Berlin (epd). Diakonie-Präsident Ulrich Lilie hat den von ihm mitgetragenen Vorstoß für die Möglichkeit von Suizidassistenz in kirchlichen Einrichtungen verteidigt. "Niemand von uns will den Tod organisieren", sagte Lilie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es gehe um einen Aufschlag "zu einer anstehenden, nachdenklichen und differenzierten Debatte über die Frage, wie wir respektvoll, wertegebunden und ergebnisoffen mit dem Willen von Betroffenen umgehen", sagte er.
Er verwahre sich "gegen Karikaturen unseres Anliegens, es gehe uns um ein geregeltes Angebot neben anderen oder einen Anspruch auf Sterbehilfe in unseren Einrichtungen", sagte er: "Selbstverständlich bleibt die Diakonie Anwältin des Lebens."
Am 11. Januar war in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ein Gastbeitrag erschienen, der sich für die Möglichkeit des assistierten Suizids in evangelischen Einrichtungen ausspricht. Zu den Autoren gehören neben Lilie der Theologe Reiner Anselm und die Theologin Isolde Karle sowie der hannoversche Landesbischof Ralf Meister, der Jurist Jacob Joussen und der Palliativmediziner Friedemann Nauck. Sie reagierten damit auf die Debatte um eine mögliche Neuregelung, nachdem das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr das Verbot organisierter Suizidassistenz etwa durch Sterbehilfeorganisationen gekippt hatte.
Das Urteil hatte auch in der Kirche für Diskussionen gesorgt. "Zu einer offenen Debatte innerhalb der Kirche gehört, dass auf solche grundlegenden Fragen nicht zu schnell der Deckel draufgelegt wird", sagte Lilie. Nach seinen Worten gehen die Gespräche mit dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) aktuell weiter. "Meiner Meinung nach kommen wir mit der bloßen Wiederholung der Argumente aus der Gesetzesdebatte von 2015 nun nicht wirklich weiter", sagte der Diakoniepräsident. Die EKD hatte in Reaktion auf den Gastbeitrag ihre Position betont, wonach sie organisierte Hilfe bei der Selbsttötung ablehnt.
"Jede Haltung hat ihren ethischen Preis"
"Wir müssen das christliche Verständnis des Tötungsverbots und des Lebens als Gabe Gottes zusammen mit der grundlegenden Wertschätzung der Würde und Selbstbestimmung des Menschen neu bedenken", sagte Lilie. Diese Wertschätzung habe in der evangelischen Ethik auch einen hohen Wert. Jede Haltung, die man bei dem Thema einnehme, habe einen "ethischen Preis". "Wo wir sagen, wir tun das nicht, überlassen wir verzweifelte Menschen in diesen Lebensphasen anderen Akteuren, zum Beispiel Sterbehilfeorganisationen", gab der Theologe zu bedenken.
Lilie betonte, dass sich die Autoren des Beitrags einig darin seien, dass sich eine Öffnung für die Möglichkeit der Suizidassistenz oder die Begleitung von Menschen beim assistierten Suizid "ausschließlich auf die Menschen bezieht, die am Ende einer schweren Erkrankung sind, die keine Aussicht auf Besserung haben und am Ende eines langen Lebens stehen". Das sei gerade keine vorwegnehmende oder kritiklose bloße Übernahme eines höchstrichterlichen Urteils.