sozial-Politik

Koalitionsverhandlungen

In der Pflege sollen 8.000 zusätzliche Stellen entstehen




Mehr Geld für Personal soll die Jobs in der Pflege attraktiver machen.
epd-bild/Werner Krüper
Union und SPD haben einen Kompromiss bei der Pflege erzielt. Sie streben eine bessere Bezahlung und mehr Pflegepersonal an. Den Verbänden und dem Pflegekritiker Alexander Jorde reicht das nicht. Gebraucht würde langfristige Konzepte, um den Pflegeberuf dauerhaft attraktiver zu machen.

Mehr Personal und bessere Löhne in der Pflege: Darauf haben sich Union und SPD bei den Koalitionsverhandlungen geeinigt, wie die stellvertretende SPD-Vorsitzende Malu Dreyer am 31. Januar mitteilte. Sozial- und Wohlfahrtsverbände reagierten mit Skepsis und weiteren Forderungen.

Auch dem Pflegeschüler Alexander Jorde, der vor der Bundestagswahl in der ARD-Sendung "Wahlarena" mit seinen kritischen Fragen an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen Stein ins Rollen gebracht hat, reicht der Kompromiss nicht aus: "Die Politiker von Union und SPD müssen mit den Mini-Korrekturen aufhören und stattdessen einen Neustart in der Pflege wagen", sagte der 21-Jährige dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Um die Bezahlung von Pflegekräften zu verbessern, soll nach Angaben der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Dreyer der Abschluss von Tarifverträgen erleichtert werden. Bereits in den Sondierungsgesprächen hatten sich die Parteien darauf geeinigt, die Tarifbindung in der Altenpflege zu erhöhen. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz bezeichnete das Versprechen, für gerechte Löhne zu sorgen, als einen "ungedeckten Wechsel der Großkoalitionäre. Denn schließlich ist die Bundesregierung hier kein Tarifpartner."

Lauterbach: Angehörige werden entlastet

"Wir lenken gleichzeitig den Blick auf diejenigen, die Angehörige pflegen. Hier haben wir durchgesetzt, dass Angehörige von Pflegebedürftigen entlastet werden, indem sie einen Rechtsanspruch auf eine Auszeit mit Rehabilitionsleistungen bekommen", sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach: "Und wir fassen Pflegeangebote in einem jährlichen Budget zusammen, so dass sie flexibel und unkompliziert in Anspruch genommen werden können." Künftig würden alle Leistungen der Kurzzeit-, Verhinderungs-, Tages- und Nachtpflege zusammengelegt. "Wir erleichtern es den Beteiligten, die richtige Form der Pflege im richtigen Maß zu bekommen." Dazu soll es nur noch einen Antrag geben.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie nannte die Ergebnisse von Union und SPD "einen kleinen Schritt in die richtige Richtung". Notwendig sei in der Pflege jedoch eine strukturelle und nachhaltige Lösung. Lilie begrüßte das Bekenntnis von CDU/CSU und SPD für eine angemessene und tarifliche Entlohnung.

Weiter sagte Lilie, die Zahl von 8.000 zusätzlichen Pflegekräften sei zu niedrig. "Es braucht deutlich mehr Fachpersonal in den Pflegeeinrichtungen, um den Pflegenotstand wirksam zu beseitigen. Wir brauchen eine gemeinsame Anstrengung von Politik und Zivilgesellschaft, um die Attraktivität des Pflegeberufs zu fördern."

Der Deutsche Caritasverband begrüßte grundsätzlich die Einigung, übte aber auch Kritik. "Die genannten 8.000 zusätzlichen Stellen sind jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein und können nur der Anfang sein. Gebraucht werden erheblich mehr Stellen", sagte Verbandspräsident Peter Neher der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Er mahnte, die Finanzierung der neuen Stellen dürfe zu keiner zusätzlichen Erhöhung des Eigenanteils der pflegebedürftigen Menschen in den Pflegeheimen führen.

Neher forderte Investitionen in die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte. Der Fachkräftemangel könne nur bekämpft werden, wenn auch in die Ausbildung investiert werde: "Daher begrüßen wir alle Maßnahmen, welche die Qualifizierung stärken. Besonders wichtig ist eine gute Umsetzung der generalistischen Pflegeausbildung. Ein Beitrag dazu wäre eine Anschubfinanzierung für die Pflegeschulen, damit diese künftig gut gerüstet in die neue Ausbildung starten können."

Bessere Bezahlung der Pflegekräfte braucht mehr Geld

Der Sozialverband VdK bezeichnete eine bessere Bezahlung in der Alten- und Krankenpflege als längst überfällig. Allerdings dürften die Mehrkosten für bessere Bezahlung und mehr Personal nicht dazu führen, dass die Eigenanteile von Pflegebedürftigen weiter steigen. Schon heute müssten immer mehr Pflegeheimbewohner Sozialhilfe beantragen, sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher: "Pflege darf aber nicht arm machen." Die bessere Bezahlung der Pflegekräfte müsse aus Steuermitteln oder von der Pflegeversicherung finanziert werden.

Mascher sagte weiter, notwendig seien in den Pflegeheimen und Krankenhäusern ein "ausreichender Personalschlüssel und Arbeitsbedingungen, die gute und zuverlässige Pflege ermöglichen". Auch müsse mehr dafür getan werden, die Attraktivität des Pflegeberufes zu steigern.

"Tropfen auf den heißen Stein"

Die Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche nannte die Einigung auf 8.000 zusätzliche Pflegekräfte einen "Tropfen auf den heißen Stein", der für die Pflegeheime weniger als eine zusätzliche Kraft bedeute. Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband hält die Einigung für "nicht annähernd ausreichend, um den Pflegenotstand wirksam zu beheben". Er schätzt den Bedarf an zusätzlichem Personal auf rund 100.000 Pflegekräfte.

Der Verband verlangte deshalb eine weitere Vereinbarung, wie und bis wann 100.000 zusätzliche Pflegekräfte gewonnen und finanziert werden sollen. Außerdem forderte der Paritätische eine gesetzliche Regelung, dass die Pflegeversicherung künftig grundsätzlich mindestens 85 Prozent der Kosten übernimmt und der Eigenanteil der Pflegebedürftigen maximal 15 Prozent beträgt.

"Vage Ankündigungen verstetigen sich"

Auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) wies die Ergebnisse der Koalitionsrunde als völlig unzureichend zurück. "Damit verstetigen sich die vagen Ankündigungen aus dem Sondierungspapier, mit minimalsten Maßnahmen den dramatischen Pflegenotstand in Krankenhäusern, stationären Pflegeeinrichtungen und im ambulanten Bereich zu kaschieren", Präsidentin Christel Bienstein in Berlin.

Zur Ankündigung besserer Bezahlung merkte die Expertin an: "Union und SPD wissen sehr wohl, dass sich eine flächendeckende Vergütung nicht per Koalitionsvertrag regelt, sondern einzig durch die Aushandlung der Tarifpartner."

Der Hildesheimer Pflegeschüler Jorde forderte für die Pflege ein grundlegend neues Konzept. "Die Politiker verstehen anscheinend nicht, dass es nicht nur mehr Nachwuchs in der Pflege geben muss", sagte er. Es müsse auch darum gehen, das Pflegepersonal langfristig im Job zu halten. "Die Arbeit in der Pflege ist sowohl körperlich als auch psychisch sehr belastend", betonte Jorde.

Mey Dudin, Patricia Averesch

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