Ausgabe 44/2017 - 03.11.2017
Washington (epd). Im September war die Freude bei den Demokraten in den USA riesengroß. Damals war Präsident Donald Trump mit seinem Vorhaben im Kongress gescheitert, die Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama aufzuheben. Doch inzwischen haben Trump und seine Republikaner viel Sand ins Getriebe von "Obamacare" geschaufelt. Trump verkündet, das Versicherungswesen stehe vor dem Kollaps. Es "implodiert", behauptet er häufig.
Kritiker sprechen von "Sabotage" gegen den "Affordable Care Act" (Gesetz für bezahlbare Krankenversicherung), wie "Obamacare" offiziell heißt. Im Bundesstaat Kentucky ist Miranda Brown direkt mit den Auswirkungen konfrontiert. Brown arbeitet seit mehreren Jahren mit dem Verband "Kentucky Equal Justice Center". Der hilft Menschen, die eine Krankenversicherung abschließen wollen. Viele machten sich Sorgen, sagte Brown dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Manche Leute sind verwirrt, ob das Angebot einer Krankenversicherung für alle überhaupt noch existiert." Andere befürchten steigende Kosten. Trumps Anti-Kampagne wirke, beklagt Brown.
In Kentucky gebe es praktisch kein Geld mehr, um für den Abschluss einer Krankenversicherung zu werben. Auch habe Trumps Regierung die Mittel für die Beratung interessierter Bürger drastisch reduziert.
Seit 1. November läuft in den USA die 45 Tage währende Frist, in der "Obamacare"-Versicherte Policen erneuern und Nicht-Versicherte Policen abschließen müssen. Trump hat die Frist halbiert. Zudem wird die Regierungswebseite, die über "Obamacare" Auskunft gibt, an mehreren Sonntagen zwölf Stunden lang geschlossen. Angeblich "zur Wartung".
Krankenversicherung ist in den USA ein löchriger Flickenteppich von staatlichen Versicherungen für die ganz Armen (Medicaid) und für Senioren (Medicare), privaten Versicherungen sowie Versicherungen des Arbeitgebers. Versicherungskonzerne bestimmen den Markt.
Mit "Obamacare" wurde erstmals eine Versicherungspflicht eingeführt. Sogenannte "Versicherungsbörsen" vermitteln Policen. Der Staat schreibt Mindestleistungen vor und zahlt Einkommensschwachen einen Teil der Prämien, häufig mehrere hundert Dollar im Monat.
Seit der Einführung von "Obamacare" haben etwa 20 Millionen Menschen in den USA eine Krankenversicherung abgeschlossen. Am Bundesstaat Kentucky wird der Erfolg deutlich: Der Anteil der Nicht-Versicherten ist nach Regierungsangaben von 14,3 Prozent im Jahr 2013 auf 5,1 Prozent im Jahr 2016 zurückgegangen.
Doch seit einigen Tagen erhalten US-Bürger von Versicherungsbörsen die Nachricht, Versicherer hätten die Prämienkosten "aktualisiert". Sie hätten sie wegen Trump erhöhen müssen. Denn Mitte Oktober kündigte der US-Präsident an, er werde Zuschüsse stoppen, wenn Versicherungsunternehmen Geringverdienern bei der Bezahlung der Arztrechnungen unter die Arme greifen.
Die Zahlungen im Wert von insgesamt etwa zehn Milliarden Dollar im Jahr, die "Obamacare" vorsehe, seien eine "schändliche" Zuwendung an Versicherungsfirmen, sagte Trump. Er wolle das Geld "armen Menschen geben, die es brauchen". Nach Berechnungen des Gesundheitsforschungsinstituts "Kaiser Family Foundation" haben Versicherungsfirmen wegen der erwarteten Ausfälle die Prämien um bis zu 38 Prozent erhöht.
Sabrina Corlette forscht am "Zentrum für Krankenversicherungsreform" an der katholischen Georgetown Universität in Washington. "Wir wissen einfach nicht, was Trumps langfristige Strategie ist", sagt die Professorin. Er habe "eine Atmosphäre der Ungewissheit geschaffen".