sozial-Politik

Krankenhäuser

Finanzieller Druck mit schweren Folgen




Viele Krankenhäuser beklagen einen hohen finanziellen Druck.
epd-bild/Werner Krüper
Vielen Krankenhäusern fehlt Geld. Den wirtschaftlichen Druck spüren Klinik-Geschäftsführer wie Angela Krug täglich. Sie leitet seit über 25 Jahren ein Krankenhaus - nun denkt sie darüber nach, ihren Job aufzugeben.

"Die Gesundheit meines Patienten wird mein oberstes Anliegen sein", heißt es in der Genfer Deklaration des Weltärztebundes, einer modernen Version des hippokratischen Eids. Ärzte auf der ganzen Welt berufen sich auf diesen Kodex. In deutschen Krankenhäusern ist er wichtiger denn je: Denn einer Studie zufolge müssen deren Führungskräfte täglich entscheiden, wie sie trotz des hohen finanziellen Drucks dem Patientenwohl dienen können.

Insolvenzgefahr für jedes zehnte Haus

Auch ein Krankenhaus ist ein Unternehmen, das wirtschaftlich überleben muss. Gesetzlich gilt: Die Bundesländer zahlen die Investitionskosten wie Um- und Neubauten und neue Technik, die Krankenkassen übernehmen die laufenden Betriebsausgaben und die Gehälter des Personals. Dennoch geht es vielen deutschen Krankenhäusern schlecht: Dem "Krankenhaus Rating Report" des RWI-Leibniz Institut für Wirtschaftsforschung zufolge stand 2015 jede zehnte Klinik vor der Insolvenz.

"Das Krankenhaus-Finanzierungssystem funktioniert nur mangelhaft", erklärt der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Seiner Meinung nach reicht das Geld der Bundesländer für die Krankenhaus-Investitionen nicht aus. Die Länder zahlen laut Wasem jährlich insgesamt knapp drei Milliarden Euro, die Krankenhäuser investierten aber jedes Jahr für sechs Milliarden Euro. "Die Klinik-Geschäftsführer sehen keinen anderen Weg, als aus den laufenden Erlösen Geld für die Investitionen abzuzweigen", sagt er.

Dieses Problem bestätigen Klinik-Geschäftsführer in einer im Oktober veröffentlichten Studie der Universität Witten-Herdecke. Die Befragung ergab, dass auf der Klinik-Chefetage ein enormer wirtschaftlicher Druck laste. Die befragten Geschäftsführer gaben an, ihr Job gleiche einem "perfiden Spiel" - sie müssten Entscheidungen treffen, von denen entweder die Ökonomie oder die Medizin profitiere.

"Ich kann das nicht mehr"

Angela Krug leitet seit 27 Jahren östlich von Berlin ein Krankenhaus. "Mittlerweile gehe ich mit keinem guten Gefühl mehr zur Arbeit", sagte sie dem epd. Die Krankenhäuser erhielten immer mehr Aufgaben, aber immer weniger Geld. Von Kollegen und leitenden Ärzten höre sie immer öfter Sätze wie "Ich zieh mich hier raus" und "Ich kann das nicht mehr".

Laut Wasem hängt der Druck auch mit dem Finanzierungsmodell der laufenden Krankenhauskosten zusammen, das zu einer "Schärfung der ökonomischen Denkweise im Krankenhaus" geführt habe. Demnach zahlen die Krankenkassen den Kliniken nur die Kosten für die jeweilige Patientenbehandlung. Dies verleite Ärzte, sich eher für eine Krankenhausaufnahme zu entscheiden als dagegen.

"Die Krankenhäuser stehen unter dem Druck, zusätzliche Behandlungsfälle zu produzieren, um die fehlenden Investitionskosten auszugleichen", warnt Wasem. Genügend Betten für weitere Behandlungen sind vorhanden: Denn Deutschland hat zu viele Krankenhäuser, erklärt er. Jedes vierte Krankenhausbett stehe leer.

Behandlung ohne Indikation

Dass der finanzielle Druck weitreichende Folgen für die Patienten hat, bestätigt eine Studie der Professoren Karl-Heinz Wehkamp und Heinz Naegler. Der Untersuchung zufolge kommt es aus Kostengründen vor, dass Patienten ohne medizinischen Grund im Krankenhaus behandelt werden. Die befragten Ärzte und Geschäftsführer gaben an, dass Entscheidungen über Aufnahme, Behandlungsart und Entlassung eines Patienten ohne Kostendruck häufig anders ausfallen würden. Die Geschäftsführerin Krug hält dieses Vorgehen in der Branche für möglich - zwar operiere kein Arzt Patienten unnötig, aber er reize unter Umständen nicht mehr alle Behandlungsmethoden aus, für die keine Operation notwendig wäre.

Die Geschäftsführerin hält die belastende Situation im Krankenhaus nicht mehr lange aus. "Der Konflikt hat sich stetig gesteigert, aber er erreicht so langsam eine Grenze", sagt Krug. Sie denkt darüber nach zu kündigen, weil sie unter diesen Umständen dort nicht mehr arbeiten möchte.

Patricia Averesch


Bundesländer

Sozialminister fordern neues Entschädigungsgesetz für Gewaltopfer




Gedenken an die Opfer des Anschlages im Vorjahr: Der Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz.
epd-bild/Christian Ditsch
Zum Jahrestag des islamistischen Anschlags auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz haben die Sozialminister der Bundesländer ein neues Opfer-Entschädigungsrecht gefordert. Zugleich wurde beschlossen, die Einführung einer Kindergrundsicherung vorzubereiten.

Opfer terroristischer Gewalttaten oder sonstiger Gewaltexzesse müssten künftig vom Staat bessere Hilfe- und Unterstützungsleistungen bekommen, hieß es zum Abschluss der Sozialministerkonferenz am 7. Dezember in Potsdam. Für das Entschädigungsrecht ist der Bund zuständig.

Für die Entschädigung von Terroropfern müssten "einfachere, unbürokratischere Lösungen" gefunden werden, sagte Brandenburgs Sozialministerin Diana Golze (Linke). Brandenburg hat in diesem Jahr den Vorsitz der Sozialministerkonferenz inne, 2018 übernimmt Nordrhein-Westfalen das Amt. Bei den bisher geltenden Regelungen gebe es "erheblichen Nachjustierungsbedarf", sagte der nordrhein-westfälische Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU).

Ungleichbehandlung von Opfern müsse enden

Opfer von Terroranschlägen und anderen Gewalttaten dürften nicht darauf zurückgeworfen werden, selbst prüfen zu müssen, welche Entschädigungsregelung möglicherweise für sie gilt, betonte die Hamburger Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD). "Wir brauchen ein Entschädigungsrecht, das große Öffnungsmöglichkeiten hat", sagte der hessische Sozialminister Stefan Grüttner (CDU). Auch die Ungleichbehandlung von deutschen und ausländischen Opfern müsse beendet werden.

In der Vergangenheit hätten bei verschiedenen Tatbeständen wie sexualisierter Gewalt und Gewalt gegen Heimkinder eigene Lösungen zur Entschädigung von Opfern gefunden werden müssen, betonte Grüttner. Ziel der angestrebten Neuregelung sei, dies zu vereinheitlichen, hieß es. Für die Opfer des Berliner Attentats galt das soziale Entschädigungsrecht nicht, weil der Anschlag mit einem Kraftfahrzeug verübt wurde.

Aufgabe für 2018 werde, die Forderungen des Beauftragten für die Opfer vom Breitscheidplatz, Kurt Beck, in Gesetze zu fassen, betonte Laumann. Beck will seinen Bericht und seine Forderungen in der kommenden Woche vorstellen.

Reform der Familienleistungen angekündigt

Außerdem wollen die Fachminister Schritte zur Einführung einer Kindergrundsicherung einleiten. Dazu soll eine Arbeitsgruppe bis zur 95. Konferenz 2018 als zentralen Baustein zur Vermeidung von Kinderarmut ein Konzept einer Kindergrundsicherung entwickeln. Parallel dazu sollen die schon bestehenden kindbezogenen Leistungen, insbesondere Kindergeld und Kinderzuschlag, bis zur möglichen Einführung einer Kindergrundsicherung weiter optimiert werden, hieß es.

Das Bündnis Kindergrundsicherung lobte den Plan, die finanziellen Leistungen der Kinder- und Familienförderung grundlegend zu reformieren. "Der heutige Beschluss der Konferenz ist ein notwendiges Signal für alle Familien, Kinder und Jugendlichen, denn eine Kindergrundsicherung ist langfristig der beste Weg, um Armut und verminderte Teilhabechancen zu verhindern. Wir hoffen sehr, dass dieses Signal auch auf Bundesebene und insbesondere von einer künftigen Bundesregierung erkannt wird", sagte Bündnischefin Christiane Reckmann.

Reckmann sprach sich dafür aus, für die Kindergrundsicherung 573 Euro im Monat festzulegen, die mit steigendem Einkommen sinkt und neben dem sächlichen Existenzminimum auch den Teilhabebedarf abdeckt.

Yvonne Jennerjahn


Flüchtlinge

Kosten für Asylklagen deutlich gestiegen




Ein iranisches Paar im Kirchenasyl in Essen. (Archivbild)
epd-bild/Stefan Arend
Die Verwaltungsgerichte müssen sich zunehmend mit Klagen von Flüchtlingen befassen. Die Kosten dafür betragen in diesem Jahr bislang rund 20 Millionen Euro. In der EU ist Deutschland Spitzenreiter beim Entscheiden von Asylgesuchen. Auch die Zahl der Kirchenasyle steigt - zum Unmut vieler Unionspolitiker. Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst bezeichnete das Kirchenasyl als "einen Segen für den Rechtsstaat".

Einsprüche gegen Asylentscheidungen beschäftigen zunehmend die Gerichte. Wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) am 4. Dezember bestätigte, wurden in diesem Jahr zwischen Januar und September insgesamt 274.645 Klagen gegen Entscheidungen des Bundesamtes erhoben. Die Gerichtskosten in Asylangelegenheiten betrugen den Angaben zufolge mit Stand 21. November rund 20 Millionen Euro. 2016 waren es noch rund 11,2 Millionen Euro.

Laut Bundesamt entschieden die Gerichte im Zeitraum zwischen Januar und Juli dieses Jahres in 27,2 Prozent der Fälle zugunsten der Antragsteller. 2016 wurden in 13,1 Prozent der Verfahren zugunsten des Klägers entschieden.

Wichtig sei es, die Klage- und Erfolgszahlen immer im Gesamtkontext der Entscheidungen und vieler anderer Faktoren zu betrachten, hieß es seitens der Behörde. Seit 2016 würden vermehrt syrische Antragsteller mit subsidiärem Schutz auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft klagen. Maßgeblich für den Ausgang des Asyl- oder Gerichtsverfahrens sei zudem auch die jeweilige aktuelle Situation im Herkunftsland.

