sozial-Politik

Schweiz

Schlaraffenland dank Grundeinkommen?




Seit Jahren fordern Aktivisten, wie hier in Hamburg 2013, das Grundeinkommen.
epd-bild / Norbert Neetz
Der Schweiz geht es gut, betonen viele Beobachter in den Nachbarstaaten. Die Eidgenossen könnten es bald noch besser haben: Sagen sie in einer Volksabstimmung Ja zu einem Grundeinkommen, muss der Staat jedermann monatlich mehr als 2.200 Euro zahlen.

So richtig beklagen können sich die meisten Schweizer nicht - zumindest dann nicht, wenn es ums Geld geht. Steuerlast und Arbeitslosenrate liegen seit Jahren weit unter dem europäischen Durchschnitt, Löhne und Gehälter überragen weit den europäischen Durchschnitt. Dennoch: Der Basler Unternehmer Daniel Häni will den Eidgenossen ein noch besseres Leben bescheren: Mit einem staatlich garantierten "Grundeinkommen" von 2.500 Franken - monatlich und ohne Gegenleistung.

Selbst die Gewerkschaften sind dagegen

Am 5. Juni werden die Schweizer über den revolutionären Plan entscheiden: Die Eidgenossenschaft ist nach Angaben Hänis "das erste Land, das über ein bedingungsloses Grundeinkommen abstimmt". Der neue Artikel 110a in der Verfassung soll die wichtigsten Bestimmungen bündeln: "Der Bund sorgt für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens."

Während Regierung, Parlament, die Wirtschaft und selbst der Schweizerische Gewerkschaftsbund die Idee ablehnen, löst das utopische Konzept vor allem bei Querdenkern Zustimmung aus. Nicht nur in der Schweiz. Der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis sagte in einem Interview: "Die Schweiz ist ideal für Experimente mit dem Grundeinkommen." Das Votum der Eidgenossen wird in jedem Fall Signalwirkung haben - egal ob die Eidgenossen die Pläne verwerfen oder gutheißen. Auch in anderen Staaten wie Deutschland wird das Grundeinkommen diskutiert.

Riesige Umverteilungsmaschine

Den Plänen zufolge soll jeder Erwachsene 2.500 Schweizer Franken (rund 2.260 Euro, Stand 6.5.2016) erhalten - Schweizer und Ausländer sollen in den Genuss der Gabe kommen. Pro Kind soll der Staat rund 625 Franken (565 Euro) auf das Konto der Eltern überweisen.

Ein Beispiel: Verdient ein Versicherungsangestellter bisher 6.000 Franken pro Monat brutto, so hat er diesen Betrag auch künftig zur Verfügung. Jedoch kommen die ersten 2.500 Franken vom Staat. Die restlichen 3.500 Franken zahlt weiter der Arbeitgeber. In der Folge käme eine riesige Umverteilungsmaschinerie in Gang. Zwar würde die zu zahlende Lohnsumme für die Firmen schrumpfen. Aber: Der Staat müsste über höhere Steuern das Geld für das Grundeinkommen erst einmal hereinholen - auch bei den Firmen. Die Befürworter versprechen jedoch: Das Grundeinkommen ist ein "Nullsummenspiel”. Mit anderen Worten: Das nötige Geld ist in der reichen Schweiz vorhanden, der Staat muss es nur gerechter verteilen.

Das Grundeinkommen soll andere staatliche Zahlungen wie Arbeitslosengeld ersetzen, nur individuell höhere Ansprüche als das Grundeinkommen bleiben bestehen. "Das Grundeinkommen ist keine Bezahlung, kein Lohn. Es ist an keine Gegenleistung geknüpft", erläutert der Vordenker Häni. Das Grundeinkommen versteht er vielmehr als ein "wirtschaftliches Bürgerrecht, das ein menschenwürdiges Leben" ermögliche.

"Es ist für alle besser, wenn die Existenz von allen gesichert ist und die Leute auf dieser Basis eigenverantwortlich tätig sind", erläutert Häni. Das bedingungslose Grundeinkommen sei die beste Investition, um die Angst aus der Gesellschaft zu bringen. Angst lähme "den Menschen und ist der unproduktivste Faktor, den wir haben".

"Grundeinkommen spaltet die Gesellschaft"

Die Regierung aber befürchtet: Das Grundeinkommen spaltet die Gesellschaft. Jedermann erhielte eine Unterstützung, "auch ohne einen Beitrag an die Gesellschaft zu leisten", erläutert Innenminister Alain Berset. "Das würde das Gerechtigkeitsempfinden vieler verletzen und damit den sozialen Zusammenhalt gefährden."

Zudem zielen die Gegner des Grundeinkommens auf die ungeklärte Finanzierung. Das benötigte Geld könnte der Staat nur mit "exorbitanten Steuersätzen von 70 bis 100 Prozent" hereinholen, warnt der Ökonom Reiner Eichenberger von der Universität im Schweizer Freiburg. "Unter diesen Umständen muss man die Menschen zur Arbeit zwingen. Das braucht einen Kontrollstaat, und ich kann nicht verstehen, wie freiheitsliebende Menschen so etwas wollen." Letztlich führe das Grundeinkommen in die "Sklaverei".

Jan Dirk Herbermann


Armut

Pro und Kontra: Bedingungsloses Grundeinkommen




Kleiderausgabe in der Tagesstätte für Wohnungslose Diakoniezentrum Weser 5 in Frankfurt.
epd-bild / Thomas Lohnes
Ein fester Betrag, den der Staat jedem Bürger überweist: Das sieht das Bedingungslose Grundeinkommen vor. Die Schweizer stimmen am 5. Juni darüber ab. Wäre das sinnvoll? Argumente von den Wissenschaftlern Michael Opielka und Christoph Butterwegge.

Die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens ist, dass jeder Bürger vom Staat einen festen Betrag erhält - ohne Gegenleistung und unabhängig vom Bedarf. Die Schweizer stimmen nun darüber ab, ob jeder ein solches Einkommen in Höhe von 2.500 Franken bekommt. Unumstritten ist: Die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens würde eine Gesellschaft stark verändern. Was spricht dafür, was dagegen? Argumente von dem Befürworter Michael Opielka und dem Kritiker Christoph Butterwegge.

PRO

Ungleichheit: Die Erfahrung von sozialer Ungleichheit erzeuge zunehmend Verdruss bei vielen Menschen, sagt der Befürworter Michael Opielka, Professor für Sozialpolitik an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena. "Das garantierte Grundeinkommen würde zumindest die Ungleichheit im unteren Einkommensbereich wirkungsvoll bekämpfen, weil es das beste Mittel im Kampf gegen Armut ist." Niemand wäre mehr materiell arm, wenn das Grundeinkommen etwa so viel betrage wie die heutige Armutsgrenze, also rund 1.000 Euro für einen Erwachsenen, erläutert Opielka.

Gefühl von Sicherheit: "Immer mehr Menschen haben das Gefühl, dass es ihnen in Zukunft nicht besser gehen wird. Sie fühlen sich unsicher", sagt Opielka. Das Grundeinkommen sei ein Sicherheitsversprechen. "Das war auch bisher die Leistung des Sozialstaats. Aber für die Menschen am unteren Rand gibt es nicht genug Sicherheit. Das würde sich ändern." Es bestehe auch nicht die Gefahr, dass dann viele Menschen nicht mehr arbeiten würden, weil den meisten das Grundeinkommen nicht ausreichen werde, fügt Opielka hinzu: "Aber das Mehr an Sicherheit würde zu mehr Freiheit bei der Arbeit führen."

Impuls für Migrationspolitik: Als weiteres Argument komme hinzu, dass das Grundeinkommen ein Impuls für die Politik wäre, die Einwanderungspolitik auf klare Grundlagen zu stellen, sagt Opielka. "Die Gesellschaft müsste eindeutig klären, wem sie nach welchen Kriterien nur auf Zeit einen Schutz vor Verfolgung gewährt. Und wen sie dauerhaft aufnimmt, dem würde dann auch das Recht auf das Grundeinkommen garantiert."

KONTRA

Gerechtigkeitsverständnis: Jeder Bürger bekommt bei einem Grundeinkommen den gleichen Betrag. "Dahinter steckt ein merkwürdiges Verständnis von Gerechtigkeit", sagt der Kritiker Christoph Butterwegge, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Köln. Er befürchtet, dass ein solches Konzept den Wohlfahrtsstaat zerstören würde: "Bislang gilt in allen Sozialstaaten das Prinzip der Bedarfsgerechtigkeit, wonach viel bekommen soll, wer wenig hat, und wenig, wer viel hat. Ein Multimillionär braucht kein Grundeinkommen, und wenn man es ihm vorenthält oder wegbesteuert, ist es nicht bedingungslos." Folge man der Konstruktionslogik eines Grundeinkommens, dürften daneben keine weiteren staatlichen Leistungen existieren, erläutert Butterwegge. "Auch das wäre höchst ungerecht. Denn besonders arme und kranke Menschen, die nichts hinzuverdienen können, müssten ihren Lebensunterhalt ausschließlich mit dem Grundeinkommen bestreiten."

Finanzierung: Die Finanzierung sei die Achillesferse des Grundeinkommens, sagt Butterwegge. Bei einem Betrag von 1.000 Euro für alle Bürger würde es den Staat rund eine Billion Euro pro Jahr kosten. Das sei mehr als drei Mal so viel, wie bislang der Bundeshaushalt umfasst, und kaum zu finanzieren. Manche Befürworter plädieren dafür, die Verbrauchssteuern zu erhöhen. Butterwegge hält das nicht für sinnvoll: "Damit würde man hauptsächlich die Armen treffen, weil sie ihr ganzes Einkommen in den Alltagskonsum stecken, während die Reichen nur einen geringen Teil ihres Einkommens ausgeben und den Brillantring für die Freundin notfalls in einem anderen Land kaufen."

Kombi-Lohn: Ein Grundeinkommen schaffe faktisch einen Kombi-Lohn für alle, erklärt Kritiker Butterwegge. Geringverdiener würden das Grundeinkommen mit ihrem Lohn aufstocken. "Dadurch würde der Niedriglohnsektor vermutlich größer als heute werden", prognostiziert Butterwegge. Und er gibt zu bedenken: Armut sei immer relativ zu sehen. Wer nur vom Grundeinkommen lebe, sei ein armer Mensch, weil das ja alle Bürger zur Verfügung hätten. "Der entsprechende Basisgeldbetrag wäre dann weniger wert als heute", sagt Butterwegge. "Hieraus würde letztlich doch wieder ein Erwerbszwang resultieren."

Matthias Klein


Bundesregierung

Fördern, Fordern, Flüchtlinge steuern




Ausländische Frauen im Integrationskurs.
epd-bild / Gustavo Alàbiso
Das Bundeskabinett hat am 25. Mai in Meseberg das Integrationsgesetz auf den Weg gebracht. Es steht unter der Überschrift "Fördern und Fordern" und beinhaltet auch Sanktionen für Flüchtlinge, die sich etwa Kursangeboten verweigern.

Das erste Integrationsgesetz ist ein Gesamtpaket mit vielen Regelungen unter der Überschrift "Fördern und Fordern". Die Koalition verspricht Erleichterungen und mehr Angebote zur Integration. Gleichzeitig erwartet sie, das Angebote wahrgenommen werden und droht bei Nichteinhaltung von Pflichten mit Sanktionen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem "Meilenstein", weil erstmals in der bundesdeutschen Geschichte ein Integrationsgesetz geplant ist. Man wolle bei der Integration aus Fehlern der Vergangenheit lernen.

In einer «Meseberger Erklärung» stellt die Koalition auch weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Lage von Flüchtlingen in Aussicht. "Integration ist ein Angebot, aber auch eine Verpflichtung zu eigener Anstrengung", heißt es darin. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), sagte, die Botschaft des Gesetzes sei: "Du musst mitmachen."

epd sozial erläutert die neuen Regelungen im Überblick:

Arbeitsmarktprogramm

Die Bundesregierung will im Programm "Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen" 100.000 Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge schaffen. Ziel ist laut Gesetzentwurf eine "niedrigschwellige Heranführung" an den deutschen Arbeitsmarkt. Gleichzeitig soll die Bundesagentur für Arbeit Flüchtlinge zur Wahrnehmung zumutbarer Jobs verpflichten können. Es drohen Leistungskürzungen, wenn Maßnahmen ausgeschlagen werden. Gewährt würden dann nur noch Leistungen zur Deckung des unmittelbaren Bedarfs und nur als Sachleistungen.

Ausbildungsförderung

Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive sollen künftig Unterstützung bei der Ausbildung erhalten. Begleitende Hilfen oder eine Assistierte Ausbildung können schon nach drei Monaten Aufenthalt bewilligt werden, nach 15 Monaten Berufsausbildungshilfe und Ausbildungsgeld. Diese Angebote gelten bislang in aller Regel nicht für Asylbewerber, die noch im Verfahren sind.

