sozial-Editorial

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Markus Jantzer
epd-bild/Heike Lyding

in der Corona-Krise wird der Wert der Pflegeberufe für die Gesellschaft besonders deutlich. Doch Applaus von den Balkonen für die aufreibende und auch gesundheitlich riskante Arbeit genügt den Pflegekräften nicht. Jetzt hat die Gewerkschaft ver.di mit einem - relativ kleinen - Arbeitgeberverband einen einmaligen Bonus von 1.500 Euro beschlossen. Schon werden Bedenken und Kritik geäußert. Das zeigt: Selbst in Corona-Zeiten ist eine bessere Bezahlung der Pflegearbeit nicht selbstverständlich. Nach der Corona-Epidemie werden Lohnerhöhungen erst recht "kein Selbstläufer" sein, sagt ein Tarifexperte.

Für die Sozialbranche ist Kurzarbeit weitgehend Neuland. Denn in der Rezession 2008 griffen Sozialunternehmen kaum zu diesem Instrument. In der aktuellen Wirtschaftskrise sollten die Träger diese Option aber ernsthaft erwägen, schreibt die Personalberaterin Silvia Breyer in ihrem Gastbeitrag für epd sozial. Sie erläutert die Voraussetzungen für Kurzarbeit in den Einrichtungen und skizziert das Antragsverfahren.

Auf die besonderen Belastungen der Kontaktsperren für Altenheimbewohner wird immer wieder zurecht hingewiesen. Über das tiefe Loch, in das psychisch Kranke in der Quarantäne-Gesellschaft fallen können, ist dagegen wenig die Rede. Dabei ist Vereinzelung für Menschen mit Depressionen brandgefährlich.

Auch in der Corona-Krise fallen Gerichtsentscheidungen: Das Landessozialgericht Celle stellte fest, dass Diabetiker in besonders schweren Fällen in einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 eingestuft werden können.

Auch das Fernsehen strahlt weiter sein Programm aus. Der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler wendet sich in einer Studie dagegen, dass einige Sendungen abwertende Zerrbilder von sozial Benachteiligten verbreiten.

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Hier geht es zur Gesamtausgabe von epd sozial 15/2020.

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Markus Jantzer




sozial-Politik

Corona-Krise

Ein Virus in Gebärdensprache




Die Frau an Wielers Seite: Bernadette Zwiener
epd-bild/Christian Ditsch
Die Pandemie mit Gesten und Gebärden erklärt - Bernadette Zwiener übersetzt Informationen zur Corona-Krise simultan während der wichtigsten deutschen Pressekonferenzen zu dem Thema.

Wenn der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, seine Statistiken zur Corona-Pandemie vorträgt, steht bei der Pressekonferenz schräg hinter ihm eine Gebärdensprachdolmetscherin und übersetzt simultan. Bernadette Zwiener ist staatlich geprüfte Übersetzerin. Seit drei Wochen sieht man sie in dunkler Kleidung am Bildrand, wo sie das Gesagte für Gehörlose verständlich macht. Davor war ein solcher Anblick während der wichtigsten Nachrichten in Deutschland selten. Allmählich wird er zur Normalität. Denn mehrere Institutionen haben nachgezogen: Simultanübersetzungen in Gebärdensprache gibt es inzwischen etwa bei Ansprachen der Kanzlerin oder bei den regelmäßigen Regierungspressekonferenzen.

Sprache mit eigener Struktur

Aber warum Gebärdensprache? Reichen Untertitel nicht aus, mögen sich all jene fragen, die keine tauben Menschen kennen. "Texte in deutscher Schrift sind immer eine Fremdsprache für Gehörlose", sagt Bernadette Zwiener. Denn Gebärdensprache ist von der Struktur her ganz anders: Sie ist dreidimensional und hat eine andere Grammatik. So wird das Virus zum Beispiel in der Deutschen Gebärdensprache mit eingeknickten Fingern dargestellt - eine Geste, die an in die Luft gezeichnete Anführungszeichen denken lässt. Das neuartige Coronavirus, das der Lunge gefährlich wird, kann mit den Händen auf der Lunge dargestellt werden. Eine andere Gebärde dafür ist die Faust über der die gespreizte Hand gedreht wird, was wiederum an die Mikroskopbilder des Erregers erinnert.

Dolmetscherin Zwiener arbeitet selbstständig, und man könnte vermuten, dass sie sich im Moment vor Aufträgen kaum retten kann. Doch der Eindruck, der entsteht, weil ihre Auftritte in den verschiedensten Medien wiederholt werden, trüge, sagt sie. Er spiegele nicht das tatsächliche aktuelle Arbeitspensum wieder. Tatsächlich brechen ihr wegen der Pandemie zahlreiche Aufträge weg: Termine beim Arzt, in Firmen, Schulen, Museen oder bei Konferenzen.

Zwiener bereitet sich auf jeden Einsatz tagesaktuell vor. Sie selbst ist weder taub noch mit Gebärdensprachen groß geworden. "Man kann ein Leben lang in diesem Beruf tagtäglich etwas Neues lernen, es wird nie langweilig", sagt sie. Neben der Arbeit für das Robert Koch-Institut ist Zwiener auch im Haus der Bundespressekonferenz im Einsatz, zum Beispiel wenn Sprecherinnen und Sprecher der Bundesregierung den Hauptstadtjournalisten Rede und Antwort stehen. Sie recherchiert vor ihren Auftritten in speziellen Lexika und schlägt Übersetzungsansätze für aktuelle Themen in Video-Gebärdensammlungen nach. Vor allem Videos von tauben Gebärdensprachdolmetschern - Muttersprachlern also - helfen Zwiener weiter. Und gibt es für ein Wort einmal keine Gebärde, buchstabiert sie.

Längst überfällig

Ihre Arbeit wird geschätzt. Viele Menschen schreiben ihr, dass es längst überfällig sei, dass Gebärdensprachübersetzungen angeboten würden. "Ich glaube, eine solche Resonanz hätte es vor einigen Jahren nicht gegeben", sagt Zwiener. "Die Inklusionsarbeit trägt Früchte." Etwa 80.000 Gehörlose leben nach Angaben des Deutschen Gehörlosen-Bundes in der Bundesrepublik. Doch gibt es für sie immer noch zu wenige Lehrkräfte, die überhaupt Gebärdensprache können, wie der Geschäftsführer der Berliner Gebärdensprachschule Yomma, Benedikt Sequeira Gerardo, sagt. Gehörlose würden im Bildungsbereich diskriminiert und wiesen deshalb oftmals ein hohes Bildungsdefizit auf.

Die Übersetzung aktueller Ansprachen und Pressekonferenzen in Gebärdensprache ist Teil der derzeitigen Ausnahmesituation und kein Garant dafür, dass es künftig so bleibt. Bernadette Zwiener sagt: "Im Moment gilt ein anderer Kosten-Nutzen-Faktor: Jetzt, wo es auf jede einzelne Person ankommt, weil alle Krankheitsüberträger sein können, muss auch jede einzelne Person informiert werden."

Gebärdensprache ist immerhin sichtbarer geworden. In den Niederlanden verbreitete sich in sozialen Medien jüngst ein Video sogar tausendfach. Es zeigt eine Gebärdensprachdolmetscherin, die das Wort "Hamstern" übersetzt: Mit verbissenem Blick schaufelt sie mit beiden Händen die imaginäre Ware zu sich hin.

Mey Dudin


Corona-Krise

Depressiv in der Quarantäne-Gesellschaft



Die Corona-Krise und ihre sozialen Begleiterscheinungen treibt viele Menschen an ihre psychische Belastungsgrenze: Für Menschen mit Depressionen und auch anderen psychischen Erkrankungen ist sie brandgefährlich.

Sie liegt voller Selbstverachtung im Bett. Eine Userin schreibt ins Online-Diskussionsforum Depression, sie sei angestrengt. "Obwohl ich seit Corona so gut wie nichts mehr mache." Der Hass auf sich und ihre mangelnde Leistungsfähigkeit bestimme nun im Homeoffice ihr Leben. Eine verzweifelte Nachricht, auf die sie viele Antworten bekommt - von Menschen, die ihr das nachfühlen können.

Corona treibt derzeit viele an ihre Belastungsgrenze. Für psychisch Erkrankte ist die Quarantäne-Situation jedoch besonders gefährlich, sagt Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer. Insbesondere Menschen mit depressiven Erkrankungen seien gefährdet. "Die aktuelle Situation verstärkt die Tendenz zum sozialen Rückzug", sagt der Stuttgarter Psychotherapeut. "Isoliert kreisen die Gedanken - im schlimmsten Fall auch um Suizid."

Verlust der Tagesstruktur

Wenn der Arbeitsplatz wegbricht oder wie bei der Forenschreiberin ins Homeoffice wandert, gehe neben sozialer Kontrolle durch Kollegen auch die für Erkrankte so wichtige Tagesstruktur verloren. Alltägliche Abläufe wie Aufstehen, Bewegung, regelmäßiges Essen fallen schwerer: Das kann Depressionen verstärken. Auch die Gruppe der Angstpatienten macht Munz Sorgen. "In einer Situation, wo überall ein gefährliches Virus befürchtet werden muss, können sich Ängste verstärken", sagt der Therapeut.

Rund vier Millionen Versicherte werden in Deutschland pro Quartal bei niedergelassenen Medizinern wegen psychischer Krankheiten behandelt. Kliniken und Ambulanzen haben jährlich 3,5 Millionen Patienten, weisen die Zahlen der Fachgesellschaft DGPPN (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde) aus.

Psychisch Erkrankte können sich auch während der Corona-Epidemie weiter an Psychotherapeuten wenden, betont Munz. Es sei auch weiter möglich, sich zum persönlichen Gespräch in der Praxis zu treffen, wenn keine Ansteckung drohe. Therapie werde aber nun verstärkt über Videositzungen angeboten. "Die Regelungen wurden zum Glück der Krise angepasst." Vor Corona durften nur 20 Prozent der Behandlungen digital sein - und Erstgespräche grundsätzlich gar nicht.

Digitale Psychotherapie

"Es brechen aber Angebote weg", sagt Hanne Horvath, Mitgründerin von "HelloBetter", einem Anbieter digitaler psychologischer Trainings. "Nicht alle Therapeuten können und machen digitale Therapie", sagt sie. Diese müsse auch anders umgesetzt werden, weil die Wahrnehmung zwischen Patient und Arzt stärker eingeschränkt ist. "Das Fachwissen dazu hat man nicht einfach so", sagt die Hamburger Psychologin.

Auch das Wissen von Notfallpsychologen sei jetzt gefragt. Denn: "Die Corona-Krise löst starke akute Krisen bei Menschen aus", beobachtet sie. Mehr als zehntausend Menschen nutzen schon die Corona-Video-Sprechstunde, die "HelloBetter" anbietet. "Der Leidensdruck der Menschen ist gefühlt um 500 Prozent höher", sagt Horvath.

Wie Munz erwartet auch Horvath einen starken Anstieg des Behandlungsbedarfs - sowohl von bereits Erkrankten, als auch von Menschen, die jetzt starken Stress durch Jobverlust und beengte Wohnsituationen erleben. Auch bei Berufen im medizinischen Bereich entstünden gerade hohe Belastungen. "Mit den Folgen haben wir sicher noch länger zu tun", sagt Munz.

Viele Verbände haben ihre telefonischen und Online-Angebote erweitert. "Der Bedarf ist riesig", sagt Karl-Heinz Möhring vom Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen. Der Corona-Stress löse Krankheitsschübe aus, Stützen durch Tagescafés oder Selbsthilfetreffen fielen weg. "Auch für Angehörige ist das extrem" sagt der 79-jährige Münchner, der selbst in Sorge um seine akut erkrankte Frau ist. Er kann sie wegen des Besuchsverbots nicht in der Klinik besuchen und wegen ihrer Hörbehinderung auch kaum sprechen.

Von Miriam Bunjes


Corona-Krise

Unterstützung für psychisch Kranke: telefonisch und online



Menschen in seelischen Krisen können an vielen Stellen telefonische Beratung und Unterstützung bekommen. Viele Verbände haben während der Corona-Pandemie ihre Hotline-Zeiten erweitert und bieten Online-Foren und Beratung an. Die psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung geht auch in Corona-Zeiten weiter, man setze sich mit allen Mitteln dafür ein "unter den aktuell eingeschränkten Bedingungen die optimale Behandlung der Patienten mit dem vorhandenen Personal aufrechtzuhalten", schreibt die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Kliniken und Praxen bauen Video- und Telefonsprechstunden sowie Online-Interventionen aus.

Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen hat eine Corona-Hotline eingerichtet: 0800-7772244 (erreichbar zwischen 8 und 20 Uhr). Die deutsche Depressionshilfe ist erreichbar unter: 0800-344533 (erreichbar Mo, Di, Do 13 bis 17 Uhr, Mi und Fr 8:30 bis 12:30). Der Hamburger Digital-Health-Anbieter "HelloBetter" bietet Online- und Telefonsprechstunden an und will in den nächsten Tagen ein speziell auf Corona-Zeiten zugeschnittenes Online-Trainingsprogramm anbieten: https://www.hellobetter.de/corona-krise/, Hotline: 0800-0009554.

Rund um die Uhr ist die Telefonseelsorge unter 0800-1110111 erreichbar. Die Deutsche Gesellschaft für Zwangserkrankungen ist unter 040/68913700 montags bis freitags von 10 bis 12 Uhr erreichbar und will bei Bedarf die Sprechzeiten ausweiten. Das "SeeleFon" des Bundesverbandes Angehöriger psychisch erkrankter Menschen hat seine Sprechzeiten bereits erweitert: Unter 0228/71002424 berät der Verband montags bis freitags zwischen 10 und 20 Uhr sowie mittwochs bis 21 Uhr und samstags zwischen 14 und 16 Uhr.



