubens- und Gewissensfreiheit Gebrauch macht: "Wenn jetzt zwar diese für ihn selbst anerkannt wird, ihm aber untersagt werden soll, dies auch für seinen Verantwortungsbereich gelten zu lassen, ist das ein ethischer Skandal."