sozial-Recht

Bundesverfassungsgericht

Stichfeste Argumente für "offensichtlich unbegründeten" Asylantrag gefordert




Das Bundesverfassungsgericht hat präzisiert, wann eine Asylklage "offensichtlich unbegründet" ist.
epd-bild/Gustavo Alàbiso
Asylsuchende sind bei einem als offensichtlich unbegründeten Asylantrag zur Beschleunigung von Asylverfahren nur auf eine Gerichtsinstanz beschränkt. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden.

Diese eine Instanz muss dann aber auch genau begründen, warum der Asylantrag "offensichtlich unbegründet" ist und warum kein Abschiebungsschutz wegen der angeführten allgemeinen Gefahrenlage im Heimatland besteht, forderte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am 15. Mai veröffentlichten Beschluss im Fall eines afghanischen Flüchtlings.

In einer weiteren, am 18. Mai veröffentlichten Entscheidung entschieden die Verfassungsrichter, dass die Bundesländer zum Abbau des richterlichen Personalmangels und zur Beschleunigung von Asylverfahren ausnahmsweise Beamte als "Richter auf Zeit" einsetzen dürfen.

Im ersten Verfahren ging es um einen heute 19-jährigen Afghanen, der als unbegleiteter Minderjähriger 2016 nach seiner Einreise in Deutschland einen Asylantrag stellte. Als Verfolgungsgrund gab er Streitigkeiten mit den Taliban an, bei denen Dorfbewohner erschossen wurden. Die Taliban seien daraufhin zu seiner Mutter gekommen und hätten ihn als Verräter bezeichnet und ein Foto von ihm mitgenommen, gab der 19-Jährige damals an.

Klage scheiterte vor Verwaltungsgericht

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Asylantrag aber als unbegründet ab. Die dagegen eingelegte Klage wies das Verwaltungsgericht Stuttgart zurück. Die Angaben des Klägers seien unglaubhaft, "krass widersprüchlich" und ungereimt, der Asylantrag damit "offensichtlich unbegründet". Damit ist nach dem Gesetz die Entscheidung unanfechtbar.

Abschiebungsverbote wegen allgemeiner Gefahren und schlechten Lebensbedingungen im Heimatland würden nicht greifen, entschied das Verwaltungsgericht. Das sei erst der Fall, "wenn der Ausländer sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Nach Berichten des Auswärtigen Amtes von Juli 2017 und Oktober 2016 und des UNHCR von Dezember 2016 sei die Sicherheitslage in vielen afghanischen Regionen dagegen "gar nicht so schlecht".

Der Kläger habe zwar noch eine psychische Erkrankung und eine fehlende psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeit in seinem Heimatland geltend gemacht. Die vorgelegten psychologischen Stellungnahmen würden aber nicht die gerichtlichen Anforderungen erfüllen, so die Richter. Beweisanträge hierzu sowie zur Feststellung einer landesweit drohenden Verfolgung durch die Taliban wurden abgelehnt.

"Beschwerde ist begründet"

Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde ist "offensichtlich begründet", entschied das Bundesverfassungsgericht. Schätzt ein Verwaltungsgericht eine Asylklage als "offensichtlich unbegründet" ein, dürften an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts "keine Zweifel" bestehen. Denn es gebe in solch einem Fall für den Asylsuchenden nicht die Möglichkeit, seinen Fall in einer zweiten Instanz überprüfen zu lassen.

Hier habe das Verwaltungsgericht nur behauptet, dass die Angaben des Klägers "krass widersprüchlich" seien, ohne das genauer auszuführen. Für jedes einzelne Schutzrecht eines Asylsuchenden müsse das Gericht aber einzeln begründen, warum dieses nicht beansprucht werden kann. Das gelte nicht nur für das Asylgrundrecht, sondern auch für Verfahren, die auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, der Gewährung subsidiären Schutzes oder der Feststellung von Abschiebungsverboten gerichtet sind.