Vorrangprüfung

Die Regelung, wonach Flüchtlinge nur dann einen Job annehmen können, wenn kein geeigneter Bewerber aus Deutschland oder der EU zur Verfügung steht, soll für drei Jahre ausgesetzt werden. Das gilt allerdings nur für Regionen mit unterdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit.

Integrationskurse

Ähnlich wie beim Arbeitsmarktprogramm verspricht die Bundesregierung einen umfangreicheren und früheren Zugang zu Integrationskursen. Gleichzeitig sollen Flüchtlinge zur Teilnahme verpflichtet werden können. Bei einem Verstoß droht auch hier die Kürzung der Sozialleistungen auf das unmittelbar Notwendige.

Sicherheit bei Ausbildung

Flüchtlinge, die einen Ausbildungsplatz haben, sollen für die Dauer der Ausbildung einen sicheren Aufenthaltsstatus bekommen. Werden sie übernommen, bekommen sie nach dem Abschluss für weitere zwei Jahre einen sicheren Aufenthalt. Schließt sich keine Beschäftigung an, gibt es einen sicheren Aufenthalt für ein halbes Jahr zur Arbeitsplatzsuche. Zudem wird die Altersgrenze für den Beginn einer Ausbildung abgeschafft.

Verschärfung beim Daueraufenthalt

Anerkannte Flüchtlinge sollen nicht mehr wie bisher nach drei Jahren automatisch ein Bleiberecht erhalten. Die sogenannte Niederlassungserlaubnis soll es künftig erst nach fünf Jahren geben unter der Voraussetzung, dass hinreichende Sprachkenntnisse (Niveau A2) und die Sicherung des Lebensunterhalts nachgewiesen werden. Nach drei Jahren kann nur noch derjenige den Daueraufenthalt bekommen, der das fortgeschrittene C1-Sprachniveau erreicht und für seinen Unterhalt selbst sorgen kann.

Wohnsitzzuweisung

Mit der sogenannten Wohnsitzauflage soll der massenhafte Zuzug in Ballungsgebiete verhindert werden. Der Gesetzentwurf erlaubt den Ländern, auch für anerkannte Flüchtlinge Regeln zur Wahl des Wohnsitzes zu erlassen, wie sie bislang nur für Asylsuchende im Verfahren gelten. Den Ländern soll dabei freigestellt werden, ob sie konkrete Wohnorte vorschreiben oder umgekehrt den Umzug in bestimmte Städte oder Regionen verbieten. Die Regelung soll auf drei Jahre befristet werden und nicht für Flüchtlinge gelten, die andernorts einen Job, Ausbildungs- oder Studiumsplatz haben.



Bundesregierung

Lehrkräfte bieten fast 12.000 Integrationskurse



Im vergangenen Jahr haben Lehrkräfte, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zugelassen sind, mit insgesamt 11.739 Integrationskursen begonnen. Das teilte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit, berichtete am 23. Mai der Bundestag in Berlin. Die Zahl der neuen Kursteilnehmer gab die Regierung mit 179.398 Personen an. Dazu kamen den den Angaben nach noch 21.197 Zuwanderer, die den Kurs wiederholen.

Die Behörde hat laut Regierung seit 2005 rund 31.300 Lehrkräfte für Integrationskurse zugelassen. In den weitaus meisten Fällen (78 Prozent) werden allgemeine Integrationskurse belegt. Darüber hinaus werden auch Alphabetisierungskurse, Jugendintegrationskurse, Eltern- und Frauenintegrationskurse sowie weitere Spezialkurse angeboten.

2015 kamen die meisten Kursteilnehmer mit rund 34.500 (19,2 Prozent) aus Syrien, gefolgt von Polen mit rund 15.700 Teilnehmern (8,8 Prozent) und Rumänen mit rund 15.400 Teilnehmern (8,6 Prozent). Aus dem Irak stammten rund 4.300 Kursteilnehmer (2,4 Prozent).



Prostitution

Tausende Opfer von Menschenhandel in der EU



Mindestens 16.000 Menschen sind einem EU-Bericht zufolge in den Jahren 2013 und 2014 in der Europäischen Union Opfer von Menschenhandel geworden. Für die beiden Jahre seien 15.846 Betroffene registriert worden, erklärte die EU-Kommission am 19. Mai bei der Vorlage des Berichts in Brüssel. Die Dunkelziffer liege vermutlich weit höher, erklärte die Behörde.

Den größten Anteil machte nach den Angaben Menschenhandel mit dem Ziel der sexuellen Ausbeutung aus. 67 Prozent der Opfer seien davon betroffen gewesen. Sie müssten zumeist in der Sexindustrie arbeiten. Dabei änderten sich die Muster "hin zu weniger sichtbaren Formen von Prostitution". Der Bericht kritisierte Behörden der EU-Staaten. Menschenhandel zum Zweck sexueller Ausbeutung sei bisher "nicht wirksam angegangen worden und hat nicht abgenommen".

Insgesamt seien mehr als Dreiviertel der Opfer des Menschenhandels Frauen gewesen und mindestens 15 Prozent Kinder. Die meisten Opfer mit einer europäischen Staatsangehörigkeit stammten aus Rumänien und Bulgarien sowie den Niederlanden, Ungarn und Polen, führte der Bericht auf. Die Menschen von außerhalb der EU stammten mehrheitlich aus Nigeria, China, Albanien, Vietnam und Marokko. Im selben Zeitraum 2013/2014 wurden dem Bericht zufolge 3.129 Verurteilungen wegen Menschenhandels in der EU registriert.



Statistik

Flüchtlinge im Durchschnitt jung und männlich



Jung, männlich, vorher erwerbstätig, kaum Deutschkenntnisse: Nach einer Analyse des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge über selbst erhobene Daten von Asylantragstellern kann so der durchschnittliche Flüchtling in Deutschland beschrieben werden. Wie aus den am 19. Mai vom Bundesamt in Nürnberg veröffentlichten Daten hervorgeht, waren drei Viertel der 2015 nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge männlich. Gut zwei Drittel (68 Prozent) waren jünger als 33 Jahre alt. Bei Bildung und Erwerbstätigkeit gibt es je nach Herkunftsland und Geschlecht allerdings auch große Unterschiede.

Die Daten stammen aus einer Befragung, an der Asylsuchende beim Stellen des ersten Antrags freiwillig teilnehmen konnten. 73 Prozent beantworteten laut Bundesamt die Fragen nach Bildung und vorheriger Arbeit.

Bei der Befragung gaben 18 Prozent der Asylantragsteller eine Hochschule als höchste besuchte Bildungseinrichtung an, 20 Prozent ein Gymnasium, rund ein Drittel eine Mittelschule und 22 Prozent eine Grundschule. Sieben Prozent haben keine formelle Schulbildung. Während Afghanen, Eritreer, Pakistaner und Menschen aus Westbalkanstaaten ein durchschnittlich geringeres Bildungsniveau haben, sind Syrer und Iraner häufig besser gebildet. 27 Prozent der Syrer und 35 Prozent der Iraner haben demnach eine Hochschule besucht.

Vor der Flucht haben der Kurzstudie zufolge drei Viertel der volljährigen Männer gearbeitet, aber nur ein Drittel der Frauen. Im Durchschnitt sind die Frauen unter den Flüchtlingen auch schlechter gebildet - Ausnahme sind Iranerinnen, die häufiger als ihre männlichen Landsleute angaben, eine Hochschule oder ein Gymnasium besucht zu haben.

Aus den Ergebnissen leitet das Bundesamt besondere Förderbedarfe für die jeweiligen Gruppen ab. Besonders weist die Behörde auf die Bedeutung von Deutsch- und Integrationskursen hin, da nur zwei Prozent der Asylsuchenden laut Befragung Deutschkenntnisse mitbringen. Zudem sollte auf die Bedürfnisse bei Frauen besondere Rücksicht genommen werden, heißt es in der Studie.



Saarland

Angebote für minderjährige Flüchtlinge werden zentralisiert



Das saarländische Sozialministerium plant, neben dem Vorclearing künftig auch das Hauptclearing für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Therapiezentrum Schaumberger Hof zu etablieren. Um die Arbeit der Jugendämter zu unterstützen, sollten dort nun vor allem therapeutische Angebote ermöglicht werden, bevor die Jugendlichen weitergeleitet werden, erklärte Sozialstaatssekretär Stephan Kolling (CDU) am 19. Mai in Saarbrücken.

Bisher fand dort den Angaben zufolge nur das Vorclearing statt, also die Überprüfung des Alters, der Gesundheit und ob es Verwandte gibt.

Die Zentralisierung ist laut Kolling wegen des Rückgangs der Flüchtlingszahlen notwendig. Seit Februar ist das Landesamt für Soziales für die vorläufige Inobhutnahme der minderjährigen Flüchtlinge zuständig. Seitdem wurden den Angaben zufolge 193 Kinder und Jugendliche am Schaumberger Hof in Tholey in Obhut genommen, davon waren 20 Mädchen. 32 Kinder und Jugendliche hätten das Vorclearinghaus selbstständig verlassen. "Wir stellen die Tendenz fest, dass die Jugendlichen nach Frankreich weiterreisen", erklärte Kolling.

Ende April lebten den Angaben zufolge insgesamt 977 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Saarland. Das Saarland hätte nur 807 aufnehmen müssen, betonte der Sozialstaatssekretär. Deswegen müssen die saarländischen Jugendämter aktuellen Berechnungen zufolge erst ab September wieder Kinder und Jugendliche aufnehmen.



Nordrhein-Westfalen

Verbleib von vielen Nordafrikanern unklar



Der Verbleib von vielen marokkanischen und algerischen Flüchtlingen aus Flüchtlingsunterkünften in Nordrhein-Westfalen ist offenbar unklar. Von den Flüchtlingen, die im April im Rahmen einer landesweiten Aktion überprüft wurden, waren oftmals gut ein Drittel oder sogar die Hälfte der zu überprüfenden Menschen nicht vor Ort anzutreffen, wie aus einer am 23. Mai veröffentlichten Antwort von Innenminister Ralf Jäger (SPD) auf eine Kleine Anfrage des CDU-Landtagsabgeordneten Gregor Golland hervorgeht.

Insgesamt wurden bei der Aktion 202 von 680 Menschen der zu überprüfenden Zielgruppe nicht angetroffen. Beispielsweise seien in Neuss 22 von 44 Asylbewerbern aus den beiden Ländern nicht angetroffen worden, obwohl für die Überprüfung bewusst der Tag gewählt worden sei, an dem in den Einrichtungen Zahltag für das Taschengeld war, hieß es. In Duisburg seien 20 von 49 Menschen aus Marokko und Algerien nicht vor Ort gewesen, in Hagen 16 von 42. In Rüthen wurden 13 von 35, in Hamm zwölf von 35 nicht angetroffen. In Rheinberg waren am Tag der Überprüfung 15 von 47 nicht da.

Die Angaben beziehen sich auf den Ausgang einer landesweiten Aktion, bei der am 12. April in insgesamt 33 Einrichtungen in NRW Asylbewerber aus Marokko und Algerien überprüft beziehungsweise durch Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge registriert wurden. 471 Betroffene stellten damals einen Asylantrag, fünf Menschen entzogen sich vor Ort der Registrierung und Antragstellung, 15 Menschen verweigerten sich einer Erfassung. Vier Menschen, deren Fingerabdrücke bereits in nationalen oder internationalen Datenbanken erfasst waren, wurden in Gewahrsam genommen.

Der CDU-Abgeordnete Golland kritisierte, dass Jäger in der Antwort auf seine Anfrage keine Angaben zum Ausgang der Asylverfahren der überprüften Flüchtlinge mache und lediglich auf die Zuständigkeit des Bundesamts für Migration verweise. In der Antwort fehlten auch Angaben zu Abschiebungen beziehungsweise konkrete Ausführungen, wie sich das Land beim Bund für eine Verbesserung der Rückführungsbedingungen in die Maghreb-Staaten einsetzen wolle, beklagte der CDU-Politiker.



Jobintegration

Studie: Ausbildung ist Chance für minderjährige Flüchtlinge



Aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geht hervor, dass Berufsausbildungen sowohl für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge als auch für Ausbildungsbetriebe eine Chance sein können. Den jungen Flüchtlingen erleichtern sie die Integration, für Betriebe mit ihren zunehmenden Schwierigkeiten bei der Besetzung von Ausbildungsstellen erschließen sich neue Potenziale, betonten die Forscherinnen Franziska Schreyer und Angela Bauer am 20. Mai bei der Präsentation ihrer Ergebnisse in Nürnberg.

Die Untersuchung basiert den Angaben nach auf Interviews mit 34 Fachleuten aus dem Bildungssystem, Beratern des vom Bundesarbeitsministeriums und Mitarbeitern von Ausländerbehörden auf der Sachbearbeitungs- und Leitungsebene.

