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Medizinethik

Hessischer Diakoniechef für Möglichkeit einer Suizidassistenz




Carsten Tag
Diakonie Hessen/Arno F. Kehrer

Der hessische Diakoniechef Carsten Tag hat die Ermöglichung eines begleiteten Suizids in kirchlichen Einrichtungen befürwortet. Er stimme der neuen Position des Präsidenten der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, und weiteren Theologen sowie führenden Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu, sagte Tag am 12. Januar in Frankfurt am Main dem Evangelischen Pressedienst (epd). Diese hatten in einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Montag) dafür geworben, in eigenen Einrichtungen einen assistierten, professionellen Suizid zu ermöglichen. Offiziell lehnt die EKD die Sterbehilfe ab.

Ausgangspunkt der Kehrtwende der Autoren ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar vergangenen Jahres. Die Richter kippten dabei das Verbot organisierter Sterbehilfe und stellten das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben in den Mittelpunkt, das auch Dritten die Assistenz beim Suizid erlaube. Die Theologen übernahmen das Argument des Gerichts, Selbstbestimmung müsse auch im Sterben gelten. Die Diakonie müsse eine Alternative schaffen für den Fall, dass Menschen in ihrem Wunsch nach assistiertem Suizid auf möglicherweise eigennützig handelnde Organisationen auswichen. Die Einrichtungen sollten daher qualifizierte interdisziplinäre Teams für die Unterstützung zum Suizid zulassen, so die Autoren.

Kein "richtig" oder "falsch"

Der hessische Diakoniechef bejahte diese Argumentation und wies darauf hin, dass es für das ethische Dilemma zwischen dem Recht auf Selbstbestimmung bis in den Tod hinein und dem Respekt vor dem Leben als geschenktem Leben kein eindeutiges "richtig" oder "falsch" in christlicher Perspektive gebe, sondern nur Versuche der Annäherung. Die Gesellschaft müsse mehrere Handlungsoptionen zulassen, jeder Einzelne müsse Entscheidungen sorgfältig abwägen, sagte Tag.

Bedingung für die Zulassung eines assistierten Suizids in den Einrichtungen sei, dass Kirche und Diakonie "alles dazu beitragen, dass insbesondere schwerstkranken und sterbenden Menschen ein würdiges und weitgehend schmerzfreies Leben bis zum Schluss ermöglicht werden muss", erläuterte Tag. Des weiteren müssten die Einrichtungen "umfassende Beratungssysteme vorsehen, die helfen, eine solche irreversible Entscheidung verantwortungsvoll zu treffen", auch unter Einbeziehung der Angehörigen und Freunde. Schließlich müssten Kirche und Diakonie "eine Entwicklung verhindern, die dazu führen könnte, den Wert des Lebens eines Schwerstkranken herabzumindern oder es als Belastung anzusehen".



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