sozial-Branche

Kirchen

Abtreibungsstreit: Chefarzt verlässt Klinik



Die Anordnung eines Chefarztes, dass in seiner Abteilung keine Abtreibungen nach der Beratungsregelung mehr vorgenommen werden sollen, kostet ihn den Job. Er verlasse einvernehmlich die Elbe-Jeetzel-Klinik, teilte der kirchliche Konzern Capio mit.

Der Streit um Abtreibungen in der Elbe-Jeetzel-Klinik im niedersächsischen Dannenberg ist beendet. Patientinnen könnten dort auch zukünftig Schwangerschaftsabbrüche nach dem Beratungsmodell vornehmen lassen, teilte der Capio Mutterkonzern mit Sitz in Fulda am 9. Februar mit. Der Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe, Thomas Börner, werde die Klinik auf eigenen Wunsch mittelfristig verlassen. Er hatte erklärt, keine Schwangerschaftsabbrüche in der Fachabteilung unter seiner Leitung zu dulden. Schwangerschaftsabbrüche widersprächen seiner christlichen Überzeugung.

Nach der Verfügung des Arztes hatte es Kritik von Politik und Verbänden gegeben. Der Chefarzt hatte sich auf das sogenannten Schwangerschaftskonfliktgesetz berufen. Danach darf niemand zu einer Mitwirkung an einem Schwangerschaftsabbruch gezwungen werden. Er trage außerdem Verantwortung für seine Abteilung, hatte Börner betont. Im Übrigen stünden alle Mitarbeiter hinter seiner Entscheidung.

Der Capio-Konzern hatte argumentiert, er akzeptiere zwar die persönliche Entscheidung des Chefarztes. Börner dürfe diese aber nicht zur Maxime für seine Abteilung machen. Als weltanschaulich neutrale Einrichtung sei Capio zuerst dem gesetzlich vorgeschriebenen Selbstbestimmungsrecht der Patientinnen verpflichtet.

Rundt lobt Linie des Konzerns

Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) begrüßte die Ankündigung des Konzerns. Damit zeige er Verständnis für Frauen, "die in einer Notlage den Schritt eines Schwangerschaftsabbruchs nicht leichten Herzens gehen", sagte Rundt. Frauen müssten die Möglichkeit haben, den belastenden Eingriff wohnortnah durchführen zu lassen. Die Klinik werde mit Mitteln der Krankenkassen und des Landes finanziert. Daraus erwachse ihr eine gesellschaftliche Verantwortung.

Capio-Geschäftsführer Martin Reitz betonte am 9. Februar, die nun getroffene Regelung sei «sehr einvernehmlich» mit allen beteiligten Ärzten getroffen worden. «Fortan übernehmen andere, sehr erfahrene angestellte Fachärzte für Gynäkologie den medizinischen Eingriff.» Die Klinikleitung bedaure den Weggang des Chefarztes. Börner selbst war am Donnerstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Er hatte zuvor dem epd gesagt: "Ich muss zu meiner Meinung stehen und gegebenenfalls die Konsequenzen tragen." Er trage die Verantwortung für seine Abteilung. Das könne auch bedeuten, dass er den Chefarztposten, den er erst seit Dezember innehabe, wieder verlassen werde. Es stünden aber noch Gespräche mit der Konzernleitung aus.

Börner sieht sich gestützt von Kollegen

Börner erläuterte, außer ihm seien an der Klinik noch drei weitere Ärzte in der Lage, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen und hätten dies zum Teil unter anderer Leitung bereits getan. Dennoch stehe die Abteilung hinter seiner Entscheidung. "Sie richten sich nach meiner Direktive und sind im Übrigen auch gar nicht böse darüber." Er selbst berufe sich auf das Schwangerschaftskonfliktgesetz, nach dem niemand zu einer Mitwirkung an einem Schwangerschaftsabbruch gezwungen werden darf.

Insgesamt wurden in dem Krankenhaus in Dannenberg nach Angaben des Capio-Konzerns im vergangenen Jahr 31 Schwangerschaften entsprechend der gesetzlichen Vorgaben abgebrochen. Der Capio-Konzern betreibt zehn Kliniken in Deutschland. Dannenberg ist darunter die einzige mit einer Geburtshilfe-Abteilung. Abtreibungen sind in Deutschland straffrei, wenn sie in den ersten zwölf Wochen nach der Empfängnis erfolgen und legal, wenn es medizinische Gründe gibt oder nach einer Vergewaltigung. In jedem Fall muss sich die Frau vor dem Eingriff bei einer anerkannten Stelle beraten lassen.

Evangelische Allianz lobt Chefarzt

Der evangelikale Dachverband Deutsche Evangelische Allianz hatte Börner zuvor den Rücken gestärkt. Er habe mit seinem grundsätzlichen Nein zu Abtreibungen seine Verantwortung aufgrund der Gesetzes- und Rechtslage wahrgenommen, teilte der Verband am 9. Februar in Bad Blankenburg mit. Darüber hinaus habe der Mediziner von seiner Glaubens- und Gewissensfreiheit Gebrauch macht: "Wenn jetzt zwar diese für ihn selbst anerkannt wird, ihm aber untersagt werden soll, dies auch für seinen Verantwortungsbereich gelten zu lassen, ist das ein ethischer Skandal."


« Zurück zur vorherigen Seite

Weitere Themen

Wenn Pflegende selber Hilfe brauchen

Ohne Angehörige würde das deutsche Pflegesystem zusammenbrechen: Jeder zweite Pflegebedürftige wird von Partner, Tochter oder Sohn versorgt. Die körperliche und seelische Last kann enorm sein: Rund 20 Prozent der Pflegenden leiden unter Depressionen.

» Hier weiterlesen

"Kindern den Leistungsdruck nehmen"

Zwölf Jahre lang hat Rosemarie Reichelt die Abteilung "Kindertagesstätten" der Inneren Mission München geleitet und von fünf auf 17 Einrichtungen vergrößert. Reichelt geht zum 1. März in den Ruhestand. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) spricht sie über die Entwicklung der Kitas, Anforderungen ans Personal und die Rolle der Eltern. Die Fragen stellte Susanne Schröder.

» Hier weiterlesen

Mediziner beklagt Hürden bei der Behandlung von Flüchtlingskindern

Bei der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen in Deutschland ist nach Ansicht des Ärztlichen Direktors der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln, Michael Paulussen, eine bessere Kommunikation zwischen Behörden und Krankenhäusern notwendig. "Bei der Behandlung gibt es viele offene Fragen", sagte der Mediziner am 4. Februar auf einer Fachtagung in Essen. "Das betrifft den Leistungsumfang, den Kostenträger und die Datenweitergabe."

» Hier weiterlesen