Seit dem Jahr 2008 öffnet Deutschland für viele unbegleitete Minderjährigen schrittweise den Ausbildungsmarkt. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften widmen ihnen hohe Aufmerksamkeit und treten für ihre Integration in Ausbildung ein. In einigen Bundesländern wie Hamburg und Bayern bauen Berufsschulen Angebote auf, die unbegleitete Minderjährige und andere Zugewanderte auf eine Ausbildung vorbereiten. Die Jugendhilfe unterstützt die jungen unbegleiteten Flüchtlinge bei ihrer Integration und Ausbildung.

Problem: Mit der Volljährigkeit fällt diese Unterstützung aber häufig weg. "Diese Begrenzung kann Aufnahme und Verbleib in Ausbildung gefährden. Die interviewten Experten empfehlen eine Unterstützung über die Volljährigkeit hinaus", schreiben die Forscherinnen in ihrer Studie.

Experten beobachten bei vielen der jungen Flüchtlinge große psychische und physische Stärke. Diese könnten ihnen auch bei einer Ausbildung zugutekommen. Je nach Aufenthaltsstatus - als Asylsuchende, Geduldete oder anerkannte Flüchtlinge - haben die Minderjährigen jedoch unterschiedlichen Zugang zu Ausbildung und Ausbildungsförderung. Die IAB-Forscherinnen argumentieren: "Würden die Zugänge weiter erleichtert, wären Betriebe und unbegleitete Minderjährige entlastet. Ausbildung eröffnet den jungen Menschen Perspektiven, selbst wenn sie später in ihre Herkunftsländer zurückkehren."



Berlin

Senat verabschiedet Masterplan Integration



Berlin hat nach wochenlanger Diskussion den Masterplan Integration und Sicherheit auf den Weg gebracht. Zur Integration von Flüchtlingen stehen damit in diesem und dem kommenden Jahr insgesamt 390 Millionen Euro im Land zur Verfügung, sagte Berlins Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) am 24. Mai in Berlin nach der Senatssitzung. Über die im Haushalt 2016/17 bereits eingestellten Mitteln hinaus sollen deshalb für dieses Jahr Mittel in Höhe von 41 Millionen Euro und für 2017 rund 109 Millionen Euro zusätzlich in den Haushalt eingestellt werden.

Zur Gegenfinanzierung der zusätzlichen Mittel setzt der Senat auch auf weitere Zuschüsse vom Bund. Darüber soll auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 16. Juni entschieden werden.

Der Masterplan Integration und Sicherheit soll jetzt dem Abgeordnetenhaus vorgelegt werden. Mit dem Beginn der Umsetzung rechne sie ab August, sagte Kolat. Die Umsetzung soll regelmäßig kontrolliert werden. Der Senat will dem Abgeordnetenhaus jährlich berichten, erstmals zum 31. März 2017.

Im vergangenen Jahr fanden fast 80.000 Flüchtlinge den Weg nach Berlin, weit über 50.000 wurden in der Hauptstadt registriert und aufgenommen. Ein Großteil werde wohl dauerhaft in der Stadt bleiben, heißt es im rund 80 Seiten umfassenden Masterplan.

Schwerpunkte des Integrationsplans sind unter anderem die Sprachförderung und Wertevermittlung. Danach soll jeder Flüchtling einen Sprach- und Wertevermittlungskurs bekommen. Weitere Punkte sind die Integration in den Arbeitsmarkt sowie die Stärkung des subjektiven Sicherheitsgefühls und eine höhere Präsenz der Polizei.

Außerdem sieht der Acht-Stufen-Plan ein Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten vor, in dem alle Bereiche der Ankunft, Leistungsgewährung und Unterbringung der Flüchtlinge gebündelt werden sollen. Die Behörde soll am 1. August dieses Jahres in Betrieb genommen werden. Zudem sollen Flüchtlinge künftig bei ihrer Registrierung ein Informationspaket zur Erstorientierung erhalten. Dieses soll beispielsweise auch Gutscheine für Sprachkurse enthalten.



Kirche

Wirtschaftsexpertin zweifelt an schnellem TTIP-Abschluss



Die Kritiker des umstrittenen transatlantischen TTIP-Abkommens gewinnen nach Einschätzung der Mainzer Volkswirtin Brigitte Bertelmann an Boden. "Bei den Gegnern steigt der Optimismus, bei den Wirtschaftsvertretern der Ärger darüber, dass die angenommenen Chancen von den TTIP-Gegnern kaputt gemacht würden", sagte sie im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Den Ausgang der Verhandlungen hält die Wirtschaftspolitik-Referentin des Zentrums Gesellschaftliche Verantwortung der hessen-nassauischen Landeskirche für derzeit nicht vorhersagbar.

"Dass noch vor den US-Präsidentschaftswahlen und den Wahlen in Deutschland und Frankreich über das fertige Abkommen abgestimmt wird, ist ausgeschlossen", sagte Bertelmann. Selbst für den Fall, dass bald ein fertiger Text vorliege, würden Übersetzungen und Feinabstimmungen noch etliche Monate dauern.

In der Debatte werde vernachlässigt, dass es auch in den USA und Kanada sehr viele kritische Stimmen gebe, sagte die Expertin. Sowohl Hillary Clinton als auch Donald Trump hätten sich distanziert zu TTIP geäußert. Auch deshalb könnten die Verhandlungen womöglich irgendwann auf Eis gelegt werden. Nicht auszuschließen sei aber, dass TTIP letztlich von den Befürwortern gegen alle Bedenken doch noch durchgesetzt werde: "Im Endeffekt könnte es gar nicht mehr vorrangig um Handelserleichterungen gehen, sondern vor allem um geopolitische Aspekte und die Berufung auf 'westliche Werte'."

Die kürzlich von Greenpeace veröffentlichten Geheimdokumente hätten gezeigt, wie weit beide Seiten noch auseinander liegen, sagte die Expertin: "Überraschend deutlich wurde, dass die schwierigen Punkte offenbar ausgeklammert wurden. Da stellt sich wirklich die Frage, ob es sinnvoll ist, etwas zusammen zu zwingen."

Bertelmann äußerte Verständnis für Wirtschaftsvertreter, die Vorteile aus TTIP erwarteten. "Es wird Gewinner geben", sagte sie, "aber es wird auch Verlierer geben. Wir brauchen einen internen Ausgleich für die Verlierer, und ich wäre nicht so optimistisch, dass das gelingt." Die bislang bekanntgewordenen Details hätten sie darin bestärkt, dass die von TTIP ausgehenden Gefahren für Verbraucher, die Demokratie und das Ziel einer gerechten Weltwirtschaft die Vorteile überwiegen. Kategorisch abgelehnt werden müssten private Schiedsgerichte: "So etwas wie eine Paralleljustiz brauchen wir hier überhaupt nicht."

Das landeskirchliche Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung hat sich 2014 einem breiten Bündnis TTIP-kritischer Organisationen angeschlossen und seither eine Reihe von Veranstaltungen zu dem Thema organisiert.



Gesundheit

Ministerin sieht Nachholbedarf beim Impfschutz



Gesundheitsministerin Birgit Hesse (SPD) aus Mecklenburg-Vorpommern hat am 23. Mai die Nationale Lenkungsgruppe Impfen in Schwerin gegründet. Deren Ziel sei es, die Impfraten in Deutschland deutlich zu erhöhen. "In Mecklenburg-Vorpommern haben wir sehr hohe Impfraten. So sind zum Beispiel 96 Prozent aller Schulanfänger gegen Mumps, Masern und Röteln geimpft. Um solche hervorragenden Werte in ganz Deutschland zu erzielen ist es notwendig, Aufgaben und Zielsetzungen der Bundesländer zu koordinieren und gemeinsam zu erarbeiten", sagte Hesse bei der Gründungsveranstaltung.

"Gemeinsam mit Brandenburg erreicht Mecklenburg-Vorpommern als einziges Bundesland die von der WHO geforderten 95 Prozent, die zur Eliminierung von Masern, Mumps und Röteln führen sollen", betonte Hesse. "Aber zwei Bundesländer machen Deutschland noch zu keinem Ort der Impf-Glückseligen. Es gilt, den Impfschutz von Jugendlichen und Erwachsenen zu verbessern."

Eine wichtige Stütze für verbreitetes Impfen sei der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD), vor allem, wenn es um die Absicherung der Schuluntersuchungen oder die Schutzimpfungen von Asylbewerbern geht. Deshalb ist es wichtig, den ÖGD bundesweit zu stärken, sagte Hesse, die in diesem Jahr den Vorsitz der Gesundheitsministerkonferenz aus Bund und Ländern einnimmt.



Berlin

Immer weniger Zwangsräumungen



Zwangsräumungen von Wohnungen in Berlin wegen ausstehender Mietzahlungen sind in den vergangenen drei Jahren offenbar zurückgegangen. So gab es im vergangenen Jahr insgesamt 4.587 von Gerichten terminlich festgelegte Zwangsvollstreckungen, ein Rückgang um mehr als 1.000 seit 2013 (5.631/2014: 5.493), wie die Senatsjustizverwaltung am 20. Mai in Berlin auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus mitteilte. Besonders betroffen waren dabei die Bezirke Mitte und Marzahn-Hellersdorf.

Die Zahl der Räumungsklagen wegen Mietrückständen, die den Bezirken von Zivilgerichten mitgeteilt wurden, ging in den vergangenen drei Jahren ebenfalls zurück. Waren es 2013 noch 8.232 Klagen, wurden im vergangenen Jahr nur noch 6.236 Klagen gezählt (2014: 7.421).



Nordrhein-Westfalen

Psychiatrie-Patienten sollen mehr Rechte erhalten



Nordrhein-Westfalen will die Rechte von Patienten während einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus stärken. Zwangsmaßnahmen dürften künftig nur "ultima ratio", also die absolute Ausnahme und letzte Möglichkeit sein, um Lebensgefahr oder erhebliche Gefahr für sich und andere abzuwenden, erklärte Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) am 25. Mai in Düsseldorf. Das Landeskabinett billigte ihren Entwurf einer Novelle des "Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Erkrankungen (PsychKG)", mit dem sich nun der Landtag befassen muss.

Ziel der Novelle sei es, die Bedingungen, unter denen eine Zwangsbehandlung oder ein Eingriff in die persönliche Freiheit etwa durch Fixierungen oder Isolierungen gerechtfertigt sein können, deutlich einzuschränken, erklärte die Ministerin.

Eine Zwangsbehandlung solle künftig nur noch möglich sein, wenn eine weniger eingreifende Maßnahme aussichtslos ist, der zu erwartende Nutzen die Beeinträchtigungen der Betroffenen deutlich überwiegen und der Versuch vorausging, die Zustimmung des Patienten zu erreichen. Zudem müssten eine Zwangsbehandlung sowie eine länger andauernde Fixierungen zukünftig durch einen richterlichen Beschluss genehmigt werden.

Sozialverbände wie der SoVD NRW begrüßten grundsätzlich die Novelle mit ihren Neuregelungen zur Zwangsbehandlung bei einwilligungsunfähigen Betroffenen. In einer Stellungnahme von Februar kritisierte der Verband allerdings, dass die Novelle keine Perspektive zur Schaffung von vor- und nachsorgenden Hilfen für von Zwangsmaßnahmen bedrohte Menschen enthalte. Es bestehen aus Sicht des Sozialverbandes "erhebliche Zweifel", ob mit der Novellierung das wichtige Ziel zur Reduzierung von Zwangsmaßnahmen erreicht werden kann.



Schleswig-Holstein

Eltern von Krippenkindern um 100 Euro entlastet



In Schleswig-Holstein sollen die Eltern von Krippenkindern im Alter von bis zu drei Jahren ab 1. Januar 2017 um monatlich 100 Euro entlastet werden. Das Landeskabinett (SPD, Grüne und SSW) stimmte am 24. Mai dem entsprechendem Gesetzesentwurf zu. "'Wir wollen in Richtung Beitragsfreiheit gehen", sagte Sozialministerin Kristin Alheit (SPD) am Dienstag in Kiel. Die Erstattungskosten für Eltern werden mit 23,4 Millionen Euro zu Buche schlagen. Nachdem der Landtag das Gesetz beschlossen hat, können nach Alheits Angaben Eltern ab Herbst Anträge stellen.

Während SPD, Grüne und SSW das Vorhaben begrüßten, gab es umgehend Kritik von der Oppositionspartei CDU. Nach den Worten der sozialpolitischen Fraktions-Sprecherin Katja Rathje-Hoffmann sorgt bereits die geltende Sozialstaffel dafür, "dass Bedürftige schon jetzt von Kita-Beiträgen entlastet werden". "Mit dieser Maßnahme wird Steuergeld von unten nach oben verteilt", sagte sie.

