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Medizinethik

Arzt: Assistierter Suizid in kirchlichen Krankenhäusern tabu



Der Braunschweiger Palliativmediziner Rainer Prönneke ist strikt dagegen, Menschen in kirchlich-diakonischen Einrichtungen einen medizinisch assistierten Suizid zu ermöglichen. Für evangelische Krankenhäuser halte er dies von ihrem Selbstverständnis her für ausgeschlossen, sagte der Chefarzt des Marienstifts in Braunschweig dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dort gelte das Gebot, nicht töten zu dürfen. Einem Menschen mit dem Verabreichen eines Medikamentes im Suizid zu helfen, sei aber eine Tötung. "Ziel ist dabei der Tod, nicht eine Leidensverminderung mit Todesfolge."

Prönneke, der auch dem Vorstand des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes (DEVK) angehört, stellt sich damit gegen die Position, mit der hochrangige Theologen in einem Beitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" die Debatte um den assistierten Suizid neu entfacht hatten. Darin heißt es, kirchliche Einrichtungen sollten eine bestmögliche Palliativversorgung sicherstellen. Zugleich dürften sie sich aber dem freiverantwortlichen Wunsch einer Person nicht verweigern, ihrem Leben mit ärztlicher Hilfe ein Ende zu setzen.

Sanfter Übergang in den Tod

Auch er kenne Situationen, in den schwer kranke Menschen unerträglich gelitten hätten, räumte Prönneke ein. Doch die Palliativmedizin habe mit der Sedierung ein Mittel, um auch dann zu helfen. "Wir können einen Schlafzustand erzeugen und damit einen sanften Übergang in den Tod. Das ist Hilfe beim Sterben, nicht auf den Tod hin."

Der Palliativmediziner begrüßte allerdings, dass die Debatte nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar vergangenen Jahres jetzt wieder Fahrt aufnimmt. Die Richter kippten dabei das Verbot organisierter Sterbehilfe und stellten das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben in den Mittelpunkt, das auch Dritten die Assistenz beim Suizid erlaube. "Es ist wichtig, dass wir die Diskussion führen", sagte der Chefarzt der zur Evangelischen Stiftung Neuerkerode gehörenden Klinik. Dies gelte insbesondere unter Medizinern.

Selbstbestimmung eingeschränkt

Mit Berufung auf die Selbstbestimmung nähmen Menschen allerdings auch andere in die Pflicht. Es müsse ausgeschlossen bleiben, dass Mediziner oder Pflegepersonal dadurch unter Druck gerieten, sich an einer Selbsttötung zu beteiligen. "Der nächste Schritt zur aktiven Sterbehilfe wäre klein", mahnte Prönneke. Dann würden Grenzen überschritten. So würden in den Niederlanden bereits schwerbehinderte Neugeborene getötet.

Zum Thema Selbstbestimmung, erläuterte er: Menschen könnten sich nicht selbst erschaffen. In bestimmten Lebensphasen wie als Säugling oder Schwerkranke sei ihre Selbstbestimmung eingeschränkt. "Ob ein Mensch, der nicht mehr leben will, eigenständig oder fremdbestimmt handelt, ist beispielsweise bei Menschen mit psychischen Krankheiten nicht immer klar zu trennen." Es gebe darüber hinaus diejenigen, die etwa das Alter nicht aushalten wollten und damit eine Abhängigkeit und fehlende Perspektiven im Pflegeheim. Hier bestehe eine besondere Herausforderung für eine bessere Ausstattung der Altenhilfe.

Karen Miether


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