sozial-Politik

Minderheiten

Wo Roma täglich Ablehnung erfahren




Die Roma-Familie Brkic und Robert Segner vom Verein "Neue Nachbarschaften" in Potsdam.
epd-bild/Jutta Geray
Auch in Deutschland stoßen Roma immer wieder auf Ablehnung. Der Verein "Amoro Foro" will das ändern: Er dokumentiert die zahlreichen Fälle von Diskriminierung.

Das rot umrandete Verbotsschild im Laden "Regenbogenlicht" in der Emserstraße im Berliner Stadtteil Neukölln galt nur für Roma. Darauf erteilte die Ladenbesitzerin "einer auf Raub und Betrug spezialisierten Bevölkerungsgruppe absolutes Ladenverbot". Sie erregte damit viel Aufsehen in den Medien. Das Schild hängt dort zwar nicht mehr. Dafür weist die Besitzerin nun ungefragt auf den "Zigeunerbesen" hin, den sie in der Tür aufgestellt hat.

Der "Zigeunerbesen" als Symbol entstammt dem Reich des Aberglaubens, als im Mittelalter Hexen, Juden und Roma als Verbündete des Teufels galten und ferngehalten werden sollten. Damit lebt ein jahrhundertealtes Stigma auf: "Alle Roma betrügen und stehlen."

Der Verein "Amoro Foro" in Berlin berät vorwiegend Romnija und Roma aus Rumänien und Bulgarien. Seit 2014 dokumentiert der Verein die Diskriminierung dieser Bevölkerungsgruppe und zeigt, wie sehr sie immer noch in weiten Teilen auf Ablehnung stößt.

Offizielle Zahlen, wieviel Roma in Deutschland leben, gibt es nicht, auch weil die bundesdeutschen Behörden keine Daten zur ethnischen Herkunft erheben. Nachgewiesen sind Roma hierzulande aber bereits seit gut 500 Jahren. Die Anzahl ihrer Nachfahren mit deutscher Staatsbürgerschaft wird auf etwa 70.000 geschätzt. Über die Anzahl der Flüchtlinge und Vertriebenen sowie der Arbeitsmigranten, die vor allem in der letzten Hälfte des 20. Jahrhunderts dazugekommen sind, gibt es nur vage Annahmen. Unicef rechnet mit 50.000 Roma-Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien, darunter 20.000 Kinder.

Zülch: Geduldete Roma nicht abschieben

Auch die Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen engagiert sich seit Jahren für die Rechte der Minderheit. In einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fordert der Präsident Tilman Zülch, langjährig geduldeten Roma-Flüchtlingen ein Bleiberecht zu gewähren. Die Menschen dürften nicht vertrieben werden. Jahrelang hätten sich Lehrer, Sozialarbeiter und Erzieher für die Integration der Kinder eingesetzt.

Laut dem Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung ist eines der größten Hemmnisse bei der Integration der Roma ist ihre mangelnde Arbeitsmarktbeteiligung. Überdurchschnittlich viele Betroffene sind nicht ausreichend qualifiziert und werden darüber hinaus aktiv aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzt, wie eine Umfrage des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma unter deutschen Sinti und Roma 2006 zeigt: 44 Prozent von ihnen fühlen sich bei der Bewerbung um eine Arbeitsstelle diskriminiert.

Mehr Bildung könnte Teilhabe verbessern

Eine bessere Integration der Roma in das deutsche Bildungssystem, besonders ihrer Kinder, könnte Experten zufolge zumindest die Qualifikationsnachteile abbauen. Doch auch hier gibt es massive Probleme. "Roma-Kinder neigen dazu, die Schule frühzeitig zu verlassen und qualifizieren sich unterdurchschnittlich", betont das Institut. Einer der Gründe: Roma-Kinder sehen sich an den Schulen oft mit negativen Vorurteilen konfrontiert.

"Amoro Foro"-Mitglied Andrea Wierich erzählt von einem Gespräch mit einer Mitarbeiterin eines sozialen Trägers. Es ging darum, dass Handyanbieter häufig keine Verträge mit Roma abschließen, mit der Begründung: "Wir schließen prinzipiell keine Verträge mit Rumänen und Bulgaren ab." Die Mitarbeiterin des Trägers sah darin keine Diskriminierung, sondern verwies auf oft fehlende Schufa-Bescheinigungen.

Entgegen der weit verbreiteten Meinung, Bulgaren und Rumänen seien allesamt "Armutsflüchtlinge", zeigt der Mikrozensus aus dem Jahr 2011, dass 21 Prozent der bulgarischen und rumänischen Migranten in Deutschland einen akademischen Abschluss hatten. Auch nach der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 2014 kamen überwiegend gut ausgebildete Menschen ins Land.

Ausbeutung häufiges Thema in der Beratung

In der Beratung von "Amoro Foro" geht es oft um ausbeuterische Arbeitsverhältnisse. Viele trauten sich oft nicht, ihr Recht einzuklagen - aus Angst vor dem Verlust der oft einzigen Verdienstquelle. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund beklagt regelmäßig die systematische Ausbeutung gering qualifizierter Arbeitnehmer aus Südosteuropa, die sich besonders häufig in der deutschen Fleischindustrie, im Baugewerbe und in der häuslichen Pflege vorfinden lasse.

Doch es gibt auch lobenswerte Ausnahmen: So erfuhr Familie Brkic in Potsdam überwältigende zivilgesellschaftliche Solidarität. Die Familie aus Smederevo in Serbien lebte ohne Zugang zum Arbeitsmarkt und die Kinder gingen nicht zur Schule. Ihr karge Existenz sicherte sich die Familie mit dem Sammeln von Altpapier und -metall. Mit der Begründung, dass Serbien ein "sicherer Herkunftsstaat" sei, wurde ihr Asylantrag in Deutschland abgelehnt.

Kritik an Liste sicherer Herkunftsstaaten

Menschenrechtsorganisationen und Roma-Verbände sehen die Liste sicherer Herkunftsstaaten schon lange kritisch. Sie verweisen darauf, dass Roma dort nicht selten als Gruppe von nationalistischen Schlägertrupps verfolgt werden, unter mangelndem oder keinem staatlichen Schutz stehen und systematisch von der Versorgung mit Wasser, Elektrizität und der Müllabfuhr ausgeschlossen sind.

Nachbarn und der Verein "Neue Nachbarschaften" in Potsdam-West setzten sich für die Familie Brkic ein, auch die Härtefallkommission befasste sich mit dem Fall. Mit Kontakten zur Potsdamer SPD und einer Petition gelang es schließlich, Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) umzustimmen. Jetzt kann die Familie bleiben.

Der siebenjährige Vukasin Brkic, genannt Vule, kann hier nun richtig ankommen. Er ist ein großer Breakdance-Fan. Jetzt tourt der junge Tänzer mit der Gruppe "Kidz mit Style" quer durch Deutschland.

Jutta Geray


Asyl

Anwältin: Roma vom Westbalkan in jeder Lebenssituation diskriminiert



Die Göttinger Rechtsanwältin Fatme Merve Özdemir hat kritisiert, dass Roma aus den Westbalkan-Staaten trotz teils massiver Verfolgung kaum Chancen auf Schutz in Deutschland hätten. Im deutschen Asylverfahren komme es nur auf das Herkunftsland an, sagte Özdemir am Mittwoch im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Roma würden jedoch in Serbien und dem Kosovo nicht akzeptiert und "in jeder Lebenssituation diskriminiert".

Dies betreffe nahezu alle Bereiche von der Schulausbildung über den Zugang zum Arbeitsmarkt bis zur gesundheitlichen Versorgung. Die Arbeitslosenquote der Roma liege im Kosovo bei rund 95 Prozent. Dort würden Roma-Frauen und Roma-Mädchen zudem häufig vergewaltigt und zur Prostitution gezwungen, sagte Özdemir. Sie vertritt als Anwältin viele Roma-Flüchtlinge gegenüber Behörden und vor Gericht.

Trotz der Diskriminierungen würden Asylanträge von Roma "in kürzester Zeit abgelehnt", kritisierte die Juristin. Zugleich würden Abschiebungen eingeleitet. Die meisten Roma, die in der Bundesrepublik Asyl suchten, seien serbische oder kosovarische Staatsangehörige. Diese beiden Länder zählten zu den sogenannten sicheren Drittstaaten. "Dass Roma ein Minderheitenvolk sind, bleibt dabei unberücksichtigt."

In einigen Fällen gelinge es, für Roma eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu erstreiten. Dabei werde anders als beim Asylantrag nicht nach Herkunftsländern differenziert. Problematisch sei allerdings, dass die Begünstigten ihren Lebensunterhalt dann selbst sichern müssten.

"Wenn die Roma nur geduldet sind, besitzen sie meistens keine Arbeitserlaubnis, weil die Ausländerbehörde diese ihnen verweigert", sagte Özdemir. So entstehe häufig ein Dilemma: "Die Ausländerbehörde lehnt den Antrag auf Aufenthaltserlaubnis ab, weil der Betroffene Sozialleistungen bezieht, erteilt diesem aber wiederum keine Arbeitserlaubnis."

Reimar Paul


Gastbeitrag

Psychiatrie

"Unschärfen im Gesetzentwurf gefährden richtigen Ansatz für Entgeltsystem"




Meinolf Noeker
LWL/Iris Wolf
Fachleute fordern Korrekturen am Gesetzentwurf zur Vergütung psychiatrischer Leistungen. Der LWL-Experte Meinolf Noeker schreibt in epd sozial, vor allem drei Probleme seien ungelöst: ausreichende Finanzmittel für Personal und Investitionen sowie die Förderung ambulanter psychiatrischer Behandlungen.

Das "Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen" (PsychVVG) soll zum 1. Januar 2017 wichtige Weichenstellungen für die Vergütung der Behandlungsleistungen in psychiatrischen Krankenhäusern bringen. Der Kabinettsentwurf befindet sich derzeit in der parlamentarischen Beratung durch Bundestag und Bundesrat.

Dem aktuellen Gesetzentwurf vorausgegangen war das sogenannte "PEPP-System". Dieses "Preisschild" war auf massive und vielstimmige Kritik von Fachgesellschaften und Verbänden gestoßen. Es sah vor, die Vergütung vorrangig an den Diagnosen (PEPP-Ziffern) der behandelten Patienten auszurichten und diesen bestimmte Preise in Form von Relativgewichten zuzuordnen. Die Erlöse der Klinik hätten sich als Summe aller PEPP-Ziffern errechnet.

Aufwendungen unberücksichtigt

Viele Aufwendungen des Krankenhauses lassen sich jedoch nicht nur am Umfang der unmittelbaren Behandlungsleistungen festmachen. Strukturelle, regionale und tarifliche Rahmenbedingungen sind ebenfalls als Kostenfaktoren zu berücksichtigen. Eine Klinik, die über 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche eine Krisenbereitschaft und Notfallversorgung für die Bevölkerung ihrer Region vorhält ("Regionale Pflichtversorgung"), betreibt einen hohen Vorhalteaufwand. Der finanzielle Aufwand für diese kostenintensive, aber fachlich hoch sinnvolle Leistung ist weitgehend unabhängig davon, wie viele Patienten sie faktisch in Anspruch nehmen. Ein zieldienliches und faires Entgeltsystem muss solche strukturellen, patientenübergreifenden Leistungen des einzelnen Krankenhauses in der Vergütung abbilden. Ansonsten entfiele für Krankenhäuser der Anreiz, dieses Angebot auch vorzuhalten.

Als Folge der breiten Kritik an dem "Preissystem PEPP" hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) mit dem PsychVVG nun den Entwurf für ein "Budgetsystem" vorgelegt. Damit rückt die Verhandlung eines krankenhausindividuellen Gesamtbudgets auf Ortsebene zwischen Klinik und Krankenkassen in den Mittelpunkt. In den Gesamtbetrag dieses Budgets können nun strukturelle Merkmale oder spezielle Therapiekonzepte Eingang finden. Das ist ein klarer Fortschritt. Dennoch bleiben die Regeln für die Budgetfindung zwischen Klinik und Krankenkassen noch sehr unscharf.

Korrekturbedarf aus Sicht des LWL

Damit der im Kern richtige Grundansatz des PsychVVG sich in der späteren Anwendungspraxis nicht in sein Gegenteil verkehrt, muss der Gesetzentwurf im weiteren Gesetzgebungsverfahren durch den Bundestag noch in mehreren Punkten verbessert werden. Dies haben die Verantwortlichen beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe LWL, einem der bundesweit größten öffentlich-rechtlichen Klinikträger, bei einer gemeinsamen Fachtagung von LWL und Techniker Krankenkasse unter Mitwirkung von Gesundheitspolitikern der Bundestagsfraktionen in Münster angemahnt. Drei Punkte müssen noch gelöst werden: Ausfinanzierung der Personalkosten, Lösung der Investitionskrise, Stärkung der Ambulantisierung des psychiatrischen Krankenhauses.

Ausfinanzierung von Personalstandards

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) soll neue Vorgaben für die Personalausstattung in den Kliniken entwickeln. Diese Standards sollen es den Kliniken ermöglichen, die wissenschaftlichen Fortschritte, die über die letzten Jahre in der Psychiatrie und Psychosomatik erzielt wurden, vollumfänglich in die konkrete therapeutische Behandlung zu übersetzen. Ärzte, Therapeuten, Pflegekräfte in der Psychiatrie und ihre Fachverbände begrüßen solche Personalstandards ausdrücklich, weil sie fachliche Qualität für die Patientinnen und Patienten absichern helfen.

Die Kliniken sollen zum Nachweis verpflichtet werden, dass sie das Personal tatsächlich entsprechend der Vorgaben eingestellt haben. Sonst droht eine Budgetabsenkung – und zwar für alle Folgejahre! Diese Nachweispflicht kann jedoch legitim von den Kliniken nur erwartet werden, wenn ihnen auch die finanziellen Mittel zur Besetzung der Personalstellen ohne Abstriche zur Verfügung gestellt werden. Dies ist jedoch im vorliegenden Gesetzentwurf nicht sicher gestellt.

Das neue PsychVVG muss hier aus den Konstruktionsfehlern des alten Personalbemessungssystems (PsychPV) lernen, bei denen die Erlöse der Kliniken gedeckelt waren und so mit den jährlichen Tarifsteigerungen nicht Schritt halten konnten. Daraus ergab sich eine stetige Abwärtsspirale, weil die Kliniken nicht alle geforderten Fachkräfte einstellen konnten. Die logische Konsequenz ist die Forderung nach einer vollständigen Ausfinanzierung der Ist-Personalkosten. Dies schließt auch die Beachtung der speziellen Tarifstrukturen der verschiedenen Krankenhausträger ein. Im Bereich der Pflegeversicherung (SGB XI) ist dies schon erfolgreich umgesetzt worden.