Knapp 360.000 Aslyentscheidungen im ersten Halbjahr

Zugleich sind in Deutschland im ersten Halbjahr 2017 weit mehr Asylentscheidungen vom BAMF getroffen worden als in den übrigen 27 EU-Staaten zusammen. Nach Zahlen des Europäischen Statistikamt Eurostat, die zuletzt am 1. Dezember aktualisiert worden waren, wurden in der Bundesrepublik 357.625 Entscheidungen getroffen. Im Rest der EU waren es demnach 215.185 Entscheidungen, die jeweils Erstanträge von Asylbewerbern betrafen.

Deutschland sei weiter das mit Abstand wichtigste Zielland für Flüchtlinge und Migranten in Europa, hieß in der Zeitung "Die Welt". Seit April 2016 kämen in jedem Monat relativ konstant rund 15.000 neue Schutzsuchende an. Im Oktober seien es laut Bundesinnenministerium 15.170 gewesen. Von Januar bis Oktober seien insgesamt 156.000 Asylbewerber eingereist.

Deutlich mehr Fälle von Kirchenasyl

Mit den Asylbewerberzahlen steigt auch die Zahl der Menschen, die in Kirchen Zuflucht suchen. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge waren in den ersten neun Monaten dieses Jahres insgesamt 1.126 Fälle von Kirchenasyl gemeldet. Im vergangenen Jahr hatte die Zahl deutlich niedriger gelegen: Von Mai bis Dezember waren es 622 Fälle. Die Behörde bestätigte die steigenden Fallzahlen, über die zuvor die Funke Mediengruppe berichtet hatte.

Bei der überwältigenden Mehrheit der Menschen im Kirchenasyl handelt es sich um sogenannte "Dublin-Fälle". Nach Angaben der ökumenischen Arbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" sind 90 Prozent von ihnen Flüchtlinge, die nach geltendem EU-Recht in das Land zurückmüssten, über das sie nach Europa kamen.

"Das Kirchenasyl hebelt europäische rechtsstaatliche Verfahren zunehmend aus, indem Kirchen viele Menschen vor der Abschiebung aus Deutschland schützen, die beispielsweise in den Niederlanden oder Spanien Asyl beantragen müssen", sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU). Der Schutz vor staatlichem Zugriff sei "durch viele Kirchen missbraucht worden", sagte Krings.

Jesuiten: Kirchenasyl ist Segen für den Rechtsstaat

Das sieht der Jesuiten-Flüchtlingsdienst ganz anders. "Kirchenasyl ist ein Segen für den Rechtsstaat", betonte der Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes, Pater Frido Pflüger SJ, am 7. Dezember in Berlin. „Es gibt dem Staat die Möglichkeit, sein Handeln im Zweifelsfall nochmal daraufhin zu überprüfen, ob es dem Einzelnen gerecht wird.“

Im Vergleich zur Zahl der Asylentscheidungen sei die Zahl der Kirchenasyle minimal. Dass es mehr geworden sind, hänge nicht zuletzt daran, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mehr Asylverfahren abschließt. In vielen Fällen verfüge es die Zurückschiebung in einen anderen EU-Staat.



Gesundheit

Bundeszentrale warnt Flüchtlinge vor Alkoholmissbrauch



Mit einem neuen Angebot will die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Flüchtlinge in Deutschland vor den Gefahren des Alkoholkonsums warnen. Für viele Schutzsuchende sei der alltägliche und offene Umgang mit Alkohol hierzulande ungewohnt, erklärte die Bundeszentrale am 5. Dezember in Köln. Kämen traumatische Flucht- oder Kriegserfahrungen, die Trennung von der Familie und Sprachbarrieren in einer fremden Umgebung hinzu, drohe gerade bei jüngeren Flüchtlingen das Risiko von Alkoholmissbrauch.

Um auf die Gefahren aufmerksam zu machen, seien kultursensible Angebote erforderlich, betonte Behördenleiterin Heidrun Thaiss in der aktuellen Ausgabe des Newsletters "Alkoholspiegel". Eine neue Broschüre der Bundeszentrale und der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen in arabischer und englischer Sprache soll über einen verantwortlichen Umgang mit Alkohol aufklären.



Asyl

Menschenrechtler: Behinderte Flüchtlinge schlecht betreut




Für Flüchtlinge mit Handicap, wie hier Ghasem Aslami aus Afghanistan, fehlt es bundesweit an barrierefreien Unterkünften.
epd-bild/Judith Michaelis
Der zweite Bericht zur Lage der Menschenrechte in Deutschland befasst sich unter anderem mit behinderten Flüchtlingen. Sie gelten als besonders verletzlich und sind zum kaum im Blick des politischen Geschäftes.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat eine bessere Betreuung von behinderten Flüchtlingen in Deutschland angemahnt. So gebe es kaum barrierefreie Unterkünfte. Hilfsmittel und Therapien würden gar nicht oder nur nach aufwendigen Verfahren von den Sozialbehörden genehmigt, sagte Institutsdirektorin Beate Rudolf am 6. Dezember in Berlin bei der Vorstellung des zweiten Berichtes zur Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland. Zudem fordert das Menschenrechtsinstitut einen besseren Schutz der Privatsphäre in Gemeinschaftsunterkünften und unabhängige Beschwerdestellen bei Übergriffen durch das Personal in den Unterkünften.

"Geflüchtete Menschen mit Behinderungen sind in Deutschland mit enormen Schwierigkeiten konfrontiert", sagte Rudolf. Nach wie vor gebe es keine Verfahren zur systematischen Identifikation besonders schutzbedürftiger Menschen.

"Länder müssen barrierefreie Unterkünfte bereitstellen"

Die Juristin forderte den Bundestag auf, ein bundesweit gültiges Verfahren zur Identifikation besonders schutzbedürftiger Geflüchteter vorzuschreiben. Dies sei der Dreh- und Angelpunkt, damit behinderte Personen angemessen untergebracht und versorgt werden. An die Länder richtete Rudolf den Appell, barrierefreie Unterkünfte bereitzustellen.

Für den Bericht hat das Deutsche Institut für Menschenrechte Organisationen befragt, die im Jahr 2016 rund 2.000 Asylsuchende mit Behinderungen beraten und unterstützt haben. Dem Institut zufolge leben aktuell etwa 400.000 Menschen in Gemeinschaftsunterkünften.

Geflüchtete Menschen mit Behinderungen fallen wie alle Flüchtlinge unter das Asylbewerberleistungsgesetz und erhalten in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthalts in Deutschland nur eingeschränkte Gesundheitsleistungen. Die Entscheidung für besondere medizinische Behandlungen liegen im Ermessen der Sozialbehörden. Dies führe offenbar zu einer restriktiven Praxis der Behörden mit der Folge möglicher nicht wieder gutzumachender Schäden für die Betroffenen, sagte Rudolf weiter.

Hausverbote führen in die Obdachlosigkeit

Ein weiterer Kritikpunkt des Menschenrechtsinstitutes ist der oftmals unzureichende Schutz der Privatsphäre in den Gemeinschaftsunterkünften. So gebe es etwa Zimmerkontrollen in Abwesenheit der Bewohner oder Hausverbote schon bei geringen Verstößen mit der Folge, dass der Betroffene obdachlos wird. Berichtet wurde auch über ein pauschales Übernachtungsverbot, so dass eine Mutter nicht bei ihrem minderjährigen Kind übernachten konnte. Rudolf plädiert für niedrigschwellige, unabhängige Beschwerdemöglichkeiten.

Der von Rudolf vorgelegte Bericht geht auf einen Beschluss des Bundestages von 2015 zurück. Danach ist gemäß den Vorgaben der Vereinten Nationen jährlich die Menschenrechtssituation in Deutschland neu zu bewerten.

Die Direktorin des Menschenrechtsinstitutes sprach sich auch für die Wiederzulassung des Familiennachzugs für subsidiär schutzberechtigte Personen aus. Die seit März 2016 geltende Aussetzung des Familiennachzugs sei "mit dem Menschenrecht auf Familienleben und den Kinderrechten nicht vereinbar". Kritisch bewertet Rudolf auch die Diskussion über eine Obergrenze für asyl- oder schutzsuchende Ausländer. Die Debatte über eine Aufhebung des Abschiebestopps nach Syrien bezeichnete sie als nicht nachvollziehbar und irritierend.

Lukas Philippi


Bundesregierung

Im November kamen 16.000 Flüchtlinge nach Deutschland



Die Zahl der in diesem Jahr nach Deutschland gekommenen Asylbewerber lag bis Ende November noch unter der politisch umstrittenen "Obergrenze". Wie aus der am 7. Dezember vom Bundesinnenministerium in Berlin veröffentlichten November-Statistik hervorgeht, wurden bis Ende vergangenen Monats knapp 173.000 Asylsuchende registriert. Die von der Union angestrebte Begrenzung liegt bei 200.000 Flüchtlingen pro Jahr.

Im November kamen den Angaben zufolge 16.135 Flüchtlinge neu nach Deutschland, im Oktober waren es 15.200, im September 14.700. Die drei Hauptherkunftsländer waren im November Syrien, Irak und Afghanistan. Im Oktober und September hatten jeweils mehr Menschen aus der Türkei Asyl in Deutschland beantragt als aus Afghanistan.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entschied im November über knapp 33.800 Asylanträge. Entscheidungen über weitere, rund 75.700 Anträge stehen noch aus. Im November vorigen Jahres lagen noch 491.000 unbearbeitete Anträge im Bundesamt, eine Folge des Flüchtlingsandrangs von 2015 und 2016.

Die Entscheidungen entsprechen in etwa denen in den Vormonaten. 19 Prozent der Antragsteller erhielten den Flüchtlingsschutz, 13 Prozent den niedrigeren subsidiären Schutz, der zunächst noch bis März 2018 das Nachholen von enger Familienangehöriger ausschließt.

In knapp sieben Prozent der Fälle wurden die Flüchtlinge zwar nicht anerkannt, dürfen aber auch nicht abgeschoben werden. 36 Prozent der Anträge wurden abgelehnt, der Rest anderweitig erledigt, etwa durch Rücknahme des Asylantrags oder das sogenannte Dublin-Verfahren.



Verdienst

Mehr Menschen als bekannt arbeiteten unter Mindestlohn




Riesenplakat von ver.di vor der Erhöhung des Mindestlohns auf 8,50 Euro. (Archivbild)
epd-bild/Rolf Zöllner
Mehr Menschen als bislang bekannt haben einer Studie zufolge in den vergangenen Jahren unterhalb des Mindestlohns gearbeitet. Die gesetzliche Lohnuntergrenze wurde zum 1. Januar 2015 eingeführt.