Die Sozialministerin stellte weiter einen Schritt des Landes vor, um den Personalschlüssel in der Ganztagsbetreuung für Kinder von drei bis sechs Jahren zu verbessern. Danach soll in den Gruppen mit einer Betreuungszeit von über sieben Stunden der Betreuungsschlüssel von 1,5 auf zwei Fachkräfte pro 20 Kinder angehoben werden. 2016 werden hierfür elf Millionen Euro und für die Jahre 2017 und 2018 jeweils 20 Millionen Euro bereitgestellt, so Alheit.




sozial-Branche

Behinderung

Seit 100 Jahren höhere Bildung für blinde Menschen




Mattheunterricht in der 5. Klasse der Blindenstudienanstalt in Marburg, die in diesem Jahr 100 Jahre alt wird.
epd-bild/Rolf K. Wegst
Mit Bildung für sehbehinderte Heimkehrer aus dem Ersten Weltkrieg fing 1916 alles an. Heute bietet die Deutsche Blindenstudienanstalt viele Chancen. Ihr Gymnasium ist das einzige für Blinde und Sehbehinderte in Deutschland, das zum Abi führt.

Till will später Moderator werden. Er ist schnell im Kopf, formuliert in druckreifen Sätzen und redet wie ein Wasserfall. "Darf ich unser Bohnenprojekt vorstellen? Diese Bohne liegt seit zwei Wochen im Wasser." Er hangelt sich am Regal entlang zur Fensterbank, wo Grünpflanzen aus bunten Töpfen wuchern. "Wir setzen sie später in den Schulgarten, da haben wir Hochbeete. Wir sind viel am Werkeln." Till, zwölf Jahre alt, ist blind.

Er geht in die die fünfte Klasse der Marburger Carl-Strehl-Schule. Das Gymnasium führt als einziges in Deutschland Blinde und Sehbehinderte von der fünften Klasse bis zum Abitur. Die Schule gehört zur Deutschen Blindenstudienanstalt "blista" in Marburg, die in diesem Jahr 100 Jahre alt wird.

Schüler kommen aus ganz Deutschland

Kleine Umfrage in Tills Klasse: Zwei Schüler kommen aus Hessen, zwei aus Baden-Württemberg, einer aus Berlin, einige aus Nordrhein-Westfalen. Esma, ein hellblondes, stilles Mädchen, fährt jeden Morgen 40 Minuten mit dem Taxi zur Schule. Er hatte sogar mal einen Schüler von der Insel Rügen, erzählt Schulleiter Claus Duncker. Am Wochenende reiste er zehn Stunden nach Hause.

Auch Till fährt regelmäßig heim nach Baden-Württemberg. "Die blista ist mein Dritt-Zuhause", sagt er, nach seiner Familie und seinen Großeltern: "Ich habe es mir hier schön eingerichtet." Der Schule angegliedert ist ein Internat. Die Schüler leben in Wohngruppen in der Stadt verteilt. Till liebt die Möglichkeiten der Schule: "Sehr interessant ist auch Deutsch, wir lernen gerade Nacherzählungen."

Am Nachmittag steht sein Lieblingsunterricht auf dem Stundenplan: Reiten. Nachher hat er Schwimmen, außerdem macht er gerade Mobilitätstraining. "Man wird immer selbstständiger", sagt er.

Marburg im Jahr 1912: Der jüdische Augenarzt und Schielforscher Alfred Bielschowsky erhält einen Ruf an die Universität. Zwei Jahre später beginnt der Erste Weltkrieg, der als Geburtsstunde der Massenvernichtungswaffen gilt und ein Heer von Blinden und Verstümmelten zurücklässt. Bielschowsky, Leiter der Augenklinik, richtet Betten für Soldaten ein, die durch Granatsplitter oder Giftgaseinsätze erblindet sind.

Doch das allein reicht nicht, erkennt der Arzt. Viele der jungen Kriegsversehrten standen kurz vor dem Abitur. Der Professor beauftragt den blinden Studenten Carl Strehl, Kurse in Blindenschrift zu geben.

Ziel ist die höhere Bildung für Blinde

"Darum ging es: höhere Bildung für Blinde", sagt die heutige stellvertretende Leiterin der blista, Imke Troltenier. "Bielschowsky war ein Genie, ein genialer Netzwerker." Gemeinsam mit Carl Strehl gründete der Arzt einen Verein blinder Akademiker, dessen Ziel eine Studienanstalt samt Hörbücherei war. Am 17. September 1916 wurde die Deutsche Blindenstudienanstalt gegründet.

In ihr spiegelt sich auch die Geschichte der Bundesrepublik. Behinderte traten immer selbstbewusster auf und forderten Teilhabe. In den 70er Jahren bot die blista die bundesweit ersten Kurse in Mobilität und Orientierung an. Der Bildungsboom brachte höhere Schülerzahlen.

Das Angebot verzweigte sich: Hinzu kamen die Deutsche Blinden-Bibliothek, Fachoberschulen für Wirtschaft und Sozialwesen, ein Wirtschaftsgymnasium und eine Berufsschule für IT-Berufe. Die Reha-Einrichtung der blista unterstützt Blinde und Sehbehinderte von der Frühförderung bis zum Seniorenalter.

Heute gilt die "inklusive Schule" als Ziel, in der behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam lernen. Braucht man da überhaupt noch ein Gymnasium nur für Blinde und Sehbehinderte? Zwar sei in fast allen Bundesländern der Besuch der allgemeinen Schulen der Regelfall, sagt Reiner Delgado, der beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband zuständig für Bildung ist. "Die Schulverwaltung kann aber immer noch sagen: Wir kriegen das hier nicht hin."

Unermüdlicher Kampf gegen Ausgrenzung

Und es gibt auch Gründe, warum für ein Kind der Besuch der blista besser sein kann. "Viele unserer Schüler haben extreme Ausgrenzungserfahrungen gemacht", berichtet Troltenier. Manchmal gebe es sozialen Stress in der Klasse, sagt auch Delgado. Hinzu kommt: "Eltern müssen sich super engagieren, damit es an der Regelschule klappt." Sie müssten zum Beispiel abends noch Texte einscannen oder etwas vorlesen. Nicht jede Familie könne das leisten.

Blista-Schüler machen Experimente in Chemie und Physik, arbeiten mit dem 3-D-Drucker, lernen Klettern, Surfen und Skifahren, machen Klassenfahrten nach Rom. Mehr als zwei Drittel der Schulabgänger schaffen es auf den ersten Arbeitsmarkt. Die Abiturnoten liegen im Bundesschnitt, es gibt Schüler, die eine Eins-Komma-Null im Abi schaffen. "Auch hier gilt: Je besser der Abschluss, desto besser die Möglichkeiten", sagt Schulleiter Duncker.

Stefanie Walter


epd-Gespräch

Lilie: "Umgang mit Hochaltrigen ist Maß für Humanität"




Diakonie-Präsident Ulrich Lilie
epd-bild/Norbert Neetz
Diakoniepräsident Ulrich Lilie fordert eine nachhaltige und flächendeckende Verbesserung der palliativen Versorgung. Das Palliativgesetz aus dem Jahr 2015 sei richtig, aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Die Politik müsse handeln, sagte der Verbandschef im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Gesellschaft werde immer älter, darauf müsse man mit neuen Ideen reagieren. Wie er sich den idealen Pflegemix vorstellt, erläutert Lilie im Interview mit Thomas Schiller.

epd sozial: 2015 hat der Bundestag ein Gesetz zur palliativen Versorgung beschlossen. Können Sie eine erste Bilanz ziehen?

Ulrich Lilie: Wir haben von Anfang an gesagt: Die gesetzliche Neuregelung ist ein richtiger Anfang, aber sie ist wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir brauchen eine nachhaltige und flächendeckende Verbesserung. Wir alle leben in einer immer älter werdenden Gesellschaft. Eigentlich ist das wunderbar. Damit wird aber auch der Kreis von hochaltrigen Menschen mit ihrem höheren Pflege- und Behandlungsbedarf größer. Dazu sind neue Formen von Begleitung nötig.

epd: Kann die Gesellschaft das bezahlen?

Lilie: Wir brauchen neue Modelle für die Refinanzierung von Pflegeleistung, um in Kliniken und Pflegeheimen mehr Kapazitäten und mehr Lebensqualität zu schaffen. Auch das Personal muss sich auf den veränderten Bedarf einrichten: Mehr Menschen leiden an Demenz oder an mehrfachen Erkrankungen.

epd: Woher soll das Geld dafür kommen?

Lilie: Es gibt die Idee einer Teilkaskoversicherung, die ich für interessant halte. Die Humanität einer Gesellschaft bemisst sich daran, wie sie mit ihren Alten und Hochaltrigen umgeht. Diese Menschen stehen nach wie vor im Schatten der gesundheitspolitischen Diskussion. In einer immer älter werdenden Gesellschaft gehört die Frage nach der Lebensqualität unserer Hochaltrigen dringend auf die Tagesordnung.

epd: Wie sieht der Handlungsbedarf praktisch aus?

Lilie: Die sogenannte „Drehtürmedizin“ muss endlich beendet werden. Wir wissen aus Untersuchungen, dass sehr alte Menschen in ihrem letzten Lebensjahr vier- oder fünfmal vermeidbare Krankenhausaufenthalte erleiden müssen, weil im ambulanten Wohnumfeld oder in den stationären Pflegeeinrichtungen die medizinische Versorgung nicht hinreichend gewährleistet ist.

epd: Welche Rolle spielen ambulante Angebote in der Schmerztherapie – können mehr Menschen ihre letzte Lebensphase zu Hause verbringen?

Lilie: Wir leben gerne mobil, immer weniger in familiären Kontexten. Die Single-Haushalte bilden in großen Städten schon deutlich die Mehrheit. Für eine ambulante Begleitung bringt das viele Probleme mit sich. Die Familie ist nicht mehr so häufig in der ersten Verantwortung für die Pflege ihrer Angehörigen. Eine alleinerziehende Mutter, die für den Unterhalt ihrer Kinder sorgen muss, kann schwerlich noch ihre alte Tante pflegen.

epd: Wie wollen Sie das verändern?

Lilie: Wir brauchen neben einer besseren Finanzierung, neuen Konzepten auch eine Renaissance der nachbarschaftlichen Verantwortung. Nötig ist eine bürgerschaftliche Bereitschaft zur gegenseitigen Aufmerksamkeit und Unterstützung. Hier liegt eine große neue Chance für das Zusammenspiel von Kirche und Diakonie. Wir haben mit den Kirchengemeinden ein flächendeckendes Netz von ‚Filialen‘ landauf, landab. Die Gemeinden können gemeinsam mit der Diakonie bürgerschaftliche Angebote und professionelle Hilfsangebote vor Ort verknüpfen.

epd: Bedeutet das den Weg zur zurück zur klassischen Gemeindeschwester?

Lilie: Es gibt wohl kein Zurück in die Zeit, in der in fast jeder Kirchengemeinde eine Diakonisse arbeitete. Aber wir können anknüpfen an die diakonische Verantwortlichkeit der Gemeinden vor Ort. In der Vernetzung von spirituellem Angebot, bürgerschaftlichem Engagement und professioneller Hilfe liegt ein zukunftsfähiger und evangeliumsgemäßer Mix.



Ausstellungen

"Schön bist du"




Die Künstlerin Julia Krahn präsentiert ungewöhnliche Fotos mit behinderten Menschen.
epd-bild/Julia Krahn
Julia Krahn, mehrfach ausgezeichnete Fotokünstlerin, inszeniert eine ungewöhnliche Fotoausstellung mit behinderten Menschen in Göttingen. Titel der Schau, die noch bis zum 22. Juni zu sehen ist: "SchönerHeit".

Der Rollstuhl von Thorsten Föllmer steht nur wenige Meter vom Fotoshooting entfernt. Er selbst kniet auf einem Tierfell, nur mit einem Tuch bedeckt. Auf seinen nackten Rücken sind Federn geklebt, die ihn kitzeln. Insgesamt zwölf Bewohner einer Behinderteneinrichtung in Hannover haben sich vor die Kamera der Fotokünstlerin Julia Krahn gewagt. In eindrücklichen Bildern haben sie das "Hohelied Salomos" aus der Bibel mit seinem zärtlichen und teilweise auch erotischen Inhalt inszeniert. Die Ergebnisse sind seit Donnerstag bis zum 22. Juni erstmals in der Ausstellung "SchönerHeit" in der Göttinger St. Johanniskirche zu sehen.

Vor drei Jahren fand das ungewöhnliche Fotoshooting in der Kapelle des hannoverschen Henriettenstiftes statt. Entstanden sind 26 Aufnahmen, die als Wanderausstellung in den kommenden Monaten auch in Bremerhaven, Hildesheim, Verden und Hannover zu sehen sind.

Biblische Texte in Bilder gewandelt

In einer Szenerie stellt Föllmer den Mann dar, der zu seiner Geliebten aufschaut. "Schön bist du, meine Freundin. Zwei Tauben sind Deine Augen", heißt es in dem biblischen Text. Auf dem mit Moos dekorierten Altarstein über ihm liegt in weiße Tücher gewickelt Sabrina Schmidt und lächelt versonnen. Um ihren Kopf trägt sie eine Krone aus Federn.