Corona-Krise

Interview

"Alle wollen die Ausnahmesituation vermeiden"




Medizinethiker Kurt W. Schmidt
epd-bild/privat
Das ist im Zusammenhang mit der Corona-Krise wohl die schwerste Frage: Was geschieht, wenn die Intensivplätze in den Krankenhäusern nicht für alle reichen? Alle hoffen, dass dieser Fall niemals eintritt, aber mindestens gedankliche Vorbereitungen sind notwendig. Ein Theologe und Medizinethiker bezieht Position.

Angesichts des sich weiter ausbreitenden Coronavirus haben Intensiv- und Notfallmediziner Empfehlungen vorgelegt, nach denen über die Behandlung von Patienten entschieden werden soll, wenn die Kapazitäten nicht mehr für alle Kranken ausreichen. Demnach würde in Deutschland nicht nach pauschalen Kriterien wie dem Alter der Patienten entschieden, heißt es in dem Papier. Im Interview mit Renate Haller erläutert der Frankfurter Theologe und Medizinethiker Kurt W. Schmidt die Folgen des Papiers.

epd sozial: Wenn die intensivmedizinischen Kapazitäten nicht mehr für alle reichen, soll ein Team aus Ärzten und Pflegepersonal entscheiden, wer weiter intensivmedizinisch betreut wird. Ist eine solche Entscheidung ethisch vertretbar?

Kurt W. Schmidt: Zunächst einmal ist es wichtig festzuhalten, dass deutschlandweit mit großen Anstrengungen versucht wird, alles so weit aufzubauen und zu erweitern, damit genügend Behandlungskapazitäten zur Verfügung stehen werden. Ob und wie viele Behandlungsplätze wirklich gebraucht werden, weiß derzeit niemand sicher. Zu jeder guten Vorsorgeplanung gehört es aber auch, sich die Situation vorzustellen, wenn die Versorgungskapazität nicht ausreicht. Damit soll nichts herbeigeredet und auch keine Unsicherheit verbreitet werden. Das ist ein ganz nüchterner Vorgang. Es gehört zur ethischen Verantwortung, sich vorab zu überlegen, wer im Notfall die Entscheidungen treffen soll und nach welchen Kriterien. Dafür haben die sieben deutschen Fachgesellschaften einen Vorschlag gemacht zur klinisch-ethischen Entscheidungsfindung. Das ist ein Vorschlag, keine Verpflichtung für die Einrichtungen des Gesundheitswesens, aber auch der Deutsche Ethikrat rät dazu, sich an den Kriterien der medizinischen Fachgesellschaften zu orientieren.

Die Ausnahmesituation, über die wir dann sprechen, hat es in der gesamten deutschen Nachkriegsgeschichte noch nicht gegeben. Und sollte dieser Fall eintreten, dass die Behandlungskapazitäten nicht ausreichen, müssten unausweichlich Entscheidungen getroffen werden, welche Patienten behandelt werden sollen und welche nicht oder nicht mehr. Diese Entscheidungen will wirklich niemand treffen, und deshalb arbeiten alle daran, eine solche Situation zu vermeiden.

epd: Das entscheidende Team soll aus drei bis vier Personen bestehen. Ist das bei Ärzten und Pflegekräften, die am Limit arbeiten, überhaupt zu leisten?

Schmidt: Das klingt so, als würde dem Behandlungsteam eine schwierige Aufgabe gestellt, die bei ausreichender Zeit und Kraft von den Beteiligten gelöst werden könnte. Das Grundproblem ist jedoch viel gravierender: In einem solchen Katastrophenfall, bei dem nicht alle gerettet werden können, handelt es sich um ein echtes Dilemma – und Dilemmata sind grundsätzlich nicht lösbar. Der Rettungsschwimmer, der nur einen Ertrinkenden retten kann und den anderen zurücklassen und sterben lassen muss, – da bleibt eine unauflösbare Tragik zurück. Da können Sie noch so viel darüber nachdenken. Jedes Leben ist gleich viel wert.

Die Tragik in solchen Situationen ist, dass wir dann auch bereit sein müssen, "schuldig" zu werden. Wir bleiben dem Menschen, den wir nicht haben retten können, weil wir einen anderen gerettet haben, etwas schuldig. Das ist keine persönliche Schuld und hat nichts mit einer falschen Entscheidung zu tun, da es hier auch kein "richtig" gibt. Ich spreche hier von Schuld in einem tiefen existenziellen, theologischen Sinn. Da müssen wir auch bereit sein, dies als Kirche und Gesellschaft mitzutragen. Das betrifft uns alle.

epd: Es soll nicht zulässig sein, Patienten allein aufgrund ihres Alters oder wegen sozialer Kriterien die Behandlung zu verweigern. Wie realistisch ist das?

Schmidt: Auch hier sind die Kriterien eindeutig. Alter allein darf für sich genommen kein Entscheidungskriterium sein. Auch dafür ist das Mehr-Augen-Prinzip wichtig, das heißt die Entscheidungen sollen mit mehreren im Team besprochen werden, auch damit man sich gegenseitig vor (unbewussten) Vorurteilen oder Diskriminierungen schützen kann. Denn die Sache geht auch umgekehrt: Es darf niemand bevorzugt werden. Wenn Sie einen Kollegen aus dem afrikanischen Kulturkreis fragen, wen wir zuerst retten sollten, das Kind oder den alten Menschen, dann könnte der ihnen sagen: natürlich den alten Menschen, denn der hat doch schon sein Leben lang vieles geleistet und da sind wir ihm als Gemeinschaft die Bevorzugung schuldig. Derartige "Belohnungen" würde bei uns jedoch auch das Recht verbieten. Wir bevorzugen zum Beispiel bei der Organtransplantation auch niemand, nur weil er selbst einen Spenderausweis hat, obwohl das von manchen gefordert wird. Es geht nach medizinischen Kriterien. Da allerdings mit dem Alter häufig auch Begleiterkrankungen einhergehen, ist der ältere Mensch in der Regel stärker gefährdet.

epd: Die Auswahl soll getroffen werden unter allen Patienten der Intensivbehandlung. Heißt das: Auch bei Krebspatienten wird unter Umständen die Behandlung eingestellt zugunsten eines Corona-Patienten?

Schmidt: Der Vorschlag der Fachgesellschaften ist, dass in einer solchen ausweglosen Situation die Ärzte dann auf die Behandlung jener Patienten verzichten, bei denen keine oder nur eine sehr geringe Erfolgsaussicht besteht. Man denkt im Grund vom Ende her und fragt: Wer ist so schwer erkrankt, dass er auch bei weiterer guter Versorgung auf der Intensivstation nach ärztlichem Ermessen sterben wird. Dabei ist allen klar, dass dies "in normalen Zeiten" überhaupt nicht zulässig wäre, eine laufende Behandlung zum Zweck der Rettung eines Dritten zu beenden und ihn palliativ zu versorgen, das heißt sicherzustellen, dass er keine Schmerzen hat und nicht leiden muss. Das wäre eine extreme Ausnahmesituation, und da betont auch der Deutsche Ethikrat, dass die Ärzte in einem solchen ausweglosen Fall einer Gewissensentscheidung, in dem sie sich nicht anders zu helfen wissen, mit einer "entschuldigenden Nachsicht der Rechtsordnung" rechnen könnten. Denn die Ärzte müssen ja entscheiden. Auch ein Nicht-Entscheiden hat Konsequenzen für Leben und Tod.

epd: Es ist immer die Rede von der Zwei- oder gar Drei-Klassen-Medizin: Barzahler, Privat- und Kassenpatienten. Halten Sie es für möglich, dass bei einem Privatpatienten, für den die Leistungen an das Krankenhaus besser vergütet werden, mehr getan wird, als für den Kassenpatienten?

Schmidt: Nein. Die Kriterien sind hier eindeutig. Versicherungsstatus spielt keine Rolle. Es geht um die medizinische Notwendigkeit und Überlebenswahrscheinlichkeit.



Corona-Krise

Weit weg von den Angehörigen in Südeuropa




Wegen der Corona-Epidemie menschenleer: Petersplatz in Rom
epd-bild/Vatican Media/Agenzia Siciliani
Italien und Spanien sind von der Corona-Epidemie besonders stark betroffen. Für Familienangehörige, die seit Jahren in Deutschland leben, ist es besonders bitter, dass sie in dieser schweren Zeit ihren Verwandten nicht beistehen können.

Die Nachrichten zur Corona-Krise in Italien sind beängstigend. Die Ansteckungen nehmen weiter zu, ebenso die Zahl der Todesfälle. Und was für Italien schon länger gilt - eine massive Beschneidung des öffentlichen Lebens - wurde in Deutschland erst jetzt durch die Ausgangseinschränkungen wahr. "Mich hat es schon seit langem geärgert, dass man hier so getan hat, als könne das den Deutschen nicht passieren", sagt Claudia Vittore. Die Computerlinguistikerin arbeitet bei einem Elektronikkonzern in München und ist eine der rund 22.000 Menschen in der bayerischen Landeshauptstadt mit italienischen Wurzeln. Wie viele andere auch leidet sie unter der Reisebeschränkung, der Kontakt zu ihren Eltern ist wegen der Ansteckungsgefahr nur telefonisch möglich.

"Ich mache mir Sorgen"

Die Eltern von Claudia Vittore leben in Rom. Vor dem Ausbruch der Corona-Krise ist sie alle paar Monate zu ihnen in die italienische Hauptstadt geflogen. Das geht jetzt nicht mehr, auch die Autobahn über den Brenner ist dicht. "Wir sind schon traurig", sagt sie, "das ist eine belastende Situation, so weit entfernt von den Eltern zu sein und nicht helfen zu können. Ich mache mir Sorgen", sagt sie.

2012 ist sie nach München gekommen, derzeit arbeitet sie im Homeoffice. Ihre Großmutter lebt in einem Altenheim nahe Rom, natürlich in diesem Alter sehr gefährdet. Claudias Vater hat sie neulich besucht - dazu musste er eine Art Passierschein ausfüllen - es geht ihr wohl so weit gut. Claudia Vittore wollte eigentlich zu Ostern nach Hause fahren, das wird aber nicht gehen. Jetzt hofft sie, dass das vielleicht im Mai oder Juni möglich sein wird. Und sie regt sich noch einmal über ihre Lehrerin im Tanzkurs auf, die von der Krise nichts wissen wollte: "Deutsche, die keinen Kontakt zu Italien haben, glauben, es wird nicht so schlimm."

Auch für Graziella Sacco ist es belastend, ihre Eltern nicht sehen zu können. Die Übersetzerin lebt seit gut zehn Jahren in München, ihre Eltern leben in einer kleinen Stadt im Friaul. "Sie haben die Metzgerei geöffnet, deshalb mache ich mir Sorgen", sagt sie. Wegen der Kontakte mit den Kunden. Ihre Beziehung zu den Eltern war immer eng, diese kamen oft zu Besuch in München, vor allem seit die beiden Söhne zur Welt gekommen sind.

"In Madrid ist es besonders schlimm"

Diese Unterstützung durch die Anwesenheit der Mutter ist momentan nicht möglich. Man telefoniert, aber Graziella merkt, die Eltern wollen sie nicht belasten. Das gilt auch andersherum, seit die Situation sich in Deutschland verschärft. Und dann sind da noch die Großeltern väterlicher und mütterlicherseits. "Die Familie kümmert sich darum", weiß Graziella. Auch für sie ist die momentane Situation schwer.

Auch in Spanien ist die Lage dramatischer als in Deutschland. Dort leben die Eltern von Carmen Navarro, die als Übersetzerin in München arbeitet. "Gott sei Dank wohnen sie in Grenada und nicht in Madrid", sagt die Mutter zweier Töchter, "dort ist es besonders schlimm." Die Eltern sind jenseits der 70 und bleiben zu Hause, soweit es geht. Zweimal pro Woche bekommen sie Essen von einem Imbiss geliefert, der Vater geht ab und zu Brot kaufen. Und eine Schwester kauft ein, stellt die Nahrungsmittel unten in den Aufzug, den oben die Eltern öffnen.

Carmen Navarro wollte an Ostern nach Grenada fliegen, das ist jetzt vorbei. Sie telefonieren mehrmals täglich, ab und zu sehen sie sich per Videokonferenz. "Ich habe ein bisschen Angst, dass meine Eltern zu wenig Bewegung haben", sagt Carmen. Jetzt hat sie ihnen ein Programm im spanischen Fernsehen empfohlen, das sich von 9 bis 9.30 Uhr an die zu Hause sitzenden Spanier wendet. Der Name: "Bewegung für alle".

Rudolf Stumberger


Corona-Krise

Millionen US-Bürger verlieren ihre Krankenversicherung



Die Corona-Krise trifft die USA schwer. In dem Land sind nicht nur weltweit die meisten Infizierten registriert. Millionen Beschäftigte werden entlassen. Besonders dramatisch: Wer seinen Job verliert, kann auch seine Krankenversicherung verlieren.

Mit der Corona-Pandemie steigt in den USA die Arbeitslosigkeit. Job-Verlust bedeutet für viele Amerikaner auch Verlust der Krankenversicherung, denn etwa die Hälfte der Versicherten ist über den Arbeitgeber versichert. "Medicaid", die staatliche Versicherung für die Einkommensschwächsten, sowie das vor zehn Jahren eingeführte Versicherungssystem "Obamacare" sollen die Betroffenen auffangen. Doch Barack Obamas Reform wird von seinem Amtsnachfolger Donald Trump angefeindet.

Die Gesundheitsversorgung ist in den USA selbst in guten Zeiten ein Flickenteppich. Das gewerkschaftsnahe Wirtschaftsinstitut "Economic Policy Institute" kommt zu dem Schluss, dass rund 3,5 Millionen Menschen wegen Entlassungen in der zweiten Märzhälfte ihre Krankenversicherung verloren haben. In diesem Zeitraum haben sich nach Angaben des Instituts fast neun Millionen arbeitslos gemeldet.