Rund 1,8 Millionen Menschen haben einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge 2016 keinen Mindestlohn erhalten, obwohl sie einen Rechtsanspruch darauf hatten. Laut DIW-Studie, die am 6. Dezember in Berlin vorgestellt wurde, wurden 2015, also im Jahr der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns, 2,1 Millionen Beschäftigte unterhalb der gesetzlich festgelegten Lohnuntergrenze von 8,50 Euro pro Stunde bezahlt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Linkspartei forderten, die Unternehmen schärfer zu kontrollieren.

Die Zahlen des DIW liegen deutlich über den offiziellen Angaben der Mindestlohnkommission, die von der Bundesregierung eingesetzt wurde. Diese hatte in ihrem bislang einzigen Bericht über die "Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns" angegeben, dass 2015 nur 1,4 Millionen Menschen unterhalb eines Stundenlohns von 8,50 Euro gearbeitet hätten.

Differenzen bei den erhobenen Daten

Das Forschungsinstitut erklärt diese Differenz mit der unterschiedlichen Erhebung der Zahlen. Während sich die Mindestlohnkommission auf Ergebnisse der sogenannten Verdienststruktur-Erhebung beruft, also auf die Angaben aus den Lohnbuchhaltungen der Betriebe, haben die DIW-Forscher die Beschäftigten selbst befragt. In ihrem sogenannten sozio-ökonomischen Panel berichten Arbeitnehmer aus 11.000 Haushalten jedes Jahr, wie viel sie arbeiten und was sie verdienen.

Aus Angaben zu ihren tatsächlichen Arbeitszeiten, die nicht vertraglich festgehalten sind, ergebe sich eine noch höhere Zahl von Menschen, die unterhalb des Mindestlohns arbeiten, heißt es in dem Bericht. Im Jahr 2016 hätten 2,6 Millionen Erwerbstätige weniger als den gesetzlichen Mindestlohn erhalten. Schließt man die Beschäftigten ein, für die branchenspezifische Mindestlöhne gelten, waren es laut DIW im vergangenen Jahr sogar 3,3 Millionen Menschen und damit zehn Prozent aller Beschäftigten.

Viele Beschäftigte fallen nicht unter den Mindestlohn

Viele Erwerbstätige fallen nicht unter die gesetzlichen Mindestlohnregeln, insbesondere Selbstständige und Auszubildende wie auch Beschäftigte in den Branchen, in denen längere Übergangsfristen verabredet wurden. Rechnet man diese dazu, so verdienten im Jahr 2016 auf Basis ihrer vertraglichen Arbeitszeit insgesamt 4,4 Millionen, auf Basis ihre tatsächlichen Arbeitszeit sogar 6,7 Millionen Erwerbstätige unter 8,50 Euro pro Stunde, heißt es in der Studie. "Sie belegen die Existenz eines großen Niedrigeinkommensbereichs in Deutschland", schreiben die Autoren.

Die Wissenschaftler sehen politischen Handlungsbedarf und fordern, von den Arbeitgebern eine strengere Dokumentation zu verlangen sowie die Kontroll- und Sanktionsmechanismen zu verschärfen. "Eine striktere Aufzeichnungspflicht der Arbeitszeiten würde womöglich auch für die Effizienz der Kontrollen erhöhen", heißt es in der Studie.

Der DGB forderte ebenfalls, die Rahmenbedingungen für Kontrollen zu verbessern. "Dazu zählt deutlich mehr Personal bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit", erklärte DGB-Vorstand Stefan Körzell. Ferner beklagte er, dass die Dokumentationspflichten der Unternehmen zu viel Spielraum für Manipulation ließen.

VdK: Schlupflöcher schnell schließen

Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, forderte, der Mindestlohn "muss ohne Ausnahmen für alle gelten". Das heiße, dass Schlupflöcher zur Umgehung des Mindestlohns geschlossen und verstärkt Kontrollen stattfinden müssten. "Der augenblicklich gesetzlich vorgeschriebene Stundenlohn von 8,84 Euro ist nicht existenzsichernd", beklagte Mascher. Er müsse auf mindestens zwölf Euro erhöht werden, "auch damit eine Rente über dem Grundsicherungsniveau erwirtschaftet werden kann".

"Ohne effektive Kontrollen lässt sich eine flächendeckende Einhaltung des Mindestlohns nicht durchsetzen", sagte der Linken-Parteichef Bernd Riexinger. Doch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls, die den Mindestlohn kontrollieren soll, sei aufgrund von Personalmangel dazu nicht in der Lage: "Die Bundesregierung muss 5.000 neue Mindestlohnkontrolleure einstellen, sonst wird sich nichts ändern."

Trotz der genannten Defizite kommen die Forscher insgesamt zu dem Ergebnis, dass die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns "den niedrigen Löhnen einen starken Schub gegeben hat". So seien bei den zehn Prozent der Beschäftigten, die am wenigsten verdienen, die Löhne zwischen 2014 und 2016 um 15 Prozent gestiegen. In den Jahren vor 2014 hätten die zweijährigen Lohnwachstumsraten für diese Beschäftigten bei rund zwei Prozent gelegen.

Markus Jantzer


Krankenkassen

Reform bringt 250.000 Pflegebedürftigen zusätzlich Unterstützung



In Deutschland beziehen mehr Menschen erstmals Pflegeleistungen als die Bundesregierung beim Inkrafttreten der Pflegereform zu Beginn dieses Jahres erwartet hatte. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum wurden von Januar bis Ende Oktober rund 250.000 zusätzliche Leistungsempfänger anerkannt, teilte der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes der Krankenkassen (MDS) am 6. Dezember in Essen mit. Die Medizinischen Dienste der Kranken- und Pflegekassen sind zuständig für die Begutachtung und Einstufung der Pflegebedürftigen, die einen Antrag auf Leistungen aus der Pflegeversicherung stellen.

Das Bundesgesundheitsministerium war von zunächst 200.000 Menschen ausgegangen, die als Folge der Reform erstmals Pflegeleistungen erhalten würden. Mit der Pflegereform war zum 1. Januar 2017 ein neues Begutachtungssystem mit fünf Pflegegraden anstelle der bis dahin geltenden drei Pflegestufen eingeführt worden. Vor allem demenzkranke Menschen haben seitdem deutlich bessere Aussichten auf Pflegesachleistungen oder Pflegegeld.

Höhere Pflegegrade und bessere Leistungen

"Durch die neue Pflegebegutachtung werden zudem höhere Pflegegrade und bessere Leistungen erreicht", sagte MDS-Geschäftsführer Peter Pick dem RedaktionsNetzwerk Deutschland, das zuerst über die Zahlen berichtet hatte. Es würden nicht nur mehr Menschen als pflegebedürftig anerkannt, sondern viele erhielten auch bessere Leistungen.

Von Januar bis Ende Oktober sind dem MDS zufolge mehr als 1,27 Millionen Versicherte nach dem neuen Verfahren begutachtet worden. Bei knapp 1,1 Millionen wurde einer der fünf neuen Pflegegrade empfohlen. Die Ablehnungsquote lag damit bei rund 13 Prozent.

Bei den bewilligten Anträgen wurde in 284.646 Fällen (43,1 Prozent) der neue Pflegegrad 2 empfohlen, bei 196.514 Versicherten (29,8 Prozent) Pflegegrad 1. Schwerst und schwer pflegebedürftig sind rund acht Prozent der Menschen, die Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten. Jeder Fünfte wurde in den Pflegegrad 3 eingestuft (124.431 Fälle).

268.000 Menschen, die noch nach dem alten Verfahren begutachtet worden waren, wurden dem MDS zufolge automatisch in die neuen Pflegegrade übergeleitet.



Bundesregierung

Ministerin Barley würdigt Engagement für Vielfalt und Demokratie



Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD) hat das gesellschaftliche Engagement der Bürger gewürdigt. Dieses sei eine wichtige Säule der Demokratie, sagte Barley am 5. Dezember in Berlin. "Darum verdient Engagement nachhaltige Strukturen, eine gesicherte Finanzierung und große Anerkennung", sagte die geschäftsführende Ministerin anlässlich des Deutschen Engagementtages.

Gemeinsam mit dem Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) richtete das Familienministerium die Fachtagung aus. In diesem Jahr stand sie unter dem Motto "Engagement. Vielfalt. Demokratie". Schwerpunkte waren unter anderem die Förderung bürgerschaftlichen Engagements, Demokratieförderung und Extremismusprävention.

Viele Preise verliehen

Bei der Veranstaltung wurden zudem die Gewinner des Deutschen Engagementpreises ausgezeichnet. In der Kategorie "Demokratie stärken" gewann die Allianz gegen Rechtsextremismus in Nürnberg. Für ihre Initiative zum Bürgerstrom aus Solar-, Wind- und Wasserkraft wurden die Mitglieder der Bürgerwerke eG aus Baden-Württemberg in der Kategorie "Leben bewahren" prämiert. In der Sparte "Generationen verbinden" erhielt die niedersächsische Jugendhilfe Göttingen e. V. mit ihrem Projekt "Leinefischer im Netz" den Preis.

Weitere Preisträger sind die "Datteltäter" aus Berlin, die mit ihrem Satirekanal auf YouTube Rassismus, Sexismus, Radikalisierung oder Stereotype in der Gesellschaft thematisieren. Auch ein Projekt des Friedenskreises Halle wurde ausgezeichnet. Die Initiative bildet Dolmetscher für Kitas aus, die zwischen nichtdeutschsprachigen Eltern und den Erziehern vermitteln. Laut einer Mitteilung des Friedenskreises ist die Fortsetzung des Projekts allerdings gefährdet, da Förderzusagen fehlen.

Der Publikumspreis ging an die Initiative "Dein Sternenkind". Rund 600 Fotografen haben sich darin zusammengeschlossen, um ehrenamtlich Fotos von Neugeborenen zu machen, die sterben werden oder tot geboren wurden. Der Publikumspreis ist mit 10.000 Euro dotiert, die anderen Preise mit 5.000 Euro.

Die Auszeichnung geht auf das Bündnis für Gemeinnützigkeit zurück und wird vom Familienministerium, von der Generali Deutschland AG und der Deutschen Fernsehlotterie gefördert. Die Auswahl trifft eine Fachjury.



Niedersachsen

Krebsregister soll Versorgung von Krebskranken verbessern



Niedersachsen will die Versorgung an Krebs erkrankter Menschen verbessern. Dazu ist am 1. Dezember ein landesweites Klinisches Krebsregister an den Start gegangen. Die fachlich unabhängige Einrichtung soll alle wichtigen Daten, die im Verlauf einer Krebsbehandlung anfallen, erfassen und auswerten, wie das Gesundheitsministerium in Hannover mitteilte. Ziel sei es, die Behandlungsqualität und die Diagnostik zu sichern und weiterzuentwickeln.