Der Kirchenraum ist extra mit zahlreichen Scheinwerfern in sanftes, warmes Licht getaucht. Ein einziger Kamerablitz könnte bei beiden Fotomodellen eine Spastik auslösen. In der Stille ist oft nur das Klicken der Kamera zu hören. "Wunderschön", sagt Fotografin Krahn dann. Über die Gesichter ihrer beiden Fotomodelle huscht ein stolzes Lächeln.

Die in Italien lebende und international ausgezeichnete Fotografin hat für dieses Projekt erstmals mit behinderten Menschen zusammengearbeitet. "Ich möchte an der Schönheit und Fröhlichkeit arbeiten, die ich in ihnen sehe", sagt Krahn. Ziel der Arbeit sei auch, das gängige Schönheitsideal zu hinterfragen. "Die Leute sollen sehen, dass es Menschen sind, und erst auf den zweiten Blick die Krankheit erkennen."

Jede Textstelle mit dem Model besprochen

Mit jedem ihrer körperlich behinderten Fotomodelle hat Krahn vorher ausführlich über die Textstellen gesprochen, und gemeinsam haben sie die jeweilige Szene entwickelt. Zunächst fotografierte Krahn mit einer Digital- oder Polaroidkamera, damit sie das Ergebnis ihren Fotomodellen direkt zeigen konnte. Erst danach entstanden auf Filmrollen die endgültigen Aufnahmen für die Ausstellung, die sie später entwickeln ließ.

Alle Projektteilnehmer leben in Einrichtungen des diakonischen Annastiftes, dem größten Rehabilitationszentrum für körperbehinderte Menschen in Niedersachsen. Für die Bewohner sei es wichtig gewesen, einmal nicht wegen ihrer Behinderung wahrgenommen zu werden, sagte Geschäftsführer Ulrich Spielmann. Bis heute müssten sie um ihre gesellschaftliche Anerkennung kämpfen. "Die Fotografien zeigen uns die einzelnen Menschen, ohne sie zur Schau zu stellen." Gefördert wurde das Projekt von der Anna-von-Borries-Stiftung und der Hanns-Lilje-Stiftung.

Während der Aufnahmen erzählt Sabrina Schmidt, dass sie schon immer einmal Fotomodell sein wollte. Fotografin Krahn drapiert währenddessen Moos um ihren Körper. "Darf ich?", fragt die Fotografin. Schmidt nickt selbstsicher, und Krahn lüftet die Tücher. Für die Darstellung des innigen Liebespaares zeigt sie sich mit nacktem Oberkörper.

Zu der Ausstellung ist auch ein 112 Seiten umfassender Katalog entstanden. Darin hat Schmidt selbst rückblickend nur einen Satz geschrieben: "Das sieht so real aus, ich bin überwältigt." Und Föllmer ergänzt: "Wenn ich das Bild jetzt sehe, dann stelle ich fest, dass es ganz wichtig für mich war und dass sich das gelohnt, wirklich gelohnt hat."

Charlotte Morgenthal


Flüchtlinge

Verein "rubicon" unterstützt homosexuelle Asylbewerber




Beratungsgespräch beim Verein "rubicon" in Köln.
epd-bild/Franziska Jünger
In vielen Ländern Afrikas und Arabiens ist Homosexualität ein Tabu oder steht unter Strafe. Doch für homosexuelle Asylbewerber geht die Diskriminierung in Deutschland oftmals weiter. Der Verein "rubicon" will ihnen ein angstfreies Leben ermöglichen.

Auf den Toiletten sucht man vergeblich nach der Unterscheidung in Damen und Herren. Es ist eines von vielen Beispielen, die veranschaulichen, dass in den Räumen des Kölner Vereins "rubicon" alle gleich behandelt werden - ob lesbisch, schwul, bisexuell, trans- oder intergeschlechtlich (kurz: LSBTI). Was dort zum Grundsatz gehört, ist in den Ländern, aus denen die Besucher kommen, alles andere als selbstverständlich. Die Besucher des offenen Treffs bei Sozialarbeiterin Gema Rodríguez Díaz sind überwiegend Flüchtlinge.

"Die Menschen, die zu uns kommen, sind gleich zwei Mal diskriminiert: einmal durch die Migrationsgeschichte, und dann kommt noch die sexuelle Identität dazu", sagt die Leiterin der Integrationsagentur im "rubicon". Der Verein unterstützt seit 40 Jahren Menschen mit jeder sexuellen Orientierung und ihre Angehörigen dabei, selbstbewusst und angstfrei zu leben. Neben Angeboten etwa für Regenbogenfamilien gibt es seit elf Jahren den offenen Treff "baraka" für Menschen mit ausländischen Wurzeln. Das arabische Wort bedeutet "Segenskraft" und ist auch auf Swahili (Segen) ein positives Wort.

4.000 Beratungsgespräche pro Jahr

Kraft brauchen die Besucher: Die Mitarbeiter im rubicon führen im Jahr über 4.000 Beratungsgespräche mit Menschen aus rund 90 Nationen. "Das Coming-out ist immer noch eines der wichtigsten Themen", stellt Rodríguez Díaz fest. "Es ist immer noch viel Scham, Angst und Hemmung dabei." Die wenigsten Flüchtlinge trauten sich, ihre sexuelle Orientierung als Asylgrund anzugeben. "Egal, woher man kommt, wenn das Umfeld sehr konservativ eingestellt ist, ist ein Coming-out schwierig."

30 bis 40 Männer und Frauen kommen jede Woche, darunter viele Flüchtlinge aus dem arabischen Raum oder afrikanischen Ländern. Die meisten haben in ihrer Heimat schlimme Erfahrungen gemacht, einige wurden sogar gefoltert. Der wöchentliche Treff ist ein Schutzraum. "Viele freuen sich schon darüber, dass sie Leute treffen, denen es genauso geht wie ihnen", sagt Rodríguez Díaz und fügt hinzu: "Die beste Anti-Diskriminierungsmaßnahme ist die Begegnung."

Diskriminierung gegen Andersliebende gebe es auch in der deutschen Gesellschaft und vor allem in den Flüchtlingsunterkünften. "Die Diskriminierung, die sie in der Heimat erlebt haben, erleben sie hier wieder", sagt die Sozialarbeiterin. Neben diesen Erfahrungen belastet die Menschen, die zu "baraka" kommen, häufig ihr ungeklärter Aufenthaltsstatus.

Diese Unsicherheit kennt auch Fatima (Name geändert). Sie kam vor zwei Jahren aus Algerien, das jetzt zu einem sogenannten sicheren Herkunftsland erklärt werden soll. Die junge Frau trägt ein weißes Hemd, Jeanshorts und einen Kurzhaarschnitt. Die Caritas in Köln hatte sie an "rubicon" vermittelt. "Meine Familie, mein Land akzeptiert nicht, dass ich lesbisch bin", sagt sie in gutem Deutsch. "Für mich ist das nicht falsch. Ich kann nicht mit einem Mann sein."

In Algerien hatte sie ihr Bruder mit ihrer damaligen Freundin erwischt. Es folgten Schläge, öffentliche Ächtung und ein Kontaktverbot zu ihrer Freundin. Fatima stand von da an unter ständiger Kontrolle des Bruders, durfte nicht mehr arbeiten und das Haus verlassen.

Das hielt die junge Frau bald nicht mehr aus. Eine Freundin half ihr, ein Visum für Spanien zu kaufen, schließlich kam sie nach Deutschland. "Katastrophe" ist das Wort, das ihr zur Anfangszeit in einem Flüchtlingsheim in Köln einfällt. Obwohl sie ihre sexuelle Orientierung aus Angst verschwieg, wurde sie von anderen Flüchtlingen in der Unterkunft als Lesbe bezeichnet und verächtlich behandelt.

Mitarbeiterin der Diakonie überredete sie zum Bleiben

Nach vier Monaten hielt Fatima es nicht mehr aus und wollte zurück nach Algerien. Beim Ausländeramt sagte sie zum ersten Mal: "Ich bin lesbisch." Eine Mitarbeiterin der Diakonie konnte sie schließlich überreden zu bleiben. Inzwischen lebt Fatima in einer eigenen Wohnung, spielt Fußball und ist glücklich - bis auf die Tatsache, dass sie in Deutschland bisher nicht arbeiten darf. "Ich habe hier jetzt eine Familie", sagt sie mit einem Lächeln. In ihre alte kann sie nicht zurück. "Wenn ich gehe, dann bin ich tot", ist sie sicher. Doch ob Fatima in Deutschland bleiben kann, ist unklar. Die Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge steht noch aus.

Gema Rodríguez Díaz sieht die Politik in der Pflicht: "Mein größter Wunsch wäre, dass wir endlich auf europäischer Ebene LSBTI-Personen als besonders schutzbedürftig eingestuft werden." Die Richtlinien seien längst veraltet. Bis dahin müssen homosexuelle Flüchtlinge wie Fatima hoffen und bangen, dass sie in Deutschland bleiben dürfen - bei ihrer neuen Familie.

Franziska Jünger


Spenden

Prominente unterstützen "Woche des Aufrundens"



Die Spendeninitiative "Deutschland rundet auf" startet vom 6. bis 10. Juni mit Hilfe mehrerer prominenter Unterstützer wieder eine "Woche des Aufrundens". Bundesweit sitzen Ex-Sportler, Sänger, Schauspieler oder Moderatoren ehrenamtlich an den Ladenkassen, um Kunden zum Aufrunden von Cents zu motivieren, wie die Organisatoren am 24. Mai in Berlin mitteilten. Ziel der Geldsammlung sei es, Projekte im Kampf gegen Kinderarmut zu unterstützen.

Seit dem Start der Spendenbewegung im Jahr 2012 haben sich den Angaben nach schon mehr als 120 Prominente aus Sport und Show für arme Kinder eingesetzt. In diesem Jahr sind unter anderem Nadine Angerer, Guido Cantz, Sven Hannawald, Nia Künzer und Marie-Luise Marjan dabei.

Die Idee des Projektes, das unter anderem von Netto, Penny, Kaufland, Reno oder den Toom Baumärkten unterstützt wird: Kunden lassen bei ihren Einkäufen ihren Zahlbetrag aufrunden. So können sie elektronisch maximal zehn Cent für den guten Zweck spenden. Die Beträge fließen dann ohne Abzüge in vorab ausgewählte Projekte. Insgesamt kamen bereits rund 5,2 Millionen Euro für verschiedene Initiativen zusammen.

Aktuell spenden die Kunden für das Förderprojekt "Babylotse". Es bietet unterstützungsbedürftigen Eltern bereits in der Geburtsklinik Hilfen an, die sie benötigen, um das Familienleben mit ihrem Neugeborenen eigenverantwortlich zu meistern. Gebraucht werden den Angaben nach 300.000 Euro, mit denen 2.000 Eltern beraten und unterstützt werden sollen.



Sozialexperten

"Vermögen muss stärker umverteilt werden"



Sozialexperten mahnen Schritte zur stärkeren Umverteilung des Vermögens in Deutschland an. Es müsse mehr Geld für die Schaffung eines sozialen Arbeitsmarktes, für sozialen Wohnraum und inklusive Bildung zur Verfügung gestellt werden, forderte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsbandes, Ulrich Schneider, am 20. Mai in Köln bei der Konferenz "Armut im Rheinland" der Bundestagsfraktion der Linken. "Wir fordern eine rigorose Umverteilungspolitik, die sich einsetzt für die Besteuerung hoher Vermögen und eine stärkere Besteuerung sehr hoher Einkommen."

Der Kölner Sozialwissenschaftler und Bildungsforscher Christoph Butterwegge kritisierte, das Ausmaß der Armut in Deutschland werde häufig nicht wahrgenommen. "In Öffentlichkeit und Medien überwiegt immer noch das Bild einer nivellierten Mittelstandsgesellschaft." Dabei gebe es Regionen wie Köln und Düsseldorf, in denen es großen Wohlstand gebe, aber zugleich die Armut zunehme.

Im Großraum Köln-Düsseldorf, in dem fünf Millionen Menschen leben, stieg die Armut nach Angaben des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes seit 2006 um 31 Prozent auf mittlerweile überdurchschnittliche 16,8 Prozent. Köln liege mit einer Armutsquote von 20,5 Prozent mittlerweile auf dem Niveau des Ruhrgebiets.

Der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich müsse durch eine gerechtere Verteilung von Vermögen entgegengewirkt werden, forderte Butterwegge. Dazu bedürfe es unter anderem einer gerechteren Besteuerung des Erbes großer Vermögen. Butterwegge kritisierte die geplante Erbschaftssteuerreform, bei der sich die Vermögenden dank ihrer stärkeren Lobby durchgesetzt hätten. Es könne nicht angehen, dass Erben großer Konzerne weiterhin erben könnten, ohne einen Cent Erbschaftssteuer zu zahlen.