Große regionale Unterschiede

Wer Versicherungsschutz vom Arbeitgeber verliert, hat die Möglichkeit, wenn er sich das leisten kann, die Versicherungsprämien eine Zeit lang selber weiterzuzahlen. Oder er kann mit Hilfe der von Obamacare eingerichteten "Versicherungsbörsen" eine Police kaufen. Der Staat zahlt dabei Geringverdienern einen Teil der Prämien.

Eine weitere Möglichkeit ist Medicaid. Hier können die Bundesstaaten die Einkommensgrenzen festlegen, ab der Medicaid greift. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen republikanisch regierten Bundesstaaten und Bundesstaaten, in denen die Demokarten die Mehrheit haben. So kann sich im demokratischen Maryland über Medicaid versichern, wer im Monat weniger als 1.468 Dollar verdient. Im republikanischen Bundesstaat Mississippi liegt die Grenze hingegen bei 2.116 Dollar.

Versicherungsbörsen unterscheiden sich von Staat zu Staat. In einem Dutzend demokratischer Bundesstaaten haben die Börsen wegen Corona die normalerweise auf sechs bis acht Wochen begrenzte Anmeldefrist verlängert. Die nationale Versicherungsbörse healthcare.gov, die in den meisten der 50 Staaten zuständig ist, hat das nicht getan. Noch ist nicht absehbar, ob und wie schnell die Ämter bei der Versicherung und bei der Arbeitslosenhilfe mit der Nachfrage fertig werden - und folglich arbeitslos gewordene US-Bürger krankenversichert bleiben können.

Steiler Anstieg der Arbeitslosenrate

Finanzminister Steve Mnuchin hat laut Informationsdienst thehill.com angekündigt, die Arbeitslosenrate könnte wegen der Corona-Krise auf 20 Prozent ansteigen. Im Januar lag sie bei 3,5 Prozent. Eine Analyse der Notenbank warnte vor einem Anstieg auf 32 Prozent.

Krankenhäuser sind in den USA verpflichtet, in dringenden Fällen Patienten zu behandeln - egal wie sie versichert sind. Entweder die Krankenhäuser bleiben auf den Kosten sitzen, oder die Patienten werden hinterher zur Kasse gebeten.

"Obamacare" ist einer der großen politischen Streitpunkte in den USA. Seit Verabschiedung des Gesetzes 2010 ist der Anteil der Nichtversicherten zwischen 19 bis 65 Jahren von 20 Prozent auf zwölf Prozent zurückgegangen. Trump hat mehrmals angekündigt, er wolle das Gesetz abschaffen. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums argumentieren Politiker um Präsidentschaftsanwärter Bernie Sanders, die Corona-Krise führe vor, dass die USA eine umfassende staatliche Versicherung brauchen. Für 2021 wird mit einem starken Anstieg der Krankenversicherungskosten gerechnet.

Konrad Ege


Corona-Krise

Ökonomin: Pandemie verschärft Benachteiligung von Frauen



Die Corona-Krise verschärft Wirtschaftswissenschaftlern zufolge die Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Negativ wirkten sich vor allem die Schulschließungen aus, von denen weltweit mehr als 1,5 Milliarden Kinder betroffen sind, teilte die Universität Mannheim am 7. April mit. Die Belastung von Frauen steige, weil sie sich zum großen Teil um die Kinder kümmern und die ausbleibende Schulbetreuung selbst kompensieren müssten. Besonders schlimm treffe dies alleinerziehende Mütter.

Derzeit seien von der Krise die Arbeitsplätze von Frauen stärker betroffen, so das Ergebnis einer Studie der Mannheimer Ökonomin Professor Michèle Tertilt und drei weiteren Wissenschaftlern. Da in den Bereichen Gesundheit und Gastronomie und der Reisebranche viele Frauen beschäftigt sind, würden voraussichtlich viel mehr Frauen als Männer ihre Arbeitsplätze verlieren. Das unterscheide den aktuellen wirtschaftlichen Abschwung von früheren Rezessionen.

Auf lange Sicht könnte die Corona-Krise jedoch kulturelle Normen verändern und Frauen Vorteile verschaffen, hieß es weiter. Das hänge damit zusammen, dass aufgrund der Krise viele Menschen ihrer Arbeit von zu Hause nachgehen und die Möglichkeiten des Homeoffice nutzen. Von dieser neuen Flexibilität würden Mütter stark profitierten.



Medien

Forscher kritisiert Armutsberichterstattung im Fernsehen




Hartz IV: Symbol fürArmut und Stigma
epd-bild/Norbert Neetz
Diffamiert das deutsche Privatfernsehen mit "Unterschichtenfernsehen" sozial Benachteiligte? Medienforscher Gäbler sieht das so. Doch es gibt auch Befürworter von Boulevardsendungen.

Der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler vermisst im Massenmedium Fernsehen in Deutschland eine respektvolle Berichterstattung über sozial Benachteiligte und ihre Lebenssituation. Der Privatsender RTL2 zeichne in Sendungen wie "Hartz und herzlich" ein Zerrbild der Unterschichten, "aber weder Medienkritiker noch Sozialpolitiker kümmern sich darum", kritisierte der Bielefelder Hochschullehrer im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch ARD und ZDF müssten beim Thema Armut ihre Formate überdenken, da sie die von Armut Betroffenen nicht erreichten.

"Eine Fülle abwertender Klischees"

Gäbler hat für die Otto-Brenner-Stiftung der IG Metall das Diskussionspapier "Armutszeugnis. Wie das Fernsehen die Unterschichten vorführt" verfasst, das am 7. April online veröffentlicht wurde. Das Papier stieß auf ein geteiltes Echo: Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband begrüßte Kritik und Forderungen des Medienwissenschaftlers, der Deutsche Journalistenverband (DJV) äußerte sich befremdet.

Für die Studie hat Gäbler nach eigenen Angaben mehr als 100 Stunden lang Sendungen wie "Hartz und herzlich" oder "Armes Deutschland - stempeln oder abrackern?" auf RTL2 angeschaut und stellt fest: "Diese Sendungen liefern unter dem Deckmantel des Mitgefühls eine Fülle abwertender Klischees." In Deutschland kümmere das jedoch weder Medienkritiker noch Sozialpolitiker. "Bei uns bestimmt Ignoranz das Verhältnis zu den Unterschichten", kritisiert Gäbler.

ARD und ZDF bescheinigt der frühere Direktor des Grimme-Instituts zwar "immer wieder einzelne beeindruckende Dokumentationen, insgesamt aber zu wenig koordinierte Anstrengung". Außerdem müssten Reporter, Autoren und Regisseure stärker über neue journalistische und ästhetische Formen nachdenken. "Daran mangelt es", sagte Gäbler.

Er sieht im Programm von RTL2 durchaus eine Gefahr. "Die Unterschichten werden vorgeführt und wahrgenommen wie das ganz Andere in der Gesellschaft, etwas völlig Fremdes, etwas, das man sich vom Leibe halten muss." Die soziale Spaltung der Gesellschaft werde durch eine mediale Spaltung verfestigt.

"Von Mittelschichten für Mittelschichten"

Bei ARD und ZDF sei das zentrale Problem, dass sie die von Armut Betroffenen nicht erreichten So spielten die meisten Unterhaltungsfilme in gut situierten Familien. "Bearbeitet werden meist Probleme, die um Emanzipation, Identität und Psychologie kreisen. Das ist ein Fernsehen von den Mittelschichten für die Mittelschichten."

Der Medienwissenschaftler fordert eine heftige, kritische öffentliche Debatte wie in anderen europäischen Ländern. So habe in Österreich ein Bündnis von Sozialverbänden einen "Leitfaden für eine respektvolle Armutsberichterstattung" erarbeitet. "Das sollte doch auch bei uns möglich sein", sagte Gäbler. Journalisten- und Sozialverbände rief er auf, mit den Betroffenen einen "Leitfaden zur respektvollen Armutsberichterstattung" zu erstellen.

Der DJV reagierte mit Befremden auf das Diskussionspapier. "Wirtschaftlich benachteiligte Menschen dürfen nicht zusätzlich durch das Privatfernsehen bestraft werden", sagte DJV-Vorsitzender Frank Überall. "Boulevard kann und muss Diskriminierung vermeiden." Dennoch sehe er keinen Anlass für eine Generalkritik des privaten Fernsehangebots, so Überall: "Boulevardsendungen haben ihre Existenzberechtigung im Medienangebot der Sender." Es gebe viele Formate im Privatfernsehen, die ihre Zielgruppen mit adäquaten Informations- und Unterhaltungselementen bedienten und die Fernsehlandschaft insgesamt bereicherten.

Zuspruch von Sozialverbänden

Die Nationale Armutskonferenz begrüßte die Untersuchung. Armut sollte nicht in Unterhaltungsformaten verhandelt werden, erklärte der Sprecher des Bündnisses von Verbänden und Initiativen, Gerwin Stöcken. Neben vielen Positivbeispielen in der medialen Öffentlichkeit gebe es auch immer wieder "abwertende Zerrbilder", die Klischees und Vorurteile bedienten.

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, Ulrich Schneider, sagte, Menschen mit Armutserfahrung brauchten Empathie und Unterstützung, sie dürften nicht bloßgestellt und diffamiert werden, wie dies in einigen Sendungen des Privatfernsehens geschehe, sagte er. Bei der Erarbeitung eines Leitfadens für eine respektvolle Armutsberichterstattung sei der Paritätische "mit seiner Expertise gerne mit dabei."

Markus Jantzer, Renate Kortheuer-Schüring


Sucht

Deutsche trinken weiterhin zu viel Alkohol



In Deutschland nimmt die Zahl der Raucher etwas ab. Es wird aber unverändert viel Alkohol getrunken. Das aktuelle Jahrbuch Sucht zeigt: Bei der Prävention muss noch viel getan werden.

In Deutschland wird nach Angaben von Suchtexperten nach wie vor zu viel Alkohol getrunken. Jeder Bundesbürger ab 15 Jahren hat im Jahr 2017 durchschnittlich 10,5 Liter Reinalkohol getrunken, wie aus dem am 8. April in Hamm veröffentlichten "Jahrbuch Sucht 2020" der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) hervorgeht. Das ist nur leicht weniger als im Vorjahr. Deutschland zähle noch immer international zu den Hochkonsumländern, erklärten die Suchtexperten. Einen Anstieg gab es auch beim Tabak für Wasserpfeifen sowie beim Drogenkonsum und Medikamentenmissbrauch.

Eine Badewanne voller Alkoholika

Der Gesamtverbrauch an alkoholischen Getränken in Deutschland stieg nach Angaben der Suchtexperten im Jahr 2018 um 0,3 Liter auf 131,3 Liter an alkoholischen Getränken je Einwohner. Diese Menge entspreche in etwa einer Badewanne an Bier, Wein, Schaumwein und Spirituosen, erklärte die Hauptstelle für Suchtfragen. Insgesamt drei Millionen Erwachsene zwischen 18 und 64 Jahren in Deutschland hatten demnach im Jahr 2018 eine alkoholbezogene Störung. Je zur Hälfte geht es dabei um Missbrauch (1,4 Millionen) und Abhängigkeit (1,6 Millionen).

Rund 74.000 Todesfälle werden den Angaben nach jährlich allein durch Alkoholkonsum oder den kombinierten Konsum von Tabak und Alkohol verursacht. Etwa 13,5 Prozent aller Todesfälle in Deutschland seien auf die Folgen des Rauchens zurückzuführen.

Die Zahl der Raucher in Deutschland ist weiterhin rückläufig. Raucher sind nach Daten der Suchtexperten 26 Prozent der Männer und 19 Prozent der Frauen ab 15 Jahren. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Zigaretten lag im Jahr 2019 bei 900. Bei Jugendlichen sei der Trend zum Nichtrauchen bereits seit rund 15 Jahren zu beobachten. Es gebe jedoch weiterhin erheblichen Nachholbedarf bei der nachhaltigen Verringerung des Tabakkonsums und beim verbesserten Nichtraucherschutz, hieß es.

Mit insgesamt 74,6 Milliarden wurden den Angaben zufolge 0,3 Prozent mehr Fertigzigaretten als im Vorjahr konsumiert. Der Verbrauch von Feinschnitt ging um zwei Prozent auf 23.813 Tonnen zurück. Das entspreche etwa 35,7 Milliarden selbst gedrehter Zigaretten.

Erneut stark angestiegen ist nach Angaben der Suchtexperten der Konsum von Wasserpfeifentabak und Pfeifentabak. Im Jahr 2019 wurden 4.150 Tonnen verbraucht. Das sei ein Plus von fast 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das sei vor allem auf die Beliebtheit des speziellen Wasserpfeifentabaks zurückzuführen sein, den vor allem Jugendliche und junge Erwachsene in Shisha-Bars oder zu Hause rauchten.

Fast 1.400 Drogentote

Nach Hochrechnungen waren nach Angaben der Suchtexperten im Jahr 2018 309.000 Erwachsene im Alter von 18 bis 64 Jahren abhängig von Cannabis. Rund 41.000 der bis 64-Jährigen waren abhängig von Kokain, 103.000 Menschen von Amphetaminen. Derzeit erhalten 79.400 Menschen in Deutschland eine Substitutionstherapie. Die Zahl der polizeilich registrierten drogenbedingten Todesfälle lag im Jahr 2019 bei fast 1.400. Das ist Anstieg von 9,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr (1.276 Drogentote).

Aktuellen Schätzungen zufolge hätten 15,2 Millionen Erwachsene im Alter sowie etwa 477.000 Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren mindestens einmal in ihrem Leben eine illegale Droge konsumiert, hieß es weiter. Nach wie vor nehme Cannabis in allen Altersgruppen unter den illegalen Drogen die prominenteste Rolle ein.