Das Klinische Krebsregister solle von der zweiten Hälfte des kommenden Jahres an die Meldungen der mehr als 5.000 onkologisch tätigen Ärzte Kliniken und Tumorzentren erfassen. Dazu gehörten auch alle Angaben zur Diagnose, Therapie und Nachsorge. Zuvor starte eine Testphase. Das Land setze damit das Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz um, das die Länder verpflichte, spätestens 2018 die klinischen Register in Betrieb zu nehmen. Finanziert werde die Einrichtung hauptsächlich von den Krankenkassen sowie aus Landesmitteln.

Das klinische Register ergänze dann das bereits bestehende epidemiologische Krebsregister, hieß es. Dieses Register erfasst bereits seit 2003 flächendeckend die Krebserkrankungen in Niedersachsen. Es trifft unter anderem Aussagen zu zeitlichen und regionalen Häufungen.



EU

Europarat: Gesundheitssysteme diskriminieren Frauen



Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muiznieks, sieht das Recht der Frauen auf sexuelle Gesundheit und den Zugang zur Reproduktionsmedizin in mehreren europäischen Ländern verletzt oder zumindest eingeschränkt. Er forderte am 5. Dezember in Straßburg die Staaten auf, dagegen vorzugehen, wenn Grundrechte von Frauen verletzt werden. Beispielsweise erschwerten besonders repressive Gesetze in Armenien, Mazedonien, Georgien, Russland und der Slowakei einen legalen Schwangerschaftsabbruch.

In einem aktuellen Bericht beklagte der Kommissar auch Hindernisse beim Zugang zu modernen Verhütungsmethoden. So trügen die gesetzlichen Versicherungen etwa in Österreich, Tschechien, Dänemark, Litauen, Lettland und Slowakei nicht die Kosten für Verhütungsmittel. In Deutschland bezahlten die Krankenkassen die Mittel nur für Jugendliche, aber nicht für erwachsene Frauen.

Muiznieks appellierte an die Länder, Frauen moderne Methoden der Empfängnisverhütung zu bezahlbaren Preisen zugänglich zu machen. Der EU-Kommissar beklagte auch das Fehlen ausreichender Qualitätsstandards in der medizinischen Versorgung von Müttern nach der Geburt. Er forderte darüber hinaus die Möglichkeit, dass Frauen sich erfolgreich gegen Verletzungen ihrer Grundrechte auf dem Gebiet der sexuellen Gesundheit wehren können.



Verbände

LWV-Haushalt durchbricht Zwei-Milliarden-Marke



Die Ausgaben des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen (LWV) werden 2018 erstmals die Zwei-Milliarden-Euro-Marke überschreiten. Um die Aufgaben zu finanzieren, müssten im kommenden Jahr 2,05 Milliarden Euro aufgebracht werden, teilte der LWV am 6. Dezember in Kassel mit. Für das laufende Jahr war der LWV mit 1,97 Milliarden Euro noch knapp unter dieser Marke geblieben.

Rund 1,395 Milliarden Euro werden nach Angaben des LWV von den hessischen Landkreisen und kreisfreien Städte über die Verbandsumlage getragen. Ein neuer Höchstwert wird laut Direktor Uwe Brückmann, der den Haushalt am Mittwoch vor der Verbandsversammlung einbrachte, auch bei der sogenannten Ambulantisierungsquote erreicht. 54,9 Prozent der leistungsberechtigten Menschen werden demnach ambulant in der eigenen Wohnung unterstützt.

Größter Haushaltsposten im Entwurf für 2018 ist die überörtliche Sozialhilfe, die mit 1,72 Milliarden Euro zu Buche schlägt. Damit ist sie um rund 69 Millionen Euro höher als in diesem Jahr. Die Steigerung beruht unter anderem auf der steigenden Zahl leistungsberechtigter Menschen und auf einer finanziellen Neuregelung beim Betreuten Wohnen für alleinstehende Wohnungslose. 2018 werden rund 58.500 behinderte, kranke und sozial benachteiligte Menschen in ihrem Alltag unterstützt. Das sind rund 700 Männer und Frauen mehr als zuvor.




sozial-Branche

Sozial

Diakonische Träger aus Berlin fusionieren




Vielfalt im Großen: Die Einrichtungen des Evangelischen Johannesstifts fusionieren mit der Paul Gerhardt Diakonie.
epd-bild/Jürgen Blume
Zum ersten Januar entsteht in der Bundeshauptstadt ein neues Gesundheits- und Sozialunternehmen, das 8.600 Mitarbeiter beschäftigt. Der Name: Paul Gerhardt Diakonie gAG.

Zwei große diakonische Träger aus Berlin schließen sich zusammen: Der Berliner Krankenhausträger Paul Gerhardt Diakonie fusioniert zum 1. Januar 2018 mit dem Evangelischen Johannesstift, wie der Sprecher des Vorstandes, Martin von Essen, am 5. Dezember in Berlin erläuterte.

Das neue diakonische Gesundheits- und Sozialunternehmen mit dem Namen Paul Gerhardt Diakonie gAG mit rund 8.600 Mitarbeitern wird neben dem Schwerpunkt in der Region Berlin-Brandenburg auch in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Niedersachsen tätig sein.

Reaktion auf steigenden Kostendruck

Der künftige Träger verfügt über zehn Krankenhäuser, rund 30 Einrichtungen zur Betreuung älterer Menschen und mehr als 40 in der Jugendarbeit. Hinzu kommen den Angaben zufolge zahlreiche Angebote für Menschen mit Behinderung, Inklusionsbetriebe, Hospizarbeit, zwei Akademien zur Ausbildung sowie Angebote zur Personalentwicklung und -vermittlung. Als die drei tragenden Säulen des Sozialunternehmens benannte von Essen fachliche Professionalität, eine gute Ökonomie und im geistlichen Bereich Spiritualität und Ethik.

Von Essen betonte, Ziel der Partner sei es, vor dem Hintergrund eines wachsenden Kostendruckes die Herausforderungen in der Gesundheits- und Sozialbranche besser zu meistern: "Wir können das zusammen besser, als wenn es jeder einzeln macht." Der Verbund sei in diesem Bereich der größte Träger in Ostdeutschland und in der Zukunft auch für weitere Partner offen, sagte der Sprecher des Vorstandes.

Kooperation bereits seit dem Jahr 2015

Die beiden jeweils in Berlin-Spandau beheimateten Träger hatten schon in der Vergangenheit eng zusammengearbeitet. Die Fusion war bereits 2015 von den Aufsichtsgremien beschlossen worden. Durch die Fusion zu einer gemeinnützigen Aktiengesellschaft ergänzten sich die Angebote ideal, sagte von Essen. Angestrebt werde, die diakonisch-soziale Angebotsstruktur im Nordosten Deutschlands zu stärken und zu erweitern. Für die Mitarbeiter bedeute die Fusion eine größere Stabilität und Sicherheit. Kündigungen seien ausgeschlossen.

Von den derzeit rund 8.600 Mitarbeitern arbeiten knapp 5.000 in Krankenhäusern, erläuterten Finanzvorstand Andreas Mörsberger und Personalvorstand Andreas Arentzen. Der Umsatz des künftigen Unternehmens liege bei 580 Millionen Euro im Jahr, im Krankenhausbereich allein sind es rund 400 Millionen Euro.

Stiftung ist alleinige Aktionärin

Der Verein Paul Gerhardt Diakonie e.V. war zuvor im Rahmen eines Rechtsformwechsels in eine gemeinnützige Aktiengesellschaft umgewandelt worden. Alleinige Aktionärin ist die Stiftung Evangelisches Johannesstift SbR. Die Tochtergesellschaften des Evangelischen Johannesstifts werden zum 1. Januar 2018 Teil der gemeinnützigen Aktiengesellschaft und arbeiten ab dann unter dem gleichen Dach wie die Tochtergesellschaften der Paul Gerhardt Diakonie.

Das neue Unternehmen wird von einem vierköpfigen Vorstand geführt: Pfarrer Martin von Essen (Sprecher des Vorstandes), Andreas Mörsberger (Vorstand Finanzen), Andreas Arentzen (Vorstand Personal), Professor Lutz Fritsche MBA (Vorstand Medizin).

Der Aufsichtsrat setzt sich den Angaben nach aus acht Personen zusammen, die bisher jeweils zur Hälfte in den Aufsichtsgremien beider Unternehmen tätig waren. Aufsichtsratsvorsitzender ist der frühere Konsistorialpräsident der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und heutige Juristische Direktor der Evangelischen Wittenbergstiftung, Ulrich Seelemann. Die Stiftung Evangelisches Johannesstift wird ebenfalls von vier Personen geleitet. Der Stiftungsrat, bestehend aus 20 Personen, ist das Aufsichtsgremium der Stiftung und nimmt für die Stiftung die Rechte als Aktionärin wahr.

Jens Büttner


Digitalisierung

Gastbeitrag

"Die Sozialwirtschaft braucht eine partzipative Innovationskultur"




Jürgen Born
epd-bild/privat
Der digitale Wandel verlangt in den konfessionellen Unternehmen der Sozialwirtschaft eine Bereitschaft zu Innovationen auf vielen Ebenen. Dabei ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführung und Mitarbeitervertretung nach Ansicht von Jürgen Born von existenzieller Bedeutung. Der promovierte Volkswirt am Institut für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen skizziert in seinem Gastbeitrag für epd sozial Voraussetzungen für eine gelingende Digitalisierung in Sozialbetrieben.

Wie eine Flutwelle scheint die Digitalisierung auf uns zuzurollen. Zusammen mit den Megatrends Globalisierung und demografischer Wandel baut sie eine Veränderungsdynamik auf, die jegliches Beharrungsvermögen zu pulverisieren droht. Noch kann niemand das Ausmaß genau vorhersagen. Aber dass unserer Art zu leben und zu arbeiten ein umfassender Wandel bevorsteht, lässt sich in immer mehr Lebensbereichen immer schneller spüren. Auch auf allen politischen Ebenen steht das Thema ganz oben auf der Agenda. Ob Land, Bund oder EU – Weißbücher, Aktionspläne und Förderprogramme etwa für Forschung, Breitband und kleine und mittlere Unternehmen schießen wie Pilze aus dem Boden.

Ruf nach neuen Geschäftsmodellen

Inzwischen erreicht die Digitalisierung auch einen Sektor, der aufgrund seiner besonderen Prägung zunächst verschont zu bleiben schien – die Sozialwirtschaft. Im Sog der Gesundheitswirtschaft, und hier insbesondere des Krankenhausbereichs, werden die sozialen Dienste am Menschen zunehmend vom Ruf nach neuen, digitalen Geschäftsmodellen erfasst. Traditionelle, diakonische Einrichtungen setzen plötzlich enorme Fantasien und Ressourcen zur Schaffung einer betrieblichen Innovationskultur frei.

