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Familie

Regierungsreport bestätigt steigende Kinderarmut




Hilft armen Kindern: Das Berliner christliche Kinder- und Jugendwerk "Arche".
epd-bild/Marko Priske
Der Familienreport der Bundesregierung zeigt den Wandel im Familienbild, der Lebensweisen in Deutschland und der Wünsche von Eltern - aber eines bleibt gleich: Die Kinderarmut ist auch unter der großen Koalition weiter gestiegen.

In der Regierungszeit der großen Koalition ist das Armutsrisiko von Kindern in Deutschland weiter gestiegen. Das geht aus dem neuen Familienreport der Bundesregierung hervor, den das Familienministerium am 15. September in Berlin veröffentlichte. Danach sind 19,7 Prozent der Kinder und Jugendlichen armutsgefährdet. Die Zahl stammt aus dem Mikrozensus von 2015. Verglichen mit dem Mikrozensus von 2010 ist das eine Steigerung um 1,5 Prozentpunkte. Damit wachsen fast drei Millionen Kinder und Jugendliche unter schwierigen Bedingungen auf. Die Opposition warf der Regierung Versagen vor.

Das höchste Risiko haben Alleinerziehende, 44 Prozent gelten als armutsgefährdet. Neun von zehn sind Frauen. Zum Vergleich: Bei Paarfamilien sind es zehn Prozent. Für Eltern mit drei oder mehr Kindern steigt das Armutsrisiko jedoch auf 25 Prozent. Als arm gilt ein Haushalt, der weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat. Die Bundesregierung führt die gestiegene Kinderarmut auch auf den, wie es im Report heißt, "nach Herkunftsländern veränderten Zuschnitt der Migration" zurück, also auf den Zuzug von Flüchtlingen mit Kindern.

Report informiert über weit mehr als Armut

Der jährlich erscheinende Familienreport der Bundesregierung gibt nicht nur Auskunft über die wirtschaftliche Lage von Familien, sondern auch über die Wünsche und Lebensvorstellungen von Eltern, die Kinderbetreuung, die Berufstätigkeit der Eltern sowie die Auswirkungen gesellschaftlicher Entwicklungen wie etwa der Digitalisierung auf Familien.

Danach würden beispielsweise gern mehr Eltern häufiger im Home-Office arbeiten, weil an diesen Tagen die Wege zur Arbeit wegfallen und sie mehr Zeit für ihre Kinder haben. Es gebe aber noch nicht genug Angebote seitens der Arbeitgeber. Ein großes Thema ist und bleibt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Der Report fasst zusammen, was sich Eltern laut zahlreicher Umfragen und Studien wünschen: Junge Väter wollen ihre Arbeitszeit reduzieren, Mütter hingegen weiterhin zwar Teilzeit, aber mehr Wochenstunden arbeiten, damit beide Elternteile verdienen und sich zugleich die Kinderbetreuung teilen können. Das ist laut Report auch der beste Schutz gegen Armut. Familien, in denen der Haupternährer plötzlich wegfällt, tragen hingegen ein hohes Armutsrisiko.

Barley: Familie und Beruf müssen besser vereinbar sein

Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD) erklärte zum Familienreport, es bleibe eine der wichtigsten Aufgaben, ein gutes Aufwachsen für alle Kinder zu sichern. Politik und Wirtschaft müssten für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sorgen. Sie forderte einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder; dem Report zufolge müssten dafür 280.000 neue Plätze geschaffen werden.

Die Opposition sieht den Regierungsbericht vor allem als Bestätigung für die Untätigkeit der großen Koalition in Sachen Kinderarmut. Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch, erklärte, nicht einmal das versprochene Rückkehrrecht auf einen Vollzeitarbeitsplatz sei beschlossen worden. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende, Katrin Göring-Eckardt, warf Union und SPD vor, trotz brummender Konjunktur immer mehr Kinder und alleinerziehende Mütter im Regen stehenzulassen.

Butterwegge für "Armutssoli"

Der Kölner Politikwissenschaftler und Armutsforscher Christoph Butterwegge wiederholte seine Forderung nach einem staatlich finanzierten Programm gegen Armut. Er sagte im Südwestrundfunk (SWR), der Solidaritätszuschlag zum Aufbau der neuen Bundesländer sollte nicht abgeschafft, sondern umgewidmet werden in ein "großes Projekt zur Bekämpfung der Kinderarmut".

Damit könne man in den Regionen in Ost- und Westdeutschland, in denen sich die Kinderarmut konzentriere, bessere Betreuungsmöglichkeiten schaffen und Kindern ein warmes Mittagessen anbieten, sagte der Wissenschaftler. Das Problem der Kinderarmut sei "der Krebsschaden in einer so reichen Gesellschaft wie unserer".

Bettina Markmeyer

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