sozial-Politik

Armut

Gezielte Hilfe für Eltern mit geringen Einkommen




Auch Alleinerziehende, die oft von Armut bedroht sind, sollen von dem neuen Gesetz profitieren
epd-bild/Maike Glöckner
Familienministerin Franziska Giffey und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) sind überzeugt, dass sie mit dem "Starke-Familien-Gesetz" mehr Kinder aus armen Familien unterstützen können als heute. Sozialverbände halten die Regelungen indes für viel zu kompliziert. Doch es gibt auch Lob für einen "Schritt in die richtige Richtung".

Eltern mit geringen Einkommen sollen gezielter unterstützt werden. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und Bundessozialminister Hubertus Heil (beide SPD) warben am 8. Januar in Berlin gemeinsam für den Entwurf des "Starke-Familien-Gesetzes", das zuvor vom Bundeskabinett gebilligt worden war. Man gehe einen weiteren und sehr pragmatischen Schritt im Kampf gegen Kinderarmut, sagte Giffey. Von den verbesserten Leistungen könnten bis zu vier Millionen Kinder profitieren. Sozialverbände bezweifeln das. Die Evangelische Arbeitsgemeinschaft Familie (eaf) sprach jedoch von guten Nachrichten, auch der DGB äußerte sich zufrieden.

Der Gesetzentwurf sieht eine Erhöhung des Kinderzuschlags für Geringverdiener von derzeit bis zu 170 Euro auf bis zu 185 Euro im Monat vor. Der Zuschlag steht Eltern zu, deren Einkommen nicht für die ganze Familie ausreicht und die daher für ihre Kinder Sozialleistungen beantragen müssten. Geplant sind außerdem höhere staatliche Zuschüsse für Schul- und Kindergartenkinder aus einkommensarmen Familien oder Familien, die von Hartz-IV-Leistungen leben.

Mehrausgaben von einer Milliarde Euro

Künftig sollen Kindergeld, Kinderzuschlag und die Bildungs- und Teilhabeleistungen das Existenzminimum eines Kindes abdecken. Für den Kinderzuschlag sind Mehrausgaben von einer Milliarde Euro eingeplant, für die Verbesserung der Teilhabeleistungen 220 Millionen Euro jährlich.

Der Kinderzuschlag steht seit seiner Einführung 2005 in der Kritik, weil er von vielen Familien nicht in Anspruch genommen wird. Giffey sagte, von 800.000 anspruchsberechtigten Kindern, erhielten nur 250.000 die Unterstützung auch tatsächlich. Mit dem "Starke-Familien-Gesetz" erhöht sich Giffey zufolge die Zahl der anspruchsberechtigten Kinder um 1,2 Millionen auf zwei Millionen.

Weil der Kinderzuschlag künftig mit einer Befreiung von den Kita-Gebühren verknüpft wird, rechnet Giffey damit, dass sich die Zahl der tatsächlichen Bezieher deutlich erhöhen wird. Die Beantragung wird vereinfacht und der Geltungszeitraum auf sechs Monate verlängert. Bisher müssen Eltern den Kinderzuschlag ständig neu berechnen lassen und mit Rückforderungen rechnen.

"Das sind gute Nachrichten für Familien mit niedrigen Einkommen. Auch wenn es noch einigen Nachbesserungsbedarf in Details gibt, ist das ein Schritt vorwärts zur besseren Unterstützung von Eltern und Kindern“, betonte Insa Schöningh, die Geschäftsführerin der eaf.

Kinderhilfswerk ist skeptisch

Das Deutsche Kinderhilfswerk erwartet keine grundlegenden Verbesserungen. Präsident Thomas Krüger kritisierte, dass es weiterhin keine automatische Auszahlung des Zuschlags geben werde. Die Verbesserungen beim Bildungs- und Teilhabepaket beschränkten sich zudem auf den schulischen Bereich, kritisierte Krüger weiter. Der Freizeitbereich bleibe außen vor.