Erhöht hat sich den Angaben zufolge auch der Missbrauch von Medikamenten. Schätzungen zufolge seien bis zu 1,9 Millionen Menschen in Deutschland medikamentenabhängig. Dabei gehe es vor allem um rezeptpflichtige Beruhigungs- und Schlafmittel sowie opioidhaltigen Schmerzmittel. Betroffen seien vor allem ältere Frauen, weil sie häufig über einen langen Zeitraum Psychopharmaka verordnet bekommen.

Holger Spierig


Bundesregierung

Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland startet



Luxemburg und Deutschland wollen Minderjährige aus den Lagern auf den griechischen Inseln holen. 50 Kinder sollen nach Ostern nach Deutschland kommen. Hilfsorganisationen wie die Diakonie mahnen, das könne "allenfalls ein Anfang sein".

Nach wochenlangen Verzögerungen soll die Aufnahme von Kindern aus den überfüllten Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln in der nächsten Woche starten. Das Bundeskabinett stimmte am 8. April in Berlin dem Vorschlag von Innenminister Horst Seehofer (CSU) zu, 50 unbegleitete Minderjährige aufzunehmen. Das sei ein erster Schritt, hieß es. Insgesamt will die Bundesregierung insgesamt 300 bis 500 Flüchtlinge aus den Lagern übernehmen.

Seehofers Sprecher Steve Alter sagte, eine entsprechende Größenordnung sei im Koalitionsausschuss Anfang März beschlossen worden. Mehr als 50 Kinder könnten im ersten Schritt nicht übernommen werden, weil noch nicht mehr Dossiers über Menschen vorliegen, die aufgenommen werden sollen. Die EU-Kommission koordiniert die Übernahmen in Zusammenarbeit mit der Asylagentur EASO sowie den UN-Organisationen UNHCR, Unicef und IOM.

Corona-Tests sind Pflicht

Zu den üblichen Regularien für die Übernahmen kommen Alter zufolge derzeit auch Corona-Tests als Bedingung für die Aufnahme. Die Ankommenden sollen aufgrund der Pandemie zudem nach der Ankunft in Deutschland zunächst zwei Wochen in Quarantäne bleiben. Aufgenommen werden die Kinder alle in Niedersachsen, wie der dortige Innenminister Boris Pistorius (SPD) mitteilte. Das Land hatte sich besonders für die humanitäre Aufnahme eingesetzt.

Die Innenminister von acht EU-Staaten hatten vor einigen Wochen vereinbart, insgesamt mindestens 1.600 besonders Schutzbedürftige aus Griechenland zu übernehmen. Inzwischen haben sich laut Bundesinnenministerium zehn EU-Staaten zur Aufnahme bereiterklärt. Die Umsetzung geriet aber parallel zur Corona-Pandemie ins Stocken, obwohl sich alle politisch Verantwortlichen einig darüber sind, wie schlecht die Bedingungen in den Flüchtlingslagern sind.

Nachdem Luxemburg angekündigt hatte, bei der Aufnahme voranzugehen, schließt sich nun auch Deutschland an. Das Bundesinnenministerium betonte aber, man erwarte, dass sich auch die übrigen Staaten an ihre Zusage halten. In Brüssel wurden die Ankündigungen von Luxemburg und Deutschland begrüßt. "Wir sind sehr froh, dass die Dinge vorangehen", sagte ein Sprecher der EU-Kommission dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Weitere Erwartungen

Auch das UN-Kinderhilfswerk Unicef begrüßte die Ankündigung Deutschlands. Vor allem das Engagement der aufnehmenden Kommunen für das Wohl dieser Kinder verdiene Anerkennung und Unterstützung, sagte der Geschäftsführer von Unicef Deutschland, Christian Schneider. Zugleich betonte er aber auch, bei diesem symbolischen Zeichen dürfe es nicht bleiben. Ähnlich äußerte sich die Diakonie. Dies könne "allenfalls ein Anfang sein", sagte Präsident Ulrich Lilie.

Pro Asyl bezeichnete die Ankündigung sogar als "Alibihandeln der Bundesregierung". Geschäftsführer Günter Burkhardt erneuerte seine Forderung, die überfüllten Lager aufgrund der Gefahr durch die Corona-Pandemie komplett zu evakuieren und verwies auf die dort stark mangelhafte medizinische und sanitäre Versorgung. Auch Politikerinnen von Grünen und Linken forderten, wesentlich mehr Flüchtlinge aus den überfüllten Lagern aufzunehmen.

Corinna Buschow



sozial-Branche

Corona-Krise

Arbeitgeber in der Pflege fordern Finanzierung für Bonuszahlungen




Am Bett eines Patienten mit Atemmaske (Archivfoto)
epd-bild/Werner Krüper
Die Arbeitgeber in der Pflege wollen Boni zahlen, allerdings nur, wenn sie das Geld nicht selbst aufbringen müssen. Ein Tarifvertrag mit ver.di über Boni von 1.500 Euro beschleunigt die Extra-Prämien indes nicht, meinen Kritiker.

In der Debatte um Bonuszahlungen für Pflegekräfte im Corona-Einsatz fordern die Arbeitgeber eine Erstattung der Ausgaben und einheitliche Regeln. Die Diakonie und die Caritas erklärten am 7. April in Berlin, zusätzliche Vergütungen dürften nicht über höhere Eigenanteile den Pflegebedürftigen oder Patienten aufgebürdet würden. Es gab auch Kritik an einem Tarifvertrag über Bonuszahlungen, der am Tag zuvor bekanntgeworden war.

Die Dienstgeberseite in der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas, die für Lohnverhandlungen bei dem katholischen Wohlfahrtsverband zuständig ist, erklärte auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd), es müssten nun politische Entscheidungen über die Finanzierung fallen. Die Diakonie forderte ebenfalls eine Finanzierung über Steuern oder Beitragsgelder.

Lilie fordert verbindliche Refinanzierung

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagte dem epd: "Wir brauchen jetzt eine bundeseinheitliche Regelung und eine verbindliche Refinanzierung durch die öffentlichen Kostenträger." Es könne nicht sein, dass die Wertschätzung der Mitarbeitenden vom jeweiligen Bundesland abhänge. Lilie bezog sich damit auf einen Beschluss in Bayern, wonach der Freistaat Prämien von 500 Euro an die Pflegekräfte zahlen will. Die Mehrkosten dürften "die ohnehin schon in der Krise finanziell stark belasteten Einrichtungen nicht in die Knie zwingen oder am Ende gar auf die hilfsbedürftigen Menschen abgewälzt werden", sagte Lilie.

Die kirchlichen Verbände unterstützen Boni für Mitarbeitende im Corona-Einsatz. Sie dürften indes nicht nur Pflegekräften zugutekommen, erklärten Caritas und Diakonie. Auch die Beschäftigten in der Kinder- und Jugendhilfe oder in Behinderteneinrichtungen seien einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft forderte Prämien für alle Mitarbeiter, auch für die Beschäftigten in den Labors, der Reinigung und Logistik.

Ver.di und die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) hatten sich am 6. April auf eine Sonderzahlung von 1.500 Euro für Pflegekräfte verständigt, die mit dem Juli-Gehalt ausgezahlt werden soll. Die Leistung ist in den Eckpunkten eines Tarifvertrages festgehalten, der noch von den Gremien der Gewerkschaft und des Arbeitgeberverbandes beschlossen werden muss.

"Tarifpolitische Spielchen"

Die BVAP repräsentiert aber nur einen kleinen Teil der Pflege-Arbeitgeber. Im Wesentlichen sind es Einrichtungen der AWO, einige des Arbeitersamariterbundes, der Volkssolidarität sowie Pflegeinrichtungen in Bremen und der Diakonie in Niedersachsen. Darüber, wie viele Pflege- und Assistenzkräfte von den Boni profitieren werden, macht die BVAP keine Angaben. Das Arbeitsministerium erklärte, sofern die Allgemeinverbindlichkeit der Bonuszahlungen beantragt werde, werde man dies prüfen.

Dafür müssen indes mehrere Hürden genommen werden. Die Kirchen, die zu den größten Pflege-Anbietern gehören, haben zudem ein eigenes Arbeitsrecht. Der Präsident des bpa-Arbeitgeberverbandes der privaten Pflegeanbieter, Rainer Brüderle, warf ver.di und der BVAP vor, "tarifpolitische Spielchen zu spielen." Man verhandele bereits mit dem Bundesgesundheitsministerium darüber, wo das Geld für Boni herkommen solle, erklärte er. Prämien für die hart arbeitenden Pflegekräfte seien unstrittig, es fehle aber die Finanzierung. Ein Tarifvertrag verzögere die Auszahlung von Boni nur und sei "überflüssig" erklärte Brüderle.

Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband erklärte, für Bonuszahlungen brauche es keinen Tarifvertrag. Es komme jetzt darauf an, den Pflegekräften das Geld schnell und unbürokratisch zukommen zu lassen. Dafür habe die Bundesregierung den Weg bereits mit dem Pflege-Schutzschirm freigemacht, erklärte der Verband und forderte die Bundesregierung und die Kranken- und Pflegekassen zu einer Klarstellung auf. Der Spitzenverband der Krankenkassen hatte die Finanzierung von Boni in Aussicht gestellt, allerdings nicht in Höhe von 1.500 Euro. Die Bundesregierung hat bisher nur beschlossen, Prämien von 1.500 Euro steuerfrei zu stellen.

Bettina Markmeyer


Corona-Krise

Beschäftigte in Pflegebranche erhalten Sonderprämie



Pflegekräfte sind in der Corona-Krise besonders belastet. Für einen Teil der Beschäftigten winkt nun eine Bonuszahlung, auf die sich die Gewerkschaft ver.di und die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche geeinigt haben.

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) haben sich auf eine Sonderprämie für Pflegekräfte geeinigt. Wie ver.di am 6. April in Berlin mitteilte, erhalten Vollzeit-Beschäftigte angesichts der besonderen Belastung in der Corona-Krise mit dem Juli-Gehalt eine Einmalzahlung von 1.500 Euro. Teilzeitbeschäftigte bekämen eine Prämie entsprechend ihrer tatsächlich geleisteten Stunden. Die Leistung ist in den Eckpunkten eines Tarifvertrages festgehalten, der noch von den Gremien der Gewerkschaft und des Arbeitsgeberverbandes beschlossen werden muss.

"Alle Arbeitgeber sollten die Prämie zahlen müssen"

Die Prämie richtet sich an Pflegefachkräfte, Pflegehilfskräfte und Pflegeleitungen in der stationären Langzeitpflege sowie der ambulanten Pflege, die bei den Anbietern und Wohlfahrtsverbänden beschäftigt sind, die in der BVAP zusammengeschlossen sind. Auch Alltagsbegleiter, Betreuungs- und Assistenzkräfte seien eingeschlossen. Für Auszubildende sei eine Prämie von 900 Euro vorgesehen, teilte ver.di mit. Unter den BVAP-Mitgliedern sind unter anderem der Arbeiter-Samariter-Bund, die Arbeiterwohlfahrt und der Paritätische Gesamtverband.

Sylvia Bühler vom ver.di-Bundesvorstand wies darauf hin, dass die Tarifeinigung mit der BVAP noch nicht ausreiche. "Wir wollen, dass die Pflegekräfte in der Altenpflege eine Prämie bekommen, unabhängig davon, ob sie einen Tarifvertrag haben oder nicht", sagte Bühler. Sie forderte, den Tarifvertrag für allgemeinverbindlich zu erklären, damit alle Arbeitgeber die Prämie zahlen müssen. "Auch die kommerziellen Anbieter, die faire Löhne für die verantwortungsvolle Arbeit in der Pflege verweigern", fügte Bühler hinzu.

Ziel: Tarifvertrags für die gesamte Branche

Gero Kettler vom Vorstand der Arbeitgebervereinigung für die Pflegebranche sagte, die Prämie erkenne die besondere Belastung der Pflegekräfte in der Corona-Krise an. Sie ersetze allerdings keine angemessene Vergütung "für die auch im Alltag verantwortungsvolle, oft auch belastende und zu schlecht bezahlte Arbeit". Kettler betonte, dass BVAP und ver.di weiter daran arbeiteten, einen Tarifvertrag abzuschließen, der für alle Arbeitgeber gelte.

Ver.di und BVAP hatten erst am 3. April mitgeteilt, dass die Verhandlungen über einen Tarifvertrag für die Altenpflege infolge der Corona-Krise ausgesetzt seien. Ziel ist der Abschluss eines Tarifvertrags mit Mindestvergütungen für die gesamte Branche, um die Bezahlung für Pflegekräfte zu verbessern.

Patricia Averesch


Löhne

Experte: Systemrelevante Berufe nicht nur in Corona-Krise anerkennen



Sie erhalten derzeit sehr viel Applaus. Sogar von Balkonen wird ihnen Beifall gespendet, wenn sie abends von der Arbeit im Pflegedienst, der Klinik oder im Supermarkt nach Hause kommen. Über Boni wird geredet - aber was ist mit kräftigen Lohnerhöhungen nach der Corona-Krise?

Damit Menschen in systemrelevanten Berufen künftig angemessen bezahlt werden, fordern Experten auch nach der Corona-Krise Anerkennung für diese Arbeiten. "Es nützt nichts, jetzt schöne Sonntagsreden über diese Gruppen zu hören, die danach wieder vergessen werden", sagte Thorsten Schulten, Arbeitsmarktexperte am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Düsseldorf. Das Gedächtnis der politisch Verantwortlichen sei manchmal sehr kurz. Der aktuelle krisenbedingte Aufwertungstrend der Arbeit von Pflegekräften, Kassiererinnen und anderen Menschen, die die Grundversorgung aufrechterhalten, werde daher "kein Selbstläufer sein".