Ob dem Kläger subsidiärer Schutz wegen einer Gefahr für Leib und Leben zu gewähren ist, habe das Verwaltungsgericht nur "rudimentär" erwogen. Es habe zum Zeitpunkt der Entscheidung auch gar keine obergerichtliche Rechtsprechung zur Sicherheitslage in der maßgeblichen Region Kundus gegeben. Gerade in einem Land wie Afghanistan, in dem sich die Sicherheitslage ständig ändert, müsse ein Gericht sich über die aktuellen Ereignisse laufend unterrichten und dies in seiner Entscheidung berücksichtigen. Das sei nicht geschehen, urteilten die Karlsruhe Richter.

Inwieweit dem Kläger wegen seiner psychischen Erkrankung eine Rückkehr in sein Heimatland nicht zuzumuten ist, habe das Verwaltungsgericht ebenfalls nicht ausreichend ermittelt, rügte das Bundesverfassungsgericht.

Gegen "Richter auf Zeit" spricht nichts

Allerdings müssen es Asylsuchende grundsätzlich hinnehmen, wenn bei den Verwaltungsgerichten Beamte als "Richter auf Zeit" ernannt werden und über ihren Fall entscheiden, so die Karlsruher Richter in dem zweiten Verfahren. Dieser Ausnahmefall, von dem bislang nur Mecklenburg-Vorpommern Gebrauch macht, wurde im Oktober 2015 eingeführt. Grund war die steigende Zahl an Asylverfahren und der damit einhergehende Personalmangel bei Richterstellen.

Die richterliche Unabhängigkeit werde nicht verletzt, wenn ein Richter auf Zeit bislang als verbeamteter Volljurist etwa beim Landeskriminalamt oder der Finanzverwaltung tätig war, entschied das Bundesverfassungsgericht. Es bestehe wegen des Respekts vor der Unabhängigkeit des Richteramtes keine Gefahr, dass der Richter bei einer Rückkehr in sein früheres Amt wegen seiner Rechtsprechung Nachteile von Vorgesetzten zu befürchten habe.

Um die Unabhängigkeit zu wahren, dürfe ein Beamter aber nur einmalig und nicht wiederholt als Richter auf Zeit ernannt werden. Auch dürfe er nicht in Verfahren tätig werden, an denen seine Stammbehörde beteiligt ist, betonten die Verfassungsrichter.

Az.: 2 BvR 2435/17 (Asylantrag)

Az: 2 BvR 780/16 (Richter auf Zeit)

Frank Leth

« Zurück zur vorherigen Seite


Weitere Themen

Krankenkasse muss keine Sterilisation bezahlen

Gesetzlich versicherte Frauen haben in der Regel keinen Anspruch darauf, dass ihre Krankenkasse die Kosten für eine Sterilisation übernimmt. Das Mainzer Sozialgericht wies in einer am 17. Mai veröffentlichten Entscheidung die Klage einer fünffachen Mutter zurück, die aus medizinischen Gründen eine weitere Schwangerschaft ausschließen wollte.

» Hier weiterlesen

Zwangspause für Leiharbeiterin muss nicht zur Kündigung führen

Zeitarbeitsunternehmen dürfen nach einem Gerichtsurteil die gesetzliche Lohngleichbehandlung von Leiharbeitnehmern mit dem Stammpersonal im eingesetzten Betrieb spätestens nach neun Monaten nicht durch Tricks umgehen. Eine Firma darf eine Leiharbeiterin nicht kurz vorher für drei Monate und einen Tag auf die Straße setzen, um sie dann wieder einzustellen, entschied das Arbeitsgericht Mönchengladbach in einem am 15. Mai veröffentlichten Urteil.

» Hier weiterlesen

Adoption eines Leihmutter-Kindes nicht sittenwidrig

Bei Paare, die im Ausland legal mit Hilfe einer anonymen Eizellspende und einer Leihmutter Eltern geworden sind, ist eine spätere Adoption nicht sittenwidrig. Denn die Kinder haben ein Recht auf zwei Elternteile, entschied das Oberlandesgericht München (OLG) in einem am 15. Mai veröffentlichten Beschluss. Danach dürfen deutsche Behörden einem schwulen Ehepartner nicht wegen Gesetzes- und Sittenwidrigkeit die Adoption des mit Hilfe einer Leihmutter zur Welt gebrachten Kindes verweigern.

» Hier weiterlesen