Investitionskrise der Krankenhäuser

Bei baulichen Sanierungs- und Neubaukosten haben sich Bund und Länder seit Jahrzehnten nicht über eine ausreichende Investitionsförderung für Krankenhäuser einigen können. In ihrer Not setzen Kliniken Eigenmittel und Betriebserlöse ein, um die fehlenden Mittel zu kompensieren. Die Situation verschärft sich durch das PsychVVG, weil den Kliniken Spielräume genommen werden, ihr Budget unternehmerisch flexibel in der Abwägung zwischen Investition in Personal versus Bausubstanz zu bewirtschaften. Solange Krankenhäuser in puncto Bausubstanz mit dem Rücken an der Wand stehen, drohen ihnen entweder deren allmählicher Verfall oder rote Zahlen bei Investitionen ohne Refinanzierung.

Bauliche Sanierungs- und Neubaumaßnahmen kommen aber auf vielerlei Weise der Therapiequalität und zugleich der Wirtschaftlichkeit der Kliniken zugute und senken so mittelfristig auch die Betriebsaufwendungen. Darum sollte im Rahmen des neuen PsychVVG die Verwendung von Eigenmitteln und Betriebserlösen bei der künftigen Aushandlung von Krankenhausbudgets mit den Kostenträgern als legitim anerkannt werden.

Stärkung der Ambulantisierung

Unter dem Behandlungsgrundsatz "Ambulant vor Stationär" führt das neue PsychVVG sogenannte Stationsäquivalente Leistungen ein. Als Alternative zur vollstationären Versorgung soll Kliniken eine Behandlung im häuslichen Milieu ermöglicht werden. Der Gesetzgeber beschränkt diese Möglichkeit jedoch auf akute Krankheitsphasen und fordert dem Krankenhaus ab, im Gegenzug stationäre Bettenkapazitäten aus dem Krankenhausplan streichen zu lassen. Dies hemmt die Attraktivität für die Kliniken, in dieses Leistungsangebot einzusteigen. Fachleute wie der Direktor des LWL, Matthias Löb, weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass machen Kliniken wie etwa die LWL-Universitätsklinik Bochum hier konzeptionell weiter seien.

Was Löb damit meint: Der LWL hat Ende 2014 am LWL-Universitätsklinikum Bochum gemeinsam mit der Techniker Krankenkasse und der Barmer GEK ein innovatives Modellprojekt aufgelegt. Im Mittelpunkt stehen sogenannte "Stationsungebundene Leistungen". Dazu gehört zum Beispiel auch, dass Bochumer Klinik-Psychiater Patienten zu Hause besuchen und behandeln ("Home Treatment").

Allzu starre Grenzen zwischen stationärer, teilstationärer und ambulanter Behandlung werden durchlässiger und, so die Projekt-Verantwortlichen, "tendenziell aufgehoben". So ist "Home Treatment" eines von insgesamt neun psychiatrisch definierten Leistungspaketen, jedes davon ohne vollstationäre Unterkunft und Verpflegung, die sowohl in der Klinik als auch beim Patienten zu Hause erbracht werden können. Sie sind intensiv und damit tragfähig genug, um teure stationäre Leistungen zu ersetzen oder zu verkürzen.

Vorteile: Die Leistungspakete sind präzise und dennoch bürokratiearm beschrieben. Die Behandlungsteams können präventiv tätig werden, bevor eine Krise wieder eskaliert und stationäre Aufnahme erforderlich macht. Die Entgeltvereinbarung zwischen den Krankenkassen und Krankenhäusern sieht einen Budgetkorridor vor, der beiden Seiten einen wirtschaftlich sicheren Rahmen erlaubt.

Lösungsperspektive

Bei der Nachbesserung des Gesetzentwurfs bedarf es klarerer Leitplanken für die Budgetverhandlung. Diese definiert die Kostenbestandteile, die die Krankenhäuser legitim in die Verhandlung mit den Krankenkassen einbringen können.

Professor Dr. Meinolf Noeker ist beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) als Dezernent für Krankenhäuser und Gesundheitswesen tätig.


Arbeitsmarkt

Die mühsame Jobsuche der Flüchtlinge




Ahmad Abdullah (32) aus Syrien lebt seit dem Spätsommer 2015 in Freiburg und sucht Arbeit.
epd-bild/Sebastian Stoll
Rund 350.000 Flüchtlinge sind in Deutschland arbeitslos gemeldet. Die Gründe für diese hohe Zahl liegen zum Teil in fehlenden Sprach- und Landeskenntnissen, aber auch an hohen bürokratischen Hürden.

Ahmad Abdullah hatte schon geahnt, dass die Arbeitssuche nicht leicht werden würde. Schließlich konnte er kein Wort Deutsch, als er im Spätsommer 2015 nach Freiburg kam. Und er wusste auch sonst nichts über das Land, in das er gerade geflüchtet war. "Aber ich hatte in Syrien fünf Jahre als Techniker im Maschinenbau gearbeitet. Ich hatte sogar ein Zertifikat und dachte, früher oder später könnte ich damit Arbeit finden", sagt der 32-Jährige.

Es dauerte wenige Wochen, dann wusste Abdullah, dass das Zertifikat nicht anerkannt wird. Eine Prüfung bei der Industrie- und Handelskammer wäre möglich gewesen. "Aber die Gebühren betragen mehr als 1.000 Euro. Die hatte ich nicht, und es gibt auch niemanden, der das übernimmt." Also zerschlug sich seine Karriere in Deutschland, ehe sie begonnen hatte.

350.000 Flüchtlinge sind laut Statistik arbeitssuchend

Viele Flüchtlinge in Deutschland sind in ähnlicher Lage. Knapp 350.000 geflüchtete Menschen führt die Bundesarbeitsagentur für Arbeit in ihrer Statistik als arbeitssuchend. Ein wesentlicher Grund für die Arbeitslosigkeit ist die Sprachbarriere. Es gibt aber auch andere Hürden, die einem Flüchtling die Arbeitsaufnahme erschweren.

In der Theorie sind die Regeln ganz leicht verständlich: Hat ein Flüchtling in Deutschland einen Asylantrag gestellt, darf er zunächst drei Monate lang grundsätzlich keine Arbeit annehmen. Lediglich Praktika sind ihm erlaubt. Das ändert sich nach dem Ende der Wartefrist: Asylsuchende können ab dann eine Stelle annehmen, sie müssen nur jedes Mal die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit sowie der Ausländerbehörde einholen.

Die sogenannte Vorrangprüfung entfällt seit diesem Sommer für die Dauer von drei Jahren. Davon ausgenommen sind 23 von 156 Arbeitsagenturbezirken, in denen eine besonders hohe Arbeitslosigkeit herrscht. Nach 15 Monaten fallen auch diese regionalen Ausnahmen weg. Vier Jahre, nachdem der Asylantrag gestellt wurde, bedarf es keiner Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit mehr - wohl aber der Ausländerbehörde.

Nach Abschluss des Asylverfahrens ändert sich für viele Antragsteller die Situation: Wer als Asylberechtigter anerkannt wurde, erhält einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt.

Ewiges Warten auf einen Platz im Sprachkurs

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Ahmad Abdullah einen Platz in einem Sprachkurs bekommen hatte - und das, obwohl der Antrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge längst gestellt war. "Erst nach ein paar Monaten habe ich zufällig erfahren, dass er bei der Sprachschule monatelang unbearbeitet herumlag", sagt Abdullah.

Endlich, nach fast einem Jahr fand der Syrer eine Metallbaufirma, die ihn ausbilden wollte - nach Möglichkeit sofort. Für die Arbeitserlaubnis bat das Jobcenter unter anderem um Meldebescheinigung, Krankenkassenkarte, Rentenversicherungsnummer, Heiratsurkunde, Bescheid über den Stand des Asylverfahrens.

"Immerhin sind solche Dokumente mittlerweile meistens auch auf Arabisch erhältlich. Aber nach wie vor bekommen die Flüchtlinge keinen Hinweis, wo sie die geforderten Belege erhalten", sagt Anika Möller vom Diakonischen Werk Freiburg, das Dutzende Geflüchtete, die auf Jobsuche sind, betreut.

Es ist nicht so, dass der Gesetzgeber nicht gehandelt hätte: So mussten viele Asylbewerber auf Jobsuche bisher eine sogenannte Vorrangprüfung über sich ergehen lassen. Das bedeutet: Hatten sie eine Stelle in Aussicht, wurde zunächst geprüft, ob sie diese nicht einem inländischen Bewerber wegnehmen. Die Vorrangprüfung wurde im Sommer mit dem neuen Integrationsgesetz für drei Jahre weitgehend ausgesetzt.

Frage der Bleibeperspektive ist entscheidend

Nach wie vor ist es aber ein Problem, dass Flüchtlinge Integrationskurse erst dann erhalten, wenn sie nach Meinung der Behörden über eine "gute Bleibeperspektive" verfügen - also etwa aus einem Land kommen, bei dem die Anerkennungsquote über 50 Prozent liegt. Die Folge ist, kritisiert die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Brigitte Pothmer, dass "viele Flüchtlinge ohne Sprachkenntnisse und ohne jede andere Förderung beim Jobcenter ankommen". Mit wenig Aussicht auf Erfolg.

Dieses Problem hat Ahmad Abdullah nicht - heute ist sein Deutsch sehr gut. Seine Ausbildung hat er schließlich antreten können, ganz ohne behördliche Beschäftigungserlaubnis. "Zum Glück habe ich in dieser Zeit meine Anerkennung als Asylberechtigter bekommen", sagt er. Und die geht einher mit einer Arbeitserlaubnis.

Sebastian Stoll


Flüchtlinge

Deutschland bei Integration "auf gutem Weg"



Kann Deutschland von der schwedischen Integrationspolitik lernen? Auf jeden Fall, sagen Migrationsexperten. Aber auch Deutschland habe bereits sehr viel getan, um Flüchtlinge schneller einzugliedern.

Deutschland ist nach Einschätzung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bei der Integration von Flüchtlingen auf einem guten Weg. Zwar seien noch immer die skandinavischen Länder Schweden, Norwegen und Dänemark führend und Vorbild in der Integrationspolitik, sagte Thomas Liebig von der OECD-Abteilung für internationale Migration am 10. Oktober in Berlin. Aber in Deutschland sei sehr viel getan worden.

Besonders in der Arbeitsmarktpolitik und beim Engagement der Zivilgesellschaft könne Schweden, das bereits seit Jahrzehnten eine erfolgreiche Integrationspolitik betreibt, mittlerweile von Deutschland lernen. So seien die Minijobs ein Modell, das in Schweden mit Interesse verfolgt werde, sagte die schwedische Integrationsforscherin Gisela Waisman vom "Linnaeus Center for Integration Studies" der Universität Stockholm.

Gutes Jobangebot für Hochqualifizierte

Der schwedische Arbeitsmarkt biete vor allem Hochqualifizierten viele Möglichkeiten. Niedrigqualifizierte hätten dagegen nur geringe Chancen, schnell einen Job zu finden, sagte Bernd Parusel vom schwedischen Migrationsamt "Migrationsverket".

Zugleich erziele Schweden mit individuellen Integrationsplänen für Zuwanderer und anerkannte Flüchtlinge, sofortigem Sprachunterricht, "Schnellspuren" in den Arbeitsmarkt und sofortiger Beschulung nachhaltige Integrationserfolge. Das zeige sich besonders in der Integration der zweiten Generation, die anders als in Deutschland voll und ganz in der schwedischen Gesellschaft angekommen sei, sagte Parusel.

Wer als Flüchtling nach Schweden komme, dem werde so schnell wie möglich eine "normale Lebensführung" ermöglicht, sagte Parusel. Das heißt, er wird nicht in Massenunterkünften untergebracht, sondern in einer Wohnung, er bekommt keine Sachleistungen, sondern eigenes Geld und es werden für ihn vom ersten Tag an Berufsqualifizierungsmaßnahmen und Sprachkurse organisiert. "Eine passive Phase des Wartens wie in Deutschland gibt es in Schweden nicht", sagte der Migrationsexperte.

Schweden kennt keine Duldungen

Auch das Problem der Duldungen und Kettenduldungen gebe es in dem Land nicht. Wer in Schweden kein Asyl bekommen hat und trotzdem nicht abgeschoben werden darf, erhalte in der Regel eine Aufenthaltserlaubnis, verbunden mit allen Rechten und Pflichten. In Deutschland gibt es dagegen derzeit bis zu 100.000 Geduldete, die nur geringe Chancen auf legale Arbeit haben.

Auch bei der Integration von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen könne das Land auf gute Erfahrungen verweisen, sagte OECD-Experte Liebig. Allerdings seien die Kosten für sie vier bis sechs Mal höher als in normalen Asylverfahren. Auch deshalb habe Schweden den Familiennachzug mittlerweile nahezu gestoppt, sagte Liebig. Auch würden nach dem starken Flüchtlingszuzug 2015 zunehmend nur noch befristete Aufenthaltserlaubnisse erteilt.

Der schwierige schwedische Arbeitsmarkt verursacht bei der Integration nach Meinung der Experten die meisten Probleme. Nur 25 Prozent der Flüchtlinge finden nach zwei Jahren Aufenthalt in Schweden eine Arbeit, nach acht Jahren sind es 50 Prozent. Das sei "absolut unbefriedigend", sagten Liebig und Parusel einhellig.



Auszeichnungen

Integrationspreis für berufliche Eingliederung von Zuwanderern



Vier Projekte zur beruflichen Eingliederung von Flüchtlingen und anderen Zuwanderern erhalten den Integrationspreis der hessischen Landesregierung. Die Vergabe des mit 20.000 Euro dotierten Preises steht dieses Mal unter dem Motto "Integration und Fachkräfte", wie Sozial- und Integrationsminister Stefan Grüttner (CDU) am 7. Oktober in Wiesbaden sagte.

Für den mit 8.000 Euro dotierten ersten Preis wählte die Jury die Initiative "Berufseinsteigerinnen in die Altenpflege (BeA+)" aus Offenbach aus. Das Beratungsprojekt zur Gewinnung von Fachkräften in der Altenpflege spricht gezielt Frauen mit Migrationshintergrund im Alter zwischen 20 und 55 Jahren an, die in das Arbeitsleben neu oder nach einer Pause aus familiären oder gesundheitlichen Gründen wieder einsteigen wollen. Es unterstützt die Frauen bei der beruflichen Neuorientierung im Arbeitsfeld der Altenpflege vor und während der Ausbildung sowie bei der Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen.