Relativ wenige sind in der Gewerkschaft

Die Lohnungleichheit habe besonders in den 2000er-Jahren stark zugenommen und unter anderen jene Berufsgruppen stark getroffen, die für die Aufrechterhaltung der kritischen Infrastruktur verantwortlich seien, sagte Schulten. Besonders zwischen Industrie und Dienstleistung habe sich die Schere vergrößert. Auch in den Krankenhäusern seien die Löhne vergleichsweise gering gestiegen. Hinzu kämen Einsparungen im Gesundheits- und Sozialsektor: "Dass das ein Fehler ist, sieht man jetzt unter anderem in Italien, wo nach der Finanzkrise 2008 sehr stark gespart wurde, besonders deutlich", sagte Schulten.

Einen weiteren entscheidenden Grund für die geringe Bezahlung sieht der Tariffachmann im relativ niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad in Gesundheits- und Pflegberufen. Dies schränke die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften in Lohnverhandlungen ein. Auch der Gender Pay Gap - also die allgemeinen Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen - spiegele sich in der Bezahlung der systemrelevanten Berufsgruppen wider: In Sektoren wie der Sozial- und Pflegebranche, in denen viele Frauen arbeiten, würden öfter niedrige Löhne gezahlt.

Verständnis in der Bevölkerung

Schulten forderte die Politik auf, nach der Krise "nicht einfach wieder zur Tagesordnung überzugehen, sondern zu begreifen, dass so existenzielle Dinge wie die Gesundheitsversorgung nicht von privaten Trägern abhängig gemacht werden können". In Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften müssten Regeln und Finanzierungen für eine angemessene Bezahlung der Menschen in den systemrelevanten Berufen gefunden werden.

Was die gesellschaftliche Anerkennung anbelangt, zeigte sich Schulten relativ optimistisch: Die Zustimmung vieler Eltern während des Kita-Streiks 2015 habe beispielweise gezeigt, dass es in der Bevölkerung "bis zu einem gewissen Grad viel Verständnis dafür gibt, dass diese Berufe aufgewertet werden müssen".

Jana-Sophie Brüntjen


Corona-Krise

Gastbeitrag

Kurzarbeitergeld: Neuland für Sozialdienstleister




Silvia Breyer
epd-bild/contec GmbH
In der Corona-Krise haben Unternehmen bereits für Hunderttausende Beschäftigte Kurzarbeitergeld beantragt. Auch die Sozialbranche wird nach Einschätzung der Bochumer Personalberaterin Silvia Breyer die Unterstützung durch die Arbeitsämter brauchen.

Die Corona-Krise verändert alles. Viele Leistungen der Anbieter in der Sozialwirtschaft können aufgrund der Regelungen zur Kontaktvermeidung und zur Vorbereitung auf eine massiv verschärfte Inanspruchnahme des Gesundheitssystems nicht in bisheriger Weise erbracht werden. Die Bundesministerien für Gesundheit bzw. für Arbeit und Soziales haben bereits mit dem Krankenhausentlastungsgesetz und dem sogenannten Sozialschutzpaket gesetzliche Grundlagen zur Entlastung in der Sozialwirtschaft geschaffen.

Pflegeheime und -dienste beispielsweise können konkret erfassbare Mindererlöse und Mehrkosten bei den Verbänden der Pflegekassen einreichen; für alle anderen Anbieter der Sozialwirtschaft ist ein Erstattungsniveau auf mindestens 75 Prozent der üblichen Erlöse definiert, sofern sie parallel Aktivitäten der Entlastung des Gesundheitssystems nachvollziehbar machen können.

Stabilisierung in der Krise

Klar ist dabei zum einen: Die Anbieter der Sozialwirtschaft können auch die Unterstützungsleistungen (Zuschüsse, Darlehen, Steuerstundungen, Kurzarbeitergeld usw.) in Anspruch nehmen, die allen Unternehmen in der Corona-Krise zur Verfügung stehen. Diese Leistungen werden auf die Erstattungen aus Krankenhausentlastungsgesetz oder anderen spezifischen Töpfen für die Sozialwirtschaft angerechnet. Es geht jeweils um das passende Unterstützungspaket im Ganzen. Zum anderen: Es gibt nicht wenige Leistungserbringer, für die die spezifischen Schutzschirme des Gesundheits- und Sozialwesens allein keine ausreichende Absicherung versprechen.

Dementsprechend stellt auch die Beantragung von Kurzarbeitergeld für einige sozialwirtschaftliche Unternehmen eine gute Möglichkeit dar, die Finanzierung in der Krise sicherlich nur zeitweilig, aber eben auch existenzsichernd, zu stabilisieren. Im Mix der Optionen kann so eine bestmögliche Flankierung erreicht werden, die auf jeden Fall von den Sozialunternehmen geprüft werden sollte.

Für die Freie Wohlfahrtspflege ist Kurzarbeit dabei ein weitgehend neues Thema. Es trifft auf eine Branche, in der die Verwaltungsstrukturen bereits sehr knapp bemessen und zurzeit in der Krisenbewältigung besonders gefordert sind. Die Agentur für Arbeit kann ihre beratende Rolle durch die aktuelle Überlastung nur eingeschränkt wahrnehmen. Die Geschäftsführungen sozialwirtschaftlicher Unternehmen signalisieren daher, dass sie pragmatische Unterstützung benötigen. Dafür ist es hilfreich, den Prozess der Beantragung von Kurzarbeitergeld in seinen einzelnen Schritten zu betrachten.

Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld

Bevor Kurzarbeit angezeigt werden kann, muss sorgfältig geprüft werden, ob die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind. Die erste Voraussetzung ist ein erheblicher Arbeitsausfall. Dieser ist gegeben, wenn er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis (z.B. Corona) beruht, er vorübergehend und nicht vermeidbar ist. Das setzt z.B. voraus, dass die Beschäftigten Urlaub aus dem Vorjahr genommen und Überstunden abgebaut haben. Zudem müssen aktuell mindestens zehn Prozent der Beschäftigten einen Arbeitsentgeltausfall von mehr als zehn Prozent haben. Diese Regelung gilt im Kontext der Krise derzeit bis zum 31. Dezember 2020 - im Normalfall muss ein Drittel der Beschäftigten einen Arbeitsausfall von mehr als zehn Prozent haben. Weiterhin bestehen betriebliche Voraussetzungen: Diese besagen lediglich, dass im Betrieb oder der Betriebsabteilung mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt sein muss. Die persönlichen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der Arbeitnehmer nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetzt, aus zwingenden Gründen aufnimmt oder im Anschluss an die Beendigung seines Berufsausbildungsverhältnisses aufnimmt.

Der nächste Prozessschritt ist davon abhängig, ob der Betrieb einen Betriebsrat oder eine Mitarbeitendenvertretung hat. Ist das der Fall, muss eine Betriebsvereinbarung ausgehandelt und abgeschlossen werden. Im Anschluss werden die Mitarbeitenden über diese in Kenntnis gesetzt. Gibt es keinen Betriebsrat oder Mitarbeitendenvertretung, muss mit allen Beschäftigten eine Zusatzvereinbarung geschlossen werden - jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin muss der Kurzarbeit zustimmen. Erst danach wird die Kurzarbeit bei der Agentur für Arbeit angezeigt.

Derweil wird die Höhe des Kurzarbeitergelds vom Arbeitgeber berechnet und an die Mitarbeitenden ausgezahlt. Die Auszahlung erfolgt zumeist schon unabhängig vom positiven Bescheid, da häufig der Abrechnungszeitraum ansteht, bevor der Bescheid vorliegt. Der Arbeitgeber trägt hier also ein gewisses Risiko. Dieses ist jedoch überschaubar, wenn die Voraussetzungen gründlich geprüft wurden. Im Anschluss wird die Erstattung des Kurzarbeitergelds bei der Agentur für Arbeit beantragt. Dabei wird für alle Mitarbeitenden offengelegt, wie hoch der Arbeitsausfall war und wie hoch die Differenz zwischen Soll- und Ist-Entgelt ist. Die Agentur für Arbeit prüft die Angaben und erstattet das gezahlte Kurzarbeitergeld.

Anrechnung von Nebenverdiensten

Die Zahlung ist zunächst vorläufig. Die Agentur für Arbeit behält sich vor, etwa sieben Monate nach Abschluss des Kurzarbeitergeldbezugs eine Abschlussprüfung vorzunehmen. Es empfiehlt sich, schon beim Antrag genaue Angaben und Belege zur tatsächlich geleisteten Arbeit einzureichen. So kann die Höhe des Kurzarbeitergeldes präzise geprüft werden und es ergeben sich keine Abweichungen im Nachhinein.

Grundlegend ist dabei das Verständnis, dass Kurzarbeitergeld für den Teil des Entgelts geleistet wird, der andernfalls komplett entfallen würde. Für diesen Teil erhält der Arbeitnehmer 60 Prozent (mit Kindern 67 Prozent) des Netto-Ausfalls. Im Hinblick auf die Rentenbeiträge entstehen auf Seiten der Arbeitnehmer durch Kurzarbeit kaum Nachteile. Für die erbrachte Leistung entrichten wie gewohnt Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Beiträge. Für die entfallende Arbeitszeit entrichtet der Arbeitgeber allein Beiträge auf Grundlage von 80 Prozent des Entgeltausfalls. Diese Beiträge werden aktuell bis zum 31. Dezember 2020 von der Agentur für Arbeit erstattet.

Für die Mitarbeitenden kann ein weiterer Punkt interessant sein: Arbeitnehmern werden im Kontext des Sozialschutzpakets vorübergehend Verdienste aus Nebentätigkeiten, die während des Bezugs von Kurzarbeitergeld in den systemrelevanten Berufen aufgenommen werden, nicht auf das Kurzarbeitergeld angerechnet. Dabei darf in der Summe der sonst übliche Lohn nicht überstiegen werden.

Die Beantragung von Kurzarbeitergeld ist mit einem gewissen Aufwand verbunden, der für viele Einrichtungen im Krisenmodus abschreckend wirken kann. Eine genaue Prüfung dieser Frage erscheint jedoch für viele Sozialbetriebe in der aktuellen Lage unumgänglich.

Silvia Breyer verantwortet das Beratungsfeld Personalmanagement und -entwicklung der contec GmbH. In dieser Funktion berät sie zurzeit Sozialunternehmen zu Fragen der Kurzarbeit.


Corona-Krise

Diakonie: Lage wohnungsloser Menschen hat sich verschärft




Kölner Priesterseminars für Obdachlose geöffnet
epd-bild/Guido Schiefer
Obdachlose in Notunterkünften haben in Zeiten der Corona-Krise keine Chance, den geforderten Abstand zueinander einzuhalten. Dabei gehören sie zu den Hochrisiko-Patienten.

Die Lage wohnungsloser Menschen hat sich nach Ansicht der Diakonie in Hannover in der Corona-Krise deutlich zugespitzt. "Der Aufruf, zu Hause zu bleiben, ist mit den Lebensumständen der Menschen ohne Wohnung nicht vereinbar", sagte der Leiter des Diakonischen Werkes Hannover, Rainer Müller-Brandes.

In den Notunterkünften für Obdachlose wie etwa der Notschlafstelle "Alter Flughafen" müssten die Menschen dicht an dicht übernachten, kritisierte Sozialpädagoge Pascal Allewelt. Abstand zueinander zu halten, wie aktuell von den Behörden gefordert, sei ihnen schlicht nicht möglich: "Da ist nur Feldbett an Feldbett an Feldbett." Dabei zählten die Betroffenen aufgrund des Alters sowie oft chronischer Krankheiten zu den Corona-Hochrisiko-Patienten.

"Die Menschen benötigen Einzelzimmer"

Zudem dürften die obdachlosen Menschen in den Unterkünften nur vom Abend bis zum nächsten Morgen unterkommen. Dabei hätten viele von ihnen, wie zum Beispiel Migranten aus Osteropa, keine andere Unterbringungsmöglichkeit. "Sie können keine Wohnung bezahlen." Wegen Gewaltstrukturen in den Unterkünften zögen es manche sogar vor, auf der Straße zu übernachten. "Diese Menschen benötigen Einzelzimmer", forderte Allewelt. "Sie brauchen ein Mindestmaß an Privatsphäre."

Diakonie-Leiter Müller-Brandes sagte, dass in gemeinsamen Gesprächen mit der Stadt und Region Hannover aktuell darüber nachgedacht werde, wie die Lage entschärft werde könne. Da aber auch viele Hilfsangebote wie die Tafel derzeit geschlossen seien, wüssten Wohnungslose oft nicht mehr, wo sie Essen, einen Platz zum Schlafen und zum Duschen oder medizinische Betreuung bekommen könnten. Die Diakonie arbeite deshalb unter Hochdruck, die bisherigen Angebote nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten und neue zu entwickeln, betonte Müller-Brandes

Beratung durch geöffnete Fenster

Wohnungslose Menschen kämen beispielsweise in die Zentrale Beratungsstelle in der Berliner Allee 8, um Behördenbriefe oder ihre sozialen Leistungen abzuholen, hieß es. Dort sind den Angaben der Beratungsstelle zufolge etwa 2.500 Menschen postalisch gemeldet. Rund 800 kommen derzeit regelmäßig vorbei.

Um das Risiko einer Corona-Infektion zu minimieren, laufe das Angebot derzeit meist über den "Fensterladen", sagte Leiterin Ursula Büchsenschütz. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bedienten die Menschen an mehreren Fenstern: "Wir wollen unsere Klienten nicht nur weiter versorgen, sondern gleichzeitig auch schützen." In Hannover leben nach Schätzungen der Diakonie etwa 3.000 Menschen ohne Wohnung. Rund 300 von ihnen sind obdachlos und leben auf der Straße.

Auch der Vorstandsvorsitzende der Diakonbie Württemberg, Dioeter Kaufmann, sieht die Versorgung von Wohnungslosen gefährdet. Kommunale Unterkünfte seien geschlossen, Mittagstische überwiegend auch. Tafelläden öffneten vereinzelt wieder, hätten aber weniger im Verkauf als sonst, weil in den Lebensmittelgeschäften momentan weniger übrigbleibe, sagte Kaufmann, der auch dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angehört.

