Ausgabe 27/2017 - 07.07.2017
Berlin (epd). Das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz stärkt nach Angaben von Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD) Minderjährige durch einen wirksameren Kinderschutz. Dies gelinge "vor allem durch eine bessere Zusammenarbeit zwischen Jugendamt und Ärztinnen und Ärzten", sagte Barley am 30. Juni in Berlin. Davon sollen auch Kinder, Jugendliche und Frauen in Flüchtlingsunterkünften profitieren.
Mit dem Gesetz soll unter anderem für Ärzte klarer werden, wann sie ihre Schweigepflicht brechen dürfen und einen Verdachtsfall von Missbrauch an das zuständige Jugendamt melden können. Auch sollen betroffenen Kindern und Jugendlichen mehr Beratungs- und Beschwerdemöglichkeiten gegeben werden.
Gesetzlich verankert wird so etwa die Errichtung von unabhängigen Ombudsstellen. Außerdem bekommen Minderjährige auch ohne Kenntnis ihrer Eltern uneingeschränkten Anspruch auf Beratung. Zudem soll die Zusammenarbeit zwischen Kinder- und Jugendhilfe, Gesundheitswesen, Strafverfolgungsbehörden, Familiengerichten und der Jugendstrafjustiz verbessert werden, hieß es.
Die neue Regelung sieht einen besonderen Schutz von Flüchtlingen vor. So müssen die Länder künftig sicherstellen, dass Kinder, Jugendliche und Frauen in Flüchtlingsunterkünften vor Gewalt geschützt werden. Auch die Träger werden dafür in Verantwortung genommen: Sie werden zur Entwicklung von Schutzkonzepten verpflichtet. Kinder und Jugendliche mit Behinderungen sollen ebenfalls von dem Gesetz profitieren, zum Beispiel durch eine bessere inklusive Förderung in den Kitas.
Die Arbeiterwohlfahrt betonte, der Bundestagsfamilienausschuss habe aus der Gesetzesvorlage der Regierung wesentliche strittige Punkte entfernt. So seien die Änderungen zum Pflegekinderwesen zurückgenommen worden, ebenso die Einschränkungen des Jugendwohnens. Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen wurden Beratungsansprüche erweitert und die Befugnisse der Heimaufsicht erweitert.
„Die AWO ist erleichtert, dass der Bundestag die breite Kritik der Verbände und Sachverständigen aufgenommen hat und einige Streitpunkte aus dem Gesetz gestrichen hat", sagte Wolfgang Stadler, der Bundesvorsitzende des Verbandes. So bleibe das Jugendwohnen erhalten, und unabhängige Ombudsstellen für Kinder und Jugendliche sollen gestärkt werden.
"Mit Unverständnis nehmen wir jedoch zur Kenntnis, dass den Ländern jetzt die Möglichkeit gegeben werden soll, auf die finanzielle Ausstattung von Leistungen für unbegleitete minderjährige Geflüchtete Einfluss zu nehmen", kritisierte Stadler. Hier hätten sich die rein fiskalischen Argumente der Länder durchgesetzt, "was sich zu Lasten der Leistungsstandards für junge Geflüchtete in der Jugendhilfe auswirken kann".
Kritik am Gesetz kam auch von der Evangelische Arbeitsgemeinschaft Familie (eaf): "Von einer großen Reform des Kinder- und Jugendhilfegesetzes, die im Koalitionsvertrag vereinbart worden war und mit der die Inklusion flächendeckend eingeführt werden sollte, ist nicht einmal mehr ein Reförmchen übriggeblieben", rügte der Verein. Präsidentin Christel Riemann-Hanewinckel forderte, in der nächsten Legislaturperiode müsse das Reformvorhaben früher und energischer auf den Weg gebracht werden. Nur eine breite, gute und bedarfsgerechte Unterstützung versetze Familien in die Lage, Kinder und Jugendliche zu stärken.
Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge begrüßte die mit dem Gesetz verfolgte Zielsetzung, Kinder und Jugendliche durch mehr Teilhabe, bessere Leistungsangebote und einen wirksameren Schutz umfassend zu stärken. Er wies jedoch darauf hin, dass dieses Ziel mit dem jetzigen Gesetz nicht erreicht werde und deshalb eine umfangreiche Weiterentwicklung erforderlich sei.
Der Deutsche Verein wies zudem darauf hin, dass das Gesetz an vielen Stellen Leistungsausweitungen und Mehraufwand für die Träger der Kinder- und Jugendhilfe verursache, "die im Gesetzentwurf entweder überhaupt nicht oder nicht konkret beziffert werden". Man erwarte einen vollständigen Ausgleich der finanziellen Mehrbelastung, hieß es.