Der zweite Preis in Höhe von 6.000 Euro geht an die Joblinge gAG in Frankfurt und Bensheim für ihr Projekt "Joblinge Kompass". Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die Integration von Geflüchteten mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit im Alter von 18 bis 25 Jahren mit niedriger bis mittlerer Qualifikation zu unterstützen, um das Risiko der Arbeitslosigkeit zu minimieren. Die Organisation hilft den Flüchtlingen mit dem Einsatz ehrenamtlicher Mentoren unter anderem dabei, sich beruflich neu zu orientieren, weitere berufliche Qualifikationen zu erwerben und die deutsche Sprache zu erlernen. Am Ende des Programms sollen sie dann eine formale Ausbildung in einer für sie geeigneten Einrichtung antreten.

Mit dem dritten Preis und einem Preisgeld von 4.000 Euro ausgezeichnet wird das Projekt "Flüchtlinge und Asylbewerber ins Bauhandwerk" aus Waldeck-Frankenberg. Dabei geht es um die Qualifizierung der Betroffenen zur Deckung des Fachkräftebedarfs der Branche in enger Zusammenarbeit mit Bauunternehmen des Kreises. Dabei werden Sprachkenntnisse, Alltagskompetenz und berufsbezogene Fertigkeiten im Bereich Hoch- und Tiefbau vermittelt, um Flüchtlinge und Asylbewerber auf eine Ausbildung oder Arbeit vorzubereiten.

Den mit 2.000 Euro ausgestatteten vierten Preis erhält das Projekt "Das interkulturelle Personalmanagement zur Integration von Fachkräften" der Firma Erbatech GmbH in Erbach. Dabei wird vier Schülern aus Portugal mit einem Langzeitpraktikum von neun Monaten die Möglichkeit gegeben, ihre neu erworbenen Kenntnisse im beruflichen Umfeld zu erproben und eine neue Kultur und Sprache kennenzulernen, damit sie eine berufliche Perspektive haben und helfen, den zukünftigen Fachkräftebedarf im handwerklich-technischen Bereich besser abzudecken. Der hessische Integrationspreis wird am 16. November im Schloss Biebrich in Wiesbaden vergeben.



Kabinett

Sozialhilfe für EU-Ausländer eingeschränkt



Wer aus einem anderen EU-Land nach Deutschland zieht und keine Arbeit annimmt, soll künftig erst nach fünf Jahren Sozialhilfe bekommen. Das Bundeskabinett billigte am 12. Oktober in Berlin einen Gesetzentwurf von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), der EU-Ausländer, die in Deutschland nicht arbeiten oder nie gearbeitet haben, weitgehend von Sozialhilfeleistungen ausschließt. Sie sollen nur noch eine Nothilfe für maximal vier Wochen erhalten.

Nahles erklärte, es handele sich um eine Klarstellung, die wieder Rechtssicherheit schaffe und die Kommunen vor finanzieller Überforderung schütze. Wer hier lebe, arbeite und Beiträge zahle, habe auch Anspruch auf Sozialleistungen. Wer jedoch nie gearbeitet habe und auf staatliche Leistungen angewiesen sei, müsse diese in seinem Heimatland beantragen.

Bisher steht EU-Zuwanderern ohne Arbeit nach einem halben Jahr Aufenthalt in Deutschland Sozialhilfe zu. Dafür müssen die Kommunen und Landkreise aufkommen. Städte und Gemeinden hatten daher auf eine gesetzliche Neuregelung gedrängt. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, zeigte sich erleichtert. Das Gesetz verhindere eine Zuwanderung in die Sozialsysteme und müsse nun rasch vom Bundestag beschlossen werden.

Mit der Regelung reagiert die Bundesregierung auf Urteile des Bundessozialgerichts. Die obersten Sozialrichter hatten zwar bestätigt, dass EU-Bürger keine Hartz-IV-Leistungen beanspruchen können, wenn sie zur Arbeitssuche nach Deutschland einreisen, dann aber keine Arbeit finden. Es stehe ihnen bei einem "verfestigten Aufenthalt" nach sechs Monaten aber Sozialhilfe zu.

Von einem "verfestigten Aufenthalt" wird nun erst nach fünf Jahren ausgegangen. Das entspricht der Regelung für EU-Ausländer, die selbst für ihren Unterhalt sorgen oder zumindest zeitweilig in Deutschland gearbeitet haben. Sie erhalten nach fünf Jahren ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht.

Die Opposition kritisierte die Einschränkung der Sozialhilfeleistungen als "der Sozialdemokratie nicht würdig", wie der migrationspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Volker Beck, sagte. Die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Sabine Zimmermann, sagte, die Bundesregierung verrate die europäische Idee. Das Grundrecht auf die Sicherung des Existenzminimums müsse für alle Menschen in Deutschland gelten.

Die Grünen gingen ebenfalls auf Distanz: "Mit diesem Ausschluss versagt die Bundesregierung die notwendige Unterstützung für die Arbeitsuche. Integration in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft wird erschwert und die soziale Lage der Betroffenen wird verschärft", sagte Wolfgang Strengmann-Kuhn, Sprecher für Sozialpolitik der grünen Bundestagsfraktion. Statt die Menschen zu unterstützen, würden sie in unwürdige Wohnverhältnisse und die Illegalität getrieben. "Wer solche Probleme schafft, schürt Ausländerfeindlichkeit. Die geplanten Regelungen sind ein völlig falsches Signal."

Für den Deutschen Städtetag sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy: „Es ist gut, dass die Bundesregierung den Anspruch von EU-Bürgern auf Sozialleistungen einschränken will. Die Städte warten schon auf dieses Gesetz, das nun rasch im Bundestag beschlossen werden sollte." Man brauche diese Regelungen, damit die Kommunen nicht weiter zusätzliche Sozialausgaben schultern müssen, die nach Urteilen des Bundessozialgerichtes auf sie zugekommen sind. "Außerdem wird das Gesetz auch Fehlanreize für Zuwanderinnen und Zuwanderer aus anderen europäischen Mitgliedsstaaten vermeiden."



Behinderung

Behindertenbeauftragte fordern Änderungen am Bundesteilhabegesetz




Bundesbehindertenbeauftragte Verena Bentele
epd-bild/Jürgen Blume

Die Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern haben Korrekturen am Bundesteilhabegesetz (BTHG) der Bundesregierung angemahnt. "In vielen Gesprächen mit Selbstvertretungsorganisationen und Verbänden wurde deutlich, dass im Gesetzentwurf noch dringend Änderungen erforderlich sind", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung, die am 11. Oktober in Berlin veröffentlicht wurde. Auch der Deutsche Verein regte noch Änderungen an.

In diesen Wochen tritt das Gesetzgebungsverfahren zum Bundesteilhabegesetz (BTHG) im Bundestag und im Bundesrat in die entscheidende Phase. Das neue Gesetz bringt mit dem Budget für Arbeit, der unabhängigen Beratung, der Trennung von existenzsichernden und Fachleistungen sowie der Einrichtung von Frauenbeauftragten in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen wichtige Neuerungen für Menschen mit Behinderungen auf den Weg. Aber: Die Beauftragten vermissen die konsequente Umsetzung der von Deutschland 2009 ratifizierten UN-Behindertenrechtskonvention im Gesetzesentwurf des Bundesteilhabegesetzes.

Gesetz soll noch korrigiert werden

"Wir fordern deshalb die Abgeordneten des Bundestages und die Bundesländer auf, sich für wichtige Änderungen zugunsten der Rechte der Menschen mit Behinderungen im Gesetzgebungsverfahren einzusetzen", heißt es in der Mitteilung.

Die Beauftragten fordern unter anderem, Leistungen für Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, an Bildung, Kultur, Freizeit und im politischen Engagement auch für Menschen mit Behinderungen im Alter zu gewähren: "Das Recht auf Teilhabe ende nicht mit einer Altersgrenze." Außerdem verlangen sie, dass niemand aufgrund seiner Behinderungen gezwungen werden dürfe, in besonderen Wohnformen für Menschen mit Behinderungen zu leben. Das sei nach Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention von Deutschland anerkanntes Menschenrecht. Würden diese Rechte eingeschränkt, so sei dies ein nicht zulässiger Eingriff in die Selbstbestimmung der Menschen.

"Ein gutes Bundesteilhabegesetz braucht Änderungen", betonen die Beauftragten. Die UN-Behindertenrechtskonvention sei der Maßstab, an dem das Bundesteilhabegesetz ausgerichtet sein müsse. Zudem müsse das Menschenrecht auf Selbstbestimmung, Gleichstellung und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen mit dem Bundesteilhabegesetz gesetzlich verankert werden.

Der Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge hat sich für die Erprobung von Regelungen im Bundesteilhabegesetz ausgesprochen. Ziel dieser Vorgehensweise solle es sein, vor der Umsetzung der Reform zu testen, dass keine Personen mit Teilhabebedarf aus dem System herausfallen.

Deutscher Verein für vorherigen Testlauf

Er hat eine Stellungnahme zum Regierungsentwurf des Bundesteilhabegesetzes vorgelegt, in der der Verein fordert, dass auch mit dem neuen Gesetz die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und die inklusive Ausrichtung der Regelsysteme weiterentwickelt wird. "Gerade deswegen kann man elementare Veränderungen wie die Neubeschreibung des Personenkreises bei der Eingliederungshilfe oder die Konzentration auf die Fachleistung Eingliederungshilfe nicht erst festlegen und damit beispielsweise riskieren, dass Personen mit Teilhabebedarf aus dem System fallen." Vielmehr müssten die beabsichtigten Regelungen erprobt und gut begleitet werden, um am Ende das gewünschte Ergebnis zu erreichen.

Außerdem setzt sich der Verein dafür ein, dass die Pflegekasse für Menschen mit Behinderungen, unabhängig davon wo sie wohnen, die gleichen und vollen Leistungen der Pflegeversicherung übernimmt. "Die im Gesetzentwurf gewählte Vorrang-Nachrang-Lösung ist nicht zielführend", sagte Johannes Fuchs, Präsident des Vereins. Es sei auch nicht erkennbar, wie die Ausgabendynamik der Eingliederungshilfe gebremst werden soll und keine neue Kostendynamik entsteht.



Sozialversicherung

Rechengrößen für das Jahr 2017 beschlossen



Das Kabinett hat am 12. Oktober in Berlin die Verordnung über die Sozialversicherungsrechengrößen 2017 beschlossen. Der Vorlage muss der Bundesrat noch zustimmen, erklärte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Mit der werden die Rechengrößen der Sozialversicherung gemäß der Einkommensentwicklung im Jahr 2015 turnusgemäß angepasst. Die Werte werden jährlich auf Grundlage gesetzlicher Bestimmungen mittels Verordnung festgelegt.

Entscheidend für die Festlegung für 2017 ist Einkommensentwicklung im Jahr 2015 Der Zuwachs betrug im Bundesgebiet 2,65 Prozent (in den alten Bundesländern 2,46 Prozent und in den neuen Bundesländern 3,91 Prozent). Bei der Ermittlung der jeweiligen Einkommensentwicklung wird den Angaben nach auf die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer ohne die Personen in Ein-Euro-Jobs abgestellt.

Die wichtigsten Rechengrößen für das Jahr 2017 im Überblick:

Die Bezugsgröße, die für viele Werte in der Sozialversicherung Bedeutung hat, erhöht sich auf 2.975 Euro/Monat (2016: 2.905 Euro/Monat). Die Bezugsgröße (Ost) steigt auf 2.660 Euro/Monat (2016: 2.520 Euro/Monat).

Die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung steigt auf 6.350 Euro/Monat (2016: 6.200 Euro/Monat) und die Beitragsbemessungsgrenze (Ost) auf 5.700 Euro/Monat (2016: 5.400 Euro/Monat).

Die bundesweit einheitliche Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung (Jahresarbeitsentgeltgrenze) steigt auf 57.600 Euro (2016: 56.250 Euro). Die ebenfalls bundesweit einheitliche Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2017 in der gesetzlichen Krankenversicherung beträgt 52.200 Euro jährlich (2016: 50.850 Euro) bzw. 4.350 Euro monatlich (2016: 4.237,50 Euro/Monat).



Arbeitsmarkt

Forscher kritisieren Gesetzentwurf zur Leiharbeit



Arbeitsmarktforscher kritisieren den Gesetzentwurf der Bundesregierung zu Leiharbeit und Werkverträgen. Zwar gebe es erfreuliche Neuregelungen in dem Entwurf, der am 17. Oktober Thema einer Expertenanhörung im Bundestag ist, erklärte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung am 12. Oktober in Düsseldorf. Doch enthalte der Entwurf "deutliche Schwächen".

Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel, rechtswidrige Vertragskonstruktionen bei Werkverträgen zu verhindern und Leiharbeit auf ihre Kernfunktion zur Bewältigung von Auftragsspitzen zurückzuführen, erreiche er nicht, bemängelten die Experten.

Der Analyse der WSI-Arbeitsmarktforscher zufolge ermöglicht der Gesetzentwurf weiterhin, Stammbeschäftigte durch Leiharbeitskräfte zu ersetzen. Die im Regierungsentwurf vorgesehene Höchstüberlassungsdauer von Leiharbeitern von 18 Monaten könne überschritten werden, kritisieren die Arbeitsrechtlerin Nadine Absenger und die anderen Studienautoren. Auch bei Betrieben ohne Tarifbindung sehe der Regierungsentwurf entsprechende Öffnungsklauseln und die Übernahme tariflicher Abweichungen in Betriebsvereinbarungen für einen verlängerten Leiharbeiter-Einsatz vor.

Zudem warnen die Forscher vor einem "Drehtüreffekt". Denn die zeitlich befristete Obergrenze für eine Leiharbeiterüberlassung beziehe sich in dem Gesetzentwurf nur auf einen konkreten Leiharbeiter und nicht auf die Arbeitsplätze in einem Unternehmen. Sei beispielsweise die Höchstbeschäftigungszeit eines bestimmten Leiharbeiters abgelaufen, könnten Unternehmen diesen dann gegen einen anderen Leiharbeiter austauschen oder ihn nach drei Monaten erneut einsetzen. Auf diese Weise könnten Unternehmen Dauertätigkeiten durch prekär Beschäftigte erledigen lassen, kritisieren die WSI-Forscher.