Cristina Marina, Marcus Mockler


Corona-Krise

Interview

"Schnell wieder mehr Kontakte in Heimen zulassen"




Manfred Stegger
epd-bild/BIVA-Pflegeschutzbund
Der BIVA-Pflegeschutzbund sieht die aufgrund der Corona-Epidemie verschärften Besuchsregeln in Altenheimen kritisch. Nach einer Umfrage des Vereins seien in 90 Prozent aller Heime fast keine Angehörigenbesuche möglich. Welche bedenklichen Folgen das hat und was Alternativen dazu sein könnten, erläutert Vorstand Manfred Stegger im Interview.

Für Manfred Stegger steht außer Frage, dass die Hygienevorschriften in den Alten- und Pflegeheimen strikt eingehalten werden müssen. Allerdings sollte Angehörigen der Zutritt zu sterbenden Verwandten nicht verwehrt werden: "Ein sterbender alter Mensch muss nicht mehr vor einem Virus geschützt werden." Mit dem Vorstand des BIVA-Pflegeschutzbundes sprach Dirk Baas.

epd sozial: Herr Stegger, was bedeuten die wochenlangen Kontaktsperren für die isolierten Heimbewohner und deren Familienangehörige?

Manfred Stegger: Sie stellen eine extreme Belastung dar. Die meisten Familienangehörigen haben Verständnis für die Einschränkungen, aber sie sorgen sich auch um ihre Lieben. Viele sind verunsichert, manche berichten an unserem Beratungstelefon von weinenden oder depressiven Heimbewohnern.

epd: Immer wieder ist seitens der Bundesländer von Ausnahmen bei der Kontaktsperre die Rede. Wer darf nach wie vor in die Heime?

Stegger: Es ist nicht einfach, hier den Überblick zu behalten. Nahezu täglich ändert sich an den ohnehin schon unterschiedlichen Regeln etwas. Wir versuchen auf unserer Webseite eine täglich aktualisierte Übersicht zu bieten. Man hat das Gefühl, dass ständig aufgrund neuer Einzelfälle nachgebessert wird. Im Ergebnis führt das dazu, dass die Regelungen tendenziell immer schärfer werden.

epd: Was ist mit den Ausnahmen?

Stegger: Nahezu alle Länder erlauben theoretisch weiterhin Besuche, die medizinisch oder ethisch-sozial erforderlich sind. Etwa für die Begleitung im Sterbeprozess. In manchen Ländern können gesetzliche Betreuer, Anwälte oder Notare zum Besuch hereingelassen werden, aber nur, sofern das für ihre Tätigkeit notwendig ist.

epd: Funktioniert die palliativmedizinische Begleitung?

Stegger: Unsere Mitglieder berichten, dass Menschen zur Sterbebegleitung in die Heime hereingelassen werden, wenn sie mit Mundschutz ausgestattet und unter Beachtung der Hygienevorschriften einzeln direkt in das Zimmer des Sterbenden gehen. Dort, wo es Strukturen der Palliativversorgung etwa durch Hospizvereine gibt, scheint das auch gut zu funktionieren. Aber: In extremen Akutsituationen, wenn etwa das Haus unter Quarantäne steht, weil es viele Covid-19-Fälle gibt, scheint selbst die Sterbebegleitung untersagt worden zu sein.

epd: Wie bewerten Sie dieses Vorgehen?

Stegger: Jedes Beharren auf starren Regeln führt zu unnötiger menschlicher Grausamkeit. Wenn Angehörige Schutzmaßnahmen akzeptieren, sollte ihnen der Zutritt zum sterbenden Verwandten nicht verwehrt werden. Ein sterbender alter Mensch muss nicht mehr vor einem Virus geschützt werden. Er braucht neben einer palliativ ausgerichteten medizinischen Versorgung vor allem menschliche, moralische und geistliche Unterstützung in seinem allerletzten Lebensabschnitt. Er muss die Gelegenheit haben, sich von Angehörigen zu verabschieden und seine letzten Dinge zu regeln.

epd: Wegen der wachsenden Zahl an Infektionen in Pflegeheimen halten viele Experten und Politiker diese drastischen Maßnahmen für alternativlos. Was sagen Sie dazu?

Stegger: Die Sicherheitsmaßnahmen haben natürlich ihren Grund und wir würden nie empfehlen, sich über sie hinwegzusetzen. Alternativlos sind sie aber sicher nicht. Die entscheidende Frage ist vielmehr: Werden alle erforderlichen Schutzmaßnahmen eingehalten? Allein der Mangel an Schutzkleidung macht es unmöglich, sämtliche Regelungen umzusetzen.

epd: Das bleibt nicht ohne Folgen ...

Stegger: Ja, weil man nicht ausschließen kann, dass auch die Pflegekräfte unbemerkt das Virus ins Heim bringen. Solange es diese Unsicherheit gibt, versucht man so viele Personengruppen wie möglich auszuschließen. Bei lückenloser Einhaltung der Schutzmaßnahmen könnte man mehr persönliche Kontakte ermöglichen.

epd: Ihr Verband hat eine Umfrage gemacht, wie die Angehörigen diese Sperren erleben und wie die Heime etwa im Fall von Sterbenden diese Regelungen auslegen.

Stegger: Die Menschen haben in den zurückliegenden drei Wochen von sehr unterschiedlichen Erfahrungen berichtet. Etwa davon, dass gerade in den ersten Tagen viele Einrichtungen Besuchsverbote strenger umgesetzt haben als es nach den Landesverordnungen nötig gewesen wäre. Die Umfrage, mit der wir Erkenntnisse zum Umgang mit solchen Krisen für die Zukunft gewinnen wollen, läuft zurzeit noch, aber wir haben erste Erkenntnisse. In 90 Prozent der Einrichtungen sind demnach keine Besuche durch Angehörige mehr möglich. Zu Beginn der Umfrage, als fast überall noch Besuche zumindest von einer Stunde pro Tag möglich waren, lag der Wert bei fast 80 Prozent. Knapp die Hälfte der Befragten berichten von noch weiter reichenden Maßnahmen. Hier dürfen auch die Bewohnerinnen und Bewohner das Haus nicht verlassen. Das beobachten wir mit Sorge, weil es einen massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte darstellt.

epd: Was ergab sich mit Blick auf die ausgesperrten Angehörigen?

Stegger: Die Umfrage belegt die enorme Unterstützung, die Angehörige im Normalfall in den Heimen leisten und die jetzt wegfällt. Mehr als 90 Prozent der Befragten besuchten ihre Nächsten vor der Krise mindestens einmal die Woche, davon 38 Prozent täglich. Viele schildern, dass sie regelmäßig etwa bei der Nahrungsaufnahme zur Hand gehen. 70 Prozent äußern die Befürchtung, dass das Pflegepersonal die nötige Pflege und Betreuung ohne Hilfe der Angehörigen nicht leisten kann. Tatsächlich erreichen uns im Beratungsdienst schon Hinweise auf Dehydrierung und allgemeinem körperlichen Abbau einzelner Heimbewohner.

epd: Kritik an den radikalen Besuchsreglungen gibt es auch. Haben Sie eine vertretbare Alternative?

Stegger: Ziel muss es sein, sobald wie möglich mehr Kontakte zuzulassen. Solange das unmöglich ist, sollten innerheimische Sozialkontakte und Betreuungsangebote ausgebaut werden. Kontakte zu den Bezugspersonen außerhalb der Einrichtung sollten zumindest indirekt möglich gemacht werden, etwa durch Videotelefonie, "Winke-Fenster", wie man sie aus dem Kindergarten kennt, oder Unterhaltungen durch das gekippte Fenster mit Abstand und Mundschutz.

epd: Was ist noch denkbar?

Stegger: Verschiedene Aktionen, etwa, dass Angehörige vermehrt Karten und Briefe schicken und das Pflegepersonal Telefongespräche aktiv fördert. Man könnte auch einen gesicherten Besuchsraum einrichten, einen Raum also, der ausschließlich für Besuche unter Einhaltung aller Sicherheitsvorkehrungen genutzt wird.

epd: Wäre es nicht möglich, alle Angehörigen, die negativ auf Corona getestet sind, wieder in die Heime zu lassen?

Stegger: In diese Richtung sollte man auch denken. Neben dem gesamten Heimpersonal sollten auch Angehörige regelmäßig in kurzen Abständen getestet werden. Wenn die Tests negativ ausgefallen sind beziehungsweise nach überstandener Infektion Antikörper festgestellt wurden, sollten sie die Bewohner unter Einhaltung von Hygienevorschriften besuchen können. Um die Betreuungsangebote auszubauen, wäre es auch denkbar, immunisierte Menschen vermehrt als Ehrenamtler zu gewinnen.

epd: Ist es akzeptabel, wenn die Heime noch länger mehr oder weniger abgeriegelt bleiben?

Stegger: Bis ein Impfstoff gefunden sein wird oder zwei Drittel der Bevölkerung immunisiert sein werden, gehen noch Monate ins Land. Solange müssen die vulnerablen Bevölkerungsgruppen weiterhin geschützt werden. Deshalb gehen wir davon aus, dass der Zugang zu Pflegeheimen zunächst streng reglementiert bleiben wird. Deshalb müssen verhältnismäßige Lösungen gefunden werden. Den Betroffenen fehlt die Perspektive auf eine Zeit nach der Krise. Die durchschnittliche Verweildauer in Heimen liegt bei etwa 18 Monaten. Viele Menschen werden ihre Angehörigen oft nur noch einmal, und zwar im Sterbeprozess, zu sehen bekommen. Den Satz "Dann will ich lieber sterben" haben wir am Beratungstelefon schon häufiger gehört.

epd: Bundesweit fehlt Schutzkleidung. Wie reagieren die Einrichtungen, wenn sie keine Schutzausrüstung für ihr Personal mehr haben?

Stegger: Auch wenn es an Schutzkleidung fehlt, müssen die Bewohnerinnen und Bewohner weiter versorgt werden. Wir erfahren häufig, dass Pflegekräfte ihre Arbeit auch ohne Schutzkleidung tun. Auch von Pflegekräften mit selbstgenähten Mundschutzen wird berichtet. Pflegeeinrichtungen müssen auf jeden Fall bevorzugt Schutzkleidung bekommen. Dass das bisher nicht möglich war, ist in einem hoch entwickelten Land wie unserem nicht erklärbar.

epd: Welche Lehren sind aus den Versorgungsmängeln mit Blick auf die Bewohner der Heime zu ziehen?

Stegger: Diese nie dagewesene Krise ist ein Stresstest für das Pflegesystem. Jetzt zeigen sich deutlich Defizite und es gilt, daraus die richtigen Lehren zu ziehen. Wir brauchen verbindliche Planungen und Regelungen für Pandemien, möglichst auf Bundesebene, um unterschiedliche Regelungen in den Ländern zu verhindern. In Krisenzeiten kann es notwendig sein, Grund- und Freiheitsrechte aus Sicherheitsgründen einzuschränken. Die Mechanismen dazu müssen aber zuvor festgelegt, eingehalten und fortlaufend auf Verhältnismäßigkeit überprüft werden. Derzeit beschleicht einen das Gefühl, dass viele Kompetenzen ungeklärt sind und Rechte sogar vorschnell eingeschränkt werden. Das muss später überprüft werden, um für die Zukunft besser gerüstet zu sein.

epd: Welche Konsequenzen sollten die Heime selbst ziehen?

Stegger: Auf Einrichtungsseite fehlt es ebenfalls teilweise an Notfallplänen für solche Krisen. Das zeigt sich etwa an der mangelnden Kommunikation. Viele Angehörige standen plötzlich ohne Vorankündigung vor verschlossenen Türen. Sie berichten von Anrufen ihre Lieben, die ebenfalls nicht wussten, was vor sich geht. Außerdem müssen die digitalen Kommunikationsmöglichkeiten für Bewohnerinnen und Bewohner schnell ausgebaut werden. Das fordern wir schon seit langer Zeit. Es sollte auch für hochbetagte Menschen heute zum Standard gehören, mit dem Internet verbunden zu sein. Die heutige Krise wäre leichter zu bewältigen, wenn die Voraussetzungen in den Heimen und Kenntnisse der Benutzer bereits vorhanden wären.



Corona-Krise

Ärztekammer-Präsidentin: Alle Klinik-Beschäftigten testen



Ärztekammerpräsidentin Martina Wenker hält es für "brandgefährlich", dass in Kliniken und Pflegeheimen nicht ausreichend klar ist, wer infiziert ist und daher das Coronavirus an Patienten und Personal weitergeben kann. Sie fordert mehr Tests und mehr Schutzausrüstung.

Die Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, Martina Wenker, fordert größere Anstrengungen des Staates für das Testen von medizinischem Personal auf das Coronavirus. "Es ist brandgefährlich, dass aufgrund unzureichender Test-Kapazitäten in vielen Kliniken und Pflegeheimen keine hinreichende Klarheit darüber herrscht, wer infiziert ist und das Virus unbemerkt an Patienten und Personal weitergeben kann", sagte die Lungenfachärztin am 6. April in Hannover dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Wenker forderte Bund und Länder dazu auf, "jetzt beschleunigt alle erforderlichen Ressourcen bereitzustellen, damit das Personal in Kliniken, Pflegeheimen und Arztpraxen flächendeckend und engmaschig getestet werden kann". Nach dem nationalem Pandemie-Plan sei dies die Pflicht des Staates.

Beschäftigte in Quarantäne

Wenker verwies auf eine mutmaßlich hohe Dunkelziffer an Corona-Fällen, die daraus resultiere, dass sich das Virus in vielen Fällen schon vor dem Auftreten von Krankheitssymptomen verbreite. Gerade in Kliniken und Pflegeheimen müsse jetzt Klarheit herrschen: "Wir müssen die Tests so stark ausweiten, dass wir in allen medizinischen Einrichtungen tagesaktuell wissen, welche Beschäftigten infiziert sind." Diese müssten dann konsequent für zwei Wochen in heimische Quarantäne geschickt werden.