Allerdings zeigen sich schnell die Grenzen einer umfassenden Digitalisierung. Zunächst kommen die notwendigen Investitionen in der chronisch unterfinanzierten Sozialwirtschaft meist nur schleppend voran. Außerdem stößt die Akzeptanz digitaler Geschäftsmodelle immer dann auf Widerstand in Gesellschaft und Einrichtung, wenn sie im Vorfeld nicht umfassend und wertschätzend kommuniziert werden. Dabei sind klare Abstufungen zu erkennen.

Die Ausweitung mobiler Datenerfassung zur effektiveren Dokumentation und Steuerung der angebotenen Dienste lässt sich aufgrund vielfältiger Erfahrungen im privaten Bereich oft noch hinreichend vermitteln, selbst in Zeiten steigender Sensibilität für Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung. Auf große Vorbehalte stößt hingegen der Einsatz von Therapie- und Servicerobotik in der Pflege, nicht zuletzt aus ethischen Gründen. Und neue Konzepte wie kollaborative Netzwerke oder die systematische Einbindung von Kunden und externen Stakeholdern zur Produktentwicklung und Qualitätskontrolle erfordern einen kulturellen Wandel, der in der Sozialwirtschaft sicher nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen ist.

Die Rolle der Mitarbeitervertretungen

Sowohl eine schleichende Digitalisierung als auch der abrupte Wechsel zu neuen digitalen Geschäftsmodellen können in der Belegschaft heftige Reaktionen hervorrufen, von Begeisterung über kritische Reserviertheit bis hin zur Verweigerung. Welche Rolle spielen nun die Mitarbeitervertretungen in Kirche und Diakonie (MAV) in diesem zunehmend existenziellen Wandlungsprozess? Sie stehen zunächst vor einem Dilemma.

Bei vielen Einzelmaßnahmen in Richtung Digitalisierung ist kaum abzusehen, ob sie sich zum Nutzen oder zum Schaden der Mitarbeitenden auswirken werden. Wenn etwa die Dokumentation der eigenen Arbeit zunehmend automatisiert erfolgt, bleibt zunächst offen, ob der gewonnene Freiraum zu mehr Zeit für die betreuten Kunden oder zu mehr betreuten Kunden, also einer Leistungsverdichtung, führt. Gerade hier liegt die besondere Herausforderung für die MAV. Sie muss sowohl die Auswirkungen jeder einzelnen Maßnahme als auch die Digitalisierungsstrategie der Geschäftsleitung insgesamt abschätzen können, um im Interesse der Mitarbeitenden handlungsfähig zu sein.

Auf diese Aufgabe sind die meisten MAVen bisher kaum vorbereitet. Um sie erfüllen zu können, müssten sie rasch digitale Kompetenzen aufbauen und diese verstärkt mit Kenntnissen der jeweils betroffenen Rechtsgebiete wie Arbeits- und Datenschutz verbinden. Außerdem müssten die MAVen im permanenten Austausch mit der Geschäftsleitung und den zuständigen Fachabteilungen die betriebswirtschaftlichen Treiber der Entwicklung richtig einschätzen lernen, um vorausschauend reagieren zu können.

Die Karten werden neu gemischt

Dafür aber brauchen die MAVen finanzielle und zeitliche Ressourcen, die sie derzeit nicht haben. Darüber hinaus dürften die oftmals zermürbenden Auseinandersetzungen der letzten Jahre und Jahrzehnte dem erforderlichen, kooperativen Miteinander zwischen Leitung und MAV nicht immer förderlich gewesen sein. Allerdings wird die Digitalisierung beide Seiten, MAV und Geschäftsleitung, künftig enger als bisher aneinanderschweißen.

Nur eine konsistente Digitalisierungsstrategie wird auf Dauer das Überleben von Einrichtungen in der Sozialwirtschaft sichern – sie ist somit im Interesse aller Beteiligten. Umgesetzt werden aber kann eine solche Strategie nur in einem partizipativen Prozess, der die Mitarbeitenden auf Augenhöhe bringt, sie einbindet und mitnimmt. Der MAV kommt hierbei als Schnittstelle eine herausragende Rolle zu. Dementsprechend muss sie sich ihrer Verantwortung stellen, dementsprechend muss sie aber auch ausgestattet werden.

Spätestens wenn die Entwicklung so weit fortgeschritten ist, dass die Gewinnung neuer Mitarbeitenden und Kunden überwiegend vom Standing der jeweiligen Einrichtung in den sozialen Netzwerken abhängt, werden die Karten neu gemischt. Die Verantwortlichkeiten von Leitung, MAV, Mitarbeitenden, Kunden und externen Stakeholdern dürften sich dann zusehends so vermischen, dass bisherige Formen der Arbeitsteilung an Trennschärfe verlieren. Die Kontrolle über das eigene (digitale) Geschäftsmodell wird in diesem Prozess teilweise aus der Hand gegeben. Eine eingespielte und auf Vertrauen basierende Zusammenarbeit von Geschäftsleitung und MAV dürfte dann zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden, gerade auch in der Sozialwirtschaft.

Dr. Jürgen Born ist Referent für Wirtschaftspolitik und Projektentwicklung am Institut für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen.


Strafvollzug

Deutscher Verein: Gefangene in Rentenkasse einbeziehen



Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge hat Bund und Länder aufgerufen, Gefangene in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen. Die meisten Gefangenen arbeiteten während der Haft. Sie erwerben dafür aber keine Rentenansprüche, heißt es in einer am 6. Dezember in Berlin verbreiteten Mitteilung. Damit sei Altersarmut insbesondere bei langen Haftstrafen vorprogrammiert, beklagte der Verein.

Das Thema sei lange vernachlässigt worden. Der Verein forderte eine Rentenreform, die den Zugang der Gefangenen zum Ziel hat. Das Problem: Die Arbeitsentgelte in Haft sind gering. Sie liegen weit unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns. "Bund und Länder müssen deshalb zu tragfähigen Lösungen gelangen, damit Gefangene, die in Haft arbeiten oder eine Ausbildung machen, eine angemessene rentenrechtliche Absicherung erwerben können", hieß es.

"Der Strafvollzug wird vom Gedanken der Resozialisierung geleitet", betonte Michael Löher, Vorstand des Vereins. "Wer seine Haftzeit verbüßt hat, soll sich möglichst schnell wieder in die Gesellschaft eingliedern können. Dazu gehört auch, dass Gefangene bereits in ihrer Haftzeit arbeiten und sich Ansprüche auf eine soziale Absicherung erarbeiten können", betonte Löher.

Arbeit wird in der Haft zugewiesen und nicht durch einen Arbeitsvertrag eingegangen. Deshalb greift die gesetzliche Rentenversicherung erst, wenn die Abgeordneten des Bundestages eine gesetzliche Regelung hierzu verabschiedet haben. Die Länder müssen zustimmen, weil sie für den Strafvollzug zuständig sind. Eine solche Regelung kam bislang aufgrund einer mangelnden Einigung zwischen Bund und Ländern nicht zustande.



Flüchtlingsprojekt

Experte: "Migranten können Flüchtlingen Mut machen"



Menschen mit Migrationshintergrund können in der Flüchtlingsarbeit nach Ansicht des Experten Ismail Köylüoglu einen wichtigen Beitrag leisten. "Sie haben ein gebündeltes Wissen über die Probleme des Ankommens in einer fremden Kultur", sagte der Leiter des Projekts "Stärkung der Aktiven aus Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit" (samo.fa) dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Dortmund. Ehrenamtliche mit Zuwanderungsgeschichte brächten die notwendige Empathie und eine wertvolle Emotionalität mit, um Flüchtlinge bei der Integration zu unterstützen.

Das Modellprojekt "samo.fa" läuft seit gut eineinhalb Jahren unter dem Dach des in Dortmund ansässigen Bundesverbandes Netzwerke von Migrantenorganisationen. Gefördert wird es von der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD). Ziel ist unter anderem, Migrantenorganisationen zu vernetzen und Menschen mit Migrationshintergrund für die ehrenamtliche Arbeit mit Flüchtlingen zu gewinnen und sie dabei zu unterstützen.

In 30 deutschen Städten gibt es "samo.fa"-Koordinierungsstellen, wie Projektleiter Köylüoglu sagte. Insgesamt habe man so mehr als 100.000 Menschen erreicht. Allein in Dortmund hat das Projekt nach seinen Worten 24 verschiedene Migrantenorganisationen vernetzt, es gibt etwa 80 ehrenamtliche Mitarbeiter.

Allerdings seien Migrantenorganisationen in der Gesellschaft nach wie vor nicht sichtbar genug, sagte Köylüoglu. "Es fehlen quasi die Lobbyisten, die ihre Tätigkeit nach außen stärken helfen." Auch mit den Kirchen gebe es bisher kaum Berührungspunkte, bedauerte Köylüoglu. Er will nach eigenen Worten Politik, Verwaltung und Wohlfahrtsverbände für die Chancen sensibilisieren, die Migranten als Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit bieten.

In der praktischen Arbeit konzentriert sich "samo.fa" nach Worten des Projektleiters vor allem auf die Bereiche Bildung, Arbeit, Gesundheit und Wohnung. Flüchtlinge bräuchten vor allem mehr Sprachkurse, geeigneten Wohnraum, mehr Behandlungsmöglichkeiten für psychische Erkrankungen und einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt, sagte Köylüoglu. Migrantenorganisationen könnten mit ihren Erfahrungen den Neuankommenden praktische Starthilfe geben und Flüchtlingen Mut machen.

Andreas Thiemann


Armut

Kieler Straßenmagazin kauft Haus für Obdachlose



Das Kieler Straßenmagazin "Hempels" hat ein Mehrfamilienhaus gekauft, in dem obdach- und wohnungslose Menschen leben können. Es liegt am Rand des Stadtteils Gaarden am Ostufer der Kieler Förde und hat zwölf Wohnungen, wie "Hempels" am 30. November mitteilte. Das Mehrfamilienhaus wurde für 370.000 Euro von der Hempels-Stiftung erworben, die unter dem Dach der Diakonie Stiftung firmiert. Für Sanierung und Modernisierung müssen weitere 150.000 Euro aufgebracht werden.

Möglich wurde der Hauskauf durch Spenden und Zustiftungen zahlreicher "Hempels"-Leser, hieß es. Neben kleineren Beträgen hätten zwei Spender 200.000 Euro und 50.000 Euro gegeben. Das Kieler Haus soll noch erweitert werden, so dass zwölf weitere Obdach- und Wohnungslose dort leben können. Anfang nächsten Jahres wird es ausgebaut. Später soll ein Neubau auf dem angrenzenden Grundstück entstehen. Weitere Wohnprojekte in anderen schleswig-holsteinischen Städten könnten folgen.