Der Regierungsentwurf sorge auch nicht für verbesserte Chancen von Leiharbeitern auf eine gleiche Bezahlung, hieß es. Während im Koalitionsvertrag noch von gleicher Bezahlung nach spätestens neun Monaten die Rede sei, sei die Wartefrist im vorliegenden Entwurf auf 15 Monate angehoben worden. Auch könnten frühere Einsatzzeiten beim gleichen Entleiher nur dann für einen gleichen Lohn angerechnet werden, wenn die Zeiten nicht länger als drei Monate zurückliegen. Dadurch dürften nur wenige Leiharbeiter in den Genuss gleicher Bezahlung kommen, lautet die kritische Analyse. Denn die Einsatzzeiten seien meist deutlich kürzer.

Für eine wirksame Abgrenzung missbräuchlicher von ordnungsgemäßen Werkverträgen fehle im Entwurf ein ursprünglich im Koalitionsvertrag vorgesehener Kriterienkatalog, lautet ein weiterer Kritikpunkt der Arbeitsforscher. Die ersatzweise geplante Definition des Arbeitnehmerbegriffs im Bürgerlichen Gesetzbuch gleiche diese Lücke nicht aus, bemängelten sie.



Arbeitsmarkt

Günstige Konjunktur sorgt für weniger behinderte Arbeitslose



Die Zahl arbeitsloser Menschen mit Behinderung in der Region Westfalen und Lippe ist durch den Herbstaufschwung am Arbeitsmarkt leicht zurückgegangen. Ende September waren 21.631 Menschen mit Behinderung in der Region ohne Arbeit, teilte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) am 11. Oktober in Münster mit. Das seien 206 weniger als im August. Gegenüber dem Vorjahr sei die Arbeitslosigkeit um 433 gesunken.

Mit einem Rückgang um 0,9 Prozent sei die Arbeitslosigkeit von behinderten Menschen im Vergleich zum Vormonat sogar stärker gesunken als bei der allgemeinen Arbeitslosigkeit (0,2 Prozent), sagte LWL-Sozialdezernent Matthias Münning. Positiv wirkten sich auch die Fördermittel für Arbeitgeber von den Agenturen für Arbeit und vom LWL-Integrationsamt Westfalen aus, sagte er.

Das LWL-Amt kümmert sich um die technischen Ausstattung der Arbeitsplätze und berät die betroffenen Menschen und die Arbeitgeber, etwa zum besonderen Kündigungsschutz.



Auszeichnung

Bayerische Hospizpreise verliehen



Die Vorsitzende des Hospizvereins Lindau, Maja Dornier, und das "TrauERwerk" in Erlangen haben am 8. Oktober den Hospizpreis der Bayerischen Stiftung Hospiz gewonnen. Für herausragende Leistungen im Ehrenamt sowie innovative Projekte überreichte Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) die Auszeichnungen in Augsburg. Das "TrauERwerk" ist eine offene Trauergruppe für Jugendliche und junge Erwachsene.

Das Erlanger "TrauERwerk" hat nach den Worten der Ministerin eine Lücke in der Hospizarbeit geschlossen. Ein Angebot, das junge Menschen anspreche, habe bisher in Nordbayern gefehlt. Die in Lindau engagierte Maja Dornier ist laut Huml "eine Pionierin in der Hospizarbeit", die in über 30 Jahren ihres "unermüdlichen Engagements" zu einer Institution der Hospizbewegung in ganz Bayern geworden sei.

Die Politikern bekräftigte ihre Ablehnung von aktiver Sterbehilfe und organisierter Beihilfe zur Selbsttötung. Schwerstkranken und sterbenden Menschen dürfe nicht das Gefühl vermittelt werden, dass sie der Gesellschaft zur Last fallen. Huml kündigte an, die Palliativ- und Hospizversorgung in Bayern weiter auszubauen.



Nordrhein-Westfalen

Regierung würdigt Kölner Mehrgenerationenhaus



Für seinen vorbildlichen Einsatz für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen hat die NRW-Landesregierung das "Ledo"-Mehrgenerationenwohnhaus in Köln-Niehl gewürdigt. "Dieses Projekt ist ein so gutes Beispiel für Inklusion, dass es einen Preis verdient hätte", sagte Wilhelm Schäffer, Staatssekretär des NRW-Sozialministeriums am 11. Oktober bei einem Besuch des Hauses. "Hier wohnen Jung und Alt, Behinderte und Nicht-Behinderte zusammen, und es klappt hervorragend."

Die Landesregierung sei bemüht, die Inklusion in Nordrhein-Westfalen zu fördern. Deswegen sehe man sich gern gute Beispiele an, um sie Nachahmern zu empfehlen. "Wir stehen in NRW sicherlich nicht mehr am Anfang der Inklusion, aber wir sind auch noch lange nicht am Ziel", sagte Schäffer.

Das "Ledo" war in diesem Jahr für den Inklusionspreis NRW nominiert, weil hier seit Ende 2008 ein aktives Zusammenleben von rund 90 Menschen verschiedener Altersgruppen mit und ohne Behinderungen umgesetzt wird. Die behindertengerechte Wohnanlage umfasst 64 Wohneinheiten, einen Gemeinschaftsraum und einen Gemeinschaftsinnenhof. "Barrierefrei - vom Keller bis in die Köpfe" sei das Motto der Bewohner, sagte Gründungsmitglied und Mitbewohnerin Monika Nolte.



Rheinland-Pfalz

Kindertagespflege in Unternehmen bleibt Ausnahme



Die vor drei Jahren in Rheinland-Pfalz gesetzlich erlaubte Anstellung von Tagesmüttern und -vätern in Firmen hat noch keine nennenswerte Verbreitung gefunden. "Das Interesse der Unternehmen an Kindertagespflege in ihren eigenen Räumlichkeiten ist nach allen Informationen, die uns erreichen insgesamt überschaubar geblieben", teilte das zuständige Mainzer Bildungsministerium am 12. Oktober dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit. Dem Land seien aktuell nur drei Arbeitgeber bekannt, die Tagespflegestellen für die Kinder ihrer Mitarbeiter eingerichtet hätten.

Eine umfassende Statistik auf Landesebene existiere jedoch nicht. Einige größere Unternehmen im Land hätten stattdessen Betriebskindergärten eröffnet.

Der rheinland-pfälzische Landtag hatte im Juni 2013 einstimmig beschlossen, dass Tagesmütter und -väter Kinder ab auch am Arbeitsplatz der Eltern betreuen dürfen. Zuvor war Kindertagespflege nur im Haushalt der Betreuungsperson oder in der Wohnung der Eltern zulässig. Die Initiative sollte es mittelständischen Firmen, Altenheimen, Krankenhäusern oder Behörden erleichtern, Angebote zur Betreuung von Mitarbeiterkindern zu machen.




sozial-Branche

Ernährung

Bei vielen Senioren bleibt die Küche kalt




Essen in einem Seniorenzentrum in Berlin.
epd-bild/Jürgen Blume
Ältere Menschen können oder wollen häufig nicht mehr für sich kochen. Deshalb sind viele mangelernährt. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen wirbt deshalb jetzt für mehr gemeinsame Mittagstische.

Ingeborg Schmitz (Name geändert) hat keine rechte Lust mehr, mittags für sich alleine zu kochen. "Meist mache ich mir einfach eine Dose auf", erzählt die Seniorin. Nur freitags ist das anders. Dann geht die Rentnerin regelmäßig zum Mittagessen in die Begegnungsstätte "Offene Tür Dürenstraße e.V." in Bonn Bad Godesberg.

"Hier wird immer frisch und gut gekocht", sagt die Seniorin, während sie an der mit Kerzen und Blumen geschmückten Mittagstafel Platz nimmt. Hauswirtschafterin Marie-Luise Schlotterbeck begrüßt ihre Stammkundin freundlich und bringt ihr gleich einen Teller mit dem Tagesmenü: Kabeljau mit Kräuter-Tomatensauce, Salzkartoffeln und Salat.

Umfrage identifiziert sechs Mittagstische bundesweit

Mittagstische wie den der "Offenen Tür" in Bonn gibt es nach Ansicht der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (Bagso) viel zu wenig. "Da besteht noch ein hoher Bedarf," sagt Anne von Laufenberg-Beermann, Projektleiterin für die Mittagstisch-Aktion. Eine Umfrage des Seniorenverbandes in bundesweit sechs Kommunen zeigte: Viele ältere Menschen ernähren sich einseitig. Das bestätigen auch Erhebungen der Deutschen Gesellschaft für Seniorenberatung, wonach knapp ein Drittel der Senioren nicht in der Lage ist, eine warme Mahlzeit zuzubereiten. Deshalb verzichtet von dieser Gruppe wiederum ein Viertel komplett auf ein warmes Essen.

Die Folge sei Mangelernährung, sagt Ricarda Holtorf von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Bei Senioren sei häufig ein Mangel an Vitamin C, E und D sowie Kalzium festzustellen. "Mit Ausnahme von Vitamin D sind das alles Nährstoffe, die man problemlos über die Nahrung zuführen könnte", sagt Holtorf. Oft fehle es jedoch an ausgewogenen Mahlzeiten mit frischem Gemüse und Obst. Zum Teil liege das auch an der knappen Kasse vieler älterer Menschen, weiß Laufenberg-Beermann. "Und viele Senioren haben auch keine Lust zu essen, weil sie alleine sind."

Mit einer Mittagstisch-Aktionswoche, die noch bis zum 15. Oktober läuft, will die Bagso gleich beide Probleme auf einmal angehen: Gemeinsame Mahlzeiten sollen zum einen als Treffpunkt für ältere Menschen dienen und zum anderen einen Beitrag zur gesünderen Ernährung leisten. Rund 120 neue Anbieter eröffnen in der Aktionswoche ihre Mittagstische. Ihr Start wird vom Bundesernährungsministerium finanziell gefördert.

Essensangebote sind oft nicht wirklich gesund

Bedingung für die Förderung war unter anderem das Angebot einer ausgewogenen, gesunden Mahlzeit. Die Anbieter mussten dazu ihre Rezepte einreichen. Dabei haperte es allerdings häufig. "Rund ein Drittel hat den Vorgaben nicht entsprochen", sagt von Laufenberg-Beermann. Das lag meist daran, dass frisches Gemüse oder ein Salat fehlten. Alle betroffenen Anbieter hätten aber Änderungsvorschläge angenommen und nachgebessert. "Uns hat das gezeigt, dass hier oft noch das Bewusstsein für gesunde Ernährung fehlt."

Auch Ernährungsexpertin Holtorf beobachtet immer wieder, dass die Essensangebote für Senioren oft zu ungesund sind. Häufig enthielten Seniorenmenüs - etwa Essen auf Rädern - zu viel Fleisch, Fett und Salz und zu wenig frisches Gemüse. Ein weiteres Problem seien lange Warmhaltezeiten, wodurch viele Vitamine verloren gingen. "Der Bereich Seniorenernährung steckt noch in den Kinderschuhen. Es gibt noch ganz viel zu tun", stellt Holtorf fest. Wünschenswert wäre, dass es mehr kleine Anbieter gebe, die frisch vor Ort kochen.

So wie die "Offene Tür" in Bonn, wo Marie-Luise Schlotterbeck das Tagesgericht für 4,50 Euro frisch zubereitet. "Ohne Instantprodukte und immer mit frischem Gemüse oder Salat", wie sie betont. Den zehn bis 20 Senioren, die jede Woche kommen, schmecke Fisch besonders gut. "Und eine gute, selbst gemachte Sauce dazu." Nachmittags gibt es in der Seniorenstätte ein Stück frisch gebackenen Kuchen und eine Tasse Kaffee für 2,20 Euro. "Das können sich auch Senioren mit kleiner Rente einmal leisten", sagt Schlotterbeck.

Claudia Rometsch


Diakonie

Projekt verschafft Arbeitslosen neue Job-Chancen




Lukas Baum an seinem Arbeitsplatz in der Wäscherei.
epd/Judith Michaelis
Erwerbslosigkeit wird oft über Generationen vererbt. Für Langzeitarbeitslose ist es schwer, einen Job auf dem regulären Arbeitsmarkt zu finden. Ein Diakonie-Projekt in Mönchengladbach zeigt, wie es gehen kann.

Mönchengladbach gehört zu den Städten mit steigender Langzeitarbeitslosigkeit. Manche Familien beziehen bereits in vierter Generation Sozialleistungen, Experten sprechen von einer "sozialen Vererbung der Arbeitslosigkeit". Lukas Baum ist einer der Menschen in der Stadt am Niederrhein, die in ärmlichen Verhältnissen aufwuchsen. Genau wie bei anderen Betroffenen sah es für ihn so aus, als fände sich kein Weg heraus. Doch jetzt hat er neue Hoffnung - dank eines Projekts des Diakonie-Integrationsunternehmens "Neue Arbeit".

"Ich habe die Hauptschule nach zehn Jahren mit dem Abschluss der Klasse 7 verlassen", erzählt der 24-Jährige. Nach der Schule vermittelte das Arbeitsamt den Jungen in eine sogenannte berufsvorbereitende Maßnahme. Es folgten ein Jahr in einer Jugendförderwerkstatt, wo Lukas den Hauptschulabschluss nachholte, und zwei Jahre Ausbildung zum Fachlageristen. "Eigentlich wollte ich Koch werden, aber das ist wegen meiner Größe schwierig", sagt der junge Mann, der mehr als zwei Meter misst.

70 Bewerbungen, 70 Absagen

Als Lagerist verschickte Baum mehr als 70 Bewerbungen und bekam fast ebenso viele Absagen. "Ich hatte auch ein paar Vorstellungsgespräche, aber die Stellen habe ich nicht bekommen", berichtet der Mönchengladbacher und fügt hinzu: "Ich denke, das hat mit meinem Aussehen zu tun." Baum ist nicht nur auffallend groß, er ist auch übergewichtig. Sieben Monate war der junge Mann, der bei seiner Mutter lebt, arbeitslos. Das Bett, das Fernsehgerät und die Spielkonsole bestimmten in dieser Zeit sein Leben. "Da hab ich mich nicht gut gefühlt", erinnert sich Baum, dessen Selbstbewusstsein schon vorher nicht sehr ausgeprägt war.

