sozial-Politik

Niedersachsen

Wissenschaftler: Pflegekammer nötig für Zukunft der Pflege



Experten halten die umstrittene niedersächsische Pflegekammer für sinnvoll, um den Pflegeberuf langfristig zu stärken. Stefan Görres, Pflegeforscher an der Universität Bremen, nennt die Pflegekammer "ein Kraftpaket für die Pflege der Zukunft". Gerade in Zeiten des Pflegenotstandes brauche der Beruf eine kräftige Stimme, sagte Görres dem Evangelischen Pressedienst (epd) am 9. Januar. Auch wenn es seitens der Politik grundsätzlich mehr Sensibilität bei der Umsetzung bedürfe, mache Niedersachsen "im Prinzip alles richtig".

Die Schwierigkeiten in Niedersachsen seien vor allem auf die unzureichende Information der Pflegekräfte zurückzuführen. "Wir haben festgestellt, dass zwei Drittel der Pflegenden nicht richtig wussten, welche Vorteile eine Kammer mit sich bringt", sagte Görres. Dabei beantworte sie ethische Fragen, biete Fort- und Weiterbildungen und sichere die Qualität der Pflege.

Interessengruppen erzeugten Gegenwind

Gegenwind habe es anfangs auch von Vertretern anderer Interessensgruppen wie Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbände gegeben. Sie hätten vor der Pflegekammer gewarnt und an mancher Stelle absichtlich Desinformation betrieben. Unter anderem fürchteten sie, eigene Mitglieder an die Konkurrenz zu verlieren oder für die vorgesehenen Fortbildungen selbst aufkommen zu müssen.

Auch Hartmut Remmers, Pflegewissenschaftler an der Universität Osnabrück, hält die Pflegekammer für notwendig. Allerdings müssten zunächst einige "Systemfehler" behoben werden. So sei etwa nicht berücksichtigt worden, dass in bestimmten Pflegebereichen nur sehr wenig Geld verdient werde, erläuterte Remmers. Viele Pflegekräfte könnten sich den Pflichtbeitrag für eine Mitgliedschaft in der Pflegekammer schlicht nicht leisten. Sinnvoller sei deshalb eine Mitglieder- und Beitragsordnung, die vorsieht, dass ein einkommensabhängiger Beitrag erst oberhalb einer bestimmten Grenze zu zahlen sei.

"Zwangsmitgliedschaft ist sinnvoll"

Remmers hält auch eine Zwangsmitgliedschaft für sinnvoll: "Wenn die Kammer auf eine Zwangsmitgliedschaft verzichtet, dann hat sie nicht die Legitimation, für den gesamten Beruf zu sprechen." Über die Kammer hinaus brauche die Pflege mehr Unterstützung aus der Politik: "Ohne überzeugende politische Arbeit wäre die neue Kammer ohnehin eine Fehlgeburt."

In Rheinland-Pfalz habe die Landesregierung einer Untersuchung zufolge eine kluge sozial-politische Strategie verfolgt und den gesamten Berufsstand von Anfang an in die "Verkammerung" eingebunden. Dagegen habe die niedersächsische Regierung versucht, die Pflegekammer per ministeriellem Kraftakt zu gründen. Trotzdem bleibe das Vorhaben wichtig und richtig.



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