sozial-Politik

Regierungsbildung

Hürden für die Jamaika-Koalition: Die Beschäftigungspolitik




Stempel der Agentur für Arbeit Bielefeld
epd-bild/Werner Krüper
Die Gespräche zur Bildung einer gemeinsamen Bundesregierung zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen schreiten fort. Für eine Jamaika-Koalition müssen viele Hürden überwunden werden. Epd sozial analysiert die inhaltlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der vier Parteien in der Sozialpolitik. Der vierte Teil unserer Serie behandelt die Beschäftigungspolitik.

In der Arbeitsmarktpolitik sehen sich die FDP und die Bündnisgrünen als Modernisierer - auf je unterschiedliche Weise - während die Union auf die Erfolge von inzwischen drei Merkel-Regierungen verweist: Halbierung der Arbeitslosigkeit seit dem Ende der rot-grünen Koalition 2005, fünf Millionen zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse, die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa und wieder steigende Löhne. Das wichtigste Ziel von CDU und CSU ist laut Regierungsprogramm: Die Zahl der Arbeitslosen nochmals zu halbieren und bis 2025 in ganz Deutschland Vollbeschäftigung zu erreichen.

Überangebot an Stellen

Die Merkel-Regierungen profitierten von der Arbeitsmarktreform der rot-grünen Regierung unter Gerhard Schröder (SPD), der guten Konjunktur, der europäischen Finanzpolitik und der Alterung der Gesellschaft, die passend ausgebildeten jungen Leuten schon heute ein Überangebot an Stellen beschert.

Dem Fachkräftemangel will die Union unter anderem mit Nachqualifizierungen von 25- bis 35-jährigen Arbeitslosen begegnen. Ergänzt werden sollen die Bemühungen im Inland durch ein "Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz". Im Unterschied zu FDP und Grünen will die Union Einwanderung nur zulassen, wenn die Interessenten schon einen Arbeitsplatz in Deutschland vorweisen können.

Beim Thema Langzeitarbeitslose ist von der Union nicht viel Leidenschaft zu erwarten. Neu ist allein, dass Kinder von Hartz-IV-Empfängern besonders unterstützt werden sollen, damit ihre Ausbildung nicht am Geld scheitert. Langzeitarbeitslosen sollen sinnvolle und der Gesellschaft nützende Beschäftigungen angeboten werden. Die Grünen wollen einen stabilen sozialen Arbeitsmarkt, also eine ausreichende Zahl an öffentlich geförderten Jobs für Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben.

Kontrolle bei Mindestlöhnen

Demgegenüber setzt die FDP auf "Training on the Job" und will Arbeitgeber bezuschussen, die Langzeitarbeitslose einstellen. Solche Programme gibt es schon; sie werden wenig genutzt, aber die Liberalen glauben, wenn man die Fehler früherer Modelle vermeide und die Betroffenen gut auswähle, könnte die Kombination von Job und ergänzenden Sozialleistungen mehr Langzeitarbeitslosen zu einem regulären Job verhelfen als andere Programme.

Mit Blick auf den Niedriglohnsektor stellt die Union den von der SPD durchgeboxten Mindestlohn nicht infrage, will aber gleich zu Beginn der Legislaturperiode die Kontrollmöglichkeiten einschränken. Damit rennt sie bei der FDP offene Türen ein. Die Pflicht zur Dokumentation der geleisteten Arbeitsstunden, die Ex-Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) vehement gegen die Attacken aus der Wirtschaft verteidigt hatte, könnte fallen, wenn dies nicht die Grünen verhindern.

Gemeinsamkeiten haben Union und FDP auch bei den Minijobs. Die starre Lohnobergrenze von 450 Euro im Monat soll durch eine Kopplung an die Lohnentwicklung aufgehoben werden. Die FDP will Mini- und Midijobs zum Sprungbrett für den Wiedereinstieg in Arbeit machen und dafür die Kombination von Lohn und Sozialleistungen so gestalten, dass mit dem Lohn auch das Einkommen steigt. Nach den Hartz-IV-Regeln ist es dagegen wenig attraktiv, über einen niedrigen Lohn hinaus hinzuzuverdienen, weil das Geld vom Amt wieder abgezogen wird. Die Grünen wollen die Minijobs ganz abschaffen und sie in versicherungspflichtige Beschäftigung umwandeln.

Lebenslanges Lernen

Als Einzige der drei möglichen Koalitions-Parteien will die FDP die Regulierungen der Zeitarbeit aus der vergangenen Legislaturperiode wieder rückgängig machen. Dagegen wollen die Grünen, dass Leiharbeitern nicht erst nach neun Monaten der gleiche Lohn gezahlt wird, sondern vom ersten Tag an - plus einer Flexibilitätsprämie. Schwer vorstellbar, dass die Union einer der beiden Seiten zuneigt, damit dürfte es für die halbe Million Zeitarbeiter beim Status quo bleiben.

Weiterbildung und lebenslanges Lernen sind für die Grünen und die FDP gleichermaßen zentrale Themen. Beide Parteien haben Pläne für ein "Bildungssparen" (FDP) bzw. eine "BildungsZeit Plus" (Grüne) und meinen damit staatliche Darlehen und Zuschüsse für Zeiten des Lernens im, neben dem und für den Job - oder während einer Phase der Arbeitslosigkeit.

Die Grünen fordern mehr Flexibilität für die Arbeitnehmer. Nicht nur Arbeitgeber sollen dies von ihren Beschäftigten verlangen können, sagen sie und wollen, dass eine Vollzeitstelle Wahlarbeitszeiten zwischen 30 und 40 Stunden in der Woche bietet. Damit wären vor allem Eltern oder Beschäftigte flexibler, die einen Angehörigen pflegen - ohne dass sie auf Teilzeit gehen müssten. Heute ist das nötig.

Damit Frauen nicht im Teilzeitjob gefangen bleiben, wollte schon die große Koalition auf Druck der SPD ein Rückkehrrecht auf einen Vollzeitarbeitsplatz beschließen. Dazu kam es nicht mehr. Mit der FDP wird das nun noch unwahrscheinlicher, obwohl auch die Grünen das Rückkehrrecht befürworten.

Bettina Markmeyer

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