Schließlich vermittelte das Jobcenter den jungen Mann in die Radstation des Diakonischen Werks. Baum lernte, Fahrräder zu reparieren, zu warten, zu pflegen. "Das war gut, aber die Stelle war auf ein Jahr befristet." Nun ist Baum in der vierten Maßnahme. Seit Ende 2015 arbeitet er 35 Stunden pro Woche in der Wäscherei, einer Tochterfirma der "Neuen Arbeit - Diakonie Mönchengladbach". Auch wenn es sich wieder um eine öffentlich geförderte Beschäftigung handelt, hat Baum das Gefühl, einen richtigen Job zu haben.

Arbeitsbedingungen sollen realistisch sein

Geschäftsführer Klaus Bamberg legt Wert auf realistische Arbeitsbedingungen. "Wir sprechen hier bewusst von Betrieb und von Mitarbeitern, nicht von Maßnahme und geförderter Beschäftigung", sagt Bamberg. Der Betrieb sei außerordentlich erfolgreich, stellte NRW-Arbeitsminister Rainer Schmeltzer (SPD) kürzlich bei einem Besuch fest. "Sie schaffen es, 36 Prozent ihrer Mitarbeiter, die vorher langzeitarbeitslos waren, in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln." Das liege über dem Landesdurchschnitt.

Schmeltzer nannte das Unternehmen ein Beispiel dafür, wie "mit einer guten Programmatik und zugegebenermaßen viel Geld" Erfolge erzielt werden könnten. Rund 50 Mitarbeiter sind in der Wäscherei der "Neuen Arbeit" beschäftigt, darunter viele alleinerziehende Mütter, die als Teilzeitkräfte arbeiten. In dem Unternehmen, einem der größten und modernsten dieser Art, werden die Textilien von 160 Krankenhäusern und Altenheimen sortiert, gereinigt, gemangelt und gefaltet.

Maximal zwei Jahre können die Mitarbeiter bleiben, dann müssen sie so fit sein, dass sie es in einen regulären Job auf dem Arbeitsmarkt schaffen. Neben fünf Sozialarbeitern, die bei der "Neuen Arbeit" angestellt sind, gibt es Job-Coaches zur Betreuung der Mitarbeiter. Auf 20 Beschäftigte kommt ein Coach.

Soziale Begleitung ist unverzichtbar

"Die soziale Begleitung ist absolut notwendig", sagt Marion Schaefer-Henze, Abteilungsleiterin des Sozialdienstes bei der "Neuen Arbeit". Davon profitiert auch Lukas Baum. "Ich bin Fachlagerist und will in diesem Beruf arbeiten", sagt der 24-Jährige. Er hat in den neun Monaten, die er jetzt in der Wäscherei tätig ist, deutlich an Selbstbewusstsein gewonnen. "Um das zu schaffen, nehme ich jetzt erst mal ab", sagt er.

Statt Cola steht nun die Wasserflasche an seinem Arbeitsplatz, und statt vor dem Fernsehgerät oder der Spielkonsole zu sitzen, geht Baum in seiner Freizeit jetzt oft spazieren. Zum ersten Mal nimmt der Mönchengladbacher sein Leben selber in die Hand.

Stephanie Wickerath


Kirchen

Diakonie fordert schnellere Integration von Flüchtlingen




Sprachkurse für Flüchtlinge werden noch nicht in ausreichender Zahl angeboten.
epd-bild / Karen Miether

Die Diakonie fordert eine schnellere Integration von Flüchtlingen in Deutschland. Spätestens nach drei Monaten sollten alle Zugang zu Sprachunterricht, Ausbildung und Arbeit erhalten, sagte Diakoniepräsident Ulrich Lilie am 13. Oktober nach Abschluss der Konferenz Diakonie und Entwicklung in Dresden. Dies müsse unabhängig von ihrem Anspruch auf Asyl oder ihrer Bleibeperspektive gelten. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass sich Parallelwelten von Migranten entwickeln. Dies werde erheblich mehr Kosten zur Folge haben.

Mit großer Sorge betrachte die Diakonie die Unterscheidung in "gute" und "weniger gute" Flüchtlinge. "Das geht an der Praxis vorbei", sagte Lilie. Nur etwa zehn Prozent der Flüchtlinge fänden wegen hoher Qualifikation sofort Zugang zum Arbeitsmarkt. Bei bis zu 60 Prozent der Geflüchteten werde das etwa sechs Jahre dauern. Aber auch für den verbleibenden Teil müssten Leistungen des Sozialsystems zur Verfügung stehen, so Lilie.

In einer in Dresden verabschiedeten "Erklärung zum gesellschaftlichen Zusammenhalt" heißt es: "Zu Unrecht werden die Flüchtlinge als Ursache schon lange bestehender innergesellschaftlicher Probleme verantwortlich gemacht. Aus dieser Zuschreibung speisen sich in vielen Ländern Abwehr und Gewalt, Hassreden, Rassismus und ausgrenzende, menschenfeindliche Ideologien. Dem treten Kirche und Diakonie gemeinsam mit allen Menschen guten Willens entschieden entgegen."

Insbesondere müssen laut Lilie auf der kommunalen Ebene Begegnungsräume und Dialogmöglichkeiten geschaffen und Unterstützungsangebote gut koordiniert werden. "Geflüchtete brauchen so schnell wie möglich einen sicheren Aufenthaltsstatus, Zugang zu Sprachunterricht, Ausbildung und Arbeit."

Auch der Ausbau individueller Beratung, Ausbildungs- und Arbeitsförderung seien weiter unabdingbar, wenn sozialer Unfriede vermieden werden solle. Und: "Die Traumatisierung vieler Geflüchteter bedarf besonderer Aufmerksamkeit und gezielter Unterstützung bei der Bewältigung."

Die Konferenzteilnehmer wiesen zudem darauf hin, wie wichtig es ist, bestehende soziale Problemlagen in den Aufnahmegesellschaften weltweit von Anfang an mit den Blick zu nehmen. Andernfalls könnten Migration und Zusammenhalt nicht gelingen. Auch müsse die Entwicklungszusammenarbeit mit Herkunftsländern, ebenso wie mit deren Nachbar- und anderen Aufnahmeländern verstärkt werden.

So lange die gewaltigen Unterschiede von Arm und Reich in der Welt fortbestünden, werde es weiter Migrationsströme geben, sagte Claudia Warning von "Brot für die Welt". Das evangelische Entwicklungswerk versuche, Flüchtlingen innerhalb und außerhalb von Lagern beispielsweise in den Nachbarländern Syriens ein Minimum an Lebensmöglichkeiten zu sichern.

Dabei bezögen die Mitarbeiter auch die Bevölkerung der Aufnahmeländer ein, die oft selber in Armut lebe. Diese Hilfe habe mittlerweile das Etikett "Fluchtursachenbekämpfung" bekommen. "Wir tun das aber nicht, damit hier keine Flüchtlinge ankommen, sondern weil jeder ein Recht auf gute Lebensbedingungen hat", betonte Warning.



Krankenkasse

Untersuchung: Halb Deutschland steht unter Druck



Mehr als die Hälfte der Erwachsenen fühlt sich gestresst. Den größten Anteil hat die Arbeit, doch auch die eigenen Ansprüche können dazu führen, dass die Menschen am Ende krank werden. Deshalb schauen die Krankenkassen genauer hin.

Für die meisten Menschen in Deutschland gehört Stress zum Alltag. Nach einer aktuellen Studie der Techniker Krankenkasse (TK) sind die Arbeit und hohe Ansprüche an sich selbst die größten Stressfaktoren. Berufstätige, die auch nach Feierabend und im Urlaub noch erreichbar sein müssen, sind nach der am 12. Oktober in Berlin vorgestellten Stress-Studie 2016 am stärksten unter Druck. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe rief die Arbeitgeber auf, dringend nötige Eholungszeiten der Mitarbeiter zu respektieren.

Die Hälfte der Gestressten hat Rückenschmerzen, ein Drittel fühlt sich erschöpft oder ausgebrannt, fast ebenso viele leiden an Kopfweh, ein Viertel an Bluthochdruck. Probleme haben inzwischen auch viele Menschen damit, sich Ausgleich zu verschaffen.

Bei mehr als einem Drittel kommen nach eigenen Angaben Familie und Freunde zu kurz. Knapp 40 Prozent können auch am Wochenende und fast 30 Prozent selbst im Urlaub nicht mehr abschalten. Jeder Dritte greift zu Alkohol, um sich zu entspannen. Jeder Zweite versucht es mit Sport.

Ständige Erreichbarkeit weitet sich aus

Bei der Vorstellung der Ergebnisse ließ sich der TK-Vorstandsvorsitzende Jens Baas vom früheren Trainer des FC St. Pauli, Holger Stanislawski, begleiten, der heute in Hamburg Geschäftsführer eines großen Supermarkts ist. Während Baas forderte, dass nach der Arbeit auch mal Feierabend und das Handy aus sein müsse, gab Stanislawski einen Einblick, was ein Chef für das Wohlergehen seiner Mitarbeiter tun kann: "Man sollte in der Lage sein, mit seinen Leuten zu reden", sagte er. Wertschätzung, feste Arbeitsverträge und die Berücksichtigung familiärer Pflichten minderten den Stress im Laden.

Die ständige digitale Erreichbarkeit ist ein wachsendes Problem. 28 Prozent der Befragten in der TK-Studie nennen sie als einen der Hauptgründe für ihren anstrengenden Alltag. Ein Drittel der Erwerbstätigen gibt an, sie müssten auch nach Feierabend und im Urlaub erreichbar bleiben. Drei Viertel dieser "Always-On"-Beschäftigten empfinden das als Stress. 40 Prozent führen ein Leben unter Dauerdruck.

61 Prozent der Erwachsenen steht unter Strom

Insgesamt steht mehr als die Hälfte der Erwachsenen (61 Prozent) unter Strom. Jeder Vierte gibt an, häufig gestresst zu sein. Der Studie zufolge steht als Stressfaktor der Job (46 Prozent) an erster Stelle, dann folgen die eigenen Ansprüche (43 Prozent), die Termindichte in der Freizeit (33 Prozent) und schon an vierter Stelle der Straßenverkehr (30 Prozent).

Wie bei ähnlichen Umfragen zeigen sich auch in der TK-Studie Unterschiede bei der Selbsteinschätzung und im Verhalten von Frauen und Männern. Für Männer (54 Prozent) ist eindeutig die Arbeit Stressfaktor Nummer eins. Bei den Frauen sind es hingegen die hohen Ansprüche an sich selbst (48 Prozent).

Berufstätige fehlen wegen psychischer Erkrankungen heute doppelt so viele Tage wie vor zehn Jahren. Vorwiegend Frauen suchen sich inzwischen Hilfe: Im Alter zwischen 25 und 50 Jahren sind sie doppelt so häufig in psychotherapeutischer Behandlung wie Männer.

Auf der Haben-Seite steht der Studie zufolge für sieben von zehn Berufstätigen, dass ihre Arbeit ihnen Freude macht. Nur ein Viertel sieht den Job als reinen Broterwerb. Auch sagen vier von zehn Berufstätigen, dass sie der berufliche Stress eher anspornt.

Pflegeverband nimmt Arbeitgeber in die Pflicht

Der Pflegeverband verweis darauf, dass zu den Spitzenreitern bei den Ausfallzeiten auch die Fachkräfte der Pflege zählten. "Die Krankheitsausfälle sind in den letzten 15 Jahren etwa um 90 Prozent angestiegen. Das ist keine Überraschung, sondern logische Konsequenz der chronischen Überlastung am Arbeitsplatz“, sagt DBfK-Sprecherin Johanna Knüppel. „Jeder Tag Arbeitsunfähigkeit führt zu Mehrarbeit für die verbliebenen Kolleginnen und Kollegen. Das ist ein Teufelskreis, der endlich durchbrochen werden muss."

Umfragen bei Beschäftigten hätten gezeigt, dass sie oft großen Einschränkungen des Privatlebens unterworfen sind und auf Zeiten der Regeneration verzichten müssten: "Wer also als Arbeitgeber in der Pflege Fachkräfte finden und halten will, muss zuallererst für eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sorgen und Erholungszeiten respektieren", sagte Knüppel.

Für die TK-Stress-Studie befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Sommer einen repräsentativen Querschnitt von Erwachsenen über 18 Jahre zu ihrem Stresslevel und ihrem Umgang mit Stress. Gegenüber einer vergleichbaren Befragung aus dem Jahr 2013 ist der Stresslevel nicht gestiegen.

Bettina Markmeyer


Pflegereform

Studie erhellt Folgen für die Heimbetreiber




Blick in einen Flur in einem Altenheim in Halle an der Saale.
epd-bild / Steffen Schellhorn

Der stationären Altenhilfe in Deutschland steht ein einschneidender Wandel bevor. "Wenn zum Jahresbeginn 2017 die Regelungen des Zweiten und Dritten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II und PSG III) vollständig in Kraft treten, wird die umfassendste Reform der Pflegeversicherung seit ihrer Einführung 1994 umgesetzt", betont die Münsteraner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Curacon. Die Folge seien für den Pflegemarkt gravierende Umstellungen, die für die einzelnen Akteure auch wirtschaftliche Unsicherheiten bedeuteten.

Um die Folgen der Reform für die Einrichtungen genauer unter die Lupe zu nehmen, hat Curacon in Zusammenarbeit mit der Universität Bremen im Sommer die Curacon-Studie 2016 erstellt, in der die kurz- und langfristigen Veränderungen für Betreiber stationärer Alteneinrichtungen abgeschätzt und strategische Handlungspotenziale abgeleitet wurden.

Eine Erkenntnis: Als Folge der Reform können stationäre Einrichtungen grundsätzlich Einfluss auf die Höhe ihrer Pflegesätze und damit verbunden auf den zukünftigen einrichtungsbezogenen einheitlichen Eigenanteil nehmen. Dazu können sie einerseits eine Wahl zwischen der bundeseinheitlichen Umstellung nach § 92e SGB XI oder der jeweils landesspezifischen Umstellung nach § 92c SGB XI treffen.

Andererseits kann – unabhängig von dieser Entscheidung – durch die Steuerung der einrichtungsspezifischen Bewohnerstruktur Einfluss auf die Ergebnisse genommen werden. "Die Auswahl der bundeseinheitlichen Umstellungsregelung bedeutet dabei grundsätzlich niedrigere Einnahmen und kann deshalb nur im Kontext des konkreten Marktumfeldes sinnvoll beurteilt werden", heißt es in der Studie. Eine Steuerung der Bewohnerstruktur sei nur in geringem Umfang möglich, lässt in diesem begrenzten Maße aber einen Einfluss auf das Preisniveau der Einrichtung zu, betonen die Experten.