Arbeits- und Sozialminister Heil, der für die Teilhabeleistungen zuständig ist, wies die Kritik als "veraltet" zurück. Das Schulstarterpaket werde von 100 auf 150 Euro erhöht, der "bürokratische Wust" bei den Zuschüssen zum Schul- und Kita-Essen sowie für die Schülerbeförderung falle weg, sagte er. Schulessen, Monatskarten und Nachhilfe seien künftig für alle bedürftigen Kinder kostenlos.

Alleinerziehende sollen künftig bessergestellt werden, indem Unterhaltszahlungen nicht mehr voll, sondern nur noch anteilig auf den Kinderzuschlag angerechnet werden. Dadurch erhöht sich ihr Nettoeinkommen.

Familienministerin Giffey wies darauf hin, dass Mitte dieses Jahres das Kindergeld für alle Familien erhöht wird. Parallel dazu würden nun auch die Leistungen für Geringverdiener und für Eltern verbessert, die von der Kindergelderhöhung nicht profitieren - das sind alle, die Hartz-IV-Leistungen in Anspruch nehmen müssen.

Diakonie: Schulstarterpaket noch zu niedrig bemessen

Sozialverbände kritisierten den Gesetzentwurf. Die Diakonie Deutschland erklärte, das Schulstarterpaket sei mit 150 Euro immer noch zu niedrig. Außerdem sei das Nebeneinander aus Kindergeld, Kinderfreibetrag, Kinderzuschlag, Kinderregelsätzen und Pauschalen des Bildungs- und Teilhabepakets viel zu kompliziert und für Familien zu unübersichtlich. Die Gefahr, dass die Leistungen erst gar nicht bei den armen Familien ankommen, ist groß", sagte Vorstand Maria Loheide.

Caritas-Präsident Peter Neher sprach hingegen von einer "echten Verbesserung" und einem wichtigen Schritt zur Bekämpfung von Kinderarmut. Im Detail seien die Regelungen aber weiterhin zu kompliziert und teilweise intransparent, kritisierte auch Neher: "Gesetze, die soziale Gerechtigkeit schaffen sollen, von den Begünstigten aber nicht nachvollzogen werden können, verfehlen ihr sozialpolitisches Ziel."

Der Gesetzentwurf greift laut Neher insgesamt zu kurz, indem nur der Kinderzuschlag und die Bildungs- und Teilhabeleistungen weiterentwickelt würden. "Um Armut von Kindern und Familien nachhaltig zu bekämpfen, brauchen wir ein Konzept, in dem die verschiedenen Transferleistungen für Kinder und Familien einbezogen werden."

Insbesondere müssten die Wohnkosten berücksichtigt werden, die gerade für Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen in Ballungszentren ein großes Problem darstellen, forderte Neher. Eine wirklich "Starke-Familien-Politik" brauche daher eine dynamische Einbindung von Wohngeldleistungen.

VdK regt Nachbesserungen an

Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, begrüßte die Zielrichtung der Gesetzesinitiative. Es sei begrüßenswert, dass mit diesem Gesetz wichtige Schritte zur Bekämpfung der Kinderarmut unternommen werden sollen. "Hier werden langjährige Forderungen des VdK zum Bildungs- und Teilhabepaket, wie die Abschaffung der Zuzahlungen für das Mittagessen in Schule und Kita und die Erhöhung des Schulbedarfs, umgesetzt", so Bentele. Das sei aber noch nicht ausreichend: "Auch die Teilhabeleistungen müssen deutlich angehoben werden, denn eine Mitgliedschaft in einem Sportverein oder der Besuch einer Musikschule sind mit zehn Euro im Monat nicht möglich."

Für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) äußerte Annelie Buntenbach überwiegend Zustimmung zu dem Gesetzesvorhaben. Kritisch bewertete sie jedoch, dass die Koalition die Mehrkosten aufgrund der Reform auf eine Milliarde Euro in der Legislaturperiode begrenzen will. "Dieser Kostendeckel verhindert notwendige, beherztere Maßnahmen gegen Kinderarmut. Die Kinderzuschläge müssen deutlich stärker angehoben und nach Kindesalter gestaffelt werden, weil die Ausgaben für Kinder mit dem Alter steigen."

Bettina Markmeyer, Dirk Baas


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