Umfrage

Mehrheit der Deutschen vertraut auf Hausarzt




Untersuchung der Reflexe beim Hausarzt.
epd-bild / Werner Krüper

Hausärzte sind einer Studie zufolge für die überwiegende Mehrheit der deutschen Bevölkerung zentral für das Gesundheitswesen. So ist es für 91 Prozent der Deutschen wichtig, bei gesundheitlichen Beschwerden einen Hausarzt in der Nähe zu haben, wie aus einer am 23. Mai in Berlin veröffentlichten Forsa-Umfrage im Auftrag des Deutschen Hausärzteverbandes hervorgeht. Für 88 Prozent der Bürger ist die Rolle des Hausarztes als erster Ansprechpartner im Gesundheitssystem entscheidend.

Laut der repräsentativen Umfrage hat fast die Hälfte der Befragten bei einem Termin beim Hausarzt mehrere gesundheitliche Probleme gleichzeitig besprochen (49 Prozent). Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, sieht darin die wichtige Bedeutung der Hausärzte für die Gesundheitsversorgung in Deutschland bestätigt: "Die Hausärzte haben hier eine besondere Rolle, denn sie arbeiten nicht organ- oder krankheitszentriert, sonders ganzheitlich." Dies sei nicht nur ein Garant für eine hohe Qualität, sondern auch besonders effizient.

Entsprechend sei die zentrale Rolle der Hausärzte auch nicht delegierbar, ohne die Qualität der Versorgung massiv zu gefährden, sagte Weigeldt. Der Bundesvorsitzende forderte daher, die hausärztliche Versorgung auch bei der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) prioritär zu behandeln. Schließlich entspreche dies den Bedürfnissen einer älter werdenden Gesellschaft.



Arbeit

Sozialverband fordert Eindämmung prekärer Beschäftigung



Der Sozialverband VdK Deutschland fordert mehr Anstrengungen im Kampf gegen Armut. "Wenn wir die Altersarmut für künftige Generationen vermeiden wollen, dann müssen prekäre Beschäftigungsverhältnisse, wie zum Beispiel Minijobs, die oft genug zur Armutsfalle für Frauen werden, eingedämmt werden", sagte Verbandspräsidentin Ulrike Mascher am 20. Mai in Hannover.

Im Rahmen eines Landesverbandstages sprach sie vor über 200 Gästen aus Politik, Justiz, Verwaltung, Wirtschaft und Verbänden. Unter anderem warb sie für Nachbesserungen im Niedriglohnsektor. "Wir erwarten, dass der gesetzliche Mindestlohn nicht nur bleibt, sondern schrittweise angehoben wird. Er ist ein wichtiges Instrument gegen Armut allgemein und vor allem gegen die zunehmende Altersarmut."

Wie drastisch sich die Schere zwischen Arm und Reich inzwischen geöffnet habe, zeige eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung: Das reichste Prozent der Haushalte in der Bundesrepublik besitze demnach 33 Prozent des Vermögens. Dies könne durch gesetzliche Umverteilungsmechanismen geändert werden: "Wir brauchen auch die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer wie in anderen europäischen Ländern."



Forschung

Wenig Wissen über Migration



Mehrere Migrationsforscher haben ein ernüchterndes Bild vom Wissen über die internationalen Flüchtlingsströme gezeichnet. Der aktuelle Kenntnisstand sei sehr begrenzt, heißt es in einem Artikel der Fachzeitschrift "Science", der am 19. Mai erschienen ist. Frans Willekens vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock betont darin mit drei weiteren Experten, dass der Wissensstand derzeit so begrenzt ist, "dass wir ihn nicht heranziehen können, um Entscheidungen für den Umgang mit den aktuellen Migrationsströmen fällen zu können".

Weiter beklagen die Forscher, dass dieses fehlende Wissen dazu geführt habe, dass ein falsches Bild von dem Ausmaß der aktuellen Migrationen entstanden sei. Die Experten warben dafür, die Forschung auszuweiten, "denn auch für die Politik sind sie von großer Bedeutung". Europa habe natürlich in den vergangenen zwei Jahren einen starken Zustrom von Flüchtlingen erfahren. Gemessen an der Weltbevölkerung ist die Zahl der Menschen, die nach Europa kommen, immer noch gering", sagte Willekens. Dieser Zustrom zeige aber, was Globalisierung bedeute und dass Deutschland und Europa dringend eine Haltung angesichts dieser zunehmend vernetzten Welt finden müssen, so der Wissenschaftler.

Die Forscher stellen zudem fest, dass von den Behörden diejenigen, die das Land wieder verlassen, zahlenmäßig kaum erfasst werden. Willekens: "Diese unvollständigen Informationen führen dazu, dass sowohl die Zahl der Flüchtlinge, als auch die Zahl der hier lebenden Einwanderer im Allgemeinen überschätzt werden."

Insgesamt wisse man viel zu wenig über Migration, um verlässliche Aussagen treffen zu können. Das größte Manko seien die Daten", sagte Willekens. Um das Manko rasch zu beheben, fordern die Wissenschaftler unter anderem, dass die Statistikämter weltweit besser miteinander kooperieren. "Die Daten müssen entsprechend der Empfehlungen der Vereinten Nationen vergleichbar und einfach zugänglich sein."

Die Experten empfehlen außerdem, eine regelmäßige weltweite Erhebung zur Migration einzuführen (World Migration Survey), in der Daten in den Herkunftsländern, den Ankunftsländern und den Transitländern erhoben werden. Vergleichbar große Programme habe es bereits in der Vergangenheit gegeben, wie zum Beispiel das World Fertility Survey. Darin wurden Daten zur Fertilität in der ganzen Welt gesammelt.

Schließlich müssten Migration und Diversität in der universitären Lehre mehr Platz bekommen. "Ziel ist es, Menschen auszubilden, die in der Lage sind die Datensammlung zu begleiten und aus den Ergebnissen politische Handlungsempfehlungen abzuleiten", erläuterte Willekens.

Das MPIDR ist nach eigenen Angaben eine der größten demografischen Forschungseinrichtungen in Europa und zählt zu den internationalen Spitzeninstituten in dieser Disziplin. Es gehört zur Max-Planck-Gesellschaft, einer der weltweit renommiertesten Forschungsgemeinschaften.



Integration

Projekt bereitet Muslima auf Arbeitsmarkt vor



Frauen muslimischer Herkunft finden im Pilotprojekt WoW (With or Without) Hilfe bei der Arbeitssuche. Vor dem Hintergrund der Flüchtlingsbewegungen möchte Initiatorin Lara-Zuzan Golsesorkhi den Teilnehmerinnen mit Informationen und Anstößen den Weg in den Beruf erleichtern. "Es sind nicht nur äußere Merkmale wie das Kopftuch bei einigen Frauen. Schon der Name kann dazu führen, dass Arbeitgeber oder Betriebsräte denken, dass die Frau vielleicht nicht so gut in ihre Firma passt", sagte Golsesorkhi im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Das Startgeld von 20.000 Euro für das erste Projektjahr hat Golsesorkhi bei einem Wettbewerb der Unhate-Stiftung und des United Nations Academic Impact gewonnen. Gesucht wurden Ideen gegen Intoleranz.

WoW steht auf drei Säulen: Die erste ist die Berufsvorbereitung mit Seminaren und Workshops. Hier werden Frauen mit muslimischem Migrationshintergrund darüber informiert, was sie auf dem deutschen Arbeitsmarkt erwartet. Im zweiten Teil spricht das WoW-Team Arbeitgeber in Stuttgart und Umgebung an. Ziel ist es, einen Dialog anzustoßen und ein Netzwerk aufzubauen. Die dritte Säule ist der politische Einsatz für mehr Toleranz, etwa mit Infoständen in der Stadt.



Integration

Verbraucherzentrale bietet Online-Portal für Flüchtlingshelfer



Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen will mit einem neuen Onlineportal für Flüchtlingshelfer die Integration von Flüchtlingen auch in wirtschaftlichen Angelegenheiten verbessern. Viele Flüchtlinge seien zum Beispiel bei der Wahl des richtigen Mobilfunkvertrages häufig überfordert. Deshalb liefen sie überdurchschnittlich Gefahr, unpassende Verträge abzuschließen, berichteten die Verbraucherschützer am 24. Mai in Düsseldorf.

Für die meisten Flüchtlinge in Deutschland stelle mobile Kommunikation, vor allem mit Hilfe von Smartphones, ein hohes Gut dar, weil sie mit der Heimat Kontakt halten könnten, sagte VZ-Vorstand Wolfgang Schuldzinski. Doch sei dabei aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse die Gefahr groß, an ungeeignete Tarifmodelle, unbeabsichtigt erworbene Geräte oder unpassende Vertragsbedingungen zu geraten.

So wurden der Verbraucherzentrale Fälle berichtet, in denen "umtriebige Mitarbeiter" von Telefonshops Flüchtlingen mit dem Versprechen auf ein kostenloses Handy oder Tablet in Verträge mit zweijähriger Laufzeit gelockt haben sollen. Für viele Flüchtlinge sei das neu, weil in den Herkunftsländern zumeist Prepaid-Verträge mit einem vorab aufgeladenen Guthaben gebe, erläuterte Schuldzinski. Das Info-Portal wolle dazu beitragen, dass die Integration bei wichtigen Alltagsfragen wie mobiles Telefonieren, Kontoeröffnung und Zahlungsmodalitäten gelinge.



Deutscher Verein

Flüchtlingskinder dürfen nicht einfach "verschwinden"



Zum "Internationalen Tages des vermissten Kindes" hat der Internationale Sozialdienst (ISD) im Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge mehr Gegenmaßnahmen der Politik angemahnt. Der steigenden Zahl "verschwundener" Flüchtlingskinder müsse rasch entgegengewirkt werden, erklärte die Organisation am 25. Mai in Berlin.

In der täglichen Beratungsarbeit erreichten den ISD immer öfter Suchanfragen aus Deutschland und dem Ausland nach vermissten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Laut Aussage der Bundesregierung wurden im Jahr 2015 knapp 6.000 minderjährige Flüchtlinge dauerhaft als vermisst gemeldet. "Die Erfahrung des ISD zeigt, dass insbesondere eine fehlende bundesweit einheitliche Registrierung ihr Auffinden stark erschwert oder fast unmöglich macht."

"Die Bundesregierung und Bundesländer müssen ihrem Schutzauftrag gerecht werden und Voraussetzungen schaffen, damit Kinder nicht einfach verschwinden", sagte Michael Löher, Vorstand des Deutschen Vereins. Er forderte, ein funktionierendes System der Familienzusammenführung zu etablieren, das eventuelle auch länderübergreifend ist. Zudem sprach sich Löher dafür aus, unbegleitete Minderjährige einheitlich zu erfassen, um so eine gesicherte Datenlage in Deutschland zu schaffen. Dann müsse auch über das Verschwinden von Kindern nicht länger gemutmaßt werden.




sozial-Recht

Landesarbeitsgericht

Unter Druck erzielter Aufhebungsvertrag ist gültig




Manipulationen bei den Pflegezeiten rechtfertigen eine Entlassung.
epd-bild/Werner Krüper
Ein Arbeitgeber hat nach einem aktuellen Gerichtsurteil das Recht, einen Angestellten vor die Wahl zwischen einer fristlosen Kündigung und dem Unterzeichnen eines Aufhebungsvertrages zu stellen.

Eine "widerrechtliche Drohung" des Arbeitgebers liegt nur dann vor, wenn es für die angedrohte Kündigung keine ernsthaften Gründe gibt, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz in einem am 19. Mai veröffentlichten Urteil. Damit gibt es für eine Altenpflegerin, die einen Aufhebungsvertrag unterschrieben hat, kein Zurück mehr.

Die 51-Jährige Frau arbeitete sei 2012 bei einem Pflegedienst. Die Pflegedienstleitung gab genau vor, wo die Altenpflegerin die ambulante Pflege erbringen sollte. In einem mobilen Datenerfassungsgerät dokumentierte die Frau ihre geleistete Arbeit und die dafür erbrachten Zeiten.

Doch dabei nahm sie es nicht sonderlich genau. Der Arbeitgeber stellte fest, dass die Beschäftigte eigenmächtig die vorgegebenen Touren geändert hatte. Die eingegebenen Zeiten wurden so manipuliert, dass Pausen als Arbeitszeit gekennzeichnet wurden. Auch zwei Auszubildende hatte sie zur Falscheingabe überredet.

Der Arbeitgeber stellte die Beschäftigte daraufhin vor die Wahl: Entweder sie unterzeichne einen Aufhebungsvertrag, mit dem das Arbeitsverhältnis "im gegenseitigen Einvernehmen" endet oder sie werde wegen des Arbeitszeitbetrugs fristlos gekündigt. Auch eine Strafanzeige behielt sich der Arbeitgeber vor.

Die Frau unterschrieb die Vereinbarung, wollte davon aber später nichts mehr wissen. Der Aufhebungsvertrag sei nichtig, da ihr der Arbeitgeber mit der Kündigung "widerrechtlich gedroht" habe.

