sozial-Recht

Bundesverfassungsgericht

Vorschnelle Abschiebungen bei Foltergefahr gerügt



Bei Hinweisen auf eine Foltergefahr dürfen Ausländer nicht vorschnell in ihr Heimatland abgeschoben werden. Gibt es konkrete Anhaltspunkte für eine drohende Folter, müssten deutsche Behörden und Gerichte das aufklären und gegebenenfalls auf die Abschiebung verzichten, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am 9. Januar veröffentlichten Beschluss. Vor einer Abschiebung könnten auch "geeignete Zusicherungen" der Behörden im Zielland eingeholt werden, "die Folter und unmenschliche Behandlung wirksam ausschließen".

Konkret ging es um einen in Rüsselsheim geborenen türkischen Salafisten, der 2015 vom Kammergericht Berlin wegen der Unterstützung der syrischen terroristischen Vereinigung Junud al-Sham zu einer dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Im Juni 2016 drohte die Ausländerbehörde dem heute 30-jährigen Mann die Abschiebung in die Türkei an.

Die dagegen eingelegte Beschwerde blieb ebenso wie der im August 2017 gestellte Asylantrag erfolglos. Vor Gericht hatte der Mann geltend gemacht, dass in der Türkei gegen ihn ein Strafverfahren wegen Unterstützung des islamistischen Terrorismus anhängig sei und ihm dort Folter drohe. Als Begründung legte er ein Schreiben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International vor, wonach es in einem anderen vergleichbaren Fall konkrete Hinweise auf Folter gegen einen Terrorverdächtigen gegeben hatte.

Die Verwaltungsgerichte lehnten die Eilanträge des Mannes ab. Anhaltspunkte für Folter gebe es nicht. Diese drohe lediglich Angehörigen der kurdischen PKK und der Gülen-Bewegung.

Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Gerichte den konkreten Folterhinweisen in der Türkei nicht ausreichend nachgegangen seien. Wegen des Schreibens von Amnesty "und insbesondere vor dem Hintergrund der als gerichtsbekannt einzustufenden allgemeinen Erkenntnisse zur politischen Situation in der Türkei" habe Anlass zu weiterer Sachaufklärung bestanden. Dem seien die Verwaltungsgerichte aber nicht nachgekommen.

Das Verwaltungsgericht Gießen muss nun die Gefahr einer drohenden Folter und unmenschlichen Behandlung in der Türkei neu prüfen.

Az.: 2 BvR 2259/17


« Zurück zur vorherigen Seite


Weitere Themen

Rente mit 63: Beitragslücken können nicht später geschlossen werden

Wer die Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren beziehen will, kann zurückliegende Beitragslücken nicht durch spätere Zahlungen schließen. Das entschied das baden-württembergische Landessozialgericht in einem am 8. Januar veröffentlichten Urteil. Die Richter argumentierten, Arbeitnehmer könnten mit der Nachzahlung von Beiträgen nicht warten, bis Änderungen eintreten, die die Nachteile einer Lücke sichtbar werden lassen.

» Hier weiterlesen

Schmerzensgeld für Sohn nach künstlicher Ernährung des Vaters

Die künstliche Ernährung eines schwerst demenzkranken Patienten mittels Magensonde kostet einen Hausarzt 40.000 Schmerzensgeld. Er muss sie an den Sohn und Betreuer des Verstorbenen zahlen, da er diesen in seine Entscheidung nicht einbezogen hatte.

» Hier weiterlesen

Bonner Heimbetreiber nach Schließung zu Schadenersatz verurteilt

Bei einer Zwangsschließung eines Pflegeheims wegen gravierender Pflegemängel muss der Heimbetreiber den Bewohnern Schadenersatz leisten. Mit einem entsprechenden Urteil gab das Amtsgericht Bonn einer Klägerin Recht, die wegen der kurzfristigen Schließung ihrer Einrichtung in ein teureres Heim umziehen musste. Der Heimbetreiber muss Mehrkosten für Umzug und Unterbringung von fast 5.000 Euro tragen, wie es in der am 8. Januar bekanntgewordenen Entscheidung heißt. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz, die die Klägerin unterstützt hatte, begrüßte das Urteil als wegweisend.

» Hier weiterlesen