Ausgabe 41/2016 - 14.10.2016
Düsseldorf (epd). Arbeitsmarktforscher kritisieren den Gesetzentwurf der Bundesregierung zu Leiharbeit und Werkverträgen. Zwar gebe es erfreuliche Neuregelungen in dem Entwurf, der am 17. Oktober Thema einer Expertenanhörung im Bundestag ist, erklärte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung am 12. Oktober in Düsseldorf. Doch enthalte der Entwurf "deutliche Schwächen".
Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel, rechtswidrige Vertragskonstruktionen bei Werkverträgen zu verhindern und Leiharbeit auf ihre Kernfunktion zur Bewältigung von Auftragsspitzen zurückzuführen, erreiche er nicht, bemängelten die Experten.
Der Analyse der WSI-Arbeitsmarktforscher zufolge ermöglicht der Gesetzentwurf weiterhin, Stammbeschäftigte durch Leiharbeitskräfte zu ersetzen. Die im Regierungsentwurf vorgesehene Höchstüberlassungsdauer von Leiharbeitern von 18 Monaten könne überschritten werden, kritisieren die Arbeitsrechtlerin Nadine Absenger und die anderen Studienautoren. Auch bei Betrieben ohne Tarifbindung sehe der Regierungsentwurf entsprechende Öffnungsklauseln und die Übernahme tariflicher Abweichungen in Betriebsvereinbarungen für einen verlängerten Leiharbeiter-Einsatz vor.
Zudem warnen die Forscher vor einem "Drehtüreffekt". Denn die zeitlich befristete Obergrenze für eine Leiharbeiterüberlassung beziehe sich in dem Gesetzentwurf nur auf einen konkreten Leiharbeiter und nicht auf die Arbeitsplätze in einem Unternehmen. Sei beispielsweise die Höchstbeschäftigungszeit eines bestimmten Leiharbeiters abgelaufen, könnten Unternehmen diesen dann gegen einen anderen Leiharbeiter austauschen oder ihn nach drei Monaten erneut einsetzen. Auf diese Weise könnten Unternehmen Dauertätigkeiten durch prekär Beschäftigte erledigen lassen, kritisieren die WSI-Forscher.
Der Regierungsentwurf sorge auch nicht für verbesserte Chancen von Leiharbeitern auf eine gleiche Bezahlung, hieß es. Während im Koalitionsvertrag noch von gleicher Bezahlung nach spätestens neun Monaten die Rede sei, sei die Wartefrist im vorliegenden Entwurf auf 15 Monate angehoben worden. Auch könnten frühere Einsatzzeiten beim gleichen Entleiher nur dann für einen gleichen Lohn angerechnet werden, wenn die Zeiten nicht länger als drei Monate zurückliegen. Dadurch dürften nur wenige Leiharbeiter in den Genuss gleicher Bezahlung kommen, lautet die kritische Analyse. Denn die Einsatzzeiten seien meist deutlich kürzer.
Für eine wirksame Abgrenzung missbräuchlicher von ordnungsgemäßen Werkverträgen fehle im Entwurf ein ursprünglich im Koalitionsvertrag vorgesehener Kriterienkatalog, lautet ein weiterer Kritikpunkt der Arbeitsforscher. Die ersatzweise geplante Definition des Arbeitnehmerbegriffs im Bürgerlichen Gesetzbuch gleiche diese Lücke nicht aus, bemängelten sie.