Drohung zulässig

Das LAG hielt den Aufhebungsvertrag über das Ende des Arbeitsverhältnisses für rechtmäßig. Die Abgabe von Willenserklärungen, die widerrechtlich durch Drohungen erreicht worden sind, könnten zwar nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch angefochten werden. Hier sei der Klägerin auch mit einer Kündigung und einer Strafanzeige gedroht worden.

Doch dies war nicht "widerrechtlich", so die Mainzer Richter. "Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung ist widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte", heißt es in dem Urteil. Könne der Arbeitgeber dagegen davon ausgehen, dass die angedrohte Kündigung im Arbeitsgerichtsverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit Bestand habe, sei die Drohung zulässig.

Der Pflegedienst konnte davon ausgehen, dass der dringende Verdacht eines Arbeitszeitbetrugs vorlag. Eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung habe er daher in Erwägung ziehen können. Gleiches gelte auch für die Strafanzeige wegen Betruges.

Az.: 4 Sa 180/15

Frank Leth


Bundesgerichtshof

Nebenkostenerstattung von Hartz-IV-Beziehern nicht pfändbar



Einem überschuldeten Hartz-IV-Bezieher kann nach einem Gerichtsurteil das vom Jobcenter bezahlte Geld zur Erstattung von Heiz- und Nebenkosten nicht gepfändet werden. "Dem Schuldner würden Mittel entzogen, die ihm der Staat aus sozialen Gründen mit Leistungen der Sozialhilfe wieder zur Verfügung stellen müsste", heißt es in einem am 19. Mai vom Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss. Die Erstattung sei daher unpfändbar.

Konkret ging es um einen überschuldeten Hartz-IV-Empfänger aus Leipzig, gegen den ein Zwangsvollstreckungsverfahren lief. Weil der Mann kein Geld hatte, gab er Ende 2013 eine Vermögensauskunft ab.

Damit wollte sich der Gläubiger nicht zufriedengeben. Er forderte eine Korrektur der Auskunft. Denn, so mutmaßte er, der Hartz-IV-Bezieher könne in Zukunft eine Rückerstattung aus geleisteten Heiz- und Nebenkosten erhalten. Um auf das Geld zugreifen zu können, müsse der Arbeitslose Namen und Anschrift seines Vermieters nennen.

Doch der BGH entschied, dass der Gläubiger keine neue Vermögensauskunft verlangen kann. Denn die Heiz- und Nebenkosten seien vom Jobcenter bezahlt worden, befand das Gericht.

Komme es zu einer Erstattung, werde das Geld als Einkommen im darauffolgenden Monat auf die Hartz-IV-Leistungen mindernd angerechnet. Könne das Geld aus der Erstattung dagegen gepfändet werden, würde das zulasten der öffentlichen Kassen gehen.

Az.: I ZB 74/15



Bundesarbeitsgericht

Befristete Anstellung nach Beamtenverhältnis auf Zeit zulässig



Übernehmen öffentliche Arbeitgeber Beamte auf Zeit in ein befristetes Arbeitsverhältnis, liegt damit noch keine unzulässige Doppelbefristung vor. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am 18. Mai veröffentlichten Urteil entschieden und damit den befristeten Arbeitsvertrag einer Kinderärztin am Uniklinikum Magdeburg bestätigt.

Die Ärztin war vom Land Sachsen-Anhalt 1999 in ein Beamtenverhältnis auf Zeit berufen worden. Dies wurde mehrfach verlängert und sollte zuletzt Ende März 2009 auslaufen.

2006 wurde das Universitätsklinikum aber in eine Anstalt des öffentlichen Rechts umgewandelt. Nach dem Ende des befristeten Beamtenverhältnisses bot das Klinikum der Kinderärztin daher eine angestellte Beschäftigung an - befristet auf zwei Jahre bis zum 30. März 2011. Einen Befristungsgrund nennt der Arbeitsvertrag nicht.

Mit ihrer Klage macht die Ärztin daher geltend, die Befristung sei unwirksam. Denn schon das vorausgehende Beamtenverhältnis sei befristet gewesen. Eine weitere Befristung ohne sachlichen Grund sei nicht zulässig.

Wie nun das BAG entschied, zählt das Beamtenverhältnis aber nicht mit. Das Gesetz erlaube eine sachgrundlose Befristung für bis zu zwei Jahre. Diese sei nur ausgeschlossen, wenn mit demselben Arbeitgeber zuvor schon ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Beamte seien aber keine Arbeitnehmer, und das Beamtenverhältnis sei kein "Arbeitsverhältnis" gewesen. Der befristete Arbeitsvertrag sei daher wirksam.

Az.: 7 AZR 712/13



Landessozialgericht

Einfrieren von Ei- oder Samenzellen nicht auf Kassenkosten



Krebskranken Patienten wird das Einfrieren von Ei- oder Samenzellen für eine spätere Befruchtung nicht von ihrer gesetzlichen Krankenkasse bezahlt. Die sogenannte Kryokonservierung ist eine gesetzlich nicht vorgesehene Leistung, die auch als freiwillige "Satzungsleistung" nicht bezuschusst werden darf, entschied das Hessische Landessozialgericht (LSG) in Darmstadt in einem am 18. Mai veröffentlichten Urteil.

Seit 2012 können Krankenkassen in ihren Satzungen freiwillige Satzungsleistungen vorsehen. So soll der Wettbewerb zwischen den Kassen gestärkt werden.

Die klagende Betriebskrankenkasse (BKK) führte daraufhin einen Zuschuss für die Kryokonservierung ein. Da Krebskranke nach einer Chemotherapie ihre Fruchtbarkeit verlieren können, sollten Betroffene vorher noch ihre Ei- und Samenzellen für eine später geplante künstliche Befruchtung einfrieren können. Die BKK wollte hierfür freiwillig einen Zuschuss in Höhe von 1.200 Euro zahlen.

Ebenso wie das Bundesversicherungsamt lehnte nun auch das LSG die entsprechende Satzungsgenehmigung ab. Denn Satzungsleistungen dürften sich nur auf gesetzlich vorgesehene Leistungen beziehen, urteilte das LSG.

Az.: L 1 KR 357/14 KL



Landessozialgericht

Amt darf Sozialhilfekosten nicht auf Krankenkasse abwälzen



Das Sozialamt darf die Kosten für notwendige Krankenbehandlungen nach einem am 19. Mai bekanntgegebenen Gerichtsurteil nur unter engen Voraussetzungen auf die Krankenkasse abwälzen. Konkret ging es beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart um eine 80-jährige Frau, die auf Sozialhilfe angewiesen war. Im November 2010 erhielt sie für mehrere Monate eine Nachzahlung für eine geringe russische Rente.

Das Sozialamt fasste die Rentenzahlung des gesamten Jahres zusammen, so dass die Frau für den Monat November aus dem Sozialhilfebezug herausfiel. Für diese Zeit meldete das Sozialamt die 80-Jährige bei der AOK an. Danach sollte die Frau wieder in den Sozialhilfebezug kommen.

Das LSG urteilte, dass ab einer einmonatigen Unterbrechung des Sozialhilfebezugs die gesetzliche Krankenversicherung für die Übernahme der Krankheitskosten grundsätzlich zuständig werden könne. Dies gelte aber nicht für "rückwirkend" und nicht für rechtswidrig herbeigeführte Unterbrechungen des Sozialhilfebezugs.

Das Sozialamt durfte daher nicht die gesamten Rentenzahlungen des Jahres 2010 punktuell in einem Monat zusammenfassen und damit den Sozialhilfebezug für einen Monat unterbrechen, entschieden die Stuttgarter Richter. Die Rentnerin müsse daher bei Krankheit und Pflege nicht von der AOK, sondern weiterhin notwendige Hilfeleistungen vom Sozialamt erhalten.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließ das LSG die Revision zum Bundessozialgericht in Kassel zu.

Az.: L 11 KR 5133/14



Amtsgericht

Drei Jahre Haft für Kindesmissbrauch in Kita



Ein 21-jähriger Mitarbeiter einer Kindertagesstätte im südhessischen Pfungstadt ist wegen sexuellem Kindesmissbrauch zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Das Amtsgericht Darmstadt warf am 23. Mai dem ehemaligen Teilnehmer am Bundesfreiwilligendienst vor, im vergangenen Sommer fünf Mädchen im Alter von vier bis sechs Jahren in acht Fällen missbraucht zu haben. Der Angeklagte hatte vornehmlich die Genitalien der Kinder berührt und war auf frischer Tat ertappt worden. Er war als Hausmeister, beim Einkauf und in der Küche beschäftigt.

Mit dem Urteilsspruch folgte das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Wallocha hielt dem Angeklagten ein planvolles Vorgehen vor. Insbesondere habe er das Grundvertrauen von Kindern, Eltern und Erziehern der katholischen Kindertagesstätte erschüttert. Deshalb komme eine Bewährungsstrafe, wie von der Verteidigung gefordert, nicht in Betracht. Mildernd auf das Strafmaß habe sich das Geständnis des Angeklagten ausgewirkt, der damit den Opfern eine Aussage vor Gericht erspart habe.

Der Pflichtverteidiger Manfred Döring sagte nach der Verhandlung, er akzeptiere den Urteilsspruch nicht. Der Angeklagte sei in seiner persönlichen Reife verzögert und gleiche einem 17- oder 18-Jährigen. Eine Haftstrafe zerstöre die weitere persönliche und berufliche Zukunft des Angeklagten. Außerdem sei eine krankhaftsbedingte Neigung im Gefängnis nicht heilbar. Eine Berufung ist vor dem Landgericht Darmstadt möglich.



Oberverwaltungsgericht

Keine unmenschliche Asyl-Behandlung in Italien



Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Nordrhein-Westfalen sieht in Italien keine unzumutbaren Bedingungen für zurückgeschickte Asylbewerber. Über Italien nach Deutschland eingereisten Asylbewerbern drohe dort keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, entschied das Gericht am 19. Mai in Münster. Für Asylbewerber, die in Italien ein erneutes Asylverfahren anstrengten, gebe es keine grundsätzlichen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen.

Bestehende Defizite führten nicht zu dem Schluss, dass jedem Rückkehrer nach Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe, führte das Gericht aus. Hintergrund sind Klagen von Asylbewerbern, die über Italien nach Deutschland eingereist sind, gegen Ablehnungen von Asylanträgen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Nach den Dublin-Verordnungen der Europäischen Union sei der Mitgliedstaat zuständig für das Asylverfahren, über den ein Ausländer in die EU eingereist sei, erklärte das Gericht. Bereits im Jahr 2014 hatte das OVG entschieden, dass in Italien keine systematischen Mängel für rücküberstellte Flüchtlinge anzunehmen seien. Der Senat ließ keine Revision zu. Eine Beschwerde ist möglich, über die dann das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Az.: 13 A 516/14.A



Gerichtshof für Menschenrechte

Großbritannien wegen zu langer Auslieferungshaft verurteilt



Großbritannien ist wegen der übermäßig langen Inhaftierung eines abgelehnten Asylbewerbers vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt worden. Der Iraner hatte insgesamt über viereinhalb Jahre in Auslieferungshaft verbracht, ungefähr ein Jahr davon wurde nun wegen Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention als unrechtmäßig beurteilt, erklärte das Gericht am 19. Mai in Straßburg. Der britische Staat muss dem Mann dafür 7.500 Euro Schadenersatz und 10.000 Euro Auslagenerstattung zahlen.

Der 1971 geborene Iraner war nach Darstellung des Gerichts 2003 nach Großbritannien gekommen und hatte Asyl beantragt, was im Oktober desselben Jahres abgelehnt wurde. In der folgenden Zeit kam der Mann zunächst wegen einer Sexualstraftat ins Gefängnis und sollte danach abgeschoben werden. Stattdessen musste er insgesamt 55 Monate wegen seiner Einwanderung und geplanten Abschiebung in Haft verbringen, insbesondere zwischen März 2005 und Dezember 2007 sowie erneut zwischen Januar 2008 und Dezember 2009.

In der Haft hatte der Mann zunächst einer Abschiebung nach Iran zugestimmt, wie der Menschenrechtsgerichtshof erklärte. Dann aber habe er Vorbehalte geltend gemacht und nicht in der von den Behörden gewünschten Weise kooperiert, vor allem was die Beantragung von Reisedokumenten anging. Zugleich ging der Mann juristisch gegen die Haft vor. Dies führte zu seiner Freilassung und einem Gerichtsurteil in Großbritannien, welches den Behörden fehlende Sorgfalt bei der Bearbeitung des Falles vorwarf und die Haftzeit ab einem bestimmten Zeitpunkt beanstandete.

Großbritannien wurde schon durch das britische Urteil zu Schadenersatz von umgerechnet rund 7.900 Euro verurteilt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschädigte nun einen weiteren Teil der Haftzeit. Ein großer Teil der Haft konnte vor dem europäischen Gericht einer Sprecherin zufolge nicht angefochten werden, weil der Mann für die betreffende Zeit den nationalen Rechtsweg nicht ausgeschöpft hatte.