Mit dem Hauskauf will "Hempels" ein Signal gegen die Wohnungsnot in Kiel setzen. Insbesondere arme Bevölkerungsgruppen würden keine bezahlbare Unterkunft mehr finden, hieß es. Mehr als 550 alleinstehende Frauen und Männer seien wohnungslos.



Ehrenamt

Württembergische Diakonie hat 50.000 Freiwillige



Mehr als 50.000 Ehrenamtliche engagieren sich für die Diakonie in Württemberg. Das geht aus einer Erhebung unter 451 der 1.200 diakonischen Einrichtungen hervor, über die das Diakonische Werk Württemberg zum Tag des Ehrenamts am 5. Dezember in Stuttgart informierte. Rund 15.000 setzen sich für Flüchtlinge ein, 35.000 in anderen sozialen Bereichen der Kirche.

Der Frauenanteil unter den Ehrenamtlichen liegt der Umfrage der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg zufolge bei 71 Prozent. Insgesamt ist die Altersgruppe von 55 bis 75 Jahren mit 55 Prozent am stärksten vertreten. Die meisten Helfer sind in der ambulanten und stationären Altenhilfe tätig, gefolgt von der Behindertenhilfe. Die Ehrenamtlichen übernehmen unter anderem Freizeitgestaltung, Organisation von Ausflügen, Besuchsdienste, Einkäufe und Besorgungen.



Weiterbildung

Bildungsrat für Pflegeberufe beklagt fehlende Ordnung



Eine Fülle unterschiedlichster rechtlicher Regelungen erschweren es laut einer neuen Studie, einen Überblick über bestehende Fort- und Weiterbildungsangebote in der Pflege zu bekommen. Der Deutsche Bildungsrat für Pflegeberufe (DBR) dringt hier auf mehr Transparenz. "Eine professionelle Pflegepraxis in zunehmend komplexeren Pflegesituationen und Settings erfordert ein transparentes und anschlussfähiges Fort- und Weiterbildungssystem, das vergleichbaren und verbindlichen Standards folgt", sagte DBR-Vorsitzende Gertrud Stöcker am 4. Dezember in Berlin.

Die vom DBR initiierte Vorstudie analysierte pflegerische Fort- und Weiterbildungen. Ziel sei "konzeptionelle Grundlagen für eine Systematisierung, Standardisierung und Weiterentwicklung der Angebote zu schaffen", hieß es. Dies sei auch mit Blick auf die für 2020 geplante Reform der Pflegeausbildung notwendig. Die bestehenden Weiterbildungen sind auf den Prüfstand zu stellen", sagte Stöcker.

Der Bildungsrat tritt nach eigenen Angaben dafür ein, Überblick und Ordnung in den Angeboten pflegerischen Fort- und Weiterbildungen herzustellen, Orientierung zu erleichtern, Vereinheitlichung zu fördern und Qualitätsstandards sicherzustellen



Pflege

Internet-Hilfe für Angehörige von Demenzkranken



Ein Nürnberger Modellprojekt will pflegende Angehörige von Demenz-Erkrankten mit einer Onlineberatung unterstützen. Sie erhalten per Internet innerhalb von 24 Stunden einen Rat. Man wolle pflegende Partner oder Kinder entlasten, sagte der Initiator, der Sozialwissenschaftler von der Technischen Hochschule (TH) Nürnberg, Richard Reindl, am 5. Dezember.

Über ein Onlineportal (https://fuer-pflegende-angehoerige.de) sollen Angehörige in Bayern früher als durch eine Beratung vor Ort erreicht werden. Reindl hofft, dass sich online auch Angehörige Hilfe holen, die nicht in eine Beratungsstelle gehen.

Die Onlineberatungs-Plattform wurde entwickelt vom Institut für E-Beratung der TH. Sie wird für drei Jahre vom Freistaat Bayern mit insgesamt knapp 250.000 Euro gefördert. Ratsuchende können ihre Fragen und Sorgen schriftlich schildern und erhalten von einem der acht ehrenamtlichen Berater eine Antwort, erklärte Reindl.



Rheinland-Pfalz

Verbände gegen Pläne zur Neuordnung der Eingliederungshilfe



Die Liga der rheinland-pfälzischen Wohlfahrtsverbände lehnt die Pläne der Landesregierung zur Neuordnung der Eingliederungshilfe für Behinderte weiterhin ab. Landesweit einheitliche Lebensbedingungen werde es am ehesten geben, wenn das Land die Zuständigkeit für behinderte Menschen übernehme, sagte der Liga-Vorsitzende und Caritas-Direktor des Bistums Mainz, Hans-Jürgen Eberhardt, am 5. Dezember nach einem Treffen der Liga-Spitze mit der rheinland-pfälzischen Landesregierung: "Dafür setzen wir uns auch weiter ein."

Nach dem Willen des Landes sollen ab 2020 in Rheinland-Pfalz die Kommunen für die Belange minderjähriger Menschen mit Behinderung zuständig sein und das Land die Trägerschaft für die Eingliederungshilfe erwachsener Personen übernehmen. Neben der Liga hatten sich unter anderem auch Selbsthilfeorganisationen und der rheinland-pfälzische Landesteilhabebeirat für eine alleinige Trägerschaft des Landes ausgesprochen.




sozial-Recht

Bundessozialgericht

"Intensiv-Wohngemeinschaften" müssen kein Pflegeheim sein




Eine "Intensiv-WG" muss nach einem Urteil des Bundessozialgerichtes nicht der Heimaufsicht unterliegen.
epd-bild/Thomas Lohnes
Eine Wohngemeinschaft aus Intensivpatienten muss noch keine der Heimaufsicht unterliegende Pflegeeinrichtung sein. Das Bundessozialgericht billigte jetzt eine entsprechende Wohnform in Rheinland-Pfalz.

Bietet ein ambulanter Pflegedienst zusammen mit einem Schwesterunternehmen für schwerst pflegebedürftige Personen Wohnen und Pflege aus einer Hand an, kann das nach Landesrecht zulässig sein, urteilte am 30. November das Bundessozialgericht (BSG). Eine zulassungspflichtige stationäre Pflegeeinrichtung müsse damit nicht vorliegen, betonten die Kasseler Richter, die damit im Grundsatz grünes Licht für entsprechende Wohnformen in Rheinland-Pfalz gaben.

Geklagt hatte die Tochter und gleichzeitig Betreuerin ihres mittlerweile verstorbenen Vaters. Der Mann befand sich nach einem akuten Hinterwandinfarkt mit nachfolgendem Hirnschaden im Wachkoma. Vom September 2012 bis zu seinem Tod im Oktober 2012 wurde der Mann rund um die Uhr im Rahmen der häuslichen Krankenpflege gepflegt.

Pflege in einem Apartementzimmer

Hierfür hatte die Tochter ein Zimmer eines Apartements in einer 14 Kilometer entfernt gelegenen Seniorenresidenz angemietet. Das andere Zimmer war von einem weiteren Intensiv-Patienten belegt. Die Pflege übernahm die ISA Ambulant GmbH in Koblenz. Die Vermieterin war ein Schwesterunternehmen des ambulanten Pflegedienstes. Mit dem Modell Pflege und Wohnen aus einer Hand "wird die Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefördert", wirbt der Pflegedienst auf seiner Homepage.

Die bis zum Tod des Vaters angefallenen Kosten für die häusliche Krankenpflege in Höhe von 20.910 Euro wollte sich die Tochter von der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland erstatten lassen.

Nach den seit 1. April 2007 geltenden gesetzlichen Bestimmungen haben Versicherte Anspruch auf häusliche Krankenpflege unter anderem "in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort". Häusliche Krankenpflege sollte so auch in betreuten Wohngruppen ermöglicht werden.

Kasse sah "verstecktes Pflegeheim"

Doch die Krankenkasse lehnte die Zahlung ab. Der verstorbene Versicherte habe nicht in einer "Wohngemeinschaft" gelebt und einen eigenen Haushalt gehabt. Bei dem hier praktizierten Modell "Wohnen und Pflege" aus einer Hand handele es sich vielmehr um einen "künstlichen Haushalt" und ein "verdecktes Pflegeheim" für Intensivpatienten, lautete die Begründung. Pflegeeinrichtungen seien aber zulassungspflichtig und unterstünden der Heimaufsicht. Das habe auch einen guten Grund. So müsse die Qualität der Pflege oder auch der erforderliche Brandschutz gewährleistet werden, hieß es.

Der Pflegedienst habe diese Vorgaben umgangen, offenbar auch, weil die von den Krankenkassen zu zahlende häusliche Krankenpflege besser vergütet wird als die von der Pflegeversicherung gedeckelte Pflege in einem stationären Pflegeheim. Laut AOK wurde der inzwischen verstorbene Versicherte letztlich nicht, wie vom Gesetz gefordert, "an einem geeigneten Ort" gepflegt.

Das BSG verwies den Fall an das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz zurück. Allerdings sei es durchaus möglich, dass die Krankenkassen die häusliche Krankenpflege bei einer Konstellation von "Wohnen und Pflege" aus einer Hand bezahlen müssen. Ob eine Wohnform als "geeigneter Ort" oder als "verdecktes Pflegeheim" anzusehen ist, hänge vom Heimrecht des jeweiligen Bundeslandes ab. Zumindest in Rheinland-Pfalz sei diese Wohnform nach den Feststellungen des LSG zulässig. Daran sei man gebunden, befand das BSG.

Kostenerstattung muss noch geprüft werden

Die Tochter sei als Betreuerin ihres Vaters zudem dessen Wunsch nachgekommen, "ihn gerade nicht in einem Pflegeheim unterzubringen. Das entsprach seinem - auch leistungsrechtlich grundsätzlich zu beachtenden - Selbstbestimmungsrecht", urteilten die Kasseler Richter.

Ob und inwieweit die Tochter einen Kostenerstattungsanspruch geltend machen kann, könne noch nicht entschieden werden. So müsse das LSG Mainz prüfen, ob die häusliche Krankenpflege des Wachkomapatienten überhaupt in der Wohnung zu leisten war und in einem "häuslichen Umfeld" erbracht wurde. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen habe hier Zweifel geäußert. Sei die Intensivpflege nicht möglich, liege auch kein "geeigneter Ort" vor. Außerdem müsse noch die Pflegeversicherung in dem Verfahren hinzugezogen und ihre Leistungspflicht geprüft werden.