Andernfalls drohe nicht nur eine weitere unkontrollierte Ausbreitung der Infektion, wie sie zuletzt etwa in Altenpflegeheimen in Wolfsburg, Wildeshausen, Stade und Herzberg aufgetreten war. Zu befürchten seien dann massive Störungen der medizinischen Versorgung insgesamt. Schlimmstenfalls könne es zu einem Personalnotstand in Kliniken und Pflegeeinrichtungen kommen: "Dann kämen wir womöglich in die Lage, genug Beatmungsgeräte zu haben, aber nicht genug Fachkräfte, die sie bedienen können", sagte Wenker.

Unterstützung bei der Materialbeschaffung

Die Ärzte-Präsidentin mahnte zudem erneut eine bessere Versorgung des Gesundheitssystems mit Schutzkleidung und Hygieneartikeln an. "In einem der reichsten Industrieländer der Erde kann es nicht angehen, dass Pflegekräfte nach Feierabend Einmal-Atemmasken im heimischen Backofen zur Wiederverwendung trocknen müssen."

Wenker warf den Ländern und Kommunen vor, Heime und Kliniken in logistischen Fragen alleinzulassen. Ärzte, Pflegekräfte und Klinkleitungen hätten mehr als genug damit zu tun, sich um ein wachsendes Patienten-Aufkommen zu kümmern. "Wir verbringen zu viel Zeit damit, Nachschub zu organisieren - und das oft ohne Erfolg", sagte die Medizinerin. Sie forderte seitens der Corona-Krisenstäbe von Land und Kommunen eine "koordiniertere Unterstützung" bei der Materialbeschaffung an.

Daniel Behrendt


Jahresbilanz

Versicherer im Raum der Kirchen mit positivem Ergebnis



Auf ein positives Jahresergebnis für 2019 können die Versicherer im Raum der Kirchen (VRK) zurückblicken. Wie der VRK am 2. April in Kassel mitteilte, wurde in allen Bereichen des Unternehmens ein Jahresüberschuss erzielt. Dies sei trotz einer sinkenden konjunkturellen Entwicklung der deutschen Wirtschaftsleistung ein positives Ergebnis.

Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit erzielte 2019 mit 2,1 Millionen Euro ein besseres Ergebnis als im Vorjahr (1,5 Millionen Euro). Die Sachversicherung verzeichnete eine Erhöhung im Bestand ihrer Verträge, zugleich stiegen aber auch die Aufwendungen. Der Jahresüberschuss dieser Sparte betrug 6,5 Millionen Euro gegenüber 11,6 Millionen Euro im Vorjahr.

Die Lebensversicherung verzeichnete hingegen eine Abnahme bei den Verträgen, konnte aber einen Jahresüberschuss von sechs Millionen Euro erreichen (Vorjahr: zwei Millionen Euro). Bei der Krankenversicherung blieb der Bestand auf Vorjahresniveau, der Jahresüberschuss steigerte sich hier von 2,4 Millionen Euro auf 3,1 Millionen Euro.

Angesichts der Corona-Krise erwartet der VRK für 2020 in allen Sparten einen Neugeschäftsrückgang. Andererseits hätten die Einschränkung des öffentlichen Lebens auch deutliche Auswirkungen auf das Schadengeschehen.



Spenden

Evangelische Bank unterstützt soziale Projekte mit 800.000 Euro



Mit fast 800.000 Euro hat die Evangelische Bank im Jahr 2019 rund 500 soziale Projekte in ganz Deutschland gefördert. 330 Projekte konnten über ihre Spenden- und Sponsoringaktivitäten mit rund 410.000 Euro unterstützt werden, teilte die Bank am 3. April mit. Zudem seien knapp 150.000 Euro, die aus dem Gewinnsparen zusammengekommen seien, in bundesweit 150 gemeinnützige Einrichtungen geflossen.

Die drei Stiftungen der Bank, die Acredostiftung, die EDG Kiel-Stiftung sowie EKK-Stiftung schütteten weitere 100.000 Euro für insgesamt 49 Projekte aus. Durch die Crowdfundingplattform "Zusammen Gutes tun" konnten weitere 130.000 Euro an Spenden eingesammelt werden.




sozial-Recht

Schleswig

Schwerbehindert: Erheblich beeinträchtigte Diabetiker




Ein Diabetiker misst seinen Glukosewert.
epd-bild/Heike Lyding
Diabetiker können in besonders schweren Fällen in einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 eingestuft werden. Vor dem Landessozialgericht Schleswig hatte nun ein Kläger Erfolg, der sich durch die Krankheit in seiner Lebensführung erheblich beeinträchtigt sah.

Für insulinpflichtige Diabetiker können krankheitsbedingte Einschränkungen bei Reisen oder beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen und von Freunden den Ausschlag zur Feststellung einer Schwerbehinderung geben. "Beeinträchtigungen bei der Teilhabe in der Gesellschaft spielen mit Blick auf die UN-Behindertenrechtskonvention immer mit eine Rolle, ob ein Diabetiker schwerbehindert ist oder nicht", sagte Daniel Overdiek, Leiter der bayerischen Rechtsabteilung des Sozialverbandes VdK, am 7. April dem Evangelischen Pressedienst (epd) zu einem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (LSG) vom 14. Februar. Die Schleswiger Richter hatten den klagenden Diabetiker als Schwerbehinderten eingestuft, weil neben dem bestehenden Therapieaufwand auch eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensführung vorlag.

Gravierende Einschränkungen

Im Streitfall verlangte der Kläger eine Höherstufung seines Grades der Behinderung (GdB) auf 50. Damit wäre er als Schwerbehinderter anerkannt. Neben einer Funktionsstörung in der Schulter und im Knie verwies er vor allem auf seine Diabetes-Erkrankung. Er müsse sich mindestens viermal, meist siebenmal täglich Insulin spritzen. Es komme häufig zu Unterzuckerungen, die sich in Müdigkeit und Erschöpfung ausdrückten. Er sei zudem wegen seiner Diabetes-Erkrankung impotent.

Auch wenn er bislang bei Unterzuckerungen immer rechtzeitig reagieren konnte und kein medizinischer Notfall eingetreten war, müsse die Schwere seiner Erkrankung anerkannt werden. Sein Diabetes führe zu einer "gravierenden Beeinträchtigung der Lebensführung". So könne er wegen seiner schwankenden Blutzuckerwerte viel schwerer Reisen machen, Freunde besuchen oder an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen. Diese Einschränkungen der Teilhabe in der Gesellschaft müssten bei der Feststellung des GdB mit einfließen.

Das zuständige Landesamt für soziale Dienste lehnte die Feststellung eines Gesamt-GdB von 50 ab. Es fehle an einer neben dem Therapieaufwand erforderlichen deutlichen Teilhabebeeinträchtigung. Der Kläger habe seine Diabeteserkrankung im Griff.

Drei Kriterien des BSG

Das LSG stellte bei dem Kläger dagegen einen GdB von 50 fest. Dies sei in der Gesamtbetrachtung der Einschränkungen des Klägers gerechtfertigt. Die Schleswiger Richter verwiesen dabei auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel.

Damit ein Diabetiker als Schwerbehinderter anerkannt und einen dafür notwendigen Grad der Behinderung (GdB) von 50 zugesprochen bekommt, müssten drei Kriterien erfüllt sein, urteilten die Kasseler Richter am 25. Oktober 2012: So müsse der Zuckerkranke sich mindestens viermal täglich Insulin spritzen. Man dürfe aber auch "nicht zu penibel sein", wenn diese Grenze gelegentlich unterschritten wird. Zweitens müsse es erforderlich sein, dass der Kranke seine Insulindosis immer neu anpassen muss. Und schließlich drittens müsse die Lebensführung durch die Krankheit "erheblich beeinträchtigt" sein. Im damaligen Streitfall hatte das BSG einer Diabetikerin allerdings die Anerkennung als Schwerbehinderte versagt, weil diese ihre Erkrankung gut beherrschte.

Es sei aber nicht erforderlich, dass für eine Feststellung eines GdB von 50 "gravierende Einschränkungen" zwingend in mehreren Lebensbereichen vorliegen müssen, so das BSG in einem weiteren Urteil vom 16. Dezember 2014. Allerdings müsse eine Gesamtbetrachtung vorgenommen werden, bei der die Einschränkungen in den jeweiligen Lebensbereichen wie Beruf oder auch Freizeit geprüft werden.

Bandbreite von null bis 50

Im aktuellen Streitfall begründeten die Einschränkungen des Klägers die Anerkennung als Schwerbehinderten, befand das LSG. Der Kläger müsse sich einer Insulintherapie mit täglich mindestens vier Injektionen mit unterschiedlicher Dosierung unterziehen. Es lägen auch Folgeerkrankungen vor wie eine bestehende Impotenz und der Verlust zweier Zähne, die auf die Diabeteserkrankung zurückzuführen sind.

"Berücksichtigt man sowohl die Einschränkungen bei der Freizeitgestaltung, insbesondere beim Reisen, bei Restaurantbesuchen sowie bei der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen und den Besuch von Freunden als auch das Vorliegen mehrerer Folgeerkrankungen des Diabetes", würden insgesamt "gravierende Beeinträchtigungen in der Lebensführung" vorliegen, stellte das LSG fest.

Hinzu komme noch die eingeschränkte Beweglichkeit an der Schulter und an dem Knie, welche bei der Feststellung des Gesamt-GdB von 50 mitberücksichtigt werden müsse, urteilte das LSG.

"Soll eine Schwerbehinderung infolge einer Diabeteserkrankung und ein GdB festgestellt werden, ist oft alles drin. Die Bandbreite des Einzel-GdB für Diabetes geht in der Regel von null bis 50 bei gravierenden Einschränkungen der Lebensführung", sagt Overdiek. In der Praxis sei es allerdings schwierig, einen GdB von 50 zu erreichen, der allein auf einen Diabetes zurückgeführt werden kann. Häufig kämen noch andere Erkrankungen hinzu, die bei der Bestimmung des Gesamt-GdB mitberücksichtigt werden müssen.

Az.: L 2 SB 54/18 (LSG Schleswig)

Az.: B 9 SB 2/12 R (BSG, GdB-Kriterien)

Az.: B 9 SB 2/13 R (BSG, Einschränkungen von Lebensbereichen)

Frank Leth


Landessozialgericht

Keine Erstattung der Schülerbeförderungskosten zur Privatschule



Eltern können für den Besuch ihres Kindes auf eine weiter entfernte Privatschule nicht die Übernahme der Schülerbeförderungskosten verlangen. Ein Anspruch besteht nur zur nächstgelegenen Schule, entschied das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle in einem am 30. März bekanntgegebenen Urteil.

Geklagt hatte ein Vater aus dem Kreis Wesermarsch. Dieser meldete seinen Sohn nicht an ein staatliches Gymnasium in der Nähe seines Wohnortes an, sondern in eine 25 Kilometer entfernte Privatschule. Beim Landkreis beantragte der Vater die Übernahme der Schülerbeförderungskosten in Höhe von monatlich 95 Euro. Er berief sich auf das Bundeskindergeldgesetz, das "Leistungen für Bildung und Teilhabe" vorsieht. Voraussetzung hierfür ist, dass das Kind im Haushalt lebt und Anspruch für einen Kinderzuschlag oder Wohngeld besteht. Dies war hier der Fall.

Kontakt zu "Bildungsfernen"

Als Grund, warum der Sohn nicht auf das näher gelegene staatliche Gymnasium gehen könne, gab der Vater an, dass dieses nicht gleichwertig sei. Sein Kind werde dort Kontakt zu "bildungsfernen Bevölkerungsschichten" haben. An dem Gymnasium sei zudem das Sitzenbleiben abgeschafft worden. Mit den Flüchtlingen kämen immer mehr Menschen mit Bildungsdefiziten oder gar keiner Bildung an staatliche Schulen.

Doch das LSG entschied, dass der Vater die Schülerbeförderungskosten zur Privatschule selbst bezahlen muss. Grundsätzlich könnten nur Kosten zur nächstgelegenen Schule übernommen werden. Eine Ausnahme bestehe nur für entferntere Schulen mit einem besonderen Profil - etwa ein Sportgymnasium.

Auf ethnische oder soziale Unterschiede der Schülerschaft komme es bei der Übernahme der Schülerbeförderungskosten nicht an, betonten die Celler Richter. Zweck der Bildungs- und Teilhabeleistungen sei außerdem "die Verwirklichung der Chancengleichheit von Kindern aus einkommensschwachen Familien, nicht jedoch der Besuch von Privatschulen mit Kindern aus besser situierten Familien, welche die pluralistische Zusammensetzung der Gesellschaft nicht abbildeten", befand das LSG.

Az.: L 7 BK 2/19



Oberverwaltungsgericht

Besuchsverbot in Pflegeheimen wegen Corona bestätigt



Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat das Besuchsverbot in Pflegeheimen in Brandenburg bestätigt. Ein Eilantrag gegen Einschränkungen des Besuchsrechts durch die Verordnung zur Eindämmung des Coronavirus sei als unbegründet zurückgewiesen worden, teilte das Gericht am 6. April in Berlin mit. Der Beschluss vom 3. April sei unanfechtbar. Gegen das Besuchsverbot hatte eine Frau aus Brandenburg geklagt.

Die Besuchseinschränkungen zum Schutz der Bewohner von Pflegeheimen seien durch das Infektionsschutzgesetz gedeckt und mit dem Grundgesetz vereinbar, hieß es. Die Betroffenen gehörten zu dem durch das Coronavirus besonders gefährdeten Personenkreis. Dass anderweitige Schutzmaßnahmen die deshalb drohenden Gefahren hinreichend sicher vermeiden könnten, lasse sich derzeit nicht feststellen.

