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Migration

Flüchtlinge haben wenig Chancen auf dem engen Wohnungsmarkt




Umkämpfter Wohnraum: Die Berliner Gropiusstadt
epd-bild/Rolf Zöllner
Der bezahlbare Wohnungsmarkt in Deutschlands Großstädten ist überlastet. Oft kämpfen viele um nur eine Wohnung. Inzwischen stoßen Tausende neue Bewerber auf den Markt: Flüchtlinge. Und die haben es besonders schwer.

Etwa 1,2 Millionen Asylsuchende haben die Kommunen in den vergangenen zwei Jahren in Sammelunterkünften untergebracht. Diese dürfen die Flüchtlinge verlassen, sobald das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Aufenthaltserlaubnis erteilt hat. Damit drängen viele Flüchtlinge auf den Wohnungsmarkt - rund 400.000 seit Anfang 2016, doch dort werden sie schnell bitter enttäuscht. Denn in den deutschen Großstädten sind bezahlbare Wohnungen Mangelware, und Geflohene haben schlechte Karten.

Bundesweit fehlen nach Branchenschätzungen eine Million Wohnungen. Die Prognosen für die Wohnungsnachfrage seien falsch gewesen, heißt es in einer im Mai veröffentlichten Branchenstudie. Die Experten hatten ein Schrumpfen der Bevölkerung erwartet: Sie hatten nicht mit so vielen Flüchtlingen gerechnet und außerdem die Landflucht in Deutschland unterschätzt.

Nachfrage übersteigt das Angebot deutlich

"Insbesondere in den Großstädten ist die Nachfrage nach Wohnungen heute deutlich größer als das Angebot", sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Im vergangenen Jahr wurden zwar insgesamt 278.000 neue Wohnungen gebaut, darunter seien aber viele Ein- und Zweifamilienhäuser und teure Eigentumswohnungen. Es mangele insbesondere an Wohnungen im niedrigen Preisniveau, erklärte Ropertz. Unter die Neubauten fallen nur 55.000 klassische Mietwohnungen, wovon wiederum nur 24.450 Sozialwohnungen seien.

Eine Entschärfung der Lage dauere noch, denn "der notwendige Wohnungsneubau kommt nur schwer in Schwung", sagt Ropertz. "Um die wachsende Nachfrage und den Fehlbestand auszugleichen, müssten pro Jahr 400.000 neue Wohnungen gebaut werden."

Um die wenigen bezahlbaren Wohnungen konkurrieren Alleinerziehende, Rentner, Geringverdiener, Studenten, Facharbeiter, Arbeitslosengeldbezieher - und Flüchtlinge. Dieser Verteilungskampf lässt sich über den Preis kaum ausfechten: Denn keiner von ihnen kann viel bezahlen.

Flüchtlinge gelten nicht als attraktive Mieter

Im Jahr 2016 kamen laut Mieterbund 257.000 anerkannte Flüchtlinge auf den ohnehin angespannten Markt, für 2017 wird mit 140.000 zusätzlichen Flüchtlingen gerechnet. In der Folge fürchten in Deutschland Wohnungssuchende mit geringem Einkommen, die Flüchtlinge könnten ihnen die knappen freien Wohnungen wegnehmen.

Doch Geflüchtete gelten bei Vermietern nicht unbedingt als attraktive Mieter, erklärt Dana Ersing von der "Kontaktstelle Wohnen" in Leipzig, einem Verein, der Flüchtlingen bei der Wohnungssuche hilft. Sprachbarrieren, langwierige Anträge beim Amt und rassistische Diskriminierung hemmten Vermieter oft, einen Flüchtling als Mieter auszuwählen, sagt Ersing.

Von rund 4.700 Flüchtlingen, die derzeit in Frankfurt am Main in Sammelunterkünften leben, dürfen etwa 2.500 die Unterkünfte verlassen. Doch sie fanden nach Auskunft der Stadt bislang keine Wohnung. Auf der Warteliste für Sozialwohnungen stehen den städtischen Angaben zufolge mehr als 8.000 Menschen. Auch anerkannte Flüchtlinge dürfen sich um Sozialwohnungen bewerben.

"Flüchtlinge sind ohne Hilfe chancenlos"

"Die Geflüchteten sind ohne Hilfe auf dem Wohnungsmarkt eigentlich chancenlos", sagt der Leipziger Stadtsoziologe Dieter Rink. Die privaten Vermieter wollten Haushalte, die zahlungskräftig seien. "Geflüchtete können die Preise nicht zahlen", erklärt Rink. Er fordert die Städte auf, für Geflüchtete mehr Wohnungen bereitzustellen.

Christoph Hahn vom Deutschen Gewerkschaftsbund fordert hingegen, bezahlbare Wohnungen für alle zur Verfügung zu stellen. Unter keinen Umständen dürfe es dazu kommen, dass Verteilungskämpfe um knappen, bezahlbaren Wohnraum entstünden. "Flüchtlinge dürfen bei der Wohnungssuche nicht gegen Menschen mit niedrigem und mittleren Einkommen ausgespielt werden", warnt der Gewerkschafter.

Patricia Averesch

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