sozial-Thema

Bundesteilhabegesetz

Reformziel: Heraus aus dem Fürsorgesystem



Das "Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbsbestimmung von Menschen mit Behinderungen", kurz Bundesteilhabegesetz (BTHG), soll Menschen mit Behinderung eine möglichst selbstbestimmte Lebensführung ermöglichen. Dessen erste Stufe trat 2017 in Kraft.

Manche Veränderungen stellen zugleich einen radikalen Systemwechsel dar: Die neuen gesetzlichen Vorschriften bringen zum Beispiel Veränderungen bei der Finanzierung der Leistungen, für den Zugang zu den Hilfen sowie bei den Verfahren zur Ermittlung des Unterstützungsbedarfs. Dazu müssen bis zum Ende des Jahres in den Bundesländern Rahmenverträge zur Umsetzung des BTHG geschlossen werden, um Leistungen und Vergütungen zu regeln.

Das vierstufige Gesetz löst das Recht der Eingliederungshilfe aus dem Sozialhilferecht heraus. Dabei ist der Grundsatz leitend, dass Menschen nicht erst finanziell bedürftig werden müssen, um Gelder aus der Eingliederungshilfe zu erhalten. Zudem sollen Art und Qualität der Hilfen künftig nicht mehr davon abhängen, ob ein Betroffener in seiner eigenen Wohnung oder gemeinsam mit anderen in einer Wohngemeinschaft oder einer Wohneinrichtung lebt.

Vollständiger Kurswechsel erforderlich

Dieses Reformprojekt ist für die Träger der Eingliederungshilfe mit einer ganzen Reihe von organisatorischen Herausforderungen verbunden, denn es geht auch darum, Leistungen zu trennen. Experten verweisen darauf, dass sich das historisch gewachsene Angebotsspektrum der Unterstützungsleistungen komplett ändern muss, um Menschen mit Behinderungen tatsächlich bei ihrer individuellen Lebensgestaltung begleiten zu können.

"Die Gestaltungsideen in Richtung Selbstbestimmung, Personenzentrierung und Teilhabe treffen auf Bestandssorgen, Sorgen um funktionierende Verwaltungsprozesse, Veränderung der Arbeitsbedingungen beim Personal oder mögliche Einsparungen", heißt es bei der Deutschen Gesellschaft für Management und Controlling in der Sozialwirtschaft.

Zunächst muss der Betroffene entscheiden, wie und wo er leben will. Dann wird ermittelt, aus welchen öffentlichen Leistungssystemen er welche Unterstützung benötigt, um etwa gesundheitliche Einschränkungen zu kompensieren. Weil sich dieser Status in der gesamten Lebenszeit ändert, ist auch der Hilfebedarf stets neu zu justieren.

Inklusion rückt ins Zentrum

Mit dem BTHG wird zudem das deutsche Recht in Übereinstimmung mit den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) weiterentwickelt und an dem Grundbegriff der Inklusion ausgerichtet. Dabei geht es auch darum, die Teilhabe an Bildung und am Arbeitsleben sowie die Beratung der Menschen mit Handicap zu verbessern.

Die erste Reformstufe ist 2017 in Kraft getreten und umfasst unter anderem Änderungen im Schwerbehindertenrecht sowie höhere Freibeträge bei Einkommen und Vermögen.

Am 1. Januar 2018 wurden Teil 1 und Teil 3 des SGB IX-neu eingeführt. Dabei handelt es sich um das Verfahrensrecht (Teil 1) sowie das Schwerbehindertenrecht (Teil 3). Weiterhin wurden vorgezogene Verbesserungen im Bereich der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in der Eingliederungshilfe eingeführt.

Nächste Stufe greift ab Januar

2020 soll die Trennung von Leistungen der Eingliederungshilfe von existenzsichernden Leistungen eingeführt werden. Das Recht der Eingliederungshilfe wird dabei zu Teil 2 in SGB IX-neu und soll im Zuge dessen vollständig aus dem SGB XII (Sozialhilfe) herausgelöst werden. Diese Neuausrichtung erfolgt konsequent personenzentriert, das heißt, sie wird am notwendigen individuellen Bedarf ausgerichtet. Ziel ist es zu vermeiden, dass über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden wird. Künftig sollen Betroffene in den gesamten Prozess der Leistungsfeststellung, Leistungsplanung und Leistungsumsetzung eingebunden sein.

In der letzten Reformstufe, die am 1. Januar 2023 in Kraft tritt, wird der Zugang zur Eingliederungshilfe neugestaltet. Dabei wird der leistungsberechtigte Personenkreis geändert.