Az.: 37289/12




sozial-Köpfe

Städtetagsgeschäftsführer Articus im Ruhestand




Stephan Articus
epd-bild/Deutscher Städtetag
Stephan Articus (63), Hauptgeschäftsführer und Geschäftsführendes Präsidial- und Vorstandsmitglied des Deutschen Städtetages und des Städtetages Nordrhein-Westfalen, ist am 24. Mai in Berlin in den Ruhestand verabschiedet worden. Sein Nachfolger wird Helmut Dedy (58).

Stephan Articus war 17 Jahre Hauptgeschäftsführer und Vorstandsmitglied des Deutschen Städtetages und des Städtetages Nordrhein-Westfalen. Der Sozialwissenschaftler trat im März 1992 als Beigeordneter für Jugend, Soziales und Gesundheit in die Dienste der Dachverbände.

Zwischen Februar 1997 und Mai 1999 war Ständiger er Stellvertreter des Hauptgeschäftsführers und Finanzdezernent. Bevor er zum Städtetag kam, war er Beigeordneter der Stadt Lüdenscheid für Soziales, Jugend und Sport. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) dankte ihm "für 24 Jahre lebendige, praxisbezogene, menschlich engagierte Arbeit für den kommunalen Spitzenverband".

Articus' Nachfolger wird am 1. Juni Helmut Dedy, der seit dem Jahr 2012 stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Finanzdezernent ist. Der Jurist und Diplom-Verwaltungswirt war zuvor 14 Jahre lang Beigeordneter für Finanzen und Kommunalwirtschaft sowie stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim Deutschen Städte- und Gemeindebund.

Seine Nachfolge tritt Verena Göppert (54) an, die bisherige Sozialdezernentin des Städtetages. Die Juristin trat nach einer Tätigkeit bei der Stadt Singen (Hohentwiel) 1993 in den Dienst des Städtetages und war Referentin in zwei Fachdezernaten sowie Büroleiterin des Hauptgeschäftsführers, bevor sie 2006 das Amt der Sozialdezernentin übernahm.



Weitere Personalien



Königin Silvia von Schweden hat am 24. Mai in Mönchengladbach den Benediktpreis Nordrhein-Westfalens erhalten. Die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung wurde ihr für ihr soziales Engagement übergeben. Beispielhaft sei die 1999 von der Monarchin ins Leben gerufene World Childhood Foundation, von der auch in Deutschland missbrauchte Kinder oder junge, unbegleitete Flüchtlinge profitierten, sagte die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) in ihrer Laudatio. Das Beispiel der schwedischen Königin sei wichtig in einer Zeit, in der Egoismus und Kälte gegenüber dem Leid von Schwächeren und Hilfsbedürftigen für manchen hoffähig geworden seien, betonte Kramp-Karrenbauer. "In einer Zeit, in der Hilfsbereitschaft, Nächstenliebe und Barmherzigkeit oft genug belächelt, wenn nicht gar verspottet werden." Der Preis, der seit 1968 zunächst jährlich und seit 1990 alle zwei Jahre vergeben wird, soll den Angaben zufolge an die christlichen Wurzeln Europas erinnern. Der Name verweist auf Benedikt von Nursia (um 480 bis 547), den Gründer des Benediktiner-Ordens, der heute auch als Schutzpatron Europas verehrt wird.

Ilona Kickbusch ist in Genf bei der Weltgesundheitsversammlung mit Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet worden. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) übergab den Orden und würdigte Kickbusch als "eine der führenden und weltweit anerkanntesten Expertinnen auf dem Feld der Gesundheitspolitik". Im Anschluss an ihre Tätigkeit bei der Weltgesundheitsorganisation von 1980 bis 1998 war sie zwischen 1998 und 2004 Professorin an der Yale University. Derzeit ist sie als selbständige Beraterin für öffentliche Gesundheit und Professorin am Graduate Institute of International and Development Studies in Genf tätig, wo sie das Global Health Programme leitet.

Thomas Middelhoff, der wegen Untreue und Steuerhinterziehung verurteilte Manager, arbeitet wieder als Hilfskraft bei den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Der ehemalige Arcandor-Chef verbüßt seine Haftstrafe nun im offenen Vollzug, sagte Bethel-Sprecher Jens Garlichs am 23. Mai dem Evangelischen Pressedienst. Middelhoff ist nach gut einwöchiger Unterbrechung erneut zum Dienst in einer Werkstatt für behinderte Menschen in Bielefeld-Eckardtsheim erschienen. Er hatte am 13. Mai seine dreijährige Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne angetreten. Während eines mehrtägigen Zugangsverfahrens hatte er das Gefängnis nicht verlassen dürfen. Nun ist Middelhoff Freigänger, der tagsüber außerhalb der Anstalt arbeiten darf. Bereits Anfang Mai hatte der frühere Bertelsmann- und Arcandor-Chef seinen Hilfsdienst in Bethel angetreten, den er für den Haftantritt unterbrechen musste.

Ingo Kraft, Richter und Honorarprofessor, übernimmt den Vorsitz am 6. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts. Der Senat ist unter anderem für das Staatskirchenrecht sowie für Streitigkeiten über Sonn- und Feiertagsarbeit zuständig. Kraft folgt auf Werner Neumann, der zum 1. Mai in den Ruhestand verabschiedet worden war. Seit 2007 gehörte Kraft dem 1. Revisionssenat für Asyl- und Ausländerrecht an.

Waltraud Matern (89), Sozialarbeiterin und Reformerin der Psychiatrie im Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), ist mit einem Buch geehrt worden. Ihre Erinnerungen in der Publikation "Sozialarbeit in der Psychiatrie" veranschaulichten wichtige Etappen der Wohlfahrts- und Psychiatriegeschichte der 60er bis 80er Jahre, erklärte der LWL am 19. Mai in Münster. Matern habe die marode psychiatrische Versorgung seit den 60er Jahren mit Gleichgesinnten hinterfragt und sie therapeutisch, rehabilitativ und gemeindenah ausgerichtet. Ihr Ziel sei der humane Umgang mit seelisch Kranken gewesen. 1960 bis 1980 arbeitete Matern in den damaligen Landeskrankenhäusern und heutigen LWL-Kliniken Lippstadt Eickelborn und Marsberg. Bis zu ihrer Pensionierung 1992 war sie danach in der zentralen Psychiatrie-Beschwerdekommission des LWL tätig.

Klaus Johann Niehaus hat die Leitung der Leber- und Pankreaschirurgie im diakonischen Albertinen-Krankenhaus in Hamburg übernommen. Niehaus stammt aus Oldenburg und hat seine Ausbildung zum Chirurgen in Bonn und Hannover absolviert. 20 Jahre lang war der Oberarzt dann als Leiter des Zentrums für Pankreaskarzinomchirurgie an der Asklepios Klinik Barmbek tätig.




sozial-Termine



Die wichtigsten Fachveranstaltungen bis Juli

Juni

1.6. Leipzig

Tagung "Alternative Finanzierungsformen in der Sozialwirtschaft"

der Deutschen Gesellschaft für Management und Controlling in der Sozialwirtschaft

in Kooperation mit den Sozialforen Leipzig

Tel.: 02642/932-409

www.dgcs.de

2.-3.6. Paderborn:

Seminar "Sterben Menschen mit Demenz anders? Begleitung und Bedürfnisse am Lebensende"

der IN VIA Akademie

Tel.: 05251/290838

www.invia-akademie.de

9.6. Münster:

Seminar "Erfolg durch optimale Personalsteuerung in der Altenhilfe"

der BPG Unternehmensberatungsgesellschaft

Tel.: 0251/48204-12

www.bpg-muenster.de/seminarangebote-bpg-unternehmensgruppe

9.6. Berlin:

Seminar "Der steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in der Sozialwirtschaft"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

www.bfs-service.de

13.-15.6. Bonn:

Seminar "Interventionen in der Paar- und Familienberatung - humorvoll, lösungsorientiert, provokant"

des Sozialdienstes katholischer Frauen

Tel.: 0231/5570260

14.6. Frankfurt a.M.:

Fachtag "Vom Kind aus denken?! Inklusives SGB VIII"

des Evangelischen Erziehungsverbandes mit Kooperationspartnern

Tel.: 0511/390881

www.erev.de

14.6. Essen:

Fachberatungstag "Gemeinsam aktiv im Sozilaraum"

der Diözesancaritasverbände

www.caritas-nrw.de/veranstaltungen

15.-17.6. Brüssel:

Seminar "Die EU und die Caritas: Was die EU für die Caritasarbeit in Deutschland bedeutet"

der Fortbildungs-Akademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/200-1700

www.fak-caritas.de

21.6. Köln:

Fachtag "Demografiefeste Caritas?"

des Deutschen Caritasverbandes, Projektbüro Demografie-Initiative

Tel.: 0761/200-524

21.6. Stuttgart:

Seminar "Datenschutz - ein Managementthema für soziale Einrichtungen"

der Paritätischen Akademie Süd

Tel.: 07961/959881

21.6. Frankfurt a.M.:

Seminar "Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - aktuelle

gesetzliche Entwicklungen 2016"

der Arbeitsgemeinschaft caritativer Unternehmen (AcU)

Tel.: 0228/9261660

www.a-cu.de

22.6. Köln:

Workshop "Kostenträgerrechnung in der Somatik: Theorie und Praxis"

der Solidaris Unternehmensgruppe

Tel.:02203/8997-221

www.solidaris.de

22.6. Berlin:

3. CKiD-Jahrestagung "Für die Ewigkeit? Christliche Krankenhäuser zwischen Transformation und Beharrlichkeit"

der Christlichen Krankenhäuser in Deutschland

Tel.: 030/8019860

www.christliche-krankenhaeuser.de

22.6. Mainz:

Forum "Teilen! Bringt's das? Share Economy - Fragen, Gedanken, Erfahrungen"

des Zentrums für Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN

Tel.: 06131/2874410

www.zgv.info/start.html

23.6. Münster:

Seminar "Spenden und Sponsoring"

der BPG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Tel.: 0251 / 48204-12

www.bpg-muenster.de/seminarangebote-bpg-unternehmensgruppe

24.6. Altenkundstadt:

Seminar "Herausforderndes Verhalten bei Menschen mit Demenz"

des Caritasverbandes für die Erzdiözese Bamberg

Tel.: 0951/8604401

www.caritas-bamberg.de

28.6. Köln:

Seminar "Stationäre Altenhilfe: Von der APG DVO NRW bis zum PSG II"

der Solidaris Unternehmensgruppe

Tel.: 02203/8997-221

www.solidaris.de

28.6. Frankfurt a.M.:

Fachtag "Datenschutz in der Erziehungshilfe"

des Bundesverbandes katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfe

Tel.: 0761/200-756

www.bvke.de

28.6. Essen:

Fachtag "Welten treffen aufeinander"

der Caritas-Ehrenamtkoordination in NRW

www.caritas-nrw.de/Veranstaltungen

30.6. Bad Kreuznach:

Fachtagung "Balance halten" – Ethikforum zum Thema Resilienz

der Stiftung kreuznacher diakonie

Tel.: 0671/605-3260

www.kreuznacherdiakonie.de

30.6.-1.7. Berlin:

Interdisziplinäre Fachtagung "Fetale Alkoholspektrumstörungen (FASD) - Eine Herausforderung für die Hilfesysteme"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie und mehrerer Partner

Tel.: 030/48837388

www.ba-kd.de

Juli

4.7. Berlin:

Seminar "Betriebsprüfungen optimal vorbereiten, professionell begleiten, Nachzahlungen vermeiden"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

www.bfs-service.de

4.-6.7. Bad Boll:

Erwerbslosentagung 2016 "Bezahlbar wohnen!"

der Evangelischen Akademie Bad Boll

Tel.: 07164/790

www.ev.-akademie-boll.de

4.-7.7. Bergisch Gladbach:

Seminar "Auf ein Wort - Beratung: kurz, knapp, sofort"

der Fortbildungsakademie der Caritas

Tel.: 0761/200-1700

www.fak-caritas.de

7.7. Münster:

Seminar "Fit für die Zukunft - ist der Verein die geeignete Rechtsform für die Träger der Sozialwirtschaft? Umstrukturierungen von Trägern aus dem Bereich der Lebenshilfe"

der BPG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Tel.: 0251/48204-12

www.bpg-muenster.de/seminarangebote-bpg-unternehmensgruppe

13.7. Bad Boll:

Tagung "Soziale Vernatwortung im Umgang mit Bestandsimmobilien. Beste Praxis"

der Akademie Bad Boll mit Kooperationspartnern

Tel.: 0716/4790

www.ev-akademie-boll.de

15.7. Karlsruhe:

Kongress "Eltern sein - Eltern bleiben: Rahmenbedingungen für gemeinsam oder getrennt erziehenden Eltern und die Rolle der familialen Professionen"

des VAfK-Landesvereins Baden-Württemberg

Tel.: 0170/8004615

www.vaeteraufbruch.de