sozial-Thema

Sterbehilfe

Kirchen

INT

EKD-Ratsmitglied Kaufmann: "Assistierter Suizid ist kein Weg"




Dieter Kaufmann
epd-bild/Norbert Neetz

Der Theologe Dieter Kaufmann, Mitglied des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und ehemaliger Vorstandsvorsitzender der württembergischen Diakonie, warnt davor, Suizidassistenz in kirchlich-diakonischen Einrichtungen zuzulassen. Kaufmann sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), er könne sich einem entsprechenden Vorschlag des Präsidenten der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, nicht anschließen.

"Als Kirche sehen wir im Selbstbestimmungsrecht ein hohes Gut", sagte Kaufmann. Unterstützung für Menschen in der Sterbephase könnten etwa palliative Sedierung, Sterbefasten und andere palliative Begleitung sein. "Aber assistierter Suizid ist kein Weg, den wir in unseren kirchlich-diakonischen Einrichtungen unterstützen können", betonte Kaufmann. Selbstbestimmung im Sterben sei in anderen Formen möglich.

"Hoher Druck"

Aus christlicher Sicht sei "die Grundlinie der Schutz des Lebens, egal ob körperlich behindert oder psychisch krank oder alt". Es gebe durchaus ein Dilemma, nämlich eine für den Betroffenen existenzielle Not. Und dann stehe die Frage im Raum, wie man damit umgehen könne. Wenn kirchlich-diakonische Einrichtungen dann assistierten Suizid als Möglichkeit in Erwägung zögen, bestünde die Gefahr, "dass dieser Weg letztendlich zum gesellschaftlich akzeptierten Weg des Sterbens wird", sagte der Theologe, der im vergangenen Jahr als Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werkes der evangelischen Kirche in Württemberg in den Ruhestand gegangen ist. Es gebe "dahingehend manchmal einen hohen Druck, teilweise auch aus wirtschaftlichen Gründen".

Hochrangige evangelische Theologen - darunter auch Diakonie-Präsident Lilie - hatten sich in einer Stellungnahme für die Möglichkeit von Sterbehilfe in kirchlich-diakonischen Einrichtungen ausgesprochen. Die Einrichtungen sollten eine bestmögliche medizinische und pflegerische Palliativversorgung sicherstellen, heißt es darin. Zugleich dürften sie sich aber dem freiverantwortlichen Wunsch einer Person nicht verweigern, ihrem Leben mit ärztlicher Hilfe ein Ende zu setzen. Offiziell wird in der evangelischen sowie in der katholischen Kirche die Möglichkeit zur Suizidassistenz abgelehnt.

"Schutzkonzepte nötig"

Kaufmann sagte, Diakonie und Kirche sähen durchaus den Menschen in seiner Not, und es werde wohl auch Ausnahmen geben müssen, "die man klären muss". Assistierter Suizid habe aber nichts mit Selbstbestimmung zu tun, sondern resultiere aus empfundener Ausweglosigkeit. Deshalb braucht es aus seiner Sicht "verstärkt Informationen und vertiefte Beratung, und es sind Schutzkonzepte nötig".

Auslöser für die Debatte über Sterbehilfe ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem vergangenen Februar. Die Verfassungsrichter hatten den Klagen von Sterbehilfeorganisationen, Ärzten und Einzelpersonen Recht gegeben, die sich gegen das 2015 verabschiedete Verbot organisierter - sogenannter geschäftsmäßiger - Hilfe bei der Selbsttötung richteten. Die Karlsruher Richter erklärten das entsprechende Gesetz für nichtig und begründeten das mit dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben, das auch Dritten die Assistenz beim Suizid erlaube.

Susanne Müller


Mehr zum Thema

Kontroverse über Umgang mit Sterbewilligen in Diakonie-Einrichtungen

Hochrangige evangelische Theologen halten Sterbehilfe in kirchlichen Einrichtungen für möglich. Damit weichen sie von der bisherigen Linie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ab. Widerspruch kommt aus den Kirchen und politischen Parteien.

» Hier weiterlesen

Bethel-Chef Pohl lehnt assistierten Suizid in der Diakonie ab

Die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel lehnen Angebote von assistiertem Suizid in diakonischen Einrichtungen ab. Aufgabe der Diakonie in der Begleitung Sterbender sei es, Leiden zu lindern und die Menschen seelsorgerlich und geistlich zu begleiten, nicht aber systematisch den Tod von Sterbewilligen herbeizuführen, sagte der Bethel-Vorstandsvorsitzende Ulrich Pohl am 11. Januar in Bielefeld dem Evangelischen Pressedienst (epd). Namhafte evangelische Theologen, darunter der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, hatten in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" für die Möglichkeit einer professionell begleiteten Selbsttötung in diakonischen Einrichtungen plädiert.

» Hier weiterlesen

Rekowski gegen Sterbehilfe in kirchlichen Einrichtungen

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, stellt sich gegen die Möglichkeit von Sterbehilfe in kirchlich-diakonischen Einrichtungen. Die Begleitung bis zum Lebensende schließe für Seelsorger die Beschaffung oder Verabreichung eines Mittels zur Selbsttötung "kategorisch aus", schreibt Rekowski am 13. Januar in seinem Präsesblog. Die Zusammenarbeit mit Vereinigungen, die organisiert oder gewerbsmäßig eine Förderung der Selbsttötung betreiben, sei "ebenfalls ausgeschlossen".

» Hier weiterlesen

Hessischer Diakoniechef für Möglichkeit einer Suizidassistenz

Der hessische Diakoniechef Carsten Tag hat die Ermöglichung eines begleiteten Suizids in kirchlichen Einrichtungen befürwortet. Er stimme der neuen Position des Präsidenten der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, und weiteren Theologen sowie führenden Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu, sagte Tag am 12. Januar in Frankfurt am Main dem Evangelischen Pressedienst (epd). Diese hatten in einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Montag) dafür geworben, in eigenen Einrichtungen einen assistierten, professionellen Suizid zu ermöglichen. Offiziell lehnt die EKD die Sterbehilfe ab.

» Hier weiterlesen

Arzt: Assistierter Suizid in kirchlichen Krankenhäusern tabu

Der Braunschweiger Palliativmediziner Rainer Prönneke ist strikt dagegen, Menschen in kirchlich-diakonischen Einrichtungen einen medizinisch assistierten Suizid zu ermöglichen. Für evangelische Krankenhäuser halte er dies von ihrem Selbstverständnis her für ausgeschlossen, sagte der Chefarzt des Marienstifts in Braunschweig dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dort gelte das Gebot, nicht töten zu dürfen. Einem Menschen mit dem Verabreichen eines Medikamentes im Suizid zu helfen, sei aber eine Tötung. "Ziel ist dabei der Tod, nicht eine Leidensverminderung mit Todesfolge."

» Hier weiterlesen

Lilie: "Niemand von uns will den Tod organisieren"

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie hat den von ihm mitgetragenen Vorstoß für die Möglichkeit von Suizidassistenz in kirchlichen Einrichtungen verteidigt. "Niemand von uns will den Tod organisieren", sagte Lilie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es gehe um einen Aufschlag "zu einer anstehenden, nachdenklichen und differenzierten Debatte über die Frage, wie wir respektvoll, wertegebunden und ergebnisoffen mit dem Willen von Betroffenen umgehen", sagte er.

» Hier weiterlesen