Bei dieser Sachlage hielten sich die angeordneten Besuchseinschränkungen im Rahmen des Beurteilungsspielraums des Landes Brandenburg, hieß es weiter beim Oberverwaltungsgericht. Entgegen der Annahme der Antragstellerin sei die Ausnahmeregelung zum Besuch Schwerstkranker durch nahestehende Personen nur nach ärztlicher Genehmigung auch nicht zu unbestimmt.

Az.: OVG 11 S 14/20



Oberverwaltungsgericht

Kein Abschiebungsverbot nach Bulgarien



Wem bereits in Bulgarien internationaler Schutz gewährt wurde, der hat laut Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz keinen Anspruch auf ein Asylverfahren in Deutschland. "Ihm droht nach der aktuellen Erkenntnisquellenlage in Bulgarien keine Situation extremer materieller Not, die mit der Menschenwürde unvereinbar wäre", teilte das Gericht am 3. April in Koblenz mit. Daher gebe es auch kein Abschiebungsverbot nach Bulgarien.

Im konkreten Fall hat ein nach eigenen Angaben 1996 geborener syrischer Staatsangehöriger zunächst in Bulgarien einen Asylantrag gestellt. Nachdem er dort als subsidiär Schutzberechtigter anerkannt worden sei, habe er in Deutschland einen weiteren Antrag gestellt. Er hatte erklärt, dass die wirtschaftliche Lage in Bulgarien schlecht sei und er nicht für seinen Lebensunterhalt sorgen könnte. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) lehnte den Asylantrag ab. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte nun die in der ersten Instanz erfolgte Zurückweisung seiner Klage gegen die Abschiebung.

In Bulgarien nicht bedroht

Das OVG ericht erklärte, dass ein Asylantrag unzulässig sei, wenn ein anderer Mitgliedsstaat der Europäischen Union bereits Schutz gewährt habe. Nur wenn dem Antragsteller in dem anderen Mitgliedsstaat die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Europäischen Menschenrechtskonvention drohe, könne diese Vorschrift ausgesetzt werden. Dies sei etwa der Fall, "wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände".

Aktuelle Gutachten, Auskünfte und Berichte zu Bulgarien bestätigten dies nicht, teilte das Gericht mit. Es sei wahrscheinlich, dass Schutzberechtigte sich durch Arbeit ein Existenzminimum sichern könnten und nicht von Obdachlosigkeit bedroht seien. Zudem hätten sie Zugang zu Hilfeleistungen kommunaler und karitativer Einrichtungen sowie der Nichtregierungsorganisationen. Auch seien im Falle des Kläger keine besonderen Umstände ersichtlich, dass ihm eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe.

Az.: 7 A 10903/18.OVG



Sozialgericht

Jobcenter muss internetfähigen Laptop für Zehntklässlerin zahlen



Jobcenter müssen einer im Hartz-IV-Bezug stehenden Zehntklässlerin eines Gymnasiums einen Zuschuss für einen internetfähigen Laptop gewähren. Mit fortschreitender Schullaufbahn stelle solch ein Rechner für Hausaufgaben und die Vorbereitung von Referaten "einen unabweisbaren und besonderen Bedarf" dar, entschied das Sozialgericht Cottbus in einem am 2. April veröffentlichten Beschluss.

Im konkreten Fall hatte eine Hartz-IV-Bezieherin beim Jobcenter für ihre Tochter einen 500-Euro-Zuschuss für einen internetfähigen Laptop beantragt. Ihre Tochter besuche die zehnte Klasse eines Gymnasiums und habe Probleme, ihre Hausaufgaben und diverse Schulprojekte ohne mediale Unterstützung zu bewältigen. Sie müsse bei Freunden schulische Referate ausarbeiten und ausdrucken. Ihr schulisches Fortkommen werde mit fehlendem Laptop beeinträchtigt.

Das Jobcenter lehnte den Antrag ab. Weder handele es sich um einen Mehrbedarf, noch könne ihr ein Darlehen zur Anschaffung eines internetfähigen Laptops bewilligt werden.

Der dagegen gerichtete Antrag der Mutter auf einstweilige Anordnung hatte vor dem Sozialgericht Erfolg. Es liege Eilbedürftigkeit vor, da sie mit jedem Tag, an dem die Tochter keinen internetfähigen PC zur Verfügung hat, am schulischen Fortkommen beeinträchtigt wird.

Az.: S 29 AS 1540/19 ER



Sozialgericht

Kein Hartz-IV-Zuschuss für Lebensmittel- und Klopapier-Notvorräte



Hartz-IV-Bezieher können in der Corona-Pandemie für das Anlegen eines Notvorrats von Lebensmitteln, Klopapier und anderen Hygieneprodukten keinen Zuschuss vom Jobcenter beanspruchen. Auch wenn aufgrund der Hamsterkäufe Grundnahrungsmittel und andere notwendige Produkte schwerer oder teurer zu bekommen sind, rechtfertige dies keinen Mehrbedarf, entschied das Sozialgericht Konstanz in einem am 3. April veröffentlichten Beschluss. Hartz-IV-Bezieher könnten bei Lieferengpässen problemlos auf Alternativ-Produkte ausweichen.

Der Antragsteller hatte von seinem Jobcenter einen Zuschuss für eine Notbevorratung verlangt. Der Mann, der auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen ist, führte als Grund die Corona-Pandemie an. Es komme vermehrt zu Hamsterkäufen in den Geschäften. Grundnahrungsmittel wie Reis, Nudeln und Konserven oder andere notwendige Produkte des täglichen Bedarfs wie Klopapier seien häufig ausverkauft oder viel zu teuer geworden.

Genug Geld für Vorratshaltung

So sei der Preis für eine 500-Gramm-Packung Nudeln von 0,45 Euro auf zuletzt 2,70 Euro gestiegen. Habe er früher für eine Packung Nudeln 45 Euro-Cent bezahlt, liege der Preise jetzt bei 2,70 Euro. Selbst für eine Orange müsse ein Euro bezahlt werden. Er benötige den Zuschuss zudem für den Kauf notwendiger Schutzmasken und -kleidung.

Falls er in "häuslicher Quarantäne" leben müsse, sei ebenfalls ein Notvorrat erforderlich. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfehle, einen für 14 Tage anzulegen.

Das Sozialgericht lehnte den Antrag auf einen Zuschuss für die Notbevorratung ab. Dem Antragsteller sei es zuzumuten, einen Vorrat aus dem regulären Arbeitslosengeld II aufzubauen.

Dass der Hartz-IV-Bezieher in häuslicher Quarantäne leben müsse, sei nicht ersichtlich. Er könne trotz Ausgangsbeschränkungen noch einkaufen. Ferner könne der Antragsteller bei vereinzelten teurer gewordenen Waren auf Alternativ-Produkte ausweichen. Außerdem entfielen derzeit wegen der Ausgangsbeschränkungen einige Kosten wie etwa für Kino- und Gaststättenbesuche.

Az.: S 1 AS 560/20 ER




sozial-Köpfe

Diakonie

Neuer Vorstand bei Berliner Stadtmission




Christian Ceconi
epd-bild/Berliner Stadtmission
Von Toronto in Kanada nach Berlin: Pastor Christian Ceconi hat seinen Dienst bei der Evangelischen Martin Luther Kirche in Toronto beendet und am 1. April sein Amt als neuer Theologischer Vorstand der Berliner Stadtmission angetreten.

Pastor Christian Ceconi aus Toronto hat am 1. April sein Amt als neuer Theologischer Vorstand der Berliner Stadtmission angetreten. Gemeinsam mit Martin Zwick, dem kaufmännischen Vorstand, bildet der 48-Jährige die Doppelspitze des evangelischen Vereins. Ceconi folgt auf Joachim Lenz, der auf eigenen Wunsch Ende 2019 seinen Dienst in Berlin beendet hatte und wieder in seine Heimatkirche im Rheinland zurückgekehrt ist.

Christian Ceconi war bislang Pastor in der Evangelischen Martin Luther Kirche in Toronto. In Kanada gehörte er nach Angaben der Stadtmission zum Leitungsteam von Fresh Expressions Canada und leitete als Dekan das Central Toronto Ministry Area. Zuvor war der dreifache Vater unter anderem in Niedersachsen aktiv.

Sein Herz schlage für eine experimentierfreudige Kirche, sagte Ceconi bei seinem Amtsantritt. In einer sich dynamisch verändernden Welt "brauchen wir Kirche außerhalb von Kirchenmauern". "Ohne Diakonie fehlt der Kirche das Fleisch an den Knochen", sagte der promovierte evangelische Theologe.

Die Berliner Stadtmission unter dem Dach der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz kümmert sich seit 1877 um sozial Benachteiligte in der Stadt. Sie ist Trägerin verschiedener sozialer Einrichtungen für Obdachlose, Wohnungslose, Behinderte, Kinder und Familien, hat aber auch Gästehäuser und Hotels in der Bundeshauptstadt. Unter anderem betreibt sie die Bahnhofsmission am Zoo und eine Clearingstelle für Menschen ohne Krankenversicherungen.



Weitere Personalien



Lothar Bauer geht nach mehr als 25 Jahren an der Spitze der BruderhausDiakonie in Reutlingen Ende August in den Ruhestand. Seine Verabschiedung am 27. Mai soll wegen der Corona-Krise in kleinem Kreis stattfinden, teilte das Sozialwerk mit. Die BruderhausDiakonie arbeitet mit rund 5.000 Mitarbeitern in den Bereichen Altenhilfe, Behindertenhilfe, Jugendhilfe, Sozialpsychiatrie und beruflicher Bildung. Der 1955 in Tübingen geborenen Theologe Bauer kam 1994 ins Amt des Vorstandsvorsitzenden. Er war unter anderem an der Umsetzung der Pflegeversicherung und der Fusion mit der Stiftung Haus am Berg beteiligt und brachte die Gründung des Gustav Werner Forums in Reutlingen voran.

Heyo K. Kroemer, seit September 2019 Vorstandsvorsitzender der Charité - Universitätsmedizin Berlin, ist neues Mitglied des Vorstands des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD). Der Vorstand des Verbands hat dies in seiner letzten Sitzung einstimmig beschlossen. "Wir freuen uns sehr, dass wir mit Prof. Kroemer den Vorstandsvorsitzenden einer der größten Universitätsklinika Europas und gleichzeitig unseren langjährigen Mitstreiter in der politischen Interessensvertretung der Hochschulmedizin gewinnen konnten", sagte Michael Albrecht, 1. Vorsitzender des VUD. Der Pharmakologe Kroemer war von 2012 bis 2019 Präsident des Medizinischen Fakultätentages, der gemeinsam mit dem VUD im Dachverband "Deutsche Hochschulmedizin" die Interessen der Universitätsmedizin gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit vertritt. Der Sitz im VUD-Vorstand war vakant geworden, nachdem Andreas Tecklenburg aus seinem Amt als Vorstand für das Ressort Krankenversorgung der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ausgeschieden war. Tecklenburg gehörte dem VUD-Vorstand seit 2006 an.

Fritz Beske ist tot. Der Arzt, Master of Public Health, Staatssekretär a. D. und Gründer des Instituts für Gesundheits-System-Forschung Kiel (IGSF) starb, wie jetzt bekannt wurde, am 26. März im Alter von 97 Jahren. Beske war von 1971 bis 1981 Staatssekretär im Sozialministerium des Landes Schleswig-Holstein unter dem Ministerpräsidenten Gerhard Stoltenberg (CDU). Die Medizinische Fakultät der Universität Lübeck ernannte ihn 1973 zum Honorarprofessor. 1975 gründete er das IGSF, er publizierte weit über 100 Bände mit Studien und Analysen zur Gesetzlichen Krankenversicherung. Die Ärztevereinigung Virchowbund verlieh ihm im Jahr 2012 die Kaspar-Roos-Medaille.




sozial-Termine

Veranstaltungen ab Mai



Aufgrund der Corona-Epidemie haben die Veranstalter viele Termine abgesagt. Wir haben Tagungen, Seminare und Workshops aufgelistet, die ab Mai geplant sind und daher auch tatsächlich stattfinden könnten. Kurzfristige Änderungen sind jedoch nicht auszuschließen. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, dies zu beachten.

Mai

4.-5.5. Berlin:

Seminar "Kinderarmut als Herausforderung für den Kita-Alltag"

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-0

4.-6.5. Berlin:

Seminar "Werte, Haltung und Grenzen in der Beratungsarbeit - Qualifizierung für Migrationsfachdienste"

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-0

4.-6.5. Freiburg:

Seminar "Wenn das Miteinander zur Herausforderung wird - Führungskräfte als Vermittelnde bei Konflikt und Mobbing"

der Fortbildungs-Akademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/2001700

5.-6.5. Hannover:

Seminar "Die Schnittstelle Eingliederungshilfe - Pflege gestalten

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837-495

6.5. Köln:

Seminar "Treasury in der Sozialwirtschaft - Finanzmittel bedarfsgerecht bereitstellen"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221.97356.160

11.-12.5. Hannover:

Seminar "QM-Workshop 2020"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837-388

12.5. Regensburg:

Workshop "Professionelle Beratung – Der Schlüssel in Zeiten des Personalmangels: Das Fundament Ihres Pflegedienstes"

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0941/5696-0

14.5. Berlin:

Fachsymposium "360° Pflege - Qualifikationsmix für den Patienten - in der Praxis"

des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung

Tel.: 0221/46861-30

19.-20.5. Berlin:

Workshop "... und plötzlich bin ich Leitung! - Gut vorbereitet von der Fach- zur Führungskraft"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837-388

29.-30.5. Hannover:

Seminar "Kooperation von Migrant*innenorganisationen und etablierten sozialen Organisationen" (1. Modul)

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837-388