Weiter ist nach den Überleitungsregelungen zu erwarten, dass die Einnahmen stationärer Einrichtungen durch den sogenannten „Zwillingseffekt“ im Zeitverlauf absinken. Dieser kann nun erstmals quantifiziert werden und liegt nach 24 Monaten bei bis zu fünf Prozent des Umsatzes. Aber: Unter Nutzung der landesspezifischen Zuschläge bei Umstellung nach § 92c SGB XI kann dieser Effekt abgemildert werden, so dass Einrichtungen im Mittel für etwa drei Jahre keine Umsatzverluste im Vergleich zum Umstellungszeitpunkt tragen müssen. "Einzelne Einrichtungen müssen jedoch aufgrund der für sie geltenden landesrechtlichen Rahmenbedingungen bereits im ersten Jahr Umsatzeinbußen befürchten."

"Zur Stabilisierung und Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation sollten Einrichtungen nach der Umstellung ein engmaschiges Pflegegradmanagement installieren", raten die Autoren der Studie. Weil eine Höherstufung ab 2017 für Pflegebedürftige und Angehörige keine finanziellen Mehrbelastungen erzeuge, sei ein wesentliches Hemmnis für die pflegeaufwandsadäquate Einstufung der Bewohner beseitigt: "Eine solche Einstufung sorgt dafür, dass die jeweiligen Pflegeaufwände auch entsprechend refinanziert werden."

Weitere Auskünfte zur Studie erteilt Jan Grabow, Tel.: 0211/688759-0, jan.grabow@curacon.de



Pflege

Diakonie fordert bessere Vernetzung bei Sterbebegleitung



Die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe hat sich für eine engere Verzahnung der verschiedenen Akteure im Pflege-, Hospiz- und Palliativbereich ausgesprochen. Häufig kämen todkranke Patienten erst sehr spät in die stationären Hospize, wo sie innerhalb weniger Tage sterben, sagte die Referentin für Ambulante Dienste und Hospize der Diakonie RWL, Ulrike Telgenkämper, zum Welthospiztag am 8. Oktober. Auch ambulante Hospizdienste würden oft spät von ambulanten Pflegediensten informiert, wenn bei einem Patienten eine Sterbebegleitung sinnvoll sei.

In den Ausbau der Sterbebegleitung in Altenheimen müsse deutlich mehr Geld fließen, forderte Telgenkämper. Rund 30 Prozent der alten Menschen sterben im Pflegeheim, dagegen nur vier Prozent in einem Hospiz, wie die Referentin erklärte. Es bestehe die Gefahr, dass Ehrenamtliche aus Hospizdiensten als Pflegekräfte missbraucht würden. Dabei sollten die Ehrenamtlichen ja gerade das mitbringen, was im Pflegealltag oft nicht ausreichend vorhanden sei: Zeit für lange Gespräche und Begegnungen, sagte Telgenkämper.

Dem Ende 2015 verabschiedeten Hospiz- und Palliativgesetz zufolge sind Altenheime zur Zusammenarbeit mit ambulanten Hospizdiensten und Ärzten verpflichtet. Doch laut Diakonie erhalten sie keine Mittel, um mehr Pflegepersonal einzustellen und palliativ weiterzubilden. Das Gesetz soll die pflegerische und medizinische Versorgung am Lebensende verbessern. Dafür erhalten die Einrichtungen und Dienste seit diesem Jahr jährlich 200 Millionen Euro zusätzlich.

Von rund 850.000 Menschen, die jedes Jahr in Deutschland sterben, bekommen laut Diakonie nur 30 Prozent vor dem Tod eine palliative Versorgung, obwohl 90 Prozent diese benötigten. Fast jeder zweite ältere Mensch sterbe in einer Klinik, obwohl nur sechs Prozent der Bundesbürger dort ihre letzten Tage verbringen wollten, hieß es unter Berufung auf eine aktuelle Studie.



Gesundheit

Hospizverband dringt auf Ausbau der ambulanten Versorgung



Die Versorgung sterbenskranker Patienten ist nach Ansicht des Hospiz- und Palliativ-Verbandes Baden-Württemberg in ländlichen Regionen lückenhaft. Vor allem die Schmerzbehandlung sei oft "unzureichend", sagte Verbandsvorsitzende Susanne Kränzle beim zweiten Hospizkongress am 11. Oktober in Stuttgart. Die Allgemeine Ambulante Palliativversorgung sollte bereits bei der Diagnosestellung einer lebensbegrenzenden Erkrankung eingeschaltet werden, forderte sie.

Nach Hochrechnungen der Bundesregierung sei davon auszugehen, dass rund zehn Prozent der sterbenden Menschen eine stationäre Palliativversorgung benötigten, sagte Kränzle. Damit bräuchten fast 90 Prozent Zugang zu einer ambulanten Betreuung im Pflegeheim, Krankenhaus oder zu Hause. Um dies zu erreichen, seien qualitative hochwertige Fortbildungen für Pflegekräfte sowie eine angemessene Bezahlung und mehr Stellen notwendig.

Nur ein bis drei Prozent der Menschen wollten im Krankenhaus sterben, machte Professor Andreas Heller, Vorstand des Instituts für Palliative Care der Uni Klagenfurt, bei dem Kongress mit rund 500 Teilnehmern deutlich. Doch die Realität sehe anders aus. Daher sei es eine große Herausforderung, dass sich auch diese Einrichtungen, die rein organisatorisch gar nicht zum Sterben gemacht seien, grundsätzlich ein humaneres Lebensende zum Ziel setzten.

Die Hospiz-Arbeit dürfe sich nicht auf ihren Erfolgen ausruhen. "Sie ist grau und alt geworden," sagte Heller. Wichtig sei es, jungen Menschen mit ihren Ideen und Netzwerken zuzuhören und auch die Vielfalt der Gesellschaft widerzuspiegeln.

Eva-Maria Armbruster, Vorsitzende der Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg, verteidigte die Krankenhäuser. Auf Wunsch der Politik würden sie bis ins Kleinste durchrationalisiert. "Vieles ist für die Träger gar nicht zu leisten." Doch ihre Erfahrung zeige: Gelinge es, Anfänge einer Hospizkultur in einer Einrichtung zu gestalten, folge oft eine positive Entwicklung, die kaum ich aufzuhalten sei.



Bethel

Fachhochschule der Diakonie feiert zehnjähriges Bestehen



Mit einer Jubiläumsparty feiert die Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld-Bethel am 21. Oktober ihr zehnjähriges Bestehen, teilte die Einrichtung am 10. Oktober mit.

An der Hochschule sind den Angaben nach zurzeit rund 770 Studierende für sieben berufsbegleitende Bachelor- und drei Masterstudiengänge immatrikuliert, die für Führungsaufgaben im Sozial- und Gesundheitsweisen qualifizieren. Hauptgesellschafter sind neben 13 weiteren Gesellschaftern die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel.

Zum Wintersemester 2016/17 werden die FH der Diakonie sowie das Institut für Diakoniewissenschaft und -management der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel räumlich zusammengeführt. Neuer Standort wird nach Angaben Bethels der sanierte Altbau "Haus Groß-Bethel", der bisher als Behinderten-Wohnheim diente. Auf dem "Bildungscampus Bethel" werden künftig rund 1.200 Studierende lernen.



Kirchen

Diakonieklinikum bietet Gebetsraum für Muslime



Das Agaplesion Diakonieklinikum in Rotenburg bei Bremen hat im Eingangsbereich seines Haupthauses einen Gebetsraum für Muslime eingerichtet. Der Raum sei ein Mosaikstein zur Integration, sagte der theologische Direktor des Krankenhauses, der evangelische Pastor Matthias Richter dem Evangelischen Pressedienst (epd).

"Wir sind überzeugt, dass die Achtung vor dem Heiligen und vor der Frömmigkeit anderer Menschen einen wertvollen Beitrag zum gegenseitigen Verständnis und zum friedlichen Miteinander leisten kann", ergänzte Richter. Unabhängig von der bereits existierenden christlichen Kapelle hatten nicht-muslimische Mitarbeiter des Klinikums den Gebetsraums initiiert.

Das Agaplesion Diakonieklinikum in Rotenburg ist eigenen Angaben zufolge mit rund 800 Betten in 23 Fachabteilungen das größte konfessionelle Krankenhaus in Niedersachsen. Es versorgt jährlich mehr als 190.000 Patienten.



Gesundheit

"EnkeApp" soll depressiven Menschen helfen



Mit einer Smartphone-App will die Robert-Enke-Stiftung depressiven Menschen und ihren Angehörigen helfen. Die Anwendung informiere in verständlicher Sprache über die Krankheit, sagte die Vorsitzende der Stiftung, Teresa Enke, am 10. Oktober in Hannover. Sie könne ein erster Anlaufpunkt für Menschen sein, die den Verdacht hegten, sie selbst oder jemand in ihrem Umfeld leide unter psychischen Problemen.

Über eine Beratungshotline könnten Nutzer der App Informationen über Depressionen und Behandlungsmöglichkeiten bei einem Facharzt der Uniklinik Aachen erfragen, hieß es. In einem Quiz könnten sie ihr Wissen testen und in einem "Mood Tracker" die eigenen Stimmungslagen über einen längeren Zeitpunkt eingeben und beobachten. Auch ein von Experten erarbeiteter Selbsttest zur Früherkennung der Krankheit stehe zur Verfügung.

Zudem biete die "EnkeApp" einen Notruf-Button. Dieser könne Suizidgefährdeten die lebensrettende Chance bieten, in letzter Sekunde noch Hilfe zu rufen. Über eine GPS-Lokalisierung könnten Hilfskräfte den Betroffenen sogar finden, wenn dieser nicht mehr in der Lage sei, selbst zu sprechen.

Die App solle dazu beitragen, das Thema Depressionen weiter zu enttabuisieren, sagte Enke. Betroffene seien nicht schwach oder faul, sondern ernsthaft krank. Die Robert-Enke-Stiftung wurde 2010 nach dem Suizid des an Depressionen erkrankten früheren Nationaltorwarts Robert Enke vom Deutschen Fußball-Bund, der Ligaverband und Hannover 96 gegründet.



Kirchen

Diakonie wirbt für Dauerfinanzierung von Familienzentren




Kinder im Berliner Kinder - und Familienzentrum.
epd-bild / Rolf Zöllner

Die württembergische Diakonie fordert die dauerhafte Förderung von Familienzentren. "Wir brauchen eine Familienpolitik, die es auch Menschen in prekären Situationen erleichtert, Kinder gut zu erziehen", sagte Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Württemberg am 10. Oktober in Stuttgart.

Notwendig sei ein mit Kirchen, Kommunen und Verbänden abgestimmtes Landesprogramm, da Angebote leicht zugänglich und vernetzt sein müssen, um individuelle Förderung zu ermöglichen, so Kaufmann. Dazu gehöre auch eine dauerhafte Förderung von Familienzentren. Mit 100 solcher Zentren erreiche Kirche und Diakonie in Württemberg Familien aller sozialen Schichten.

Immer noch bestimme die soziale Herkunft stark die Zukunft junger Menschen, so die Diakonie. Alleinerziehende und Familien mit Migrationshintergrund seien überdurchschnittlich oft von schwierigen Lebens- und Familienverhältnissen betroffen. Die Einführung der Ganztagsschule habe bisher nicht zu den erhofften positiven Effekten bei Kindern aus sozial benachteiligten Familien geführt. Denn Hausaufgabenbetreuung, Freizeitangebote und Mittagessen reichten für diese Familien nicht aus.



Auszeichnung

Diakoniepreis an "Ehrenamt Rückwärts" verliehen



Der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe (BeB) hat das Projekt "Das ‚Ehrenamt Rückwärts‘ hilft der Willicher Tafel" der Lebenshilfe Kreis Viersen ausgezeichnet. Der Verband verleiht seinen "mitMenschPreis" an Projekte und Initiativen, die Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf mehr selbstbestimmte Teilhabe ermöglichen. Die Siegerehrung fand am 11. Oktober in Berlin statt. Insgesamt beteiligten sich 76 Projekte an dem Wettbewerb.

Bei dem Projekt "Ehrenamt Rückwärts" bringen ehrenamtlich Tätige jede Woche Lebensmittel der Willicher Tafel an Bedürftige, die aufgrund einer Krankheit nicht persönlich zur Tafel kommen können. Als Ehrenamtler werden den Angaben nach Bewohner der Wohnstätte "Unser Haus" der Lebenshilfe Kreis Viersen in Willich eingesetzt. Sie können wegen ihrer extremen Verhaltensauffälligkeiten keine Werkstatt für behinderte Menschen besuchen. Damit sie nicht den ganzen Tag in der Wohnstätte zubringen müssen, wurden für sie als Einsatzmöglichkeiten für die Gesellschaft gesucht - also ein "Ehrenamt Rückwärts", wie die Jury erklärte.

Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert. Preisgeld-Stifter ist die Curacon GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.




sozial-Recht

Bundessozialgericht

Hartz IV: Haus nach Auszug der Kinder zu groß




Das Bundessozialgericht präzisierte den Hartz IV-Bezug.
epd-bild / Norbert Neetz
Das Bundessozialgericht hat in zwei Urteilen die Bedingungen für den Hartz-IV-Bezug präzisiert. In einer Entscheidung ging es um die erlaubte Größe eines selbst genutzten Hauses. Im anderen Fall befanden die Richter, dass nur laufende Unterhaltszahlungen bei Hartz-IV-Zahlungen berücksichtigt werden können.

Ein Eigenheim von Hartz-IV-Beziehern kann nach dem Auszug der zuvor dort lebenden Kinder unangemessen groß sein. Jobcenter können dann Hartz-IV-Leistungen nicht mehr als Zuschuss, sondern allenfalls als Darlehen gewähren, urteilte am 12. Oktober das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Das selbst bewohnte Haus sei als Vermögen zu betrachten, das für den Lebensunterhalt eingesetzt werden muss. Einen Auszug aus dem Haus schrieb das BSG den Hartz-IV-Beziehern nicht vor.

Im konkreten Fall bewohnte eine Hartz-IV-Familie mit ihren vier Kindern ein Eigenheim mit einer Wohnfläche von rund 144 Quadratmetern. Als drei der vier Kinder ausgezogen waren, lehnte der Landkreis Aurich die Zahlung von Hartz-IV-Leistungen als Zuschuss ab. Das Eigenheim mit einem Verkehrswert von 132.000 Euro sei für drei Personen zu groß und nach dem Sozialgesetzbuch nicht mehr angemessen.