Az.: B 3 KR 11/16 R

Frank Leth


Bundessozialgericht

Unverheiratete Stiefväter müssen Zuschlag zur Pflege zahlen



Ein unverheirateter Mann, der mit seiner Freundin und deren Kindern seit vielen Jahren in einem Haushalt zusammenlebt, gilt dennoch als kinderlos. Er muss damit den Beitragszuschlag zur Pflegeversicherung in Höhe von 0,25 Prozent zahlen, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) in einem am 6. Dezember bekanntgegebenen Urteil.

Geklagt hatte ein Mann aus dem Rhein-Pfalz-Kreis, der 15 Jahre lang mit seiner Lebensgefährtin und ihren zwei Kindern in einem Haushalt zusammenlebte. Das Paar war nicht verheiratet, dennoch sahen die Kinder den Mann als ihren Stiefvater an.

Seit 2005 müssen Kinderlose einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Prozent zur gesetzlichen Pflegeversicherung zahlen. Eltern, aber auch Adoptiv- und Stiefeltern müssen keinen Beitragszuschlag entrichten. Die IKK Pflegekasse und später die Techniker Krankenkasse verlangten jedoch von dem Kläger den Zuschlag. Er sei kein Stiefvater, da er nicht verheiratet sei.

Ohne Erfolg wies der Mann darauf hin, dass der Begriff "Stiefeltern" nicht definiert sei. Auch Nichtverheiratete könnten ein Stiefelternteil sein, wenn sie mit den Kindern des Partners in einem Haushalt zusammenleben und man füreinander einstehe. Es sei ungerecht, dass er einen Beitragszuschlag zahlen müsse, obwohl er sich um die Kinder kümmere.

Doch das BSG urteilte, dass der Gesetzgeber beim Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung einen weiten Gestaltungsspielraum hat. Es sei daher statthaft, nur verheirateten Stiefvätern den Zuschlag zur Pflegeversicherung zu erlassen.

Az.: B 12 P 1/16 R

Az.: B 12 P 2/16 R



Bundessozialgericht

Arbeitgeber müssen bei Minijobs in der Regel Sozialabgaben zahlen



Arbeitgeber müssen für geringfügig Beschäftigte auch dann Sozialbeiträge zahlen, wenn sie diese nur für Tätigkeiten auf Abruf einstellen. Wenn ein Beschäftigter immer wieder als Aushilfskraft einspringen muss, liegt keine beitragsfreie kurzfristige Beschäftigung vor, urteilte am 5. Dezember das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. In solch einem Fall müsse das Unternehmen die Sozialabgabenpauschale für Minijobs entrichten.

Für eine beitragsfreie Beschäftigung müssen nach dem Gesetz mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. So darf der Beschäftigte nicht regelmäßig bei dem Arbeitgeber arbeiten. Übt er die Tätigkeit "berufsmäßig" aus, darf er nicht mehr als 450 Euro monatlich verdienen. Außerdem fallen keine Sozialabgaben an, wenn der Beschäftigte nicht mehr als 70 Tage im Kalenderjahr arbeitet.

Im nun entschiedenen Rechtsstreit hatte ein niedersächsisches Speditionsunternehmen mehrere Aushilfskräfte auf Abruf beschäftigt. Der Arbeitgeber hatte sich dazu aus einem Mitarbeiterpool bedient. Sozialabgaben zahlte er nicht. Es liege eine kurzfristige und keine regelmäßige Beschäftigung vor, hieß es seitens des Unternehmens. Nur wenn die Beschäftigten über mehrere Jahre für ihn tätig seien, sei von einer Regelmäßigkeit und damit von einer Sozialversicherungspflicht auszugehen, erklärte die Firma.

Dem widersprach nun das BSG. Entscheidend für eine kurzfristige geringfügige Beschäftigung sei vielmehr, dass diese von Anfang an nur für kurze Zeit ausgelegt ist. Dies sei hier nicht der Fall. Die Mitarbeiter arbeiteten regelmäßig, da der Arbeitgeber von Anfang an immer wieder auf den Mitarbeiterpool zurückgreifen wollte. Zu Recht habe der Rentenversicherungsträger Beiträge in Höhe von 12.313 Euro nachgefordert.

Az.: B 12 KR 16/15 R



Bundessozialgericht

Rollstuhlfahrer müssen nicht schnell fahren können



Die Krankenkasse muss es gehbehinderten Menschen grundsätzlich nicht ermöglichen, dass sie mit ihrem Rollstuhl so schnell wie ein Radfahrer unterwegs sein können. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am 30. November verkündeten Urteil klargestellt. Die Richter lehnten es ab, ein sogenanntes Einhängefahrrad mit Elektromotor in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen. Die darin aufgelisteten Produkte müssen in der Regel grundsätzlich von den Krankenkassen bezahlt werden.

Im konkreten Fall ging es um das Einhängefahrrad "Speedy Duo 2" einer Firma aus Delbrück im Kreis Paderborn. Damit können sich Rollstuhlfahrer mit Hilfe einer Handkurbel fortbewegen. Ein Elektromotor unterstützt sie dabei. Der ist so stark, dass Behinderte - je nach Ausführung - zehn bis 14 Stundenkilometer fahren können.

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung lehnte die Aufnahme in das Verzeichnis ab. Es seien nur Hilfsmittel aufzunehmen, die das Grundbedürfnis der Mobilität befriedigen, lautete die Begründung. Maßstab sei hier die Fortbewegung eines nichtbehinderten Fußgängers. Das Speedy Duo 2 sei jedoch bis zu 14 Stundenkilometer schnell und ermögliche das Tempo eines Radfahrers. Damit könnten Behinderte das Vehikel über den Nahbereich hinaus nutzen.

Dem folgte auch das BSG. Wegen des Elektromotors überschreite das Einhängefahrrad "das Maß des Notwendigen". Es sei kein Grundbedürfnis erkennbar, warum Rollstuhlfahrer schneller fahren sollen als Schrittgeschwindigkeit, urteilten die Kasseler Richter. Ein Anspruch auf Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis bestehe daher nicht.

Az.: B 3 KR 3/16 R



Bundesfinanzhof

Pflegeheimunterbringung steuerlich anrechenbar



Erkrankte Eheleute können das Finanzamt eingeschränkt an den Kosten für die Unterbringung in einem Pflegeheim beteiligen. Bevor ein Ehepaar die Unterbringungskosten als außergewöhnliche Belastung abziehen kann, muss zuvor für jede Person eine Haushaltsersparnis abgezogen werden, entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in einem am 6. Dezember veröffentlichten Urteil. Es sei nicht zulässig, dass nur für eine Person eine Haushaltsersparnis berücksichtigt wird, so die Münchener Richter.

Im konkreten Fall musste ein Ehepaar aus Bayern krankheitsbedingt seinen Haushalt auflösen und in ein Alten- und Pflegeheim umziehen. Den Eheleuten entstanden für die Unterbringung im Heim, Verpflegung und Pflegeleistungen im Jahr 2013 Kosten in Höhe von rund 27.500 Euro. Die Aufwendungen machten sie als außergewöhnliche Belastung steuermindernd geltend. Zuvor zogen sie für lediglich eine Person eine Haushaltsersparnis ab, konkret 3.387,50 Euro.

Das Finanzamt machte da nicht mit. Bevor das Ehepaar die Heimkosten als außergewöhnliche Belastungen absetzen könne, müssten sie noch um eine Haushaltsersparnis für zwei Personen gekürzt werden. Dies bestätigte nun der Bundesfinanzhof.

Az.: VI R 22/16




sozial-Köpfe

Kirche

Klaus Dieter Kottnik leitet Evangelische Bahnhofsmission




Klaus Dieter Kottnik
epd-bild/Rolf Zöllner
Klaus Dieter Kottnik (65), früherer Diakonie-Präsident, ist neuer Bundesvorsitzender der Evangelischen Bahnhofsmission. Der Theologe stand von 2006 bis 2010 an der Spitze des evangelischen Wohlfahrtsverbandes.

Kottnik folgt auf Ute Volz, die nach fast 30-jähriger Tätigkeit in den Bundesgremien der Bahnhofsmission nicht mehr für ein Vorstandsamt kandidiert hatte, teilte die Konferenz für Kirchliche Bahnhofsmission (KKBM) am 7. Dezember in Berlin mit.

Der gebürtige Stuttgarter war vor seinem Diakonievorsitz von 1991 bis Januar 2007 theologischer Vorstand und Vorstandsvorsitzender der Diakonie Stetten. Zusätzlich war er von Juli 2005 bis Februar 2006 Vorstandsvorsitzender des Evangelischen Diakoniewerks Schwäbisch Hall.

Kottnik erklärte, sein Ziel sei es, die ökumenische Zusammenarbeit in den Bahnhofsmissionen weiter zu festigen und auszubauen. Die Ökumene sei ihm bereits während seiner Amtszeit als Präsident des Diakonie Bundesverbandes ein besonderes Anliegen gewesen. Diesen Kurs wolle er nun in seinem neuen Amt fortsetzen. Auch die internationale Zusammenarbeit der europäischen Bahnhofssozialdienste will der Theologe vertiefen.

Gemeinsam mit dem Bundesvorsitzenden der Katholischen Bahnhofsmissionen, Christian Baron, vertritt Kottnik den Angaben zufolge die Interessen von bundesweit 104 Bahnhofsmissionen mit rund 2.300 haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern. Die Bahnhofsmissionen zählen bundesweit etwa zwei Millionen Gäste im Jahr. Klaus Dieter Kottnik war von 2006 bis 2010 Präsident des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland.



Weitere Personalien



Gerda Hasselfeldt ist die erste Frau an der Spitze des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Die frühere Bundesministerin und ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete wurde am 1. Dezember gewählt und tritt die Nachfolge von Rudolf Seiters an, der nach 14 Jahren aus dem Amt des DRK-Präsidenten scheidet. Die in Straubing geborene Hasselfeldt war unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) von 1989 bis 1991 Bundesbauministerin und von 1991 bis 1992 Bundesgesundheitsministerin. Von 2005 bis 2011 bekleidete sie das Amt der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, dem sie von 1987 bis zur Bundestagswahl im Herbst 2017 angehörte. Zuletzt war die Diplom-Volkswirtin Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Rudolf Seiters wurde von der Bundesversammlung zum Ehrenpräsidenten ernannt.

Martin Vogel (49) legt den Aufsichtsratsvorsitz im Potsdamer Oberlinhaus nieder und scheidet mit sofortiger Wirkung aus dem Gremium aus. In einer Erklärung begründete er den Schritt nach Informationen des Evangelischen Pressedienstes (epd) mit persönlichen Motiven. Vogels Frau ist an Multipler Sklerose erkrankt. Der Theologe, der hauptberuflich Beauftragter der Evangelischen Kirchen bei den Ländern Berlin und Brandenburg ist, war seit Mitte 2013 Mitglied im Aufsichtsrat des Vereins Oberlinhaus und seit Juni 2016 dessen Vorsitzender. Das Oberlinhaus mit rund 1.800 Beschäftigten engagiert sich seit fast 150 Jahren vor allem für Kinder und Menschen mit Behinderungen.

