sozial-Branche

Pflege

Bündnis aus Pflegeträgern fordert radikale Reform




Bernhard Schneider
epd-bild/Evangelische Heimstiftung
Die bundesweite Initiative "Pro-Pflegereform" fordert eine grundlegend neue Pflegepolitik. dazu gehört die Einführung einer Pflegevollversicherung sowie die Aufhebung der Grenzen zwischen "ambulant" und "stationär".

Das Bündnis, dem sich nach eigenen Angaben bundesweit mehr als 120 Träger mit mehr als 1.000 Einrichtungen sowie Verbände der Pflegebranche angeschlossen haben, appellierte in einem am 30. Januar in Stuttgart veröffentlichten Brief an die Bundespolitik, "Pflege für alle bezahlbar zu machen". Dazu müsse die derzeitige gesetzliche Pflegeversicherung abgelöst werden durch eine "Pflegevollversicherung mit fixem Eigenanteil".

Bei dem vorgeschlagenen Systemwechsel bezahlen die Pflegebedürftigen einen festen Sockelbetrag, die Pflegeversicherung übernimmt alle darüber hinausgehenden, notwendigen Pflegekosten. Der Vorteil dieses Finanzierungssystems ist nach den Worten von Bernhard Schneider, dem Sprecher der Initiative und Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung: "Der Eigenanteil wird für die Bürger kalkulierbar, kann so abgesichert werden und mindert damit das Risiko der Altersarmut." Derzeit seien rund 450.000 Pflegebedürftige auf Sozialhilfe angewiesen.

Außerdem spiele das derzeitige System Pflegebedürftige und Pflegende gegeneinander aus. Denn: Werden die Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte verbessert, werden die Pflegebedürftigen zur Kasse gebeten, so Schneider. Umgekehrt gelte, dass bei einer Senkung der Pflegebeiträge bessere Arbeitsbedingungen nicht finanziert werden könnten. Der Grund: Die aktuelle Pflegeversicherung zahlt nur eine feste Pauschale und die deckt die Pflegekosten nicht ab.

"Immer mehr Menschen suchen verzweifelt und oft vergeblich nach einem Pflegedienst oder einem Pflegeheimplatz, weil qualifiziertes Personal fehlt", heißt es in dem Brief. Pflegekräfte kehrten ihrem Beruf den Rücken, weil die Arbeitsbedingungen oft unerträglich seien.

Die Initiative "Pro-Pflegereform" fordert, die Trennung zwischen ambulantem und stationärem Pflegeplatz zu überwinden. Mit dieser Trennung habe sich ein undurchsichtiges und ungerechtes Dickicht von Leistungen und Regelungen entwickelt. In Zukunft solle nur noch unterschieden werden zwischen "Wohnen" und "Pflege".

Nach Angaben der Initiative hat der Bremer Gesundheitswissenschaftler Heinz Rothgang das Reformkonzept in einem Gutachten untersucht. Er kam nach Angaben des früheren Vorsitzenden des diakonischen Fachverbandes Devap, Bernhard Schneider, zu dem Ergebnis: Die Strukturreform ist in zwei Stufen machbar und finanzierbar.

Nach Rothgangs Gutachten müsste bei Einführung einer Pflegevollversicherung der Pflegebeitrag um 0,7 Prozentpunkte erhöht werden, gibt die Initiative "Pro-Pflegereform" an. "Würde man die Pflegevollversicherung mit einem fixen und zeitlich begrenzten Eigenanteil von z.B. 300 Euro im Monat einführen, wären mit 0,7 Prozentpunkten deutliche Verbesserungen in der personellen Ausstattung möglich", erklärte Schneider.

Markus Jantzer

« Zurück zur vorherigen Seite


Weitere Themen

Ausschluss aus kirchlichem Verband wegen anrüchigem Finanzgebaren

In Berlin ist der Streit mit dem Diakoniewerk Bethel eskaliert: Wegen schwerer Vorwürfe gegen die Manager hat der kirchliche Wohlfahrtsverband die Reißleine gezogen. Es ist nicht das erste Mal, dass in der Diakonie eine Mitgliedschaft gekündigt wird.

» Hier weiterlesen

Fachkräfte beklagen Betreuungsmängel bei jungen Flüchtlingen

Nach einer Onlineumfrage bei Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe hat ein Großteil der minderjährigen Flüchtlinge Gewalterfahrungen hinter sich. 57,7 Prozent der Befragten berichteten, dass die Betroffenen Gewalt und Missbrauch sowohl im Heimatland als auch während der Flucht erdulden mussten, teilte der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) am 27. Januar in Berlin mit. Deshalb müssten sich Jugendämter, Träger und zuständige Ministerien darauf einstellen, dass der Anteil traumatisierter Minderjähriger weiter ansteigt, auch, weil die Fluchtrouten gefährlicher geworden seien, hieß es.

» Hier weiterlesen

Diakonie startet Abschiebemonitoring am Flughafen

Das Diakonische Werk Hamburg hat am 1. Februar die Abschiebungsbeobachtung am Hamburger Flughafen aufgenommen. In den kommenden drei Jahren wird der Beobachter ausgewählte Abschiebungen am Hamburger Flughafen begleiten, dokumentieren und problematische Situationen und Vorfälle festhalten, wie die Diakonie mitteilte. Diese Berichte werden anschließend in einem Begleitgremium zwischen staatlichen Stellen, Kirchen und Nichtregierungsorganisationen besprochen.

» Hier weiterlesen