Wegen seiner Größe zähle es auch nicht mehr zum Schonvermögen. Die Immobilie müsse daher eingesetzt werden, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Hartz-IV-Bezieher könnten daher nur noch Hilfeleistungen auf Darlehensbasis erhalten, erklärte das Jobcenter.

Die Kläger wollten dies nicht einsehen. Als die Familie das Haus bezogen habe, sei dies angemessen gewesen. Dies müsse auch nach dem Auszug der drei Kinder noch gelten.

Dem folgte das BSG jedoch nicht. Entscheidend seien nach dem Gesetz die aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Nach den geltenden Bestimmungen sei für drei Personen eine Wohnfläche von 110 Quadratmetern angemessen. Diese Grenze sei hier weit überschritten.

Nur laufende Unterhaltszahlungen relevant

In einer weiteren Entscheidung legte das BSG fest, dass Hartz-IV-Aufstocker Nachzahlungen beim Kindes- und Ehegattenunterhalt nicht einkommensmindernd geltend machen können. Nur laufende Unterhaltszahlungen können bei Hartz-IV-Leistungen berücksichtigt werden, urteilte Bundessozialgericht.

Geklagt hatte ein von seiner Familie getrennt lebender Vater. Der Mann erhält als Selbstständiger aufstockende Hartz-IV-Leistungen. Für seine Tochter und seine frühere Partnerin konnte er den Kindes- und Ehegattenunterhalt über mehrere Jahre nicht zahlen. Als er den aufgelaufenen, rückständigen Unterhalt begleichen wollte, verlangte er vom Jobcenter, die Unterhaltsschulden von seinen selbstständigen Einkünften abzuziehen. In der Folge hätte er höhere Hartz-IV-Leistungen bekommen.

Das Jobcenter wollte jedoch die Unterhaltsrückstände nicht einkommensmindernd anerkennen. Denn es sei nicht Aufgabe der Behörde oder des Steuerzahlers, Schulden zu übernehmen, erklärte das Jobcenter. Vor dem BSG hatte der Hartz-IV-Bezieher keinen Erfolg. Er habe wegen der Unterhaltsrückstände keinen Anspruch auf höhere Hartz-IV-Leistungen. Nach den gesetzlichen Bestimmungen könnten nur laufende Unterhaltszahlungen einkommensmindernd berücksichtigt werden. Für Unterhaltsrückstände gelte dies nicht.

Az: B 4 AS 4/16 R

Az: B 4 AS 37/15 R und B 4 AS 38/15 R

Frank Leth


Bundesarbeitsgericht

Schwerbehinderte müssen Abschläge bei Betriebsrente hinnehmen



Wenn Schwerbehinderte vor dem 65. Lebensjahr vorzeitig in Rente gehen, sind Abschläge bei der Betriebsrente erlaubt. Dieses Vorgehen stelle keine Benachteiligung aufgrund der Behinderung dar, weil auch nicht behinderte Arbeitnehmer solche Abschläge hinnehmen müssten, urteilte am 13. Oktober das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt.

Im konkreten Fall hatte ein Schwerbehinderter geklagt, der im Alter von 60 Jahren vorzeitig in Altersrente gegangen war. Abschläge bei der gesetzlichen Rente musste er deshalb nicht fürchten. Sein Arbeitgeber hatte aber vertraglich festgelegt, dass alle Arbeitnehmer, die vor dem 65. Lebensjahr in Rente gehen, für jeden Monat 0,4 Prozent an Abschlägen hinnehmen müssen. Für den Kläger kam so eine Kürzung der Betriebsrente in Höhe von 24 Prozent zusammen.

Dies stelle eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung dar, argumentierte der Mann. Das BAG urteilte jedoch, dass dies nicht der Fall sei. Denn von den Abschlägen bei der Betriebsrente seien schwerbehinderte und nicht behinderte Arbeitnehmer in gleicher Weise betroffen. Die Abschläge würden nicht "an die Behinderteneigenschaft knüpfen".

Das hessische Landesarbeitsgericht müsse den Fall aber noch einmal prüfen, insbesondere die Frage, ob der Arbeitgeber auch tatsächlich einen plausiblen Grund hatte, Abschläge bei der Betriebsrentenzahlung vorzusehen.

Az: 3 AZR 439/15



Bundesverwaltungsgericht

Altersgrenze für Verbeamtung ist zulässig



Die Altersgrenze von 42 Jahren zur Verbeamtung in Nordrhein-Westfalen ist verfassungsgemäß. Das Land Nordrhein-Westfalen als Dienstherr habe ein berechtigtes Interesse an einem angemessenen Verhältnis zwischen Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit, urteilte das Bundesverwaltungsgericht am 11. Oktober in Leipzig.

Ausnahmen von der Altersgrenze im Landesbeamtengesetz dienten lediglich dazu, einem Dienstherrn im öffentlichen Interesse zu ermöglichen, einen bestimmten Bewerber zu gewinnen oder zu halten. Ein individuelles Recht des Bewerbers auf eine Ausnahme von der Höchstaltersgrenze bestehe hingegen nicht, hieß es.

Geklagt hatte ein beim Land NRW tarifbeschäftiger Lehrer an einem Berufskolleg. Der 1963 geborene Lehrer hatte 2007 im Alter von 44 Jahren die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt bestanden und zwei Jahre später einen Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe gestellt. Dieser Antrag war mit der Begründung abgelehnt worden, dass die laut damals geltender Laufbahnverordnung geltende Altersgrenze von 40 Jahren bereits überschritten sei.

Dagegen klagte der Mann über mehrere Instanzen hinweg erfolglos. Auch das Bundesverwaltungsgericht hielt die NRW-Laufbahnverordnung für rechtens. Das Bundesverfassungsgericht jedoch urteilte schließlich, dass die Regelung mit den Grundgesetz unvereinbar sei und forderte das Bundesland NRW auf, die Altersgrenze für eine Verbeamtung nicht nur per Verordnung zu regeln, sondern gesetzlich festzulegen. Das Bundesverfassungsgericht überwies die Sache zurück an das Bundesverwaltungsgericht.

Seit Jahresbeginn gilt in NRW nun eine gesetzlich festgelegte Altersgrenze von 42 Jahren für eine Verbeamtung mit umfangreichen Ausnahmeregelungen. Auf dieser neuen Grundlage entschied nun das Bundesverwaltungsgericht im Fall des klagenden Berufskolleglehrers und beurteilte auch die gesetzliche Neuregelung des Landes als verfassungsgemäß. Diese stelle zwar einen Eingriff in die Grundrechte des Bewerbers - Zugang zu öffentlichen Ämtern und Berufsfreiheit - dar.

Vor dem Hintergrund des beamtenrechtlichen Lebenszeitprinzips mit einem angemessenen Verhältnis zwischen der Zeit im Dienst und im Ruhestand sei die gesetzliche Regelung jedoch gerechtfertigt. Zudem habe das beklagte Land NRW seinen Ermessensspielraum für Altfälle in vertretbarer Weise geprüft.

Az: BVerwG 2 C 11.15



Menschenrechtsgerichtshof

Kein Umgangsrecht für Vater um jeden Preis



Gerichte müssen das Umgangsrecht eines getrennt lebenden Vaters mit seinem Kind nicht immer durchsetzen. Das gilt vor allem dann, wenn das Kind den Umgang ablehnt. In solchen Fällen könnten Strafen gegen die Mutter die Mutter-Kind-Beziehung und damit auch das Kindeswohl gefährden, urteilte am 6. Oktober der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Ein mehrjähriger Umgangsausschluss sei aber nicht gerechtfertigt, wenn nicht alle notwendigen Maßnahmen unternommen wurden, um den Kontakt zwischen Vater und Sohn wieder anzubahnen.

Im konkreten Fall bekam ein 44-jähriger Vater aus Köln teilweise recht. Nach der Geburt seines Sohnes im Jahr 1998 hatten sich die Eltern ein Jahr später getrennt. Die Mutter verweigerte vollständig den Kontakt zwischen Vater und Sohn.

Ein gegen die Mutter verhängtes Bußgeld in Höhe von 3.000 Euro wegen einer vorherigen Umgangsvereitelung hob das Oberlandesgericht Köln wieder auf. Die Mutter sei wegen psychischer Probleme nicht in der Lage, ihren Sohn auf den Umgang mit seinem Vater vorzubereiten. Als der Junge den Kontakt zu seinem Vater selbst ablehnte, wurde der Umgang für drei Jahre gänzlich ausgeschlossen.

Der EGMR urteilte nun, dass das eines Bußgeldes gegen die Mutter tatsächlich die Mutter-Kind-Beziehung stören und damit das Kindeswohl beeinträchtigen könne. Die Aufhebung des Bußgeldes sei daher nicht zu beanstanden, befanden die Straßburger Richter.

Allerdings hätten die deutschen Gerichte zu schnell den dreijährigen Umgangsausschluss wegen einer psychischen Instabilität des Kindes angeordnet. Behörden und Gerichte hätten vielmehr darauf drängen sollen, dass das Kind in psychotherapeutische Behandlung kommt. Weil dies nicht geschehen sei, wurde das Recht des Vaters auf Privat- und Familienleben verletzt, entschied der EGMR. Ihm stehe daher eine Entschädigung in Höhe von 10.000 Euro zu.

Az.: 23280/08 und 2334/10



Verwaltungsgericht

Glaubenswechsel schützt vor Abschiebung



Ein iranischer Asylbewerber, der in Deutschland vom muslimischen zum christlichen Glauben übertritt, kann damit einen Asylanspruch begründen. Voraussetzung ist, dass der neue Glauben des Flüchtlings tatsächlich Teil seiner religiösen Identität geworden ist, entschied das Verwaltungsgericht Augsburg in einem am 6. Oktober veröffentlichten Urteil. Denn bei einer Rückkehr in den Iran drohe ihm religiöse Verfolgung.

Damit muss das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen zum christlichen Glauben konvertierten Iraner als Flüchtling anerkennen. Der hatte 2012 in Deutschland Asyl beantragt und wechselte die Konfession. Er gab an, dass er sich einer Freien Evangelischen Gemeinde angeschlossen habe. Er besuche regelmäßig den Gottesdienst und helfe bei der Übersetzung in einem Bibelkreis.

Der Asylantrag wurde abgelehnt. Der Kläger habe seine Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft gemacht, hieß es zur Begründung. Das Verwaltungsgericht verpflichtete die Behörde jedoch, den Iraner als Flüchtling anzuerkennen. Der Kläger habe sich "aus innerer Überzeugung dem christlichen Glauben zugewandt" und diesen auch praktiziert. Im Iran drohe ihm wegen des "Abfalls vom islamischen Glauben" "mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit" die Todesstrafe.

Dabei seien im Iran nicht nur zum Christentum konvertierte ehemalige Muslime gefährdet, die eine missionarische Tätigkeit entfalten, so das Verwaltungsgericht. "Eine Verfolgungsgefahr besteht gerade auch für die Angehörigen evangelikaler oder freikirchlicher Gruppierungen, die ihre Abkehr vom Islam dadurch nach außen sichtbar werden lassen, dass sie in Ausübung ihres Glaubens an öffentlichen Riten wie etwa Gottesdiensten teilnehmen wollen", heißt es in dem Urteil.

Az.: Au 5 K 16.30957



Verwaltungsgericht

Rechtssprechung zu syrischen Flüchtlingen bestätigt



Das Verwaltungsgericht Trier bleibt bei seiner Rechtssprechung zum Flüchtlingsstatus syrischer Asylbewerber. Wer illegal aus Syrien ausreise, sich länger im westlichen Ausland aufgehalten und einen Asylantrag gestellt habe, dem stehe wegen drohender politischer Verfolgung im Herkunftsland ein Anspruch auf den Flüchtlingsstatus zu, teilte das Gericht am 10. Oktober in Trier mit.

Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hatte in solchen Verfahren die Berufung zugelassen. Im Kern geht es um die Frage, ob Flüchtlinge aus Syrien aufgrund der illegalen Ausreise, des längeren Auslandsaufenthalts und des gestellten Asylantrags den Flüchtlingsstatus bekommen sollen oder ob ihnen wegen der allgemeinen Bürgerkriegssituation nur subsidiärer Schutz zusteht, da ihnen keine individuelle politische Verfolgung droht. Der subsidiäre Schutz gewährt eine Aufenthaltserlaubnis von einem Jahr, der volle Flüchtlingsstatus drei Jahre.

Aufgrund der Zulassung der Berufung hatte die erste Kammer des Trierer Verwaltungsgerichts ihre Rechtssprechung auf den Prüfstand gestellt. Für Menschen, die aus Sicht der syrischen Sicherheitsbehörden verdächtig sind, droht dem Trierer Gericht zufolge die konkrete Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung.

Der syrische Staat nehme die illegale Ausreise, den Aufenthalt im Ausland und den Asylantrag zum Anlass, eine regierungsfeindliche Gesinnung zu vermuten, begründete Verwaltungsgerichtspräsident Georg Schmidt die Entscheidung des Gerichts, bei der bisherigen Rechtsprechung zu bleiben. Denn wer über den internationalen Flughafen Damaskus zurückreise, dem könnte in Syrien eine oppositionelle Gesinnung zugeschrieben werden.

Auch von nichtstaatlichen Akteuren drohe die politische Verfolgung, betonte Schmidt, der auch Vorsitzender der ersten Kammer des Gerichts ist. Dies schließe derzeit auch eine inländische Fluchtalternative aus.

Az: 1K 5093/16.TR, 1K 5262/16.TR, 1 K 4082/16.TR, 1 K 3707/16.TR




sozial-Köpfe

Scheele soll Weise als BA-Chef folgen




Detlef Scheele
epd-bild / Stephan Wallocha
Detlef Scheele (60) ist am 7. Oktober vom Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit (BA) als Nachfolger von Frank-Jürgen Weise vorgeschlagen worden. Der SPD-Politiker soll das Amt im April nächsten Jahres übernehmen.

Scheele ist seit Mitte Oktober 2015 Mitglied des BA-Vorstandes und zuständig für den Bereich Arbeitsmarkt. Neues Mitglied im BA-Vorstand wird Valerie Holsboer (39), Juristin und derzeitige Hauptgeschäftsführerin der Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss sowie des Bundesverbandes der Systemgastronomie. Holsboer war bis vor kurzem Mitglied im Verwaltungsrat der BA.