Günter Breitenbach (63), der Vorstandsvorsitzende der Rummelsberger Diakonie, hat die bayerische Verfassungsmedaille in Silber erhalten. Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) zeichnete den Pfarrer aus. Er habe sich stets dem diakonischen Gedanken und dem Gebot der Nächstenliebe verpflichtet gefühlt und dabei große Verdienste erworben, sagte Stamm. Breitenbach studierte Theologie in Neuendettelsau, Tübingen und Göttingen, er promovierte über Fragen der Gemeindeleitung, absolvierte eine Ausbildung zum Gemeindeberater und war Leiter der Gemeindeakademie in Rummelsberg bei Nürnberg. Seit 2011 ist er Rektor der Rummelsberger Diakone und Diakoninnen und zugleich Vorstandsvorsitzender.

Winfried Hardinghaus (66) bleibt Vorsitzender des Deutschen Hospiz- und Palliativverbands. Er wurde für weitere drei Jahre wiedergewählt. Der Gründer der Hospiz- und Palliativinitiative "Spes Viva" in Ostercappeln bei Osnabrück leitet seit 2012 die Palliativmedizin am Marienhospital der Niels-Stensen-Kliniken und seit 2015 auch die Palliativstation am Franziskus-Krankenhaus in Berlin. "Spes Viva" ist ein 1994 gegründetes Palliativ- und Hospizmodell, das mit wohnlich eingerichteten Palliativstationen arbeitet, die in Krankenhausstationen integriert werden.

Andrea Büngeler und Christian Woltering leiten als Doppelspitze seit dem 1. Dezember den Paritätischen Wohlfahrtsverbandes NRW. Hermann Zaum, langjähriger Landesgeschäftsführer, ist in den Ruhestand gegangen. Er war 38 Jahre lang im Dienst des Paritätischen. Chef der Landesgeschäfstführung war Zaum seit dem Jahr 2010. Die diplomierte Betriebswirtin Büngeler ist seit 1997 beim Paritätischen NRW in verschiedenen Funktionen tätig, seit 2010 als stellvertretende Landesgeschäftsführerin. Christian Woltering ist Diplom-Sozialwissenschaftler und war zuletzt als Hauptreferent beim Paritätischen Gesamtverband tätig.

Carsten Bräumer (50), Leiter der Lobetalarbeit in Celle, verlässt zum Monatsende die diakonische Behinderten-Einrichtung. Der Diplom-Theologe übernehme eine andere Aufgabe im Bereich der Diakonie, sagte ein Sprecher am 7. Dezember dem epd. Bräumer war mehr als 13 Jahre lang Vorstand der Lobetalarbeit, die mit rund 1.300 Mitarbeitern und knapp 900 betreuten behinderten Menschen zu den größten Behinderten-Einrichtungen in Niedersachsen zählt.

Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung in Stuttgart, ist bei der diesjährigen Versammlung der diakonischen Träger der Württemberger Diakonie als Vorsitzender bestätigt worden. Stellvertretender Vorsitzender ist erneut Dietmar Prexl, Vorstand in der Diakonie Stetten.

Gerhard Prölß, seit 2004 Geschäftsführer der zur Inneren Mission München gehörenden "Hilfe im Alter", ist 60 Jahre alt geworden. Seit 30 Jahre steht er im Dienst des diakonischen Trägers. Die stationäre Altenpflege zählt zu den Geschäftsbereichen der Inneren Mission, die in der Vergangenheit am stärksten expandiert haben. So gab es 1997 in fünf Pflegeeinrichtungen rund 600 Plätze; aktuell sind es in zehn Häusern knapp 1.500. Verbunden sei diese "Erfolgsgeschichte par excellence" mit dem Namen von Gerhard Prölß, würdigte Günther Bauer, Chef der Inneren Mission, den Jubilar. Prölß studierte evangelischen Theologie in Erlangen, Heidelberg und München. Bei der Inneren Mission leitete er ein Pflegeheim und übernahm dann 1997 die Leitung der gesamten Abteilung Altenhilfe.

Matthias Blomeier ist mit dem Integrationspreis der Stadt Bielefeld ausgezeichnet worden. Der evangelische Sozialpfarrer werde für sein außergewöhnliches Engagement bei der Integration von geflüchteten Menschen gewürdigt, erklärte die Bielefelder Stiftung Solidarität. Weitere Preisträger sind der "Runde Tisch Ostmannturmviertel", das TV-Flüchtlingsprojekt "Begin your integration" und der Verein "Bielefeld United". Die Auszeichnungen sind mit insgesamt 10.000 Euro dotiert.

Jan Janssen (54), ehemaliger oldenburgischer Bischof, übernimmt im Herbst 2018 die Leitung der Station der Deutschen Seemannsmission in Rotterdam, Europas größtem Hafen. Er freue sich auf das persönliche Gespräch mit den Menschen "in diesem Brennpunkt der Globalisierung", sagte Janssen zu seiner neuen Aufgabe. Er ist Nachfolger von Seemannspastor Walter Köhler, der dann in den Ruhestand geht. Der Theologe war nach neun Jahren im Amt als Bischof überraschend zurückgetreten. Er wolle einen Neuanfang als Pastor "in Verkündigung und Seelsorge an der Basis vor Ort", hatte er erklärt.

Christoph Rolf Maier (51) ist seit 1. Dezember Geschäftsführer des Agaplesion Ev. Bathildiskrankenhaus Bad Pyrmont. Maier ist seit vielen Jahren in verschiedenen Agaplesion-Krankenhäusern in leitender Funktion tätig. Zuletzt war er interimsweise Generalbevollmächtigter im Diakonieklinikum Rotenburg. Sein Vorgänger Alfred Karl Walter (50) legt sein Amt als langjähriger Geschäftsführer zum 31. Dezember nieder und konzentriert sich auf die Geschäftsführung der Diakoniekliniken Kassel, die er bereits zum 1. Oktober übernommen hat.

Stefan Liebig (54) übernimmt ab 1. Januar die Leitung des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) und erhält einen Sitz im Vorstand des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW, Berlin). Der Professor für Soziologie an der Universität Bielefeld löst Gert G. Wagner (64) als Vorstandsmitglied ab, der diese Position planmäßig altersbedingt abgibt. Liebig nutzt bei seinen Forschungsarbeiten mit dem Schwerpunkt soziale Ungleichheit und Sozialstrukturanalyse seit vielen Jahren SOEP-Daten.

Andrea Steuernagel und Julian Beywl haben die Ämter als stellvertretende Vorsitzende des Landesvorstandes des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes NRW übernommen. Sie wurden gemeinsam mit sechs weiteren Personen gewählt. Elke Schmidt-Sawatzki bleibt bis 2019 Vorsitzende. Steuernagel ist seit 2013 Mitglied im Landesvorstand des Paritätischen und hauptamtlich bei der Jugendfarm Bonn tätig, einem freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe. Beywl ist unter anderem Geschäftsführer des Jugendhilfe-Vereins ASH-Sprungbrett in Bergheim und seit 2013 im Landesvorstand des Paritätischen engagiert. Als stellvertretender Vorsitzender tritt er dort nun seine zweite Amtszeit an.




sozial-Termine



Die wichtigsten Fachveranstaltungen bis Januar

Dezember

14.12. Stuttgart:

Seminar "Auf- und Ausbau der Betreuungs- und Entlastungsleistungen. Chancen und Möglichkeiten nutzen und nachhaltige Strategien entwickeln"

der Paritätischen Akademie Süd

Tel.: 07961/959-881

http://u.epd.de/wvy

Januar

12.1. Berlin:

Fachtag "Pflege-Update 2018 - Fachlichkeit im Fokus"

des DBfK

Tel.: 030/2191570

http://u.epd.de/ww0

12.-13.1. Paderborn:

Seminar "Moderation und Präsentation als Kommunikationsinstrumente"

der IN VIA Akademie

Tel.: 05251/2908-38

http://u.epd.de/wvl

15.-16.1. Bonn:

Seminar "Präsent in den Medien - Gezielt Botschaften platzieren"

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/2001700

http://u.epd.de/wvm

15.-19.1. Freiburg:

Seminar "Moderation von Konferenzen, Teams und Projektgruppen"

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.:0761/2001700

http://u.epd.de/wvo

17.1. Hamburg:

Seminar "Baukosten-Controlling"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

http://u.epd.de/wvp

17.-18.1. Loccum:

Werkstatt-Tagung "Resilienz - Beteiligung in Organisationen und Gesellschaft verwurzeln"

Der Evangelischen Akademie Loccum

Tel.: 05766/81106

http://u.epd.de/wvq

18.1. Münster:

Seminar "Einführung in die MAVO für Dienstgeber - Basiswissen, aktuelle Rechtsfragen"

der BPG Unternehmensgruppe

Tel.: 0251/4820412

http://u.epd.de/wvr

18.-19.1. Berlin:

Tagung "Suchthilfe und Wohnungslosigkeit"

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-142

http://u.epd.de/wvs

19.-20.1. Berlin:

Kongress Pflege 2018 "Ältere Mitarbeiter: Altes Eisen oder Silberschatz?"

der Springer Medizin Verlag GmbH

Tel.: 06221/4878166

http://u.epd.de/wvt

25.1. Münster:

Seminar "Jahresabschluss der Werkstatt und Arbeitsergebnisrechnung, aktuelle Entwicklungen im Sozialrecht"

der BPG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Tel.: 0251/48204-12

http://u.epd.de/wvr

25.1. Brüssel:

Seminar "Mit EU-Geldern die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie profilieren"

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/2001700

http://u.epd.de/ws1

25.-26.1. Rastede:

Seminar "Das neue Bundesteilhabegesetz"

der AWO Bundesakademie

Tel.:030/26309-142

http://u.epd.de/wvu

25.-26.1. Berlin:

Tagung "Teilen Gesellschaft und Unternehmen die gleichen Werte? – Maßstäbe der Gemeinwohlorientierung"

der Katholischen Akademie in Berlin

Tel.: 030/20355-0

http://u.epd.de/wvv

30.1. Berlin:

Seminar "Quartierskonzepte: Die Zukunft der Altenhilfe?

der BFS-Service GmbH

Tel.: 0221/97356159

http://u.epd.de/wvw

30.1. Heidelberg:

Seminar "Leitungen bewerten den Nutzen ihres Qualitätsmanagements"

der Paritätischen Akademie Süd

Tel.: 07961/959881

http://u.epd.de/wvx