Scheele war von 2008 bis 2009 beamteter Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, von März 2011 bis Oktober 2015 hatte er das Amt des Hamburger Senators für Arbeit und Soziales inne.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sagte: "Mit Detlef Scheele bekommt die Bundesagentur für Arbeit einen versierten Experten als Vorstandschef, der sowohl die Praxis an der Basis kennt als auch die Gestaltung der Arbeitsmarktpolitik auf Landes- und Bundesebene hervorragend beherrscht." Sie freue sich aber auch, dass mit Valerie Holsboer erstmals eine Frau in den Vorstand aufrücke.

Die oder der Vorsitzende und die übrigen Mitglieder des Vorstands der BA werden auf Vorschlag des Verwaltungsrats von der Bundesregierung benannt. Die Bundesregierung entscheidet über den Vorschlag des Verwaltungsrates per Kabinettbeschluss und leitet den Vorschlag anschließend dem Bundespräsidenten zu. Grundsätzlich beträgt die Amtszeit der Mitglieder des Vorstands fünf Jahre. Mehrere Amtszeiten sind zulässig.



Weitere Personalien



Christian Beuchel (55), Superintendent des Kirchenkreises Wittenberg, und Christoph Stolte (50), Leiter des Diakonischen Werkes - Stadtmission Dresden, sind vom Nominierungsausschuss als Kandidaten für den Vorstandsvorsitz der Diakonie Mitteldeutschland festgelegt worden. Einer von beiden soll die die Nachfolge von Oberkirchenrat Eberhard Grüneberg antreten. Er scheidet zum 1. Juli 2017 aus dem aktiven Dienst aus. Grüneberg führt die Diakonie seit Oktober 2004. Eine Entscheidung fällt auf der Herbsttagung der Landessynode am 17. November in Erfurt. Für die Diakonie Mitteldeutschland arbeiten 30.000 Beschäftigte in mehr als 1.700 Einrichtungen.

Gaby Hagmans, Direktorin des Caritasverbandes Frankfurt, ist in Köln zur Vizepräsidentin des Deutschen Caritasverbandes gewählt worden. Sie folgt auf Edith-Maria Magar, Generaloberin der Waldbreitbacher Franziskanerinnen, die nach zwei Wahlperioden nicht mehr zur Verfügung stand. Hagmans ist die erste Frau an der Spitze der Frankfurter Caritas. Sie übernahm den Leitungsposten am 1. Oktober 2014. Hagmans studierte in Münster und war seit 2003 Bundesgeschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF). Als Vizepräsidenten wiedergewählt wurden Ordinariatsrätin Irme Stetter-Karp, Vorsitzende von IN VIA Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit, und Heinz-Josef Kessmann, Direktor des Caritasverbandes für die Diözese Münster. In dieser Funktion wird Kessmann auch weiterhin den Vorsitz in der Arbeitsrechtlichen Kommission übernehmen. Stetter-Karp hat zudem die Funktion der Gender-Beauftragten des Verbandes inne.

Uwe Mletzko (50), Pastor und Vorstandssprecher der Inneren Mission in Bremen, wird neuer theologischer Geschäftsführer in Niedersachsens größtem Diakonie-Konzern "Diakovere" in Hannover. Er soll seine Arbeit im November aufnehmen. Mletzko ist im Nebenamt auch Vorsitzender des Bundesverbandes der evangelischen Behindertenhilfe (BeB). Der diakonische Großkonzern mit 4.600 Beschäftigten ist ein Gesamtunternehmen der evangelischen Krankenhäuser Annastift, Friederikenstift und Henriettenstift in den Bereichen Krankenhaus, Alten-, Behinderten- und Jugendhilfe sowie Bildung.

Heidi Scheer hat die Leitung des Sozialunternehmens "Papilio" mit Sitz in Augsburg übernommen. Sie tritt an die Stelle der nach einem Unfall gestorbenen Heidrun Meyer. Die Mitglieder des Trägervereins Papilio wählten Scheer, die bis dahin stellvertretende Vorsitzende, jetzt zur neuen geschäftsführenden ersten Vorsitzenden. Als ihr Stellvertreter wurde Hans-Peter Lenhardt nachgewählt, der sich bereits von 2010 bis 2015 im Vorstand engagierte. Als weiterer Stellvertreter ist Donal O’Riada seit 2015 im Leitungsgremium tätig. Scheer ist Pflegewirtin und Kommunikationstrainerin. Sie arbeitete bisher als freie Referentin für Papilio, ist Gründungsmitglied im Verein und bereits seit 2010 ehrenamtlich im Vorstand aktiv.

Dorothee Thiering, Sozialarbeiterin und Beraterin in der Caritas-Fach- und Beratungsstelle Nachtfalter in Essen, ist für zwei Jahre in den Vorstand des bundesweiten Koordinierungskreises gegen Menschenhandel (KOK) gewählt worden. KOK ist als Verein organisiert und bündelt die Interessen von derzeit 37 Initiativen, Trägern und Einrichtungen. Mit im Vorstand sitzen Andrea Hitzke von der Dortmunder Mitternachtsmission und Monika Nürnberger vom Frauentreff OLGA Notdienst in Berlin.

Anke Hassel (51) ist neue wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Die Wissenschaftlerin wechselte von der Hertie School of Governance an die Spitze des WSI. Die Stiftung gewinnt damit eine renommierte Expertin für politische Ökonomie, die Institutionen des Arbeitsmarktes, für Arbeitsmigration, Sozialpolitik und Arbeitnehmerpartizipation mit intensiver Erfahrung in der wissenschaftlichen Politikberatung. Hassel studierte Politik- und Wirtschaftswissenschaften sowie Jura an der Universität Bonn und an der London School of Economics. Im August 2005 wurde sie auf den Lehrstuhl für Public Policy an der Hertie School berufen. Zuvor lehrte und forschte sie an der Jacobs University Bremen, an der Ruhr-Universität Bochum und am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln.

Karl Weber übernimmt im nächsten Jahr die Geschäftsführung der Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke (AKSB). Er folgt auf Lothar Harles, der Ende März in den Ruhestand geht. Weber ist Historiker und Theologe und ist beim Hilfswerk Misereor beschäftigt, dort in der Stabsstelle des Vorstands und Büroleiter des Hauptgeschäftsführers.

Anke Marzi und Manuel Gonzalez haben als neue Doppelspitze die Leitung des Vorstandes des DRK-Landesverbandes Rheinland-Pfalz übernommen. Sie lösten Norbert Albrecht ab, der nach 39-jähriger Arbeit für das Rote Kreuz in den Ruhestand wechselte. Marzi ist nun zusätzlich Vorstandsvorsitzende und Landesgeschäftsführerin. Die Sozialpädagogin ist bereits seit 2012 Geschäftsführerin, im Dienst des Roten Kreuzes steht sie seit 1990. Gonzales ist Betriebswirt und war seit 2006 Interimsgeschäftsführer, seit 2008 war er als Geschäftsführer beim DRK Kreisverband Hochtaunus aktiv.

Gudrun Dreßel hat ihre Aufgabe als hauptamtliche Vorstandssprecherin der Stadtmission Nürnberg übernommen. Sie wurde in einem Gottesdienstes feierlich in ihr Amt eingeführt. Sie tritt die Nachfolge der 2015 gestorbenen Gabriele Sörgel an. Dreßel stammt aus Sachsen, studierte sie in Gießen und Jena Erziehungswissenschaften, Soziologie und Psychologie. Es folgten zwei Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Von 2002 bis zu Juli 2016 war sie in leitenden Funktionen diakonischer Einrichtungen in Thüringen tätig und engagierte sich darüber hinaus in verschiedenen diakonischen und sozialpolitischen Gremien. Zu ihrem Ressort als Vorstandssprecherin gehören die Bereiche Kinder- und Jugendhilfe, Autismus, Seelische Erkrankungen, Sucht und die Öffentlichkeitsarbeit sowie die Zuständigkeit für Spenden und Fundraising.

Martin Vogel (47), Pfarrer und Beauftragter der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) bei den Ländern Berlin und Brandenburg, hat sein Amt als Aufsichtsratsvorsitzende des Vereins Oberlinhaus in Potsdam angetreten. Der bisherige Vorsitzende, Professor Hans Georg Petersen, schied aus Altersgründen aus. Der Verein ist Träger des diakonischen Rehabilitationszentrums Oberlinhaus. Dort arbeiten mehr als 1.800 Mitarbeiter in der Oberlinklinik, dem Berufsbildungswerk, der Oberlinschule, den Werkstätten und anderen Bereichen.

Ulrich Neumann (64), langjähriger Vorsitzender des Caritasrates Gladbeck, ist mit dem Goldenen Kreuz der Caritas ausgezeichnet worden. Er erhielt die Ehrung für seine vielfältigen Verdienste im Verband sowie in der Propsteipfarrei St. Lamberti. Aus gesundheitlichen Gründen hatte Neumann seine Führungsämter bereits im Februar niedergelegt.

Volker Hövelmann, Geschäftsführer des St.-Rochus-Hospitals Telgte und Mitglied im Vorstand der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie, ist zum Gründungsvorsitzenden der Bundesarbeitsgemeinschaft "Medizinische Zentren für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung oder schwerer Mehrfachbehinderung" gewählt worden. Die Interessenvertretung soll ihren Sitz in Berlin haben.

Marianne Gosen aus Brandenburg ist für ihren Einsatz für Geflüchtete als "Ehrenamtlerin des Monats" geehrt worden. Die Auszeichnung wurde der Vorsitzenden des gemeinnützigen Vereins "Hominum International" am 8. Oktober in Luckenwalde überreicht. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bezeichnete Gosen als eine "Netzwerkerin mit großem Herzen". Sie habe es in der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow im Landkreis Teltow-Fläming geschafft, für die Belange der Flüchtlinge soziale Einrichtungen, Gemeinde, Behörden und die Betreiber der Unterkünfte an einen Tisch zu holen.

Norbert Collmar (58) ist als Rektor der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg wiedergewählt worden. Der Senat hat den Theologen und Religionspädagogen für eine dritte Amtszeit als Rektor wiedergewählt. Die neue fünfjährige Amtszeit des Professors dauert bis Ende August 2021. Collmar ist seit Oktober 2007 im Amt.




sozial-Termine



Die wichtigsten Fachveranstaltungen bis Dezember

Oktober

21.-23.10. Frankfurt a.M.:

Seminar "BWL in der Caritas: Vertiefung"

der Fortbildungs-Akademie des Caritasverbandes

Tel.: 0761/200-1700

www.caritas-akademien.de

23.10. Frankfurt a.M.:

Fachtag "Frauen fördern Frauen - Netzwerke für weibliche Führungskräfte in der Caritas"

der Fortbildungs-Akademie des DCV

Tel.: 0761/200-1700

www.fak-caritas.de

24.-25.10. Rummelsberg:

Tagung "Doing Culture II - Diakonische Unternehmenskultur gestalten"

der Führungsakademie für Kirchen und Diakonie

Tel.: 030/204597513

www.fa-kd.de

25.10. Münster:

Seminar "Risikomanagement in Einrichtungen des Gesundheitswesens"

der BPG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Tel.: 0251/48204-12

www.bpg-muenster.de/seminarangebote-bpg-unternehmensgruppe

26.10. Loccum:

Tagung "Linderung von Leid, Schmerz und Angst - Palliativversorgung als interdisziplinäre Herausforderung"

des Zentrums für Gesundheitsethik an der Ev. Akademie Loccum

Tel.: 0511/1241-496

www.zfg-hannover.de

26.-27.10. Nürnberg:

Fachmesse und Kongress "ConSozial 2016"

des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration

Tel.: 09128/502601

www.consozial.de

27.-28.10. Wiesbaden:

Seminar "Beste Aussichten?! - Kompetent älter werden im Beruf"

des SkF Gesamtvereins

Tel.: 0231/55702613

November

1.11. Leipzig:

Fachtag "Rechnungslegung"

der Curacon Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Tel.: 0251/922080

3.11. Köln:

Seminar "Der Krankenhaus-Jahresabschluss 2016 - Aktuelle Entwicklungen und Einzelfragen"

der Solidaris Unternehmensberatung

Tel.: 02201/8997221

www.solidaris.de

8.11. Hannover:

Fachtag "Gemeinnützigkeitsrecht/Steuerrecht"

der Curacon GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

www.curacon.de/fachtagungen

8.11. Ulm:

Symposium "Macht soziale Ungleichheit krank?"

der Fröhliche Management GmbH

Tel.: 040/32318755

www.froehlich-management.com

8.11. Münster:

Seminar "Gründung MVZ an Krankenhäusern"

der BPG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Tel.: 0251/48204-12

www.bpg-muenster.de/seminarangebote-bpg-unternehmensgruppe

8.11. Ulm:

Symposium "Armut - Bildung - Gesundheit"

der Fröhlich Management GmbH

www.froehlich-management.de

9.11. Berlin:

Fachtag "Ambulante Wohnformen: Neue Herausforderungen durch das PSG II"

der Stephanus Stiftung

Tel.: 030/96249113

www.stephanus.org

9.11. Frankfurt a.M.:

Schulung "Aktuelle Rechtsprechung im Arbeitsrecht 2016"

der Arbeitsgemeinschaft caritativer Unternehmen (AcU)

Tel.: 0228/9261660

www.a-cu.de

10.11. Münster:

Seminar "Die Reform des Eingliederungshilfe für behinderte Menschen - Regierungsentwurf Bundesteilhabegesetz"

der BPG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Tel.: 0251/48204-12

www.bpg-muenster.de/seminarangebote-bpg-unternehmensgruppe

12.11. Berlin:

Workshop "Was ist gutes Sterben? zum Umgang mit Idealen und Wünschen im Krankenhaus"

der Evangelischen Akademie zu Berlin

Tel.: 030/203550

www.eaberlin.de

15.-16.11. Loccum:

Tagung "SGB II und Flüchtlinge - Ansätze für eine nachhaltige Integration"

der Evangelischen Akademie Loccum

www.loccum.de

16.-18.11.Berlin:

Symposium "Gelebte Transparenz in Caritas und Diakonie"

des Bundesverbandes der Diakonie und des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0561/703413014

www.vrk.de

18.11. Frankfurt a.M.:

7. Gesundheitsrechtetag

der Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes

Tel.: 06172/12150

www.wettbewerbszentrale.de

20.11. Köln:

Seminar "Fördermittelgewinnung bei Stiftungen"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356159

www.bfs-service.de

Dezember

6.12. Frankfurt a.M.:

Tagung "Von der Zettelwirtschaft zur IT-gestützten Dienstplanung:

2. Personalforum Dienstplanung und Zeitwirtschaft"

des Verbandes Diakonischer Dienstgeber in Deutschland

Tel.: 030/